Protokoll der Sitzung vom 14.11.2007

(Beifall bei den GRÜNEN)

Jetzt erteile ich Herrn Minister Hirche das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Missstände sind bekannt. Sie werden zwar unterschiedlich beschrieben, aber sie sind vorhanden. Wenn man sie bekämpfen will, Herr Kollege Klein, dann muss man sich schon die Rechtsfragen stel

len und auch die Zuständigkeiten klarmachen. In diesem Zusammenhang ist es in der Tat so - und zwar bei der Verteilung der Zuständigkeiten, sonst kann man nämlich überhaupt nicht richtig zupacken -, dass die Aufgabe beim Bund, also bei der Zollverwaltung, liegt. Meines Erachtens kommt der Bund mit den Behörden der Zollverwaltung seinen Aufgaben durchaus nach. Wir als Landesregierung werden darauf achten, dass das so bleibt. Wir haben nämlich das gemeinsame Interesse an einer gesetzeskonformen Abwicklung der Arbeitsprozesse in den Schlacht- und Zerlegebetrieben. Das sind wir der großen Anzahl der Betriebe schuldig. Der Kollege Hoppenbrock hat das zu Anfang ausgeführt. Die Fleischwirtschaft in Niedersachsen, vor allem im Westen unseres Landes, ist zu wichtig, als dass sie nur ein Wahlkampfthema sein darf.

Ich möchte nicht, dass sich einzelne Betriebe durch illegale Beschäftigung und Lohndumping Wettbewerbsvorteile gegenüber Unternehmen, die sich korrekt verhalten, verschaffen. Das Land wird wie bisher mit den Zollbehörden eng zusammenarbeiten. Der Informationsaustausch funktioniert. Die Gewerbeaufsicht wird weiterhin die Einhaltung der Arbeitsschutzbestimmungen überprüfen. Auch die Staatsanwaltschaften - dies hat bei einer früheren Debatte, soweit ich mich erinnere, die Justizministerin ausgeführt - werden weiterhin strafrechtlich relevante Verfehlungen konsequent verfolgen und vor Gericht bringen.

Meine Damen und Herren, die SPD-Fraktion hat mit ihrem Ursprungsantrag den Versuch gemacht, den Eindruck zu erwecken, die Landesregierung sei untätig. Das waren wir nicht, wir sind es nicht, und wir werden es auch in Zukunft nicht sein. Aber wir werden nicht, wie es die SPD-Fraktion fordert, europarechtswidrige zusätzliche Meldepflichten,

europarechtswidrige Verbote oder Kontrollen einführen. Meine Damen und Herren, ich glaube nicht, dass das Problem mit dieser Art zusätzlicher Bürokratie gelöst wird.

Wir werden uns bei der Bundesregierung weiter dafür einsetzen, dass in den Verhandlungen mit den Beitrittsländern - darauf ist Frau König zu sprechen gekommen - effektivere Verfahren gegen Missbrauch durchgesetzt werden. Diese Länder werden in erster Linie auf eine sachgerechte Erstellung von Bescheinigungen im Rahmen der Arbeitnehmerentsendung achten müssen. Nach den letzten Entwicklungen in Polen habe ich übrigens die Hoffnung, dass solche Verhandlungen mit

dem wichtigsten Entsendestaat künftig einfacher und zielführender werden.

Wir werden mit Augenmaß und angemessenen Kontrollen im Rahmen der Aufgaben auf Recht und Ordnung achten und im selben Rahmen den Missbrauch der Dienstleistungsfreiheit verhindern, auch in den niedersächsischen Betrieben.

Es gilt - ich sage es noch einmal -, die gesetzestreuen Vertreter vor unfairen Wettbewerbspraktiken zu schützen. Die Maßnahmen, die hier vorgeschlagen worden sind - das ist fast ein Dauerthema: man müsse nur einen Mindestlohn einführen, dann sei schon alles in Ordnung -, meine Damen und Herren, widersprechen völlig dem, was in der Praxis vorhanden ist und was an Regelungen erforderlich ist.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion, Sie sollten sich nicht selbst den Blick auf die Wirklichkeit durch vermeintliche Zauberformeln verstellen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Danke, Herr Minister. - Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? Das Erste war die Mehrheit.

