Protokoll der Sitzung vom 08.03.2007

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Die heute schon beängstigend großen Lkw auf unseren Straßen um weitere sechseinhalb Meter zu verlängern und in der angestrebten Praxisanwendung außerdem 50 % schwerer werden zu lassen, führt völlig in die falsche Richtung.

(Dr. Philipp Rösler [FDP]: Das wollen wir nicht!)

Die 40-t-Beschränkung im Versuch ist doch nur den rechtlichen Problemen geschuldet, die Sie mit dem Betrieb der Monster-Lkw haben, solange der Bund nicht mitzieht. Die vom Minister vorgebrachten Argumente, mit Gigalinern werde der Transport von mehr Gütern mit weniger Lkw möglich, die Straßen würden entlastet und es werde ein Beitrag zum Umweltschutz geleistet, erweist sich als bewusste Irreführung von Öffentlichkeit und Parlament.

Eine Studie für den Verband der Deutschen Verkehrsunternehmen (VDV) von der Beraterfirma

TIM CONSULT warnt vor einer drohenden Rückverlagerung von Schwerlastverkehr von der Schiene auf die Straße durch Gigaliner.

(Zuruf von Brunhilde Rühl [CDU])

Durch die Kosteneinsparung bei Personal, Maut und Kraftstoff beim Einsatz der Monster-Lkw würden im Markt über 50 % des bisherigen kombinierten Verkehrs bei der Bahn wegbrechen, Frau Rühl. Das ist durchaus plausibel - rein marktwirtschaftlich gesehen. Der vermeintliche ökologische Gewinn durch weniger Lkw-Fahrten für gleich viel Ladung konterkariert sich durch die Marktmechanismen somit durch noch mehr Riesen-Lkw bei weniger Bahntransporten selbst. Der VDV prognostiziert bis zu 1,3 Millionen zusätzliche LkwFahrten pro Jahr, wenn die Monstertrucks bei uns offiziell zugelassen werden.

Herr Abgeordneter Hagenah, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Bode?

Ja. Der kennt sich mit Lkw unheimlich gut aus. Das finde ich interessant.

(Zuruf von der CDU: Der ist Lkw- Fahrer!)

Herr Kollege Hagenah, ich habe eine Frage vor dem Hintergrund Ihrer Aussagen zu dem Umweltschutzaspekt des Gigaliners und der Klimaschutzdebatte, die wir heute Morgen geführt haben. Können Sie uns darlegen, wie die CO2-Bilanz aussieht, wenn man ein Gut von 40 t mit drei normalen Lkw oder mit einem Gigaliner transportiert?

(Zustimmung bei der FDP)

Erst einmal zur Korrektur, Kollege Bode: Die Ladung für drei normale Lkw passt nicht auf einen Gigaliner; dann müssten Sie ihn dreimal so lang machen. Die Ladung für drei normale Lkw passt auf zwei Gigaliner. So viel zur Korrektheit des Vergleichs.

Das Entscheidende an der Lage ist - das habe ich gerade ausgeführt -, dass im Endeffekt das Billi

gerwerden des Lkw-Transports - Einsparen des dritten Fahrers, Einsparen der dritten Maut, zugegebenermaßen Einsparen der zusätzlichen Dieselkosten für den dritten Lkw - unglücklicherweise, so das Gutachten des VDV, enorme Verluste auf der Schiene bedeutet.

(Heinz Rolfes [CDU]: Das ist ja Quatsch!)

Wenn auf der Schiene weniger und auf der Straße mehr fährt, Herr Bode, dann ist der Modellversuch „drei Lkw werden durch zwei ersetzt“ so nicht zulässig, weil die nicht unter Laborbedingungen, sondern unter den Bedingungen der Marktwirtschaft fahren; man muss das Gesamtsystem betrachten. Das merkt man, wenn man sich näher mit dem Verkehr auseinandersetzt und das nicht nur am Schreibtisch tut.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Verkehrswissenschaftler und die Bundesanstalt für Straßenwesen warnen vor Gigalinern wegen des erhöhten Fahrwegverschleißes - das ist vielleicht auch für Finanzpolitiker interessant, Herr Rolfes -, erhöhter Unfallgefahren durch die Überlänge sowie der Gefährdungen für die Tragfähigkeit von Brücken und für das Rückhaltevermögen von Leitplanken - damit bestehen extreme Gefahren, dass so ein Gigaliner auf die Gegenfahrbahn rast, wenn er wirklich aus dem Ruder gerät. Probleme entstehen auch auf Park- und Rastplätzen, engen Fahrspuren, Kreuzungen, Kreisverkehren und Eisenbahnübergängen. Auch ADAC und ACE - Herr Bode, nicht gerade grüne Parteiorgane - sind dagegen, dass einige Spediteure ihre Transportkosten mit Gigalinern um etwa 25 % senken und damit ihre Gewinne auf Kosten der Steuerzahler hochfahren können. Die Steuerzahler müssen für die Behebung der vermehrten Schäden auf den Straßen aufkommen. Nach Ansicht von Verkehrsexperten verschleißt ein einziger 40-Tonner unsere Straßen so stark wie 1 000 Pkw.

(Hermann Eppers [CDU]: Es bleibt doch bei 40 t!)

