Protokoll der Sitzung vom 07.06.2007

Anlage 15

Antwort

der Staatskanzlei auf die Frage 17 des Abg. Stefan Wenzel (GRÜNE)

Menschenrechtssituation in China und die Reise von Ministerpräsident Wulff

„Niedersachsens Ministerpräsident verzichtet bei seiner Chinareise bewusst auf Kritik“, berichtet die Presse nach dem Chinabesuch des Niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff. Er wolle sich „ohne erhobenen Zeigefinger, ohne Anklage“ ein Bild machen. Außerdem behauptet Wulff in Bezug auf die rechtliche Situation in China: „Da ist eine Menge passiert“ (taz 11. Mai 2007).

Gewaltenteilung und unabhängige Justiz gibt es in China nicht. In China wird die Todesstrafe bis heute sehr häufig verhängt - häufiger als in jedem anderen Land der Welt. Mit Todesstrafe

belegt wird eine Vielzahl von Delikten, wozu auch Drogendelikte, Korruption, Wirtschaftskriminalität und die Weitergabe von sogenannten „Staatsgeheimnissen“ gehört. Organisationen wie Amnesty International geben an, dass beispielsweise im Jahre 2004 mindestens 3 400 Menschen hingerichtet und 6 000 Todesstrafen verhängt wurden. Die Dunkelziffer liegt laut Menschenrechtsorganisationen aber offenbar bei bis zu 10 000 Hinrichtungen. Vieles deutet zudem darauf hin, dass mit den Organen von Hingerichteten Handel getrieben wird.

Nach dem Tian’anmen-Massaker von 1989 wurde in der Volksrepublik eine große Zahl von Menschen in Arbeitslagern gefangen gehalten. Von den zum Zeitpunkt des Tian’anmen-Massakers verhafteten Menschen sitzen heute offenbar noch mehr als 100 in Gefängnissen und Lagern. Die Religionsfreiheit ist nicht gewährleistet. Menschen in Tibet werden unterdrückt.

Presse, Funk und Fernsehen werden zensiert. Das Internet wird in China ebenfalls stark zensiert und überwacht. Internetcafés müssen Überwachungsprogramme installieren, Diskussionen im Internet stehen unter ständiger Beobachtung. Immer wieder kommt es zu Verhaftungen von Bürgern, die mehr Demokratie und Menschenrechte fordern.

Die „Umerziehung“ in Arbeitslagern wird vielfach ohne Gerichtsverfahren angeordnet. Die Anwendung dieser sogenannten Verwaltungshaft scheint sich zumindest in Peking durch die bevorstehenden Olympischen Spiele sogar noch zu verschärfen, beklagt Amnesty International.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

1. Wie beurteilt Ministerpräsident Wulff die aktuelle Menschenrechtssituation in China?

2. Mit welchen chinesischen Gesprächspartnern hat Ministerpräsident Wulff bei seiner Reise über die systematische Missachtung der Menschenrechte in China gesprochen?

3. In welchen Bereichen hat sich in China die Menschenrechtslage nach Auffassung des Ministerpräsidenten Wulff in letzter Zeit verbessert?

Zu 1 und 3: Die Lage der Menschenrechte in der VR China ist immer noch unbefriedigend und gibt trotz einiger Verbesserungen weiterhin Anlass zur Besorgnis. Die Kommunistische Partei Chinas beharrt auf ihrem Anspruch auf ungeteilte Macht und setzt diesen, wo dies für nötig befunden wird, mit aller Härte durch. Dies bekommen politische Dissidenten, wenn sie als Bedrohung des Machtmonopols der Partei empfunden werden, nach wie vor zu spüren. Gewaltenteilung und eine unabhängige Justiz existieren in der VR China nicht. Im

Justizwesen generell, insbesondere im Bereich des Strafrechts, gibt es großen Verbesserungsbedarf.

