Protokoll der Sitzung vom 27.04.2007

Meine Damen und Herren, wir müssen insbesondere den kleinen Unternehmen Hilfestellung geben, rechtzeitig eine Fort- und Weiterbildung anzubieten. Sie sollen Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die Anforderungen der kommenden Jahre fit machen. Das heißt aber auch, dass sich die Tarifpartner, die Politik und insbesondere die Beschäftigten selbst stärker engagieren müssen. Wir dürfen also nicht nur auf die Jungen setzen - sie brauchen wir natürlich auch; davon haben wir ja schon bald nicht mehr genug -, wir sollten die Erfahrungen der Älteren als Bereicherung und das Lebensalter nicht als Belastung ansehen.

(Beifall bei der CDU)

Nörgeln und Mäkeln hilft gar nichts. Die über 50Jährigen gehören nicht auf das Abstellgleis oder in den vorzeitigen Ruhestand. Sie sind für uns ein Faktor, der für den Standort Deutschland und den Standort Niedersachsen immer wichtiger wird. Nutzen wir das vorhandene Potenzial. Das ist gut für die Menschen, das ist gut für unser Land und gut für uns alle. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Für die SPD-Fraktion hat nun die Abgeordnete Hartmann das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Hoppenbrock, vorab eine kurze Anmerkung: Ich finde das, was Sie soeben hier ausgeführt haben, schon ziemlich bemerkenswert.

(Ernst-August Hoppenbrock [CDU]: Das ist es auch!)

Das ist im Grunde genommen das, was wir Ihnen während der vergangenen vier Jahre erzählt haben. Ich frage mich, wer hier in den letzten vier Jahren regiert hat. Ich finde das, was Sie hier ausgeführt haben, bemerkenswert.

(Beifall bei der SPD - Zurufe von der CDU)

Lassen Sie mich noch eine andere Anmerkung zu Ihrem Antrag, Herr Hoppenbrock, anfügen.

(Weitere Zurufe von der CDU)

- Sie brauchen gar nicht zu versuchen, mich aus der Fassung zu bringen. - Wir haben diesen Antrag wirklich mit Interesse zur Kenntnis genommen. Wir sind wirklich dankbar für die deutliche und klarstellende Bemerkung in diesem Antrag zu der Position, dass die Arbeitsmarktpolitik der Landesregierung gescheitert ist. Das ist nämlich die Quintessenz Ihres Antrages.

(Beifall bei der SPD - Widerspruch bei der CDU)

Verspätet, aber immerhin in der Aussage deutlich erkennen Sie mit diesem Antrag nun endlich an, dass das Modell des Niedersachsen-Kombis seine

Zielsetzung verfehlt hat, vor allem ältere Arbeitnehmer in Beschäftigung zu bringen.

(Beifall bei der SPD)

Die handwerkliche und politisch schwache Ausgestaltung des Niedersachsen-Kombis ist daran gescheitert, älteren Arbeitsuchenden endlich wieder eine Chance auf Beschäftigung zu geben.

In Punkt 5 Ihres Antrages fordern Sie daher im Rahmen des Beschäftigungsmodells „Niedersachsen-Kombi“ folgerichtig die Landesregierung auf, verstärkt für die Einbeziehung älterer Arbeitnehmer zu werben. Wir begrüßen ausdrücklich dieses Eingeständnis, auch wenn Sie schon zu früheren Zeitpunkten Gelegenheit dazu hatten, aus der klaren Sprache der Statistiken entsprechende Rückschlüsse zu ziehen. Aber immerhin: Besser spät als nie! Insofern haben Sie unseren Respekt für Ihren wirklich mutigen Schritt, Ihrer eigenen Landesregierung einen deutlichen Fingerzeig zu geben.

(Beifall bei der SPD)

Wir sind auch für die Aufforderungen an die Landesregierung dankbar, das Thema „Fort- und Weiterbildung“ insbesondere für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verstärkt in den Mittelpunkt ihrer Bemühungen zu stellen;

(Ernst-August Hoppenbrock [CDU]: Noch mehr! Das tun wir ja schon!)

denn, Herr Hoppenbrock, Sie haben völlig Recht: Hier ist in der Tat in den letzten vier Jahren nichts geschehen - und das, obwohl der politische Handlungsbedarf in der Arbeitsmarktpolitik aufgrund des demografischen Wandels zu den größten arbeitsmarktpolitischen Herausforderungen der nächsten Jahre zählt. Zwar hat sich der Anteil der Erwerbstätigen über 55 Jahre durch die erfolgreiche Politik der rot-grünen Bundesregierung von 38 % Ende der 90er-Jahre auf immerhin 48 % im Jahre 2005 steigern können. Aber die europäischen Vergleichszahlen weisen weiteren Handlungsbedarf aus. Dass nun ausgerechnet acht Monate vor der Landtagswahl dieses gesellschaftlich bedeutende Thema durch einen Antrag der Koalitionsfraktionen aufgegriffen wird, ist wiederum das Enttäuschende an Ihrem Antrag.