Steigt das Gewicht noch weiter an - ich komme gleich dazu, warum das Gewicht trotzdem steigt, Kollege Eppers -, steigt auch die Torsionskraft, die die Straße bei Beschleunigungs- und Bremsvorgängen entsprechend stärker angreift, exponentiell weiter an. Die Erneuerungszyklen für die Fahrbahndecken auf unseren Hauptverkehrsstraßen

verkürzen sich damit sicherlich erneut. Nicht nur deshalb hält die Bundesregierung Niedersachsens Versuch von Anbeginn an für rechtswidrig und legte nun ein Gutachten von K+P-Transport Consultants nach, das in wesentlichen Punkten die negativen Auswirkungen der übrigen Stellungnahmen bestätigt.

Es ist daher höchste Zeit, dass wir als Parlament das Heft des Handelns an uns ziehen und der überwiegenden Stimmung in Fachwelt und Bevölkerung gegen die Monster-Lkw nachkommen. Nach einer ADAC-Umfrage befürchten nämlich 90 % der Menschen, dass die Gigaliner die Straßen unsicherer machen. Das sind auch Ihre Wähler. 75 % lehnen den weiteren Einsatz von Gigalinern auf Straßen ganz ab.

(Hermann Eppers [CDU]: Wartet doch den Versuch ab!)

Selbst in der Transportwirtschaft hätten, so heißt es, nur einige wenige große Spediteure kurzfristig Vorteile durch die Riesenlaster, Herr Eppers.

(Hermann Eppers [CDU]: Da sind wir uns ja einig!)

Mittelfristig würde aber ein umfassender Preis- und Verdrängungswettbewerb hin zu den Riesenlastern die ganze Branche erfassen.

(Hermann Eppers [CDU]: Das stimmt!)

Genau wegen dieses harten Wettbewerbs im Transportbereich ist eine dauerhafte Beschränkung der Tonnage, wie jetzt in der Versuchsphase zwangsläufig vorgegeben, für den Dauerbetrieb dieser Riesen-Lkw weder praktikabel noch glaubwürdig. Schon heute - so haben Stichproben des VDV ergeben - werden die bisherigen TonnageBeschränkungen vielfach überschritten. Es wird so viel geladen, wie der Wagen eben tragen kann.

(Hermann Eppers [CDU]: Wer macht denn so etwas?)

- Nicht gesetzestreue Kollegen von Ihnen, Herr Eppers.

(Hermann Eppers [CDU]: Du kannst bei mir gern ein Praktikum machen! Ich lade dich ein!)

- Die Kontrollen sind einfach zu selten und die Sanktionen zu lasch, Herr Eppers. Das müssten Sie doch am besten wissen.

Das Fazit daraus: Selbst wenn eine Tragfähigkeit von 40 t dauerhaft zugelassen würde - was, wie gesagt, angesichts dessen, dass die Fahrzeuge ja 60 t und mehr tragen können, nicht wirklich glaubwürdig ist -,

(Brunhilde Rühl [CDU]: Wer macht denn so etwas? Das ist ja Blödsinn!)

ist nach den eindeutigen Erfahrungen aus der bisherigen Praxis im Transportbereich damit zu rechnen, dass immer wieder Gigaliner die maximale Last aufnähmen, weil dies einfach günstiger ist, verehrte Kolleginnen und Kollegen von FDP und CDU - -

Herr Abgeordneter Hagenah, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Abgeordneten Eppers?

Ja, gleich, wenn ich meinen Satz zu Ende gebracht habe. Ich wollte noch hinzufügen: was entsprechende Folgen nicht nur für Fahrbahndecken, sondern auch für die Tragfähigkeit vieler Brücken hätte, die dafür überhaupt nicht ausgelegt sind. Diese Probleme können wir nicht ignorieren. - Jetzt Herr Eppers, bitte!

Herr Kollege Hagenah, was würden Sie denn davon halten, wenn ich Ihnen anböte, dass Sie, um Ihre Wissensdefizite im Hinblick auf Gesamtgewichte abzustellen, in der Jahresmitte in meiner Firma ein Praktikum machen?

(Vizepräsidentin Astrid Vockert übernimmt den Vorsitz)

Ich möchte Sie einmal zwei Wochen mit auf den Bock setzen. Danach hätten Sie etwas mehr Hintergrundkenntnisse als heute.

Herr Hagenah!

Herr Eppers, ich kann mir vorstellen, dass Sie mich gerne zwei Wochen nicht im Parlament sehen würden.

(Hermann Eppers [CDU]: In der Sommerpause!)

Ich mache gerne einen Besuch in Ihrem Unternehmen, aber zwei Wochen sind wegen der anderen Anforderungen ein bisschen zu lange.

(Zuruf von der CDU: Vergessen Sie nicht, das als Nebentätigkeit anzu- melden!)

Allerdings weise ich darauf hin, dass es sicherlich vorbildliche Betriebe gibt, zu denen ich Ihren schon einmal unbesehen von hier aus zählen würde. Laut VDV und der Statistiken, die wir von den wenigen Tonnage-Kontrollen durch die Sicherheitsbehörden haben, wissen wir, dass es in Ihrem Gewerbe leider etliche schwarze Schafe gibt. Wir müssen halt damit rechnen, dass solche schwarzen Schafe auch mit Gigalinern auf unseren Straßen unterwegs wären, wenn wir sie regelhaft für den Verkehr zuließen. Von daher gilt: Ihre Worte höre ich wohl, allein mir fehlt der Glaube, dass diese 40-tBeschränkung von allen, die Gigaliner später benutzen würden, entsprechend umgesetzt würde. Denken Sie nur daran, dass heute schon in Holland 60-Tonner fahren.

(Hermann Eppers [CDU]: Das lehnen wir ab!)

- Wollen Sie sie an der Grenze aufhalten? Ich sehe Sie da schon mit der Kelle stehen!

(Beifall bei den GRÜNEN)