Herr Busemann, warten Sie bitte einen Augenblick! - Ich möchte die Abgeordneten darauf hinweisen, dass hier nicht geblitzt werden darf.
Wir alle wissen, dass wir noch immer viel zu viele zugewanderte Jugendliche haben, die Schwierigkeiten beim Übergang von der Schule in den Beruf haben. Das ist eine ganz klare Erkenntnis, und da besteht Handlungsbedarf. Da muss man hier nichts ausstreiten.
Im Projekt „Abschlussquote erhöhen - Berufsfähigkeit steigern“ wurden deshalb an 24 Schulstandorten in ganz Niedersachsen Berufsstarterklassen eingerichtet. Landesweit erhalten 500 Schülerinnen und Schüler, darunter viele mit Migrationshintergrund, aus 88 beteiligten Hauptschulen und Förderschulen dabei eine individuelle Förderung. Das ist ein tolles Projekt, auch gefördert durch die Bundesagentur für Arbeit. Wenn das, was wir da miteinander machen, nicht fruchtet, dann weiß ich es auch nicht mehr. Warten wir dieses Ergebnis einmal ab!
Mit dem Projekt „Berufseinstiegsklassen“, das derzeit an ca. 40 berufsbildenden Schulen angeboten wird, wollen wir rund 8 000 Jugendlichen mit sehr schwachem oder fehlendem Hauptschulabschluss eine bessere berufliche Perspektive geben. Unter den 8 000 sind - das ist völlig klar; dies sage ich, damit das von der Zahl her stimmig ist sehr viele junge Leute mit Migrationshintergrund.
Meine Damen und Herren, die Anerkennung der in den Familien mit Migrationshintergrund vorhandenen Mehrsprachigkeit sowie die interkulturelle Öffnung der Bildungseinrichtungen ergänzen die frühe und schulisch begleitende Förderung in Deutsch. In einem zusammenwachsenden Europa werden mehrsprachige Kompetenzen aufgrund stärkerer Internationalisierung von zunehmender - auch wirtschaftlicher - Bedeutung sein. Gerade als Land, das sich Exportweltmeister nennen darf, ist es außerordentlich wichtig, dass wir das sprachliche und interkulturelle Potenzial von Menschen nichtdeutscher Herkunftssprache entsprechend nutzen. Durch den herkunftssprachlichen Unterricht im Primarbereich wird bei den zweisprachigen Kindern die Grundlage für eine solide zweisprachige Entwicklung gelegt. Die veränderte Zielsetzung dieses Unterrichts - d. h. nicht mehr Rückkehrförderung, sondern Grundlage für eine bikulturelle Entwicklung - erfordert eine qualitative Verbesserung des Unterrichts in diesem Bereich. Wir entsprechen dem durch ein umfangreiches Lehrerfortbildungsprojekt für die herkunftssprachlichen Lehrkräfte. Mein Haus hat außerdem den aus Haushaltskonsolidierungsgründen seinerzeit beschlossenen Einstellungsstopp für herkunftssprachliche Lehrkräfte mittlerweile aufgehoben, sodass nach Bedarf wieder Einstellungen vorgenommen werden können.
Bestandteil unserer Anstrengungen um die Verbesserung des Bildungserfolgs der zugewanderten Kinder und Jugendlichen sind ferner die Erprobung und Weiterentwicklung bilingualer Modelle bereits im Primarbereich sowie vielfältige Vorhaben zur Förderung interkultureller Kompetenz. Diese fördern an Humanität und Menschenrechten orientierte Werthaltungen. Dazu gehören Fächer übergreifende Vorhaben zum interkulturellen Lernen, Projekte gegen Rassismus, Antisemitismus und
Meine Damen und Herren, nicht ohne Stolz kann ich Ihnen mitteilen, dass wir bereits heute einen Großteil der im Nationalen Integrationsplan genannten bildungspolitischen Schwerpunkte in Niedersachsen auf den Weg gebracht haben. Gucken Sie in andere Bundesländer, und Sie werden feststellen, dass man dort noch nicht so weit ist. Am Ziel sind wir allemal noch nicht; aber andere Länder sind nicht ganz so flink wie die Niedersachsen. Der Landesregierung ist die Steuerung und Verzahnung aller Aktivitäten bei der Gestaltung von Integrationsprozessen wichtig. Bereits im Jahr 2003 hat die Landesregierung deshalb die interministerielle Arbeitsgruppe Integration eingerichtet, die alle Maßnahmen und Projekte im Handlungsprogramm Integration bündelt und Empfehlungen zur Weiterentwicklung ausspricht.
Meine Damen und Herren, lassen Sie uns gemeinsam mit den Migrantinnen und Migranten - gerade auch den jungen Leuten - nach vorn schauen. Es bedarf noch vielfältiger Anstrengungen aller Beteiligten, um den Bildungserfolg von Kindern und Jugendlichen aus zugewanderten Familien zu verbessern. Die Landesregierung sieht die Probleme, ist auf dem richtigen Weg und wird diesen Weg auch konsequent einhalten. Zielführende Vorschläge, wie man da und dort noch etwas besser machen kann, hören wir immer gerne; ihnen verschließen wir uns nicht.