Demgegenüber sollten aber die positiven Anstrengungen der Regierung, die wirtschaftlichen und sozialen Rechte des Einzelnen schrittweise anzuerkennen, nicht außer Acht gelassen werden. Die individuellen Freiräume der Bürgerinnen und Bürger haben sich in den letzten Jahren erweitert. Die Lebensqualität der städtischen Mittelschicht und zunehmend auch der Landbevölkerung ist seit Beginn der Reform- und Öffnungspolitik kontinuierlich gewachsen. Bemerkenswert ist auch das Bekenntnis der chinesischen Regierung zu einem an Recht und Gesetz ausgerichteten, sozialen Regierungshandeln. So gibt es vermehrt Anstrengungen zu Reformen im Rechtsbereich. Eine Verfassungsrevision vom März 2004 schreibt u. a. den Schutz der Menschrechte fest. Zudem wurde eine umfassende Revision des Straf-, Zivil- und Verwaltungsrechts angekündigt.

Die Vertreter der Landesregierung thematisieren im Rahmen ihrer Möglichkeiten Fortschritte und fragen nach dem Stand der Realisierung der angekündigten Reformvorhaben. Die Landesregierung weiß sich in diesem Vorgehen einig mit der Bundesregierung. Die Gespräche erfolgen in enger Abstimmung.

Die Bundesregierung hat den Deutsch-Chinesischen Rechtsstaatsdialog initiiert. Am 15. und 16. Mai 2007 hat in Berlin die 23. Runde des EUChina-Menschenrechtsdialogs stattgefunden, dessen Kernthemen Chinas Ratifizierung des UNPakts über Bürgerliche und Politische Rechte, Rechtsreformen - einschließlich Abschaffung von Todesstrafe und Administrativhaft -, Presse- und Meinungsfreiheit sowie Minderheitenrechte in Tibet, Xinjang und der Inneren Mongolei waren. Im Oktober 2007 findet in Peking der nächste EUChina-Menschenrechtsdialog statt.

Zu 2: Bereits im Rahmen seiner ersten Reise nach China im Mai 2005 hat der Herr Ministerpräsident in den politischen Gesprächen u. a. mit dem Vizeminister und stellvertretenden Leiter der Internationalen Abteilung beim ZK der KPCh, Zhang Zhijun, und dem Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses des Nationalen Volkskongresses, Jiang Enzhu, Fragen zu der Einhaltung der Menschenrechte gestellt, die ausführlich und offen besprochen wurden. Er hat insbesondere die Fortdauer der Gefängnishaft für die seit 18 Jahren inhaftier

ten Tian‘anmen-Gefangenen kritisiert und um ein Ende der Haft gebeten. Zur Unterstützung der christlichen Minderheit in China hat er den katholischen Bischof Li Mingshu in Tsingtao besucht und gemeinsam mit der Delegation an der Pfingstmesse der Gemeinde teilgenommen.

Die zitierte Presseberichterstattung über den bewussten Verzicht auf Kritik ist inhaltlich falsch zugeordnet. Richtig ist vielmehr, dass der Herr Ministerpräsident zum Thema Klimaschutz die konstruktiven Chancen für Deutschland und Niedersachsen in der wirtschaftlichen und technischen Kooperation mit der VR China herausgestellt und hier den „erhobenen Zeigefinger“ gegenüber China als nicht hilfreich bezeichnet hat, weil die Industrialisierung in Europa begonnen hat und nun die Industriestaaten in besonderer Weise gefordert seien, mit modernen Technologien und CO2-Vermeidungsstrategien voranzugehen.

Anlage 16

Antwort

des Ministeriums für Wissenschaft und Kultur auf die Frage 18 der Abg. Dr. Gabriele Andretta (SPD)

Alle Macht den Ländern - Wie will die Landesregierung mit den neu erworbenen Kompetenzen in der Hochschulpolitik umgehen?