(Ernst-August Hoppenbrock [CDU]: Das liegt an Ihrem Altersteilzeitge- setz!)

Es drängt sich bei uns der Eindruck auf, dass hier noch schnell vor der Wahl eine Grußadresse an die Zielgruppe der älteren Menschen gesendet werden soll, weil man nämlich erkannt hat, dass man in den letzten Jahren untätig geblieben ist. Das Enttäuschende an dem Antrag ist auch, dass überhaupt keine eigenen politischen Akzente gesetzt werden, sondern im Grunde genommen nur das abgeschrieben wird, was der Arbeitsminister von der SPD, Müntefering, entweder schon auf den Weg gebracht hat oder was sich unmittelbar in der Umsetzung befindet.

(David McAllister [CDU]: Dann können Sie doch zustimmen!)

Es werden aber auch viele Allgemeinplätze behandelt. Das sind wir bei Ihnen ja auch schon gewohnt. Was wir in Niedersachsen wirklich nicht brauchen, ist eine Showveranstaltung wie ein Qualifizierungsgipfel; denn das ist nur eine Werbeveranstaltung für die Landesregierung. Die Leute brauchen Handlungen der Landesregierung.

(Beifall bei der SPD - David McAllister [CDU]: Es spricht die große Landes- vorsitzende der SPD!)

Meine Damen und Herren, mit diesem Antrag erweisen Sie Ihrem Ruf eines politischen Anscheinserweckers wieder einmal alle Ehre. Aber nach den Pleiten, Pech und Pannen der letzten Wochen in Sachen Landeskrankenhäuser, Nichtraucherschutz und JadeWeserPort kann die SPD-Landtagsfraktion natürlich nachvollziehen, dass Sie sich an die positiven Pläne des SPD-geführten Arbeitsministeriums im Rahmen der Initiative 50plus dranhängen wollen.

(David McAllister [CDU]: Stimmen Sie doch einmal unserem Antrag zu!)

Die Arbeitsmarktsituation älterer Menschen macht deutlich, dass das Risiko, arbeitslos zu werden, mit steigendem Lebensalter erhöht ist. Kommen dann noch gesundheitliche Probleme oder geringe Qualifizierung hinzu, ist das Risiko, mit steigendem Lebensalter arbeitslos zu werden und in die Langzeitarbeitslosigkeit abzurutschen, noch um ein Vielfaches höher. Das muss man auch ernst nehmen. Daraus wird deutlich, dass man ein Bündel von Maßnahmen und keine Einzelaktionen braucht. An erster Stelle muss der Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit stehen. Hierzu zählen eine altersgerechte Betriebsgestaltung, neue Modelle in der Arbeitszeitgestaltung, die gezielte Qualifikation

während des gesamten Berufslebens und die konsequentere Umsetzung von Maßnahmen zur betrieblichen Gesundheitsförderung. An diesen Handlungsfeldern sehen Sie aber auch, dass Politik hier nicht allein gestaltend eingreifen kann, gefragt sind natürlich auch die Tarifparteien, die Unternehmer und die Betriebsräte.

Wir brauchen, das ist die Meinung der SPD-Landtagsfraktion, auch einen Mentalitätswechsel in den Unternehmen. Der Jugendwahn in der Wirtschaft verspielt nämlich nicht nur die Zukunft der älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, sondern auch die Zukunftsfähigkeit unserer Volkswirtschaft; denn in Zukunft werden auch unter Berücksichtigung von Zuwanderung qualifizierter Arbeitskräfte in den deutschen Arbeitsmarkt die Unternehmen darauf angewiesen sein, dass ältere Arbeitnehmer länger beschäftigt werden können. Insofern richtet sich unser Appell an die Wirtschaft, hier endlich mit einer Personalpolitik Schluss zu machen, die dazu geeignet ist, altersdiskriminierend zu wirken.

Die SPD-Landtagsfraktion fordert hier ausdrücklich eine neue Unternehmenskultur ein, die die Potenziale älterer Menschen erkennt. Aus dem Beschluss des Bundestages, das Renteneintrittsalter schrittweise auf 67 Jahre zu erhöhen - auch da unterscheiden wir uns, Herr Hoppenbrock -, ergibt sich auf der anderen Seite nämlich auch die Verpflichtung, durch eine altersgerechte Arbeitsorganisation oder auch durch gleitende Übergänge in die Altersrente die tatsächlichen Chancen älterer Menschen auf längere Beschäftigung zu erhöhen. Wenn bestimmte gesundheitlich belastende Tätigkeiten auch in Zukunft nicht vermieden werden können - das ist in bestimmten Produktionsbereichen immer der Fall, das wird sich auch zukünftig nicht vermeiden lassen -, dann brauchen wir aus sozialpolitischen Gründen zur Abfederung von Härten eben auch neue Modelle in der Rentenpolitik. Aus Sicht der SPD-Landtagsfraktion ist es daher auch unumgänglich, zumindest in einer Übergangszeit für diese Berufsgruppen Altersteilzeitmöglichkeiten zu wahren.

