Protokoll der Sitzung vom 26.04.2007

(Vizepräsidentin Astrid Vockert übernimmt den Vorsitz)

Gleichzeitig wird deutlich, dass die Inanspruchnahme von Früherkennungsuntersuchungen und Maßnahmen wie z. B. Impfungen niedriger liegt. Kinder aus sozial benachteiligten Gruppen profitieren auch nur weniger als der Durchschnitt von guten Entwicklungen wie z. B. bei der Kariesprophylaxe.

Meine Damen und Herren, die Antworten zu Teil II der Anfrage zeigen, welche Maßnahmen bereits ergriffen werden, um diese Ungleichverteilung von

Gesundheitschancen zu mildern. Vieles ist bewegt worden, und - das darf ich Ihnen versichern - vieles wird von dieser Landesregierung noch bewegt werden.

Mit dem Inkrafttreten des Niedersächsischen Gesetzes über den öffentlichen Gesundheitsdienst (NGöGD) zum 1. Januar 2007 werden für alle Kinder u. a. die ärztlichen Schuleingangsuntersuchungen verbindlich. Zudem enthält das Gesetz ein Zusammenarbeitsgebot in Bezug auf die Kinder- und Jugendgesundheit. Landkreise und kreisfreie Städte sollen insbesondere gemeinsam mit Tageseinrichtungen für Kinder und Schulen zielgruppen- und lebensraumbezogen auf eine gesunde Entwicklung von Kindern und Jugendlichen hinwirken. Dadurch werden die kommunalen Gesundheitsbehörden zum wichtigsten Partner bei der Bekämpfung gesundheitlicher Benachteiligung im Sinne der Großen Anfrage.

Durch die Regelungen des NGöGD werden die rechtlichen Grundlagen für eine stärkere Vernetzung der Aufgaben vor Ort geschaffen. Gleichzeitig wird auch durch die Gesundheitsberichterstattung nach § 8 Abs. 2 NGöGD die Basis für Daten und Informationen geschaffen. Beide Stränge sind für unsere aktuellen Bemühungen, den Kinderschutz zu stärken, unverzichtbar. Ich erinnere auch an den von Niedersachsen mitgetragenen Beschluss des Bundesrates vom Mai 2006, der eine stärkere Vernetzung der Aufgaben des ÖGD mit denen der Kinder- und Jugendhilfe fordert. - Meine Damen und Herren, so viel zu den strukturellen Voraussetzungen.

Da die Abwendung unmittelbar lebensbedrohender Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen zunehmend in den Hintergrund getreten ist, gewinnen Prävention und Früherkennung immer mehr an Bedeutung. Insgesamt wird es in den nächsten Jahren entscheidend darauf ankommen, die medizinische, psychologische und pädagogische Versorgung für Kinder und Jugendliche noch enger aufeinander abzustimmen im Sinne eines gesellschaftlich breit verankerten Verständnisses von Kindergesundheit.

Kindertagesstätten, meine Damen und Herren, bieten die besondere Chance, nicht nur die Kinder, sondern häufig auch die Eltern ansprechen zu können und zu erreichen. Die Schule ist die einzige Instanz, über die man die Gesamtentwicklung der Kinder beobachten kann.

Fällen von Verwahrlosung und Misshandlung von Kindern muss weiterhin mit Nachdruck begegnet werden. Dies ist ein wesentlicher Schwerpunkt der Arbeit der Landesregierung, die zahlreiche Maßnahmen und Aktivitäten zum Schutz unserer Kinder eingeleitet hat.

Schon anlässlich der 1. Kinderschutzkonferenz hat Frau Ministerin Ross-Luttmann die Überprüfung der bestehenden Richtlinie für die Kinderuntersuchungen angesprochen. Wir haben hier ein bewährtes Instrument. Zu prüfen ist, in welcher Form gezielte Untersuchungsinhalte auf Vernachlässigung und Misshandlung integriert werden können und wie eine Standardisierung aussehen könnte. Darüber hinaus arbeiten wir daran, das Einladungswesen zu den Untersuchungen noch verbindlicher auszugestalten. Dies werden Themen für die 2. Kinderschutzkonferenz sein.

