Protokoll der Sitzung vom 07.03.2007

Damit eröffne ich die Beratung. Von der CDUFraktion hat sich Herr Kollege Böhlke zu Wort gemeldet. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Strukturwechsel, der mit der Veräußerung der niedersächsischen Landeskrankenhäuser einhergeht, ist notwendig, damit die niedersächsischen Landeskrankenhäuser auch in Zukunft gut aufgestellt sind; denn alle bisherigen Anstrengungen der alten Landesregierung haben nicht ausgereicht, um die Landeskrankenhäuser und damit die psychiatrische Versorgung in Niedersachsen zukunftsfähig zu machen.

Patientenzahlen und Verweildauern im Maßregelvollzug sind durch bundesrechtliche Regelungen seit Jahren unaufhaltsam gestiegen. Die Gesamtkosten haben sich für das Land seit 1989 mehr als vervierfacht. Daher hat sich die Landesregierung im Jahre 2005 entschlossen, die Landeskrankenhäuser in private Trägerschaften zu überführen, um die Versorgung in Niedersachsen auch in Zukunft sicherzustellen. Dabei handelt es sich um einen notwendigen Schritt, der seitens der CDUFraktion nur unterstützt werden konnte.

Durch die Überführung der Trägerschaft an den Landeskrankenhäusern stellen wir sicher, dass die Qualität der psychiatrischen Versorgung in Niedersachsen auch weiterhin gewährleistet sein wird. Dies war und ist oberstes Ziel des gesamten Verfahrens, über dessen Abschluss wir heute zu entscheiden haben.

(Zustimmung bei der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Laufe des Verfahrens ist seitens der Opposition immer wieder Kritik an der Entscheidung geübt worden, die Landeskrankenhäuser zu privatisieren. Darüber hinaus wurde die Transparenz des Verfahrens infrage gestellt. Ich möchte kurz auf die geäußerten Vorwürfe eingehen.

Die Entscheidung, die Landeskrankenhäuser zu privatisieren, wurde aus den eingangs erwähnten Gründen getroffen. Hierbei hat sich die Landesregierung entgegen anders lautenden Behauptungen nicht primär von finanziellen Interessen leiten lassen. Für die Entscheidungen im Bieterverfahren standen vielmehr die medizinische Komponente

sowie die nachhaltige Sicherung der psychiatrischen Versorgung im Vordergrund.

(Beifall bei der CDU - Christa Elsner- Solar [SPD]: Wenn ich es nicht besser wüsste!)

Dies ist auch aus der Gewichtung der einzelnen Kriterien ersichtlich, welche zur Grundlage der Zuschlagsentscheidung gemacht wurden. Einen solchen Ansatz der Qualitätssicherung kann man der jetzigen Opposition nicht gerade attestieren, meine Damen und Herren. Ich möchte nur daran erinnern, dass bereits im Jahre 2002 die damalige Landesregierung in ihrem Katalog der zur Veräußerung vorgesehenen Immobilien auch den Verkauf der niedersächsischen Landeskrankenhäuser in Erwägung gezogen hat.

(Christa Elsner-Solar [SPD]: Aber sie hat eingesehen, dass das nicht gut ist!)

Gestützt auf ein Gutachten des Beratungsunternehmens Roland Berger mit dem Titel „Prüfung der Konsolidierungspotenziale für den niedersächsischen Landeshaushalt“ sollten die Landeskrankenhäuser - darauf kommt es jetzt sehr an - aus rein finanziellen Interessen veräußert werden.

(Uwe Schwarz [SPD]: Kennen Sie auch das Ergebnis?)

Wer damals schon die Einrichtungen nur des Geldes wegen verkaufen wollte, sollte sich nun etwas bedeckt halten, wenn es um eine Veräußerung zur nachhaltigen Sicherung der psychiatrischen Versorgung geht. Noch vor Jahren erschien Ihre Hemmschwelle deutlich niedriger zu liegen, meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion.

Durch die Übertragung der Trägerschaft für die heute zur Entscheidung anstehenden Landeskrankenhäuser stellen wir die Einrichtungen für die Zukunft gut auf und schaffen damit auch langfristig eine tragfähige und wohnortnahe Struktur der psychiatrischen Grundversorgung in Niedersachsen. Das gesamte Transaktionsverfahren war entgegen der Behauptung der Opposition von strengen, formalen Kriterien geprägt und bot ein Höchstmaß an Transparenz.