Mit Beschluss der Bundesregierung vom 9. Mai 2007 will der Bund sich komplett aus der Rahmengesetzgebungskompetenz in der Hochschulpolitik zurückziehen und das 1975 in Kraft getretene Hochschulrahmengesetz aufheben. Bis zum 1. Oktober 2008 sollen die Länder mit eigenen Gesetzen Regelungen für die Zulassung zum Studium und Studienabschlüsse verabschieden.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

1. Wie bewertet die Landesregierung den zukünftigen Verzicht auf bundeseinheitliche Regelungen bei Zulassung und Abschlüssen, besonders im Hinblick auf ihr erklärtes Ziel der Förderung der Mobilität von Studierenden?

2. Unterstützt die Landesregierung den Vorschlag des Präsidenten der KMK, auch zukünftig für bundeseinheitliche Regelungen beim Hochschulzugang und Hochschulabschlüssen zu sorgen und bis Ende des Jahres einen gemeinsamen Ländervorschlag zu verabschieden?

3. Wenn ja, welche Initiative wird die Landesregierung ergreifen, um länderübergreifende Regelungen zu sichern?

Bund und Länder haben sich auf eine umfassende Änderung des Grundgesetzes im Zuge der Föderalismusreform verständigt. Sie dient der Entflechtung der Entscheidungsstrukturen, führt zu erheblich effizienterem Handeln, mehr Wettbewerb und zu klaren Verantwortlichkeiten. Hochschulen sind nunmehr grundsätzlich Angelegenheiten der Länder. Durch den Wegfall der schwer kalkulierbaren Bundeskompetenz können die einzelnen Universitäten und Fachhochschulen sich in Zukunft darauf verlassen, dass sie die von den Ländern eingeräumte Autonomie auch nutzen können. Dazu gehört auch die Beseitigung der bisherigen Rahmenkompetenz des Bundes auf dem Gebiete des Hochschulwesens.

Das 1976 in Kraft getretene Hochschulrahmengesetz hat als nationaler Rahmen für Hochschulabschlüsse angesichts der Entwicklung zu einem gemeinsamen europäischen Hochschulraum im Bologna-Prozess und der damit verbundenen Flexibilisierung und der Orientierung an EU-weit einheitlichen Standards weitgehend an Bedeutung verloren. Durch den Bologna-Prozess verliert aber nicht nur ein nationaler Rahmen für Hochschulabschlüsse an Bedeutung. Bereits 2004 wurde bei der Reform der Hochschulzulassung die Rolle der Hochschulen mit dem 7. HRG-Änderungsgesetz gestärkt. Auf dieser Basis haben die Länder am 22. Juni 2006 einen neuen Staatsvertrag über die Vergabe von Studienplätzen vereinbart. Der Gesetzentwurf zur landesgesetzlichen Umsetzung dieses Staatsvertrages und zur Änderung des Niedersächsischen Hochschulzulassungsgesetzes wurde im Plenum des Landtages am 6. Juni 2007 verabschiedet.

In der Amtschefs-Arbeitsgruppe Qualitätssicherung der Kultusministerkonferenz (KMK), die unter Vorsitz des niedersächsischen Staatssekretärs Dr. Lange und der Staatssekretärin Dzwonnek tagt, werden die Konsequenzen aus der Föderalismusreform beraten und die gegebenenfalls notwendigen Beschlüsse der KMK vorbereitet.

Nach Aufhebung des Hochschulrahmengesetzes verbleibt dem Bund nach Artikel 74 Abs. 1 Nr. 33 GG für die Hochschulzulassung und die Hochschulabschlüsse eine nicht mehr der Erforderlichkeitsklausel unterworfene konkurrierende Gesetzgebungskompetenz. Soweit der Bund von dieser Gesetzgebungsbefugnis Gebrauch macht, steht den Ländern nach Artikel 74 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 GG ein Abweichungsrecht zu. Der Bund sieht derzeit, aufgrund der bestehenden Situation einer einheitli

chen und transparenten Vergabe von Studienplätzen sowie der Vergleichbarkeit von Abschlüssen, keine Veranlassung, von seiner Gesetzgebungskompetenz Gebrauch zu machen.