Eine der Initiativen war die Überarbeitung und Neuherausgabe des Leitfadens für Ärztinnen und Ärzte zur Früherkennung von Gewalt gegen Kinder im Februar dieses Jahres. Die Landesregierung wird weiter alles daran setzen, durch präventive Maßnahmen gerade Kinder in sogenannten Risikofamilien zu erreichen. Hier haben wir bereits eine Menge Maßnahmen zur Prävention mit Erfolg auf den Weg gebracht. Ich darf das Projekt „Aufsuchende Familienhilfe für junge Mütter - Netzwerk Familienhebammen“, das sogenannte HebammenProjekt, nennen. Dessen Ergebnisse waren so eindeutig, dass wir das Projekt seit Anfang 2007 nahezu flächendeckend verankert haben.

Neu in diesem Zusammenhang ist das Landesprogramm „Koordinierungszentren Kinderschutz Kommunale Netzwerke früher Hilfen“, das den Kinderschutz nachhaltig sichern wird.

In Niedersachsen gibt es vielfältige Aktivitäten. Die Bündelung der Initiativen zur besseren Bekämpfung von Kindesvernachlässigung und -misshandlung werden wir genauso engagiert voranbringen wie die zahlreichen anderen aufgeführten Projekte.

Kinder, meine Damen und Herren, sind unser wertvollstes Gut und benötigen Zuwendung, Förderung und Schutz.

(Zustimmung von Gesine Meißner [FDP])

Wo auch immer wir Vernachlässigung, Misshandlung oder andere gesundheitliche Risiken erkennen und eingreifen können, ist es unser aller

Pflicht, dies zu tun und Hilfestellung zu geben. Wir müssen frühzeitig erkennen, wo sich die Risiken verdichten.

Gestatten Sie mir abschließend noch eine Bemerkung. Das zentrale Anliegen, das hinter der Großen Anfrage steht, nämlich die Bekämpfung der Armut in all ihren Facetten und die Herstellung von Chancengerechtigkeit, ist richtig; das unterstützen wir. Es gibt umfangreiche Datenerhebungen, die einen Zusammenhang zwischen sozioökonomischem Umfeld und der Gesundheit bei Kindern belegen. Aber: Niedersachsen hat bereits die richtigen Schlüsse gezogen und Maßnahmen eingeleitet, um hier zu einer Verbesserung zu kommen. Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herzlichen Dank, Herr Minister. - Für die CDUFraktion hat sich Frau Kollegin Mundlos zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Elsner-Solar, Ihre Ausführungen haben mit den harten Fakten der Beantwortung der Großen Anfrage offensichtlich wenig gemein.

(Christa Elsner-Solar [SPD]: Dann haben Sie sie nicht gelesen!)

Sie sollten einer sachlichen Auseinandersetzung ins Auge sehen. Aber davon sind Sie weit entfernt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, Kinderarmut und Kindergesundheit sind schon allein deshalb zwei sehr wichtige Themen, weil die Grundlagen für die spätere Entwicklung früh gelegt werden. Das gilt sowohl im Bildungsbereich - z. B. über die Sprachförderung - als auch bezüglich späterer Zivilisationskrankheiten, an denen zugegebenermaßen oft erst die Erwachsenen erkranken, bei denen der Ursprung aber ganz klar im Kindes- und Jugendalter liegt. Der dritte Aspekt ist mindestens genauso bedeutend, nämlich die Tatsache, dass sich Armut und Gesundheit oft gegenseitig bedingen.

Wir wollen, dass Kinder optimale und gerechte Bildungschancen haben, egal in welchem Eltern

haus sie geboren werden. Deshalb haben wir das 100-Millionen-Euro-Programm „Familien mit Zukunft - Kinder bilden und betreuen“ aufgelegt. Deshalb werden wir das letzte Kindergartenjahr neu ordnen.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb gibt es Konzepte zur Sprachförderung. Deshalb gibt es die klaren politischen Vorgaben bei den Schuleingangsuntersuchungen. Deshalb gibt es die Akzeptanz für Projekte wie SOPHIA und das Weser-Ems-Modell.