(Zustimmung bei der CDU - Dr. Gab- riele Andretta [SPD]: Sie glauben aber auch alles, was man Ihnen erzählt!)

- Ich glaube nicht nur alles, wir haben es im Ausschuss auch begleitet. Deshalb können wir hier fachlich durchaus etwas dazu sagen. - Im Übrigen, meine Damen und Herren, sind wir nicht die Ersten, die die Landeskrankenhäuser in andere Trägerschaften überführen. Wir haben aber sehr wohl aus den Erfahrungen so manch anderer Bundesländer gelernt und daraus unsere richtigen und klugen Schlüsse gezogen.

(Beifall bei der CDU)

Das förmliche Bieterauswahlverfahren begann mit der Veröffentlichung im EU-Amtsblatt Anfang Mai 2006, mit der alle Interessierten aufgefordert wurden, Teilnahmeanträge einzusenden. Die zugelassenen Teilnehmer erhielten daraufhin eine Angebotsaufforderung, in der detailliert beschrieben wurde, nach welchen Kriterien und mit welchen Gewichtungen die Zuschlagserteilung erfolgen wird. Dabei kommt es sehr darauf an, dass diese Kriterien wie folgt proportioniert wurden: das medizinische Konzept mit 45 %, der Kaufpreis mit lediglich 35 %, das Personalkonzept mit 10 % und die Absicherung des Landes gegen finanzielle Risiken mit 10 %.

(Beifall bei der CDU)

Den Zuschlag erhielten die Bieter, die insgesamt das wirtschaftlichste Konzept für den Betrieb der jeweiligen Einrichtung vorlegten - nicht die Bieter, die den höchsten Preis anboten. An der Transparenz des Bieterverfahrens kann hier wohl überhaupt kein Zweifel bestehen.

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, an dieser Stelle bedanke ich mich ausdrücklich bei den Vertretern des Sozialministeriums, des Finanzministeriums und des Lenkungsausschusses für die hervorragende und rechtlich einwandfreie Durchführung dieses Transaktionsverfahrens.

(Beifall bei der CDU)

Das Bieterverfahren, über das wir heute abstimmen, zeigt im Ergebnis, dass wir entgegen allen geäußerten Befürchtungen eine ausgewogene Vielfalt der neuen Träger erreicht haben. Es ist nicht zu einer Radikalprivatisierung gekommen, wie sie schwarzmalerisch sowohl von den Oppositionsfraktionen als auch von ver.di immer wieder vorhergesagt wurde. Im Gegenteil: In Lüneburg geht die Trägerschaft auf die Stadt und in Olden

burg auf den Psychiatrieverbund Oldenburger Land über. Dabei handelt es sich um regional verankerte Träger. An dieser Stelle erwähne ich auch, dass für das Krankenhaus in Königslutter die AWO - die Arbeiterwohlfahrt - den Zuschlag bekommen hat.

(Zustimmung bei der CDU)

Forderungen der Opposition jedoch, die eine Vergabe nur an regionale Träger vorsehen, widersprechen unserem Verständnis von einem offenen und gleichberechtigten Verfahren, wie es auch das Vergaberecht vorsieht.

Die sachliche Bewertung der abgegebenen Konzepte mit gleichen Maßstäben für alle Bewerber hat dazu geführt, dass sich nur die besten Konzepte ungeachtet der Form des Trägers zugunsten der Qualität durchgesetzt haben.

(Zustimmung bei der CDU)