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 11: Zweite Beratung: Den Gerichtszugang für sozial Schwache nicht verbauen! - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/3264 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen - Drs. 15/4170

Die Beschlussempfehlung lautet auf Ablehnung.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Herr Schneck von der SPD-Fraktion hat sich zu Wort gemeldet. Ich erteile Ihnen das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die SPD-Fraktion möchte mit diesem Antrag dafür sorgen, dass auch in Zukunft der Gerichtszugang für niemanden durch finanzielle Hürden verbaut wird. Als wir diesen Antrag eingebracht haben, war dies eine nötige Reaktion auf eine der häufigen Bundesratsinitiativen der Niedersächsischen Justizministerin. Das Anliegen Ihrer Initiative, sich bei den Ausgaben der Prozesskostenhilfe mit den Veränderungen der vergangenen Jahre zu beschäftigen, ist grundsätzlich begrüßenswert.

Was aber nicht zu akzeptieren ist, sind die gemachten Vorschläge Ihrerseits, die nichts anderes bringen als neue Belastungen für diejenigen, die sich ohnehin schon in einer schwierigen wirtschaftlichen und sozialen Lage befinden.

Die Bundesratsinitiative steht nunmehr beim Bundestag auf der Tagesordnung. Sehr verehrte Damen und Herren, wie der Zufall es will, fand heute um 14 Uhr im Rechtsausschuss des Bundestages die öffentliche Anhörung zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Begrenzung der Aufwendungen für die Prozesskostenhilfe statt.

(Unruhe)

Herr Schneck, warten Sie einen Augenblick, bis es ruhiger geworden ist!

(Reinhold Coenen [CDU]: Hier ist es ruhig, aber dort nicht!)

- Aber es reden ja noch Leute. Die merken das gar nicht. - Jetzt können Sie weitermachen.

Danke schön. - Wie es also der Zufall will, steht heute im Rechtsausschuss des Bundestages die Anhörung zu diesem Gesetzentwurf auf der Tagesordnung. In den veröffentlichten Stellungnahmen der Experten im Rahmen dieser Anhörung wird deutlich, dass die Verfassungskonformität

Ihrer Vorschläge auf jeden Fall sehr zweifelhaft ist, Frau Ministerin.

(Elke Müller [SPD]: Wie so häufig!)

- Wie so häufig! - Ganz nebenbei: Bei vielen Ihrer Vorschläge wird von den Praktikern bezweifelt, dass man damit zu nennenswerten Einsparungen kommen könnte.

Die Prozesskostenhilfe soll bedürftigen Prozessbeteiligten einen gleichberechtigten Zugang zu den Gerichten ermöglichen, sehr verehrte Damen und Herren. Dies ist eine verfassungsrechtlich vorgegebene Regel. Mit Ihren Vorschlägen bewegen Sie sich aber wieder einmal auf der Klippe der Verfassungswidrigkeit. Es gibt nicht wenige, die Ihnen bescheinigen, dass Sie damit den Rahmen des Grundgesetzes verlassen haben.

Ich will mit Ihnen heute aber gar nicht weiter darüber streiten, ob Ihre Vorschläge verfassungsgemäß sind oder nicht. Ich möchte vielmehr darüber debattieren, ob sie politisch sinnvoll und vertretbar sind, Frau Ministerin.

Sicherlich sind die Kosten für die Prozesskostenhilfe in der Vergangenheit massiv gestiegen. Doch bei aller Notwendigkeit, auf den Haushalt zu achten, darf man nicht an jeder Stelle ohne Rücksicht auf die Menschen sparen. Man darf schon gar nicht auf Kosten der Gerechtigkeit sparen.

(Zustimmung bei der SPD)

Sie wollen für sozial Schwache eine abschreckende Barriere für den Zugang zu den Gerichten aufbauen. Sehr verehrte Damen und Herren, das ist für die Menschen unzumutbar! Das ist unsere Position als SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)

Um den Blick ein wenig zu schärfen, ist es sicherlich nötig, einmal über den Tellerrand hinauszuschauen. Nach einer europäischen Studie aus 2006 hat Deutschland mit 5,58 Euro pro Einwohner für die Prozesskostenhilfe einen Satz ausgegeben, der im europäischen Vergleich nicht sonderlich hoch aussieht. Ich möchte Ihnen als Vergleich einmal einige Zahlen nennen: die Niederlande mit 23,22 Euro, Norwegen mit 29,86 Euro, Großbitannien mit 57,57 Euro und Frankreich - am unteren Ende - mit 4,68 Euro pro Einwohner an Ausgaben für Prozesskostenhilfe. Damit, sehr

verehrte Damen und Herren, liegt Deutschland im Mittelfeld der europäischen Länder.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Sie aber wollen, dass die Eigenbeteiligung der bedürftigen Parteien erhöht wird. Sie wollen, dass die Freibeträge abgesenkt werden. Sehr verehrte Frau Ministerin, Sie wