Protokoll der Sitzung vom 14.11.2007

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte gern einige wenige Anmerkungen zu der vorangegangenen Debatte machen, weil mir dies besonders wichtig ist.

David McAllister, der Vorsitzende der Regierungsfraktion der CDU, ist ja schon darauf eingegangen, was im Jahr 2002 geschehen ist. Ich möchte Ihnen, Herr Schwarz, an dieser Stelle eines sagen: Die damalige SPD-Landesregierung hat im Jahr 2002 den Entwurf für ein Gleichstellungsgesetz in den Landtag eingebracht, wohl wissend, dass dieser Gesetzentwurf bis zum Ende der Legislaturperiode nicht zu Ende beraten werden kann. Darauf

hin haben Sie im Jahr 2005 den gleichen Gesetzentwurf noch einmal in den Landtag eingebracht. Aber auch dieser Gesetzentwurf enthielt z. B. keine konkreten Vorschriften zur Kostenerstattung.

Erst diese Landesregierung hat, nachdem das Konnexitätsprinzip in die Tat umgesetzt worden war - das war die Verabredung -, einen Gesetzentwurf vorgelegt, der diese Frage eindeutig regelt. Wir haben diese Frage ganz konkret auch mit den Spitzenverbänden abgestimmt. Dies ist glaubwürdige Politik, Herr Schwarz. Man sollte zunächst etwas abstimmen, das Ergebnis dann in einen Gesetzentwurf gießen und schließlich versuchen, den Gesetzentwurf im Landtag zu verabschieden.

Ich möchte noch ein Weiteres sagen, meine sehr geehrten Damen und Herren: Ich bin froh darüber, dass wir den Gesetzentwurf heute verabschieden. Dies ist aber nur ein wesentlicher Baustein auf dem Weg hin zur gleichberechtigten Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am Leben. Viel, viel wichtiger ist meines Erachtens aber, wie wir uns aktiv zu behinderten Menschen stellen, was wir aktiv tun, damit Menschen mit Behinderung gleichberechtigt am Leben teilhaben können. Wir haben in den letzten Jahren eine ganze Menge in dieser Hinsicht getan. Ich erinnere nur einmal an das Modellvorhaben zum Persönlichen Budget. Das Persönliche Budget ist etwas, was Menschen mit Behinderung zu wesentlich mehr Selbstständigkeit verhilft, wiederum zu verbesserten Wahlmöglichkeiten führt und von behinderten Menschen gern angenommen wird.

Gemeinsam mit dem Landesbeauftragten für Behinderte haben wir das Persönliche Budget für Arbeit erarbeitet. Wir werden es zum 1. Januar 2008 einführen, um auch Menschen mit Behinderung zu befähigen, auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Wir haben außerdem jede Menge Sonderprogramme aufgelegt, die dem Abbau der Arbeitslosigkeit unter Menschen mit Behinderung dienen. Ferner ist es uns gelungen, die Integrationsfachdienste auf einen guten Weg zu bringen. Wir haben gemeinsam mit der Arbeitsagentur die Berufsförderwerke an den Standorten Bad Pyrmont, Goslar und Ganderkesee modernisiert. Darüber hinaus haben wir für Menschen mit Behinderung neue Werkstattplätze geschaffen.

Meine Damen und Herren, wichtig muss uns allen in dieser Runde sein, dass es normal ist, verschieden zu sein, dass jeder Mensch mit seinen Fähigkeiten gefördert wird und dass jeder Mensch mit

seinen Fähigkeiten gefordert wird. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, dass man selbst mit gutem Beispiel vorangeht. In meinem Ministerium haben wir z. B. einen Praktikumsplatz für Menschen mit Behinderung eingerichtet. Das hat sehr gute Erfolge gezeigt, und zwar so gute Erfolge, dass wir jetzt zwei Außenarbeitsplätze für Menschen mit Behinderung haben. Auf diesen Außenarbeitsplätzen arbeiten zwei Menschen mit Behinderung - hoch motiviert, hoch engagiert und vorbildlich für viele bei uns in der Verwaltung.

(Beifall bei der CDU)

Das, meine Damen und Herren, ist aktive Politik für Menschen mit Behinderung.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Joachim Albrecht [CDU]: Sehr richtig!)