Meine Damen und Herren, neben der Bewertung der wirtschaftlichen Konzepte ist es ein ganz wichtiges Anliegen unsererseits gewesen, die Rechte der Angestellten zu berücksichtigen und zu bewahren. Dies wird durch umfangreiche und rechtsverbindliche Verpflichtungen der neuen Träger umfassend gewahrt. Der Personalüberleitungstarifvertrag, die Verpflichtung zur Fortführung der vorhandenen Ausbildungsplätze sowie die zehnjährige Sperrklausel zur Weiterveräußerung sichern nachhaltig die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin mir sicher, dass wir mit der heutigen Entscheidung den notwendigen Beitrag zur nachhaltigen Sicherung der psychiatrischen Versorgung in Niedersachsen leisten, den wir unserem Land schuldig sind. Daher wird die CDU-Fraktion dem Antrag der Landesregierung zustimmen und die Anträge der Oppositionsfraktionen ablehnen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke schön, Herr Böhlke. - Für die SPD-Fraktion hat nunmehr Herr Kollege Schwarz das Wort. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im vergangenen Monat haben CDU und FDP im Zusammenhang mit der Privatisierung der Landeskrankenhäuser hier im Landtag zwei verfassungswidrige Gesetze verabschiedet. Dies ist der Regierung offensichtlich auch voll bewusst - ich hoffe, den Koalitionsabgeordneten auch. Nicht umsonst sind in die Verkaufsverträge bereits Vereinbarungen für den Fall eingefügt worden, dass das Maßregelvollzugsgesetz und das Psychiatriegesetz vor dem Verfassungsgericht erfolgreich beklagt werden. Dies ist sicherlich ein sehr seltener Vorgang und, wie ich finde, auch ein äußerst bemerkenswerter Vorgang.

(Beifall bei der SPD)

Heute nun wollen Sie die ersten sechs Landeskrankenhäuser für 83,3 Millionen Euro verscherbeln. Aber damit wird dieses Thema nicht zu Ende sein. Die Regierung Wulff begeht mit dem Verkauf einen eindeutigen, wenn auch nicht ihren ersten Wortbruch. Ich verspreche Ihnen: Wir werden dafür sorgen, dass die Menschen dies genau wie beim Blindengeld nicht vergessen. Am 2. April 2003 bestritten die damalige CDU-Ministerin Frau von der Leyen und die CDU jede Privatisierungsabsicht. Frau von der Leyen erklärte:

„Die Landesregierung sieht keinen Anlass, die öffentliche Trägerschaft der Landeskrankenhäuser infrage zu stellen.“

Im Februar 2005 spricht sich der Landesrechnungshof gegen eine Privatisierung und für zwei Anstalten des öffentlichen Rechts aus.

(Bernd Althusmann [CDU]: Das stimmt so nicht! Er schließt u. a. eine Privatisierung nicht aus!)

Gleichzeitig wirft der Landesrechnungshof der amtierenden Sozialministerin schwerwiegende Versäumnisse vor. Ich zitiere:

„Wir haben nicht feststellen können, dass das Sozialministerium bisher die notwendigen Strategien entwickelt hat, um für die Veränderungen gerüstet zu sein. Es fehlt eine notwendige Steuerung, und es gibt auch kein Konzept für das operative Controlling.“

So der Landesrechnungshof.

(Bernd Althusmann [CDU]: Das bezog sich auf Ihre Regierungszeit!)

- Nein, das ist von 2005.

Das heißt, zweieinhalb Jahre lang hat diese Landesregierung den Menschen erklärt, dass eine Privatisierung nicht infrage kommt. Dabei hatte sie hinter den Kulissen längst knallhart den Verkauf vorbereitet. Meine Damen und Herren, Sie haben die Öffentlichkeit, die Patientinnen und Patienten, aber vor allem die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gezielt und bewusst getäuscht.

(Beifall bei der SPD - Norbert Böhlke [CDU]: Das stimmt so nicht!)

Niemand in der Fachszene hat diese Privatisierung unterstützt. Ganz im Gegenteil, der geballte Fachverstand hat Sie eindringlich davor gewarnt. Herr Böhlke, weil Sie gerade auf die Regierung Gabriel eingegangen sind: Die Regierung Gabriel hat den geballten Fachverstand zur Kenntnis genommen und die Privatisierung sehr schnell ad acta gelegt. Sie waren da leider beratungsresistent.

(Beifall bei der SPD - Bernd Althus- mann [CDU]: Wie viele Tage vor der Wahl war das noch, Herr Schwarz?)

- Drei Monate. Soll ich Ihnen auch noch die Briefe herausholen, die Ihr Generalsekretär geschrieben hat? An Ihrer Stelle wäre ich ganz still.

Die niedersächsischen Landeskrankenhäuser sind hoch profitable Unternehmen. Ausweislich der vorgelegten Beschlussvorlage haben sie allein im Jahre 2005 über 320 Millionen Euro Umsatz und 4 Millionen Euro Gewinn erzielt. Von der ersten Minute an hat allerdings die Regierung Wulff den Gewinn der Häuser einkassiert und die notwendigen Sanierungsmaßnahmen schleifen lassen.