Protokoll der Sitzung vom 10.07.2007

(Beifall bei der CDU)

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 12: Einzige (abschließende) Beratung: a) Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Rettungsdienstgesetzes - Gesetzentwurf der Landesregierung Drs. 15/3435 - b) Rettungsdienstgesetz nachbessern! - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/3464 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres und Sport Drs. 15/3929 - Schriftlicher Bericht Drs. 15/3953

Die Beschlussempfehlung lautet zu a) auf Annahme in geänderter Fassung und zu b) auf Ablehnung.

Eine mündliche Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Ich eröffne die Beratung. Für die CDU-Fraktion hat Herr Kollege Biallas das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst möchte ich der SPDFraktion sagen, dass all das, was sie im Vorfeld dieser heutigen Beschlussfassung behauptet hat, erst einmal zurechtgerückt werden muss. Am 22. Mai erklärte der Kollege Bachmann

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Guter Mann!)

in seiner ihm eigenen ruhigen Art:

(Lachen bei der CDU und bei der FDP - Wolfgang Jüttner [SPD]: Das ist eine seiner Stärken!)

Wir haben uns mit unseren Vorschlägen durchgesetzt. - Dem muss ich widersprechen. Wir haben im Ausschuss vielmehr eine sehr intensive Anhörung verschiedener Verbände und Interessengruppen durchgeführt und deren Stellungnahmen eingehend geprüft und bewertet. Dann haben wir Änderungsvorschläge vorgelegt, von denen Kolle

ge Bachmann meinte, damit habe sich die SPDFraktion durchgesetzt. Ihre Pressemitteilung, meine Damen und Herren, wir seien Ihren Vorschlägen gefolgt, fand ich ziemlich überheblich. Aber ich will es relativieren: Sie war wenigstens wahrheitswidrig.

(Lachen bei der CDU und bei der FDP)

Wenn es so gewesen sein sollte, wie Sie meinen, dann müssen Sie heute erklären, warum Sie, nachdem Sie das alles behauptet haben, im Innenausschuss dagegengestimmt haben und auch heute dagegenstimmen wollen. Dies hieße nämlich sachlogisch, dass Sie heute gegen Ihre eigenen Vorschläge stimmen wollen.

(Beifall bei der FDP)

Das müssen Sie erst einmal uns - dies wird Ihnen aber nicht gelingen - und auch der Öffentlichkeit erklären.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Die hat es im Gegensatz zu Ihnen ver- standen!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein Wort zu den vielfältigen Vorschlägen und Forderungen der Verbände. Es lagen viele Einzelforderungen vor, die miteinander mitunter unvereinbar waren. Schon allein deshalb war eine Berücksichtigung jedes vorgetragenen Anliegens schlicht unmöglich. In der Tat war es keine einfache Aufgabe, am Ende abzuwägen und einen vernünftigen Vorschlag zu machen. Dabei haben wir uns viel Mühe gegeben.

Der Rettungsdienstbereich ist ja ein riesiger Markt, an dem unendlich viele beteiligt sind. Da gibt es unendlich viele Interessen. Man muss gucken, dass man vernünftig abwägt, am Ende eine sachgerechte Entscheidung trifft und einen vernünftigen Vorschlag macht.

Wir haben die Ziele, die wir uns gesetzt haben, erreicht. Wir wollten mehr Wettbewerb. Wir wollten - so gut es geht - den Abbau der Bürokratie befördern, wobei ich sagen muss, dass die Akteure noch sehr viel mehr Chancen hätten, das selbst zu bewerkstelligen. Wir wollten zugleich die hohen Qualitätsstandards im Rettungsdienst beibehalten und für mehr Kostenstabilität und Wirtschaftlichkeit sorgen.

Meine Damen und Herren, ich möchte einige Punkte kurz ansprechen:

Erstens. Der Interhospitalverkehr wird dann nicht mehr dem Rettungsdienstgesetz unterworfen sein, wenn der Transport innerhalb einer Behandlungseinrichtung in einem Rettungsdienstbereich stattfindet. Die Sorgen, die geäußert worden sind, die Krankenhäuser würden aus Kostengründen kein qualifiziertes Personal einsetzen, halte ich schlicht für Stimmungsmacherei und zum Teil auch für blanken Unsinn. Das muss ich hier einmal sehr deutlich sagen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, noch ein Wort dazu: Wir mussten das regeln, weil die Krankenkassen diese Transporte nicht vergüten. Ich habe mich gewundert, dass sich die Krankenkassen ausgerechnet in dieser Situation zu diesem Punkt zu Wort gemeldet haben; denn es ist ja so, dass man die Krankenhäuser budgetiert und zwingt, Leistungen einzukaufen, auf deren Preise sie keinen Einfluss nehmen können. Dies wollten wir abstellen.

