Protokoll der Sitzung vom 25.04.2007

Als nun im Hinblick auf das Zuwanderungsrecht II - so bezeichne ich einmal die Fortschreibung der Entwicklung mit dem Aufenthaltsgesetz und der Übernahme von Rechtsvorschriften der EU - die SPD in der Verhandlungsgruppe vorgeschlagen hat, genau diese Vorschrift einzubauen, hat die CDU/CSU-Bundestagsfraktion entgegen Ihrer Aussage abgewunken und erklärt, darüber rede sie noch nicht einmal. Das ist im Augenblick leider die Realität in der Großen Koalition! Ich erinnere Sie auch daran, wie Sie sich verhalten haben, als der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder die Green-Card-Debatte angestoßen hatte. Es war wiederum diese Seite des Hauses, die mit vielen gewichtigen Stimmen dagegen ständig polemisiert hat.

Meine Damen und Herren, nutzen wir eigentlich die Möglichkeiten, die wir schon im eigenen Land haben? - In der Ausländerkommission des Parlaments habe ich mehrfach Initiativen unseres dortigen Mitglieds Dr. Hadeed aus Göttingen unterstützt, der an der Universität Osnabrück über die Frage wissenschaftlich gearbeitet hat, welche Qualifikationen hier lebende, zum Teil auch nur mit Duldungsstatus lebende Ausländer in beruflicher und wissenschaftlicher Hinsicht haben. Wir fördern sie nicht und geben ihnen nicht die Möglichkeit, hierzubleiben und ihr Wissen und ihre Talente bei uns einzubringen. Die Realität ist, dass unter der Ägide Schünemanns Menschen, die solche Voraussetzungen einer Zuwanderung im Sinne unseres wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Interesses erfüllt hätten, massenhaft abgeschoben wurden. Dies zeigt, dass in Niedersachsen kontraproduktiv gehandelt wurde.

(Jörg Bode [FDP]: Können Sie einen Namen nennen? Nur einen?)

Wir unterstützen zumindest im Bereich der Spätaussiedler die Entwicklung in Friedland mit freiwilligen Integrationskursen. Wir haben deutlich gemacht, dass man in diese Kurse aber auch die Frage der Anerkennung von vorhandenen wissenschaftlichen und beruflichen Abschlüssen einbe

ziehen muss. Das war in jener Debatte unsere dringende Bitte. Zumindest bei den Spätaussiedlern sind wir uns einig, solche Potenziale zu nutzen. Wir haben darauf hingewiesen, dass die Nähe zu Göttingen geeignet sei, solche Gesichtspunkte zu berücksichtigen. In der vorigen Woche, lieber Herr Schünemann, habe ich bei den migrationspolitischen Sprechern der SPD aus den anderen Bundesländern dafür geworben, sich an diesem Modell in Friedland zu beteiligen und auf diese Weise Druck zu machen, dort die Anerkennung von Abschlüssen, die Zuwanderer mitbringen, tatsächlich zu einem Schwerpunkt zu machen.

Abschließend will ich Folgendes sagen: Noch an einer weiteren Stelle - dazu machen Sie, Herr Bode, erst einmal Ihre Hausaufgaben - verhalten Sie sich kontraproduktiv. In Niedersachsen studieren seit vielen Jahrzehnten junge Menschen aus dem Ausland, zum Teil unter dem Gesichtspunkt von Entwicklungshilfe, und sie gehen mit dem erworbenen Wissen in ihre Heimatländer zurück. Wir haben ihnen aber die Möglichkeit geschaffen, über einen längeren Zeitraum nach Abschluss des Studiums hier zu bleiben, um Arbeit aufzunehmen. Jedoch mit Einführung von Studiengebühren durch Sie und indem Sie verhindert haben, dass diese Studierenden alternativ Darlehen erhalten, sorgen Sie dafür, dass ihre Zahl immer weiter abnimmt oder immer mehr Studierende ihr Studium abbrechen oder es gar nicht mehr in Niedersachsen aufnehmen. Das ist die Realität!

