Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann es völlig emotionslos machen. Ich bin dem Kollegen Meinhold für diesen Antrag der SPD dankbar. Der Tagesordnungspunkt heißt „Entwurf eines Gesetzes zur Aufhebung des Verbots, Gesamtschulen zu errichten“. Nach seinen Ausführungen geht es ihm überhaupt nicht darum, dass abgewiesene Kinder aufgenommen werden sollen, sondern schlicht und einfach darum, die Schulstrukturdebatte zu beleben und weiter am Kochen zu halten.
Sie mögen von dem Kongress in Hannover mitgenommen haben, dass diese Diskussion bundesweit geführt wird. Ich sage Ihnen aber in aller Klarheit: Hier in Niedersachsen haben genau diejenigen, die mit Schulstrukturreformfragen zu tun haben, die Nase gestrichen voll, darüber zu sprechen. Die sind damit durch!
Wir unterscheiden uns in drei wesentlichen Dingen, sehr verehrter Herr Kollege Meinhold: Sie wollen langfristig die Einheitsschule, wir wollen das nicht. Sie wollen über Organisation diskutieren, wir wollen über Weiterentwicklung von Qualität sprechen. Sie haben in der Vergangenheit die Gesamtschulen bevorzugt, wir haben Gerechtigkeit hergestellt.
Frau Eckel hat in der ersten Beratung noch darüber gesprochen, wie es in Schleswig-Holstein aussieht. Ein Artikel in der Welt von gestern sagt dazu etwas Bemerkenswertes. Unter der Überschrift „Realschüler wollen keinen Unterricht mit Hauptschülern“ heißt es, dass Realschüler in Lübeck und Kiel zu Tausenden auf die Straße gehen und erklären, sie wollten ihr gegliedertes System beibehalten.
(Walter Meinhold [SPD]: Das ist ja noch schlimmer, was Sie sagen! Mer- ken Sie das denn nicht? - Weitere Zu- rufe von der SPD und von den GRÜ- NEN)
- Verehrte Frau Helmhold, hier steht: „Grüne zeigen Verständnis für die Proteste“. Das kommt noch hinzu.
Ich möchte Ihnen in aller Klarheit sagen: Das dreigliedrige Schulsystem wird von uns nach wie vor getragen, weil es begabungsgerecht ist.
Am Ende möchte ich Herrn Meinhold noch eines mit auf den Weg geben. Ich glaube, Sie sind bei dem Kongress nicht dabei gewesen.
Wenn doch, wäre es ausgesprochen wichtig gewesen, bis zum Ende zu bleiben. Der Vertreter der Bertelsmann-Stiftung hat auf diesem Bildungskongress zusammenfassend gesagt, es gehe nicht an, dass man einfach nur eine Gesamtschule übernimmt und die Struktur für die Gesamtschulen schafft. Dazu gehöre eine Menge mehr: die Lehrerausbildung, die frühkindliche Bildung und, und, und.
Deswegen sagen ich Ihnen in aller Klarheit: Vergessen Sie es mit der Schulstrukturreform! Wir werden das, was wir begonnen haben, erfolgreich fortsetzen. Unter dem Strich wird ein Ergebnis herauskommen, das sich sehen lassen kann.
Danke schön, Herr Kollege Schwarz. - Für eine Kurzintervention hat sich jetzt Herr Kollege Meinhold zu Wort gemeldet. - Bitte schön.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Schwarz, zum wiederholten Male haben Sie jetzt „Schluss mit der Strukturdebatte“ gefordert. Sie von CDU und FDP - Herr Meinhold hat darauf hingewiesen - haben diese Debatte doch als Erste und mit Vehemenz angestoßen. Von Ihnen kommt diese Strukturveränderung, die jetzt dafür gesorgt hat, dass die Hauptschulen gegen die Wand fahren.
- Überall. Schauen Sie sich an, wie in allen Landkreisen dreizügige Hauptschulen auf einzügig heruntergehen, wie die Prozentsätze heruntergehen.
Das System, das Sie jetzt geschaffen haben, ist nicht dreigliedrig, sondern mindestens viergliedrig. Immer vergessen Sie die Förderschulen.