Zweitens. Zu den Leitstellen hat es viele Diskussionen - auch mit der SPD-Fraktion - gegeben. Wir haben in beiden Fällen - sowohl was die kooperativen als auch die integrierten Leitstellen angeht Kannvorschriften eingeführt. Eine verpflichtende Vorgabe haben wir ausdrücklich nicht vorgesehen, weil es sich zeigt, dass man mit Überzeugungsarbeit zu guten Erfolgen kommen kann.

Für die kooperativen und die integrierten Leitstellen sind inzwischen vier freiwillige Absichtserklärungen unterzeichnet worden, und zwar in Oldenburg, Ostfriesland, Hameln und Lüneburg. Zwei weitere sind in Vorbereitung, nämlich in Göttingen und Osnabrück. Auch hier sind wir unserem eisernen Vorsatz gefolgt: Wir regeln im Gesetz nur das, was zwingend zu regeln ist.

Meine Damen und Herren, ich komme zu den gewachsenen Strukturen. Wir haben sie gestrichen, übrigens auf Vorschlag der kommunalen Spitzenverbände. Die alte Regelung führte zu der Verpflichtung, gegebenenfalls unwirtschaftliche Anbieter zu beauftragen. Die Streichung, die wir vornehmen wollen, fördert den Wettbewerb. Auch die Privaten haben es jetzt einfacher, Beauftragte zu werden. Wir sorgen durch die Regelung für mehr Kostenstabilität. Dies ist im Übrigen eine Regelung, die aller Voraussicht nach EU-rechtskonform sein wird; denn dort ist ein entsprechendes Ver

tragsverfahren anhängig. Die Eigenschaft der gewachsenen Strukturen kann zwar im Rahmen der Ermessensentscheidung weiter berücksichtigt werden, aber nicht mehr als einziges und ausschlaggebendes Argument.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich komme zu der Frage, ob die Qualitätsstandards erhalten bleiben. Erstmalig haben wir Vorgaben für die Personalbesatzung auf Rettungstransportwagen eingeführt, soweit es um den qualifizierten beauftragten Krankentransport geht. Im Falle der genehmigten Krankentransporte gibt es keinen Verweis auf diese Personalstandards, weil wir sie für selbstverständlich halten. Wir sind - dies sage ich allen Kritikern - für einheitliche Personalstandards. Diese müssen auch einheitlich sein. Die Genehmigungsbehörden sehen dies im Übrigen genauso. Die Personalstandards können den Verbund zwischen den betroffenen Paragrafen herstellen, wenn dies als politischer Wille ausdrücklich betont wird. Das möchte ich noch einmal eindeutig erklären, falls es da Streit geben sollte.

Selbstverständlich ist es jedem unbenommen, freiwillig höhere Standards einzuführen. Personelle Anforderungen werden im Übrigen in der Genehmigung mit dem Träger des Rettungsdienstes vereinbart. Kein Träger wird auf Kosten der Patientensicherheit Regelungen zustimmen, die unzumutbar sind.

Meine Damen und Herren, zu der unsäglichen Polemisierung in den Medien seitens eines Verbandes - ich zitiere -, demnächst würden Gärtner und Hausmeister die Wagen fahren und dabei nicht mitbekommen, dass der zu Transportierende - wörtlich hieß es dort - „hinten verreckt“, kann ich nur sagen: Dies wird so nicht eintreten. Wenn ein Landrat in Niedersachsen eine Vereinbarung unterzeichnet, dass Unausgebildete den Rettungswagen fahren können, dann - dies möchte ich sehr deutlich sagen - entspricht das nicht dem, was gewünscht und formuliert worden ist. Aber jeder Landrat wird selbst erleben, wie das in der Öffentlichkeit goutiert wird.

Herr Kollege Biallas, Sie müssen zum Schluss gekommen!

Ich komme zum Schluss. - Meine Damen und Herren, das, was wir hier vorgelegt haben, ist in der Tat eine gute, wohlüberlegte und ausgereifte Beschlussempfehlung zu einem Gesetzentwurf. Die SPD-Fraktion wäre gut beraten, wenn sie noch einmal in sich gehen und überlegen würde, ob sie ihr nicht zustimmen kann. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herzlichen Dank. - Für die SPD-Fraktion Herr Kollege Bachmann. Sie haben das Wort. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie alle erinnern sich sicherlich noch gut daran, dass wir hier im Hause seit drei bzw. vier Jahren regelmäßig Debatten über die Organisation der Leitstellen führen und wie Herr Minister Schünemann als vermeintlicher Kraftmeier in diese Debatte hineingegangen ist. Er sprach von zwölf bunten Leitstellen im Lande - das waren zu Anfang seine Überlegungen - als Ersatz für die jetzige Leitstellenlandschaft bei den Polizeidirektionen, in den großen zwei, in den kleinen oder den flächenmäßig kompakteren eine. Er sprach davon, dass die Disponenten dort face to face sitzen und sich gegenseitig ergänzen können. Bei jeder Debatte und jeder öffentlichen Auseinandersetzung über diese Frage, in dessen Rahmen er immer mehr Druck verspürte, ruderte er Stück für Stück zurück.