(Beifall bei der SPD)

Also: Machen Sie Ihre Hausaufgaben, und nutzen Sie die Chancen, die wir jetzt schon in Niedersachsen haben. Wenn Sie das tun, sind Sie glaubwürdig, aber nicht schon vorher.

(Beifall bei der SPD)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat die Abgeordnete Langhans das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es überrascht mich nicht, mit welcher seltenen Einmütigkeit hier zumindest die Erkenntnis einhergeht, dass wir dringend den Zuzug ausländischer Fachkräfte nach Niedersachsen erleichtern müssen. Die Wirtschaftsverbände haben die Problematik dargestellt. Der Zuzug ist u. a. erforderlich, weil der in

ländische Arbeitsmarkt den Fachkräftebedarf inzwischen nicht mehr decken kann.

Meine Damen und Herren, auch der jetzt vorgelegte Kompromissvorschlag der Bundesregierung, hoch qualifizierten Ausländern die Zuwanderung zu erleichtern, ist völlig unzureichend und zementiert die bisherige Abschottungspolitik dieser Bundesregierung weiter. Niedersachsen hat ein Übriges dazu beigetragen. So verhindert diese Politik, dass die weltweit besten Forscher, die weltweit kreativsten Fachkräfte nach Niedersachsen kommen. Sie ist außerdem zunehmend dafür verantwortlich, dass der Ingenieur- und Fachkräftemangel zu einer Gefahr für den wirtschaftlichen Aufschwung in Deutschland und in Niedersachsen wird.

Meine Damen und Herren, der Vorschlag des Innenministers - wir haben ihn gerade hier gehört ist mit Sicherheit ein lobenswerter Anfang, aber er reicht nicht aus. Es muss beispielsweise auch möglich sein, in besonders nachgefragten Berufen auf eine Verdienstschwelle völlig zu verzichten. Die FDP hat diesen Vorschlag des Innenministers Schünemann mitgetragen. Mit diesem Mittragen sind Sie aber noch weit hinter den Forderungen Ihrer eigenen Fraktion im Bundestag geblieben.

(Jörg Bode [FDP]: Wir haben die De- batte damit ausgelöst, Frau Lang- hans!)

Sie haben die Überlegung in den Raum gestellt, Zuwanderung nach einem Punktesystem zu handhaben. Herr Bode, das hat Ihre Bundestagsfraktion schon lange gefordert. Interessant ist Folgendes: Immer wenn es darum geht, in Niedersachsen verbale Attacken gegen Zuwanderungspolitik zu führen, sind Sie groß da. Aber wenn es darum geht, wirklich konkret zu werden, ziehen Sie sich immer wieder zurück. Wenn es anders wäre, wäre der Vorschlag, den Sie hier auf den Tisch legen, bereits in den Vorschlag des Innenministers mit eingeflossen. - Das, was ich dargestellt habe, ist also in der Tat bedauerlich.

Aber selbst das wäre noch nicht ausreichend. Ausländische Absolventen niedersächsischer Hochschulen müssen innerhalb eines Jahres nach erfolgreichem Abschluss einen uneingeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt haben. Auch das ist eine Forderung, die mir in Ihrem Vorschlag sehr gefehlt hat.

Meine Damen und Herren, Ihre Lippenbekenntnisse täuschen nicht darüber hinweg, dass Sie immer dann, wenn es konkret wird, die restriktive Zuwanderungspolitik Ihres Innenministers mittragen. Ob es um die Bleiberechtsregelung, das Härtefallverfahren oder um Abschiebung geht - immer folgen Sie Ihrem Minister Gnadenlos.

Liebe FDP, einer Fraktion, die den Wirtschaftsminister in dieser Regierung stellt, sollte bekannt sein, dass Weltoffenheit und Toleranz inzwischen längst zu einem ganz bedeutenden Standortfaktor avanciert sind.

(Jörg Bode [FDP]: Stimmt!)

Wer aktive Toleranz, Antidiskriminierung und die positive Gestaltung gesellschaftlicher Vielfalt vernachlässigt, kann letztlich auch keine Zuwanderung hoch Qualifizierter erwarten; denn diese Menschen haben viel zu bieten und bekommen dafür in anderen Ländern auch viel geboten. Sie sind nicht darauf angewiesen, sich in Niedersachsen Repressalien und langfristig ungesicherten Aufenthaltsbedingungen zu unterwerfen. In anderen Ländern werden sie mit offenen Armen empfangen, und dort findet dann auch das entsprechende Wachstum statt.

Zum Schluss mein Fazit: Dieser Beitrag der FDP für die Aktuelle Stunde ist wieder einmal viel Lärm um nichts gewesen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion hat nun der Abgeordnete Rolfes das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das hier ist eine gute Aktuelle Stunde, weil in dieser Aktuellen Stunde deutlich wird, dass sich eigentlich alle Fraktionen in dem Ziel, hoch Qualifizierten den Zugang zum bundesdeutschen Arbeitsmarkt zu ermöglichen, einig sind.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Bachmann hat sich sehr engagiert darüber ausgelassen, wer alles was falsch gemacht hat, und nur er hat nichts falsch gemacht. Seiner Meinung nach wäre das alles schon geregelt.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: So ist es! Es wäre Gesetz, wenn die CDU es nicht verhindert hätte!)

Frau Langhans hat gesagt, der Vorschlag des Innenministers sei gut, gehe nur nicht weit genug. Jetzt stehen wir vor der Frage, wem man glauben soll,

(Klaus-Peter Bachmann [SPD] - deutet auf ein Papier -: Mir! Hier ist der Beweis!)

z. B. Herrn Wiefelspütz, der den Vorschlag des Innenministers von Niedersachsen, die Einkommensgrenze zunächst um ein Viertel zu reduzieren, eindeutig begrüßt, oder beispielsweise Herrn Brandner, der vor lauter Angst, dass dann Ausländer in Deutschland Arbeitsplätze besetzen, eher Vorbehalte hat. Das ist die Frage, die die SPD intern klären muss. Möglicherweise aber ist auch das noch zu regeln.

Der Vorschlag des Innenministers aus Niedersachsen beweist, dass wir die Lösung des Problems nicht nur richtig auf den Weg gebracht haben, sondern auch, dass man diese Schritte, sofern mit den Sozialdemokraten Einigkeit zu erzielen ist, weiterführen kann. Ein weiterer Schritt könnte darin bestehen, dass man beispielsweise die Reduzierung um 25 % von rund 85 000 Euro auf mehr als 25 % erhöht, weil man dann eine bessere Chance hat, diesen Menschen einen Zugang zum Arbeitsmarkt zu ermöglichen; denn es ist doch klar, dass insbesondere Berufsanfänger nicht mit einem Jahreseinkommen von 85 000 Euro einsteigen. Wir befinden uns doch jetzt in der Situation, dass insbesondere im naturwissenschaftlichen Bereich und im Ingenieurbereich viele Arbeitsstellen nicht besetzt werden können. Natürlich müssen wir dafür werben und uns engagiert dafür einsetzen, dass in diesem Bereich mehr ausgebildet wird. Aber mit der Ausbildung von Angehörigen künftiger Generationen ist heute kein Arbeitsplatz besetzt. Natürlich müssen wir uns dafür einsetzen, dass auch Angehörige des großen Heeres älterer Arbeitsloser fortgebildet und umgeschult werden und diejenigen, die geeignet sind, auf diesen Arbeitsplätzen eingesetzt werden. Aber alles das reicht im Ergebnis nicht. Deswegen müssen wir bereit sein, uns jetzt darüber zu einigen.

Es gibt einen weiteren Bereich. Die Hürden, die ausländische Interessenten vor einer Selbstständigkeit überwinden müssen, sind viel zu hoch. Der

Innenminister hat hierzu in seinem Vortrag gute Anregungen gegeben.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Warum ermöglichen wir es diesen Interessenten nicht, sich in Anlehnung an die Grundsätze zum Mindestkapital, das bei der Gründung einer Kapitalgesellschaft, etwa einer GmbH, erforderlich ist, in Deutschland selbstständig zu machen, sodass sie ihre Ideen einbringen, Arbeitsplätze schaffen und dafür sorgen können, dass der Arbeitsmarkt belebt wird und die Arbeitsplätze hier in Deutschland bleiben können? - Denn es ist doch insgesamt sehr viel besser, wenn die Unternehmen die Arbeitsplätze in Deutschland besetzen und dabei auch die Möglichkeit haben, ausländische Arbeitnehmer einzusetzen, als wenn die Unternehmen die Arbeitsplätze nach Indien oder sonst wo verlagern.