Mit dem Öffentlicher-Gesundheitsdienst-Gesetz, das wir novelliert haben, gibt es erstmals eine gesetzliche Verankerung der kommunalen Gesundheitsberichterstattung als Bestandteil sozialer Untersuchungen.

(Zustimmung von Ursula Körtner [CDU])

Natürlich brauchen wir Daten; niemand bestreitet das. Aber es gibt mehr Daten, als die Opposition wahrhaben will. Die Sozialberichterstattung unter Ihrer Regie fand letztmals 1998 statt. Dann haben Sie sie quasi still im Winkel liegen gelassen und sich fünf Jahre lang überhaupt nicht darum gekümmert.

(Ursula Körtner [CDU]: So war es!)

Und jetzt in der Opposition entdecken Sie dieses Thema. Das lässt tief blicken!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich sage Ihnen: Niedersachsen ist gut.

(Christa Elsner-Solar [SPD]: Sie stel- len unwahre Behauptungen auf!)

- Frau Elsner-Solar, auch wenn Sie noch so lange schreien: Im Moment rede ich! Ich habe Ihnen zugehört. Vielleicht bekommen auch Sie das hin.

Niedersachsen nimmt sich der Sorgen aktiv an. Niedersachsen handelt für die Kinder und für die Eltern. Ich möchte versuchen, das in acht Aspekten kurz herauszugreifen, in der Kürze der Zeit stichwortartig.

Erstens. Säuglingssterblichkeit. Das Robert-KochInstitut hat festgestellt, dass die Säuglingssterblichkeit in Niedersachsen im Bundesvergleich einen drastischen Rückgang verzeichnet. Starben 1990 noch sieben Kinder je 1 000 Lebendgebore

ne, so sind es 2004 nur noch vier. Das ist ein Rückgang von 42 %.

Zweitens. Die Anzahl der Schulunfälle ist fast konstant geblieben. Die Anzahl der Schulwegunfälle ist zurückgegangen.

Drittens. Etwas sollte uns in der Tat umtreiben: Die Anzahl der übergewichtigen Kinder hat zugenommen. Das führt zu zahlreichen Folgeerkrankungen wie z. B. Diabetes, Bluthochdruck, Gelenkerkrankungen usw. Aber hier ist reagiert worden. Hier laufen bereits Projekte, um prophylaktisch zu arbeiten und vorzubeugen.

Viertens. Zahnprophylaxe. Auch hier zeigen die Fakten, dass gute Dinge auf dem Weg sind, auch wenn der Präventionsbedarf in Förder- und Hauptschulen sicherlich weiterhin am höchsten ist.

Fünftens. Impfen. Die Auswertung der Impfdaten zeigt, dass unsere Initiative zur Masernelimination absolut berechtigt war. Auch das haben Sie kritisiert. Niedersachsen bietet seit Juli 2003 unentgeltliche Schutzimpfungen an. Während der ÖGD das Personal zur Verfügung stellt, tragen die Krankenkassen die Sachkosten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das ist ein ganz klares Beispiel für eine konsequente Gesundheitspolitik.

Sechstens. Stichwort „Sprache“. Die Auswertungen zu Sprachstörungen belegen eindrucksvoll, dass die Landesregierung, gerade der Kultusminister, mit den Sprachfördermaßnahmen frühzeitig gehandelt hat und goldrichtig liegt, auch wenn Sie das ignorieren.

Siebtens. Stichwort „Rauchen“. Interessant ist, dass der Anteil der Nie-Raucher in der Altersgruppe der 12- bis 19-Jährigen von 36 % im Jahre 2001 auf 45 % im Jahre 2005 gestiegen ist. Die Gruppe der Nie-Raucher hat zugenommen. Hier zeichnet sich ein neues Bewusstsein und Selbstbewusstsein ab. Auf diesem Ergebnis gilt es aufzubauen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Auch hier geht ein ganz klares Lob an den Kultusminister; denn er hat diese Entwicklung durch seine konsequente Arbeit in den Schulen, Aufklärung zu betreiben und das Rauchen zu verbieten, in aller Deutlichkeit mit angeschoben. Dafür gebührt ihm unser Dank.