Herzlichen Dank. - Nach § 71 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung hat Herr Kollege Schwarz von der SPD-Fraktion um zusätzliche Redezeit gebeten. Drei Minuten, Herr Schwarz!

(Jörg Bode [FDP]: Dann kann er seine Aussage jetzt ja richtigstellen! - Anne- liese Zachow [CDU]: Das würde der nie machen!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Ross-Luttmann, ich wiederhole es: Ende 2002 ist hier in den Landtag ein Gesetzentwurf eingebracht worden mit dem Angebot, die Verabschiedung dieses Gesetzentwurfs durch

zügige Beratungen in den Fachausschüssen zu gewährleisten. Das ist im Fachausschuss wiederholt besprochen worden. Von Ihrer Fraktion ist es damals aber abgelehnt worden.

(Ursula Körtner [CDU]: Es ist peinlich, was Sie da sagen! - Weitere Zurufe)

Sie hingegen haben im Jahr 2003 die unverzügliche Verabschiedung eines Gesetzentwurfes versprochen. Das war im Jahr 2003. Jetzt aber haben wir das Jahr 2007. Ich sage es noch einmal: Dass das so ist, hat nichts damit zu tun, dass Sie gegenüber der Behindertenpolitik inzwischen eine neue Einstellung haben, sondern ausschließlich mit der Kampagne, die das Bündnis für Behinderte

in dieser Frage vorbereitet und Ihnen auch schon angedroht hatte.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben hier außerdem auf die segensreiche Möglichkeit des Persönlichen Budgets hingewiesen. Das streitet niemand ab. Dem Persönlichen Budget geht aber erstens ein zu Beginn dieser Legislaturperiode vom Landtag einstimmig gefasster Beschluss voraus. Zweitens findet das Persönliche Budget seine Rechtsgrundlage in einem

Bundesgesetz, das von Rot-Grün verabschiedet worden ist. Ab dem 1. Januar 2008 wird jeder Behinderte in Deutschland einen Rechtsanspruch auf sein Persönliches Budget haben. Das ist keine Leistung dieser Landesregierung. Vielmehr unternimmt die Landesregierung an dieser Stelle erneut den plumpen Versuch, sich mit den Leistungen anderer zu schmücken. Das kennen wir auch schon vom Kinderrecht her.

(Beifall bei der SPD)

Ferner sind Sie auf die Integrationsfachdienste eingegangen. Das ist das Gleiche wie eben. Ende des vergangenen Jahren haben wir es - weil Ihre Landesregierung bei diesem Thema fest geschlafen hat - mit einem riesigen Kraftakt, der von den Grünen und von uns ausgegangen ist, verhindert, dass die Integrationsfachdienste in Niedersachsen gegen die Wand gefahren werden. Wir hatten massenhaft Proteste. Erst dadurch haben Sie mitgekriegt, dass es dieses Thema überhaupt gibt.

(Beifall bei der SPD)

Zu guter Letzt, um der Legendenbildung entgegenzuwirken: Wenn Ihnen Ihre Mitarbeiter schon sagen, was im Gesetzentwurf der SPD gestanden hat oder nicht gestanden hat, dann sollten Sie sich das richtig sagen lassen. Das gilt auch für Frau Mundlos. Im Gesetzentwurf der SPD-Landtagsfraktion gibt es einen § 16. Dieser Paragraph enthält Vorschriften über die Kostenerstattung an die Kommunen. Das ist genau das, was Sie hier heute beantragt haben, nämlich eine Kostenerstattung nach entsprechender Rechnungslegung über den KFA durchzuführen, weil das allemal ehrlicher ist als Ihre 1,5 Millionen Euro. Diese 1,5 Millionen Euro bedeuten nämlich pro Kreis oder pro kreisfreier Stadt 30 000 Euro, und die bedeuten, auf die Kommunen heruntergebrochen, dass Sie hier über Beträge im Hunderterbereich reden.

(Glocke der Präsidentin)

Und damit wollen Sie Barrierefreiheit herstellen? Das ist ein Treppenwitz, das ist eine Verdummbeutelung der Kommunen, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der SPD)

Herr Schwarz, Ihre Redezeit ist beendet.