Es ist außerdem nicht gerecht. Dazu trage ich noch ein kleines Zitat aus der Tagung vor, bei der wir beide gewesen sind. Dort führte Bischof Huber wörtlich aus:
„Bildungschancen in unserem Bildungssystem sind unter dem Gesichtspunkt der Befähigungsgerechtigkeit und der Solidarität zu prüfen. Wer sich als Christ taub stellt, wenn die Ungerechtigkeit zum Himmel schreit, beschädigt sich selbst und verleugnet seinen Glauben.“
„Der Schmerzpunkt, an dem es richtig weh tut, ist das uneingelöste Versprechen der Chancengerechtigkeit. Deutschland ist erwiesenermaßen Weltmeister im Aussortieren und Separieren.“
Danke schön, Herr Poppe. - Herr Kollege Schwarz von der FDP-Fraktion möchte antworten. Anderthalb Minuten! - Herr Kollege Schwarz, Sie haben das Wort.
Herr Kollege Poppe, wir können uns durchaus trefflich darüber streiten; die einen sind für das dreigliedrige System, die anderen für das Gesamtschulsystem. Aber eines geht nicht: Wir können uns nicht gegenseitig vorwerfen, dass die einen schlecht und die anderen gut seien. Wir haben bei den Hauptschulen hervorragende Ergebnisse, die zur Kenntnis genommen werden müssen. Ich bitte Sie, das, was Sie hier in diesem Hause sagen, auch denjenigen zu sagen, die in den Hauptschulen erstklassige Arbeit leisten und sich für ihre Kinder einsetzen, vor allen Dingen den Rektoren und Schulleitungen, die dafür stehen, ihre Schüler gut vorbereitet in ein Berufsleben zu schicken, in dem sie auch Erfolge haben können. Mensch, akzeptieren Sie das doch einmal!
Herr Meinhold hat gesagt, die Hauptschulen wolle er abschaffen, die solle es nicht mehr geben. Das unterscheidet uns. Wir lassen Gesamtschulen zu, Sie aber lassen das dreigliedrige Schulsystem nicht zu.
Herzlichen Dank. - Herr Kollege Meinhold, Sie haben nicht mehr die Möglichkeit zu einer Kurzintervention, weil Herr Kollege Poppe dieses Recht in Anspruch genommen hat. Es darf für jede Fraktion jeweils nur einer sprechen. Auf die Antwort erteile ich nicht noch einmal die Möglichkeit zu einer Kurzintervention.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Man ist doch immer wieder erstaunt, wie viel Leidenschaft bildungspolitische Diskussionen auch an einem fortgeschrittenen Abend entfachen können. Herr Meinhold, soll ich Ihnen einmal etwas ehrlich sagen?
Kluge Wahlkämpfer halten das Pulver noch ein wenig trocken. Im Laufe des nächsten Jahres wird es sicherlich einiges mit Ihnen zu besprechen geben. Ich könnte Ihnen schon jetzt einiges sagen, was vor allem für Herrn Jüttner wichtig wäre, damit er nicht jedes Himmelfahrtskommando mitmacht. Aber egal.
Ich habe nicht an der Veranstaltung teilgenommen, bei der Bischof Huber vor einigen Tagen gesprochen hat, obwohl ich dort später noch ein kurzes Grußwort gesprochen habe. Ich kenne allerdings die jüngste Schrift der evangelischen Kirche zur Bildungssituation in Deutschland und habe auch Diskussionsveranstaltungen dazu mitgemacht. Auch die Forderung nach Bildungsgerechtigkeit kann ich absolut teilen. Ich möchte Ihnen daher beinahe die Wette antragen, dass Bischof Huber in seinem Beitrag nicht expressis verbis hier die Gesamtschulen, die integrativen Systeme, und dort das gegliederte Schulsystem gegenübergestellt hat. An dieser Stelle interpretieren Sie den Redner völlig falsch.
Die evangelischen Kirchen haben eine solche Gegenüberstellung in ihrer Schrift nicht vorgenommen, und Bischof Huber wird so klug gewesen sein, das nicht in seiner Rede zu tun. Seien Sie also ein bisschen vorsichtiger, wenn Sie Persönlichkeiten wie Bischof Huber in diesem Zusammenhang zitieren.
Ich war eigentlich der Auffassung - das haben wir mit den Gesetzesberatungen 2003 klar gemacht -, dass die 30jährige leidige, ideologiebefrachtete Debatte über die Schulstruktur irgendwann einmal beendet sein sollte.