Dies vorweggeschickt, beantworte ich die gestellten Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1: Die bisherigen rahmenrechtlichen Vorgaben des HRG sind in den Hochschulgesetzen der Länder umgesetzt worden. Die zum 1. Januar 2007 in Kraft getretene NHG-Novelle trifft landesspezifische Entscheidungen u. a. zu Aufgaben der Hochschulen, zu Hochschulprüfungen und zur Habilitation. Die Mobilität von Studierenden wurde und wird im Wesentlichen durch die KMK-Beschlüsse „Strukturvorgaben“ in der jeweiligen Fassung sichergestellt.

Zu 2: Die Landesregierung ist sich ihrer Verantwortung im Rahmen der gesamtstaatlichen Koordination bewusst. Die Landesregierung unterstützt alle Bemühungen unter den Ländern, die darauf gerichtet sind, eine Abstimmung zwischen den Ländern herbeizuführen. Sie wird sich an den Beratungen zu bundeseinheitlichen Regelungen bei Zulassung und Abschlüssen aktiv beteiligen, um sicherzustellen, dass der Wettbewerb zwischen den Hochschulen nicht beeinträchtigt wird.

Zu 3: Einer besonderen Initiative der Landesregierung bedarf es nicht, da die angesprochenen Punkte Gegenstand der Beratungen in der KMK sind.

Anlage 17

Antwort

des Finanzministeriums auf die Frage 19 des Abg. Dieter Möhrmann (SPD)

Gesetz zur weiteren Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements

Mit Drucksache 117/07 vom 16. Februar 2007 hat die Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements in den Bundestag eingebracht. Dieses Gesetz soll rückwirkend zum 1. Januar 2007 in Kraft treten. Gemeinnützige Vereine und Organisationen aus den betroffenen Bereichen wie z. B. Sport und Kultur haben sich bereits auf die steuerlichen Veränderungen eingestellt.

Es gibt darüber hinaus weitergehende Forderungen aus den Bundesländern, so z. B. von Finanzminister Möllring auf Änderung der Lohnsteuerrichtlinien, den pauschal steuerfrei zu

belassenen Betrag von monatlich 154 Euro auf 175 Euro zu erhöhen. Bayern hat sich mit dem Vorschlag einer neuen steuerfreien Aufwandspauschale von 600 Euro im Jahr zu Wort gemeldet. Diesen Vorschlägen haben aber die Große Koalition und das Bundesfinanzministerium aus steuersystematischen Gründen widersprochen: Es müsse dargelegt werden, dass bei dem betroffenen Personenkreis typischerweise im Durchschnitt tatsächlich Erwerbsaufwendungen im Umfang von mehr als 154 Euro monatlich anfallen (vgl. Urteil BFH vom 29. No- vember 2006 sowie BVerfG vom 11. November 1998).

Des Weiteren gibt es Forderungen, nicht steuerpflichtige Personen (z. B. Rentner) auch in den Genuss von finanziellen Vergünstigungen kommen zu lassen, wenn sie unentgeltlich alte, kranke oder behinderte Menschen pflegen. Steuerpflichtige sollen in diesen Fällen zukünftig 300 Euro p. a. von ihrer Steuerschuld abziehen können.

Ich frage die Landesregierung:

1. Welche über die im Gesetzentwurf der Bundesregierung geplanten Änderungen hinausgehenden Initiativen werden zurzeit in den Ausschüssen von Bundestag und Bundesrat beraten, welche werden von Niedersachsen mit welcher Begründung unterstützt oder abgelehnt, und zu welchem Zeitpunkt ist mit einem endgültigen Beschluss von Bundestag und Bundesrat zu rechnen?

2. Wird es beim rückwirkenden Inkrafttreten ab 1. Januar 2007 bleiben?