Herr Innenminister, wenn ich sehe, wie groß die Einigkeit ist, meine ich, dass wir nur noch abzufragen brauchen, wann die Sozialdemokraten auf Bundesebene diese Vorschläge des Landes Niedersachsen als ersten Schritt mit umsetzen wollen. Wenn wir diesen Vorschlag in einem ersten Schritt umgesetzt haben, ist der Beweis für den guten Willen erbracht. Dann kann man mit diesen Änderungen schon Erfahrungen sammeln. Man sollte dabei aber nicht stehen bleiben. Ich bin sehr sicher, dass der Innenminister seinen Vorschlag, der ein guter Vorschlag ist und der es verdient, in dieser Aktuellen Stunde erörtert zu werden, der Öffentlichkeit vorstellen und auch hier noch erläutern wird. Ich bin der FDP-Fraktion für diese Aktuelle Stunde insgesamt sehr dankbar; denn diese hat die Gelegenheit gegeben, einiges klarzustellen. Danke schön.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Für die FDP-Fraktion hat nun der Abgeordnete Professor Dr. Dr. Zielke das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn wir einen Blick in die USA werfen, die nach wie vor, was Hightech und die Hightechbranchen betrifft, die führende Nation in der Welt sind, dann sehen wir, dass 50 % der Forschungsleistung in den USA von Menschen mit Migrationshintergrund

erbracht wird - die Hälfte mit Migrationshintergrund in dieser Generation!

Die Firma Microsoft hat in den USA 46 000 Mitarbeiter auf jeder Ebene. Von diesen Mitarbeitern ist ein Drittel Menschen, die nicht von Geburt an die US-amerikanische Staatsangehörigkeit haben oder die auf Green-Card-Basis dort arbeiten. Es ist also klar, wo ein Vorbild dafür liegt, wie wir unseren Stand als Wissenschaftsland, als Forschungsland, als Hightechland erhalten können. Dazu gehört die Migration, die Anwerbung und Einwanderung hoch Qualifizierter.

(Beifall bei der FDP)

Ich möchte aber gerne von Herrn Bachmann wissen, welcher hoch qualifizierte Wissenschaftler von dieser Landesregierung abgeschoben worden ist, wie er das vorhin gesagt hat. Ich halte das für eine schon kühne Behauptung.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Es geht um hoch qualifizierte Berufstäti- ge!)

Im Grunde genommen geht darum, dass wir mit dieser Aktuellen Stunde darauf hinweisen wollen, dass es selbst dann, wenn wir uns in Niedersachsen einig sind, immer noch darum geht, im Bund gegen die Bremser, die vor allem in einer gewissen Partei, nämlich der SPD, zu hören sind, Front zu machen und zu einem Wechsel in den Meinungen, den grundsätzlichen Überzeugungen beizutragen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Das stimmt doch gar nicht! Das ist von der CDU torpediert worden!)

Für die Landesregierung hat nun Herr Minister Schünemann das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich finde es schade, dass sich gerade bei einem so wichtigen Thema in der Aktuellen Stunde die Reihen schon gelichtet haben; denn es geht wirklich um die Zukunftsfrage, ob es uns gelingt, gerade innovative Ideen und Produkte in Deutschland, in Niedersachsen herzustellen und dafür auch die notwendigen Fachkräfte auszubil

den oder nach Deutschland bzw. nach Niedersachsen zu holen. Das ist in wichtiges Thema. Deshalb bin ich der FDP-Fraktion sehr dankbar, dass sie dieses Thema für die Aktuelle Stunde angemeldet hat.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)