(Beifall bei der SPD)

Es ist wirklich schade, Herr Hoppenbrock, dass Sie in Punkt 7 zwar die Frühverrentung und Altersteilzeit eingeschränkt sehen wollen, aber auf der anderen Seite nichts dazu sagen, wie die Situation älterer Beschäftigter auch finanziell ausgestaltet werden soll, wenn das Renteneintrittsalter steigt. Das zeugt von einer gewissen Distanz und Ferne

zu Menschen, die tagtäglich eine gesundheitlich belastende Tätigkeit ausüben.

(Beifall bei der SPD)

Dass Sie nur an den Pranger stellen, aber nicht die Spur einer Vorstellung davon haben, was für Schicksale sich dahinter verbergen, wenn die Beschäftigungsfähigkeit durch gesundheitlich belastende Tätigkeiten nicht mehr gegeben ist, enttäuscht uns an Ihrem Antrag wirklich.

Die SPD-geführte Landesregierung wird daher ab 2008 die Situation älterer Beschäftigter mit in den Fokus ihrer Beschäftigungspolitik stellen. Dies, meine Damen und Herren der Koalitionsfraktionen, werden wir von Anfang an machen, und nicht erst am Ende der Legislaturperiode.

(Beifall bei der SPD - Zurufe von der CDU)

Ich möchte jetzt die nächste Rednerin aufrufen. Das ist Frau König von der FDP-Fraktion. Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Also, da kam wieder einmal ein Wirtschaftssachverstand zum Ausdruck, den ich überhaupt nicht begreifen kann. Anscheinend hat die SPD immer noch nicht mitgekriegt, dass wir in den letzten Jahren einen Abbau von Arbeitsplätzen gehabt haben, der grandios war. Davon waren eine Menge Facharbeiter betroffen. Das muss man hier einfach einmal zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Trotz des sich abzeichnenden Facharbeitermangels suggerieren die Arbeitsagenturen, Arbeitnehmer über 50 Jahre seien nicht mehr vermittelbar, und schicken sie in die Arbeitslosigkeit und Frühverrentung. Auf der anderen Seite suchen aber immer mehr Unternehmen Fachkräfte, die wiederum ihre Kompetenz an den Nachwuchs weitergeben können. Dabei gibt es genügend Menschen, die ein umfangreiches Arbeitsleben bestritten und Erfahrungen gesammelt haben, aber aus unterschiedlichsten Gründen ihren Beruf nicht mehr ausüben können. Ihre Fähigkeiten und ihr Wissen gehen größtenteils viel zu früh verloren. Dieses Potenzial ungenutzt zu lassen, ist aus Sicht des

Arbeitsmarktes zukunftsperspektivisch sträflich und aus Sicht der Beschäftigten eine Diskriminierung und Verschwendung.

Hier müssen wir schnellstens ansetzen und durch Fortbildung, Weiterbildung und Umschulung diese wichtigen Potenziale nutzen. Das kann durch gezielte Unterstützung in Betrieben wie auch in allen Bildungseinrichtungen erfolgen. Wichtig ist jedoch, dass wir Maßnahmen ergreifen und Programme auflegen sowie eine Vernetzung zwischen Jobcentern, Arbeitsagenturen, Firmen und Bildungseinrichtungen herstellen, um so auch flexibel handeln zu können.

Auch für Frauen nach der Familienpause können solche Angebote wichtig sein und für einen Einstieg ins Berufsleben sorgen. Sie werden von der Wirtschaft bereits in vielen Bereichen umworben, da sie verlässlich, belastbar und kreativ sind. Herr Hoppenbrock hatte auch schon einige Berufsgruppen genannt, die ganz klar und deutlich eine Weiterbildung benötigen.

Berufsgruppen mit hohen gesundheitlichen Anforderungen können mittelfristig andere Perspektiven entwickeln. Warum können nicht z. B. auch Maurer, Tiefbauer, Fliesenleger und Ähnliche - um dem eine Gruppe hinzuzufügen - in Baumärkten und im Baustoffhandel beraten, verkaufen oder den Einkauf übernehmen?

Die meisten Menschen sind in ihrer Zeit als Erwerbstätige auf ganz vielen Gebieten wahre Experten geworden und haben nicht selten Interesse daran, sich noch weiter zu bilden. Wenn wir mit Angeboten Unterstützung bieten, dann werden wir nicht nur wieder mehr Fachkräfte in die Arbeitswelt integrieren, sondern auch zufriedene und ausgeglichene Rentner in den wirklichen Ruhestand entlassen können.

(Beifall bei der FDP)

Dazu müssen wir aber mit den falschen Frühverrentungsprogrammen aufhören.