Ihr Finanzminister sagt immer, Sie hätten ja noch alle Akten. Dann gucken Sie einmal dort hinein! Das Behindertengleichstellungsgesetz ist seinerzeit mit 100 Millionen Euro Ausgaben beziffert worden. Es sind eher mehr. Das sind uns behinderte Menschen wert, Ihnen anscheinend auch. Aber dann machen Sie nicht eine solche Alberei mit 1,5 Millionen Euro!

(Beifall bei der SPD)

Für die Landesregierung hat sich noch einmal Frau Ministerin Ross-Luttmann zu Wort gemeldet.

Sehr geehrter Herr Schwarz, zur Kostenerstattung brauche ich nicht viel hinzuzuführen. Die Kostenerstattung ist mit den kommunalen Spitzenverbänden abgesprochen. Glaubwürdige Politik ist es, Maßnahmen abzustimmen.

Ich habe gesagt, dass es in Ihrem Antrag von 2005 nicht steht. - Darin steht es nicht.

(Uwe Schwarz [SPD]: Ich habe das Gesetz gerade vorgelesen!)

Sie haben eben von dem Persönlichen Budget gesprochen, das im Bundesgesetz enthalten ist. Das ist richtig. Das trägerübergreifende Persönliche Budget ist im Bundesgesetz enthalten, und alle Menschen mit Behinderung haben ab dem 1. Januar nächsten Jahres einen Anspruch auf dieses sogenannte trägerübergreifende Persönliche Budget. Dies wird in verschiedenen Modellregionen des Bundes erprobt.

Niedersachsen ist einen anderen Weg gegangen. Niedersachsen ist auch aufgrund der hier im Landtag einstimmig angenommenen Entschließung den

Weg gegangen, das Persönliche Budget in einigen ausgewählten Regionen zu erproben, aber zunächst einmal nicht trägerübergreifend, sondern ambulant.

Die Evaluierung dieses niedersächsischen Weges hat gezeigt, dass es genau der richtige Weg ist,

(Christa Elsner-Solar [SPD]: Über- haupt nicht!)

um den Menschen zu mehr Selbstständigkeit zu verhelfen. - Liebe Frau Elsner-Solar, ich kann Ihnen nur eines empfehlen: Sprechen Sie mit den Menschen, die am Modellprojekt teilgenommen haben!

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Hat sie doch!)

Sprechen Sie mit den Leistungsträgern!

(Christa Elsner-Solar [SPD]: Habe ich doch gemacht!)

Dann werden Sie dort etwas anderes erfahren.

Das, was ich Ihnen eingangs gesagt habe, ist, dass wir weitere Schritte gegangen sind, um dies noch mehr zu implementieren. Hierbei bin ich auch dem Landesbeauftragten, Herrn Finke, sehr dankbar. Denn wir sind diesen Weg gemeinsam gegangen, wir haben gemeinsam die Arbeitsschritte erarbeitet, um auch das Persönliche Budget für Arbeit einzuführen.

Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen an dieser Stelle ganz ehrlich: Was mir wichtig ist, ist, dass wir mit den Menschen im Vorfeld sprechen. Ich besuche regelmäßig viele Einrichtungen, rede mit den Verbänden, weil wir nur so erfahren, wo der Schuh drückt. Wir regeln dann vor Ort die entscheidenden Punkte, um die gleichberechtigte

Teilhabe behinderter Menschen zu ermöglichen.

Mir ist es wichtig, dass wir alle mitnehmen, gemeinsam entscheiden und - das ist der Punkt nicht einseitig irgendetwas vorlegen, was unabgestimmt ist, sondern abgestimmte Dinge vorlegen, die den Menschen konkret vor Ort zugute kommen. Das muss unser gemeinsames Anliegen sein.

(Beifall bei der CDU - Uwe Schwarz [SPD]: Hat das jemand bestritten?)

Danke schön. - Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Auch alle Abstimmungsmodalitäten sind inzwischen geklärt, sodass wir nun nach dem Abschluss der allgemeinen Aussprache zu den Abstimmungen kommen können. Ich bitte Sie alle, Platz zu nehmen.