Als er im Dezember 2006 den jetzt zur Verabschiedung stehenden Gesetzentwurf einbrachte, hat er dieses Ziel noch im Rahmen einer Sollvorschrift vorgegeben. „Soll“ heißt, es ist eigentlich der Regelfall, wenn nicht das Gegenteil juristisch begründet werden kann. Die Kannvorschriften, die heute beschlossen werden sollen, lieber Herr Biallas, entsprechen unserer Position von vor drei bis vier Jahren. Hätten wir vor drei bis vier Jahren die Position der SPD durch Sie hier im Parlament bestätigt bekommen, hätten wir uns die Auseinandersetzungen und die Debatten, die die Öffentlichkeit nur irritiert haben, insgesamt ersparen können.

(Beifall bei der SPD)

Ich darf mich freuen. Vorhin wurde gefragt, warum sich die SPD-Redner eigentlich nicht freuen. Na

klar, wir freuen uns. Wissen Sie, worüber ich mich freue? - Darüber, dass Herr Schünemann dieses Mal eine volle Bauchlandung erlebt hat und Sie die Verursacher sind.

(Beifall bei der SPD)

Die CDU-Fraktion hat es eher als der Minister gemerkt, dass sie solche verpflichtenden Regelungen gegen den Druck der Betroffenen im Lande nicht durchsetzen kann.

Damit hier kein falscher Eindruck entsteht: Wir sind für freiwillige Lösungen. Wir haben das von Anfang an formuliert. Wir haben von Anfang an gesagt: Wir sind für integrierte regionale Leitstellen, die jetzt nicht mehr als Pflichtveranstaltung, sondern im Rahmen einer Kannvorschrift beschrieben werden und sich überall im Land entwickeln. Dank meiner Unterstützung z. B. in der Region Braunschweig arbeitet bei der dortigen Berufsfeuerwehr schon lange eine regionale Leitstelle für die Stadt Braunschweig, den Landkreis Peine und den Landkreis Wolfenbüttel. Ich habe das vor Ort immer mit befördert.

(Zustimmung bei der SPD - Zuruf von der CDU: Was hätten die ohne Sie gemacht?)

Deswegen sollten Sie nicht behaupten, wir würden keine Veränderungen anstreben. Wir haben nur deutlich gemacht, dass der von Herrn Schünemann vor drei bis vier Jahren vorgegebene Weg jetzt zu Recht kassiert wird. Er hat mit seiner Kraftmeierei an dieser Stelle wieder einmal eine volle Bauchlandung gemacht.

(Beifall bei der SPD)

Lieber Herr Biallas, Sie haben aus unserem parallel eingereichten Entschließungsantrag - das war unser Antrag - die Leitstellenposition übernommen. Sie haben die Wasserrettungsposition übernommen, und Sie haben den Ärztlichen Leiter Rettungsdienst übernommen, die in unserem Entschließungsantrag enthalten sind. Deshalb darf man mit Fug und Recht sagen: Sie haben dazugelernt, und wir haben uns durchgesetzt, weil Sie unsere Positionen übernommen haben. - Herzlichen Glückwunsch!

(Beifall bei der SPD - Hans-Christian Biallas [CDU]: Dann müsst ihr jetzt doch zustimmen! - David McAllister [CDU]: Warum stimmst du dann nicht zu?)

- Ich komme gleich dazu. - Wir haben uns im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens einvernehmlich auf Verbesserungen im Bereich des Intensivtransports, der ITWs, verständigt. Wir haben uns auch einvernehmlich darauf verständigt, dass die Notärzteorganisationen des Landes zukünftig im Landesausschuss für den Rettungsdienst mitwirken. Auch darüber besteht Einvernehmen. Würden wir heute nur ein Leitstellengesetz beraten, dann könnten wir das hier einstimmig beschließen. Aber der Innenminister hat versucht, das Rettungsdienstgesetz als Vehikel für seine Vorstellungen von Leitstellenorganisation zu nutzen. Nun kommen wir zu dem Teil Rettungsdienst, bei dem es maßgebliche Verschlechterungen geben wird, die Sie zu verantworten haben. Diese sind auf Folgendes zurückzuführen: Mittlerweile ist in neun Bundesländern die Hilfsfrist gesetzlich geregelt. In 10 bis 15 Minuten muss ein geeignetes Rettungsmittel am Ort sein.

(Hans-Christian Biallas [CDU]: Mit der Folge rechtlicher Auseinandersetzun- gen!)

Sie lehnen das für Niedersachsen ab. Ich habe wenigstens die Hoffnung, dass es noch eine Verordnung geben wird. Aber eine gesetzliche Ermächtigung für eine solche Verordnung gibt es an keiner Stelle. Warum lehnen Sie gegenüber der Praxis in neun Bundesländern eine solche gesetzliche Normierung ab? - Das ist der erste Grund.