Ich will abschließend sagen: Wir müssen es hinbekommen - Bildung ist immer ein Langzeitprozess -, dass wir in zehn oder ein paar mehr Jahren so weit sind, dass es keinen Unterschied macht, ob man ein Kind mit Migrationshintergrund oder ein deutschstämmiges Kind hat. Sobald beide Gruppen von Kindern prozentual etwa gleiche Bildungsergebnisse haben werden, werden wir es miteinander geschafft haben. Als Gesellschaft mit einer starken Wirtschaft, einem immer noch hohen Wohlstand und einem demografischen Problem im Nacken können wir es uns nicht leisten, dass wir Kinder mit Migrationshintergrund in unserem Bildungswesen hintanstehen lassen. Im höchsteigenen Interesse aller Belange, die hier zusammenzuführen sind, können wir nur miteinander daran arbeiten, dass diese Kinder genauso gute Chancen haben wie die anderen. - Danke schön.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Busemann, Sie haben sich wieder einmal als Nebelwerfer betätigt. Durch langes Reden haben Sie versucht, von Schwächen abzulenken. Sie haben um das zentrale Problem herumgeredet, das lautet: Es gibt in Deutschland eine viel zu enge Verknüpfung zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg.
Dies ist inzwischen - Sie haben es auch eingestanden - nicht mehr nur eine Behauptung, sondern eine statistisch vielfach belegte Tatsache. Auch und gerade Kinder aus Einwandererfamilien sind davon in besonderer Weise betroffen. Wenn dies so ist und es sich auch nicht bessert, sondern geradezu noch verfestigt, dann ist das in einem reichen Land wie Deutschland ein handfester Skandal.
Wir sollten uns darüber einig sein - hier bin ich es auch mit Ihnen -, dass hier dringender Handlungsbedarf besteht.
Insofern sind Zielsetzung und Ansatz der Großen Anfrage der Grünen-Fraktion nur folgerichtig. Sie versucht, im Detail zu eruieren, wie sich die Situation speziell in Niedersachsen darstellt, wie sie sich in den letzten Jahren entwickelt hat und was getan werden kann und muss, um die Situation zu verändern. Es ist ebenfalls als positiv zu vermerken, dass die Antwort der Landesregierung nicht nur ein Zahlengrab ist, sondern sich gleichzeitig um eine umfassende Sachdarstellung bemüht.
Allerdings wird der interessierte Leser den Verdacht nicht los - dies gilt für Ihre Rede ebenso -, dass die Länge der Darstellung nicht in erster Linie der Aufklärung des Sachverhaltes dient, sondern in vielen Fällen eher der Vernebelung.
„Die sprachliche Bildung soll als Querschnittsaufgabe in den Kindertagesstätten implementiert werden.“
„Die Länder setzen sich für die Einführung systematischer und zielgerichteter Elternansprache und -information ein, möglichst in Zusammenarbeit mit den Migrantenvereinen.“
„Die Länder“? - Hier wurde nach Niedersachsen gefragt. „Setzen sich ein“? - Waren sie dabei erfolgreich? „Möglichst in Zusammenarbeit“? - Das sollte eine Selbstverständlichkeit sein!
Meine Damen und Herren, klare Antworten sehen anders aus, energisches Handeln sieht erst recht ganz anders aus.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht mir nicht darum, gute Ansätze zu diskreditieren. Die unter einer SPD-Regierung eingeführte Sprachförderung vor der Einschulung haben Sie weitergeführt. Das ist gut so; denn sie ist und bleibt wichtig. Leider geht sie aber auf Kosten der Sprachförderung in der Grundschule, und das ist eine Katastrophe.
Dass die Landesregierung das bisher nur höchst nebulös beschriebene sogenannte Brückenjahr schon zu den positiven Maßnahmen zählt, zeigt nur ihre Hilflosigkeit.
Es wird auch gar nicht erst versucht, die Fragen ihrer Intention gemäß zu beantworten. Auf der einen Seite wird bestätigt:
„Nach dem ersten nationalen Bildungsbericht... weist fast ein Fünftel der niedersächsischen Bevölkerung...
individuelle oder familiale Zuwanderungserfahrungen auf; der für den Bildungsbereich relevante Anteil bei den unter 25-Jährigen liegt bei 27,2 %, bei den 0- bis 6-Jährigen sogar bei 32,5 %.“
Dann aber wird für die Beantwortung der Fragen lediglich das Merkmal „ausländische Staatsangehörigkeit“ herangezogen, wovon 7 % der Gesamtschülerschaft betroffen sind. Für das Erkenntnisinteresse der Fragenden ist dies eine gravierende Verengung, die unter Umständen zu einer erheblichen Verzerrung der Ergebnisse führen kann.
Neben die Einleitung gestellt, bringen sie eine Einstellung zum Ausdruck, die sich etwa so umschreiben lässt: Wir sind toll, aber bezüglich der Daten und Fakten haben wir keine Ahnung. - Beispiele:
„Zu 1: Angaben über deutsche Staatsangehörige, die ursprünglich aus anderen Herkunftsländern kommen, stehen nicht zur Verfügung...
Meine Damen und Herren, es gibt zwei Konsequenzen, die man aus solchen Antworten ziehen kann. Die eine hätte mein Volksschullehrer angewandt; er hätte gesagt: Busemann, geh in die Ecke und schäm dich! - Die andere ist positiver gewendet, und ich kann sie nur dringend empfehlen: Verschaffen Sie sich endlich eine vernünftige Datenbasis!
(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Joachim Albrecht [CDU]: Welche Daten hätten Sie denn heran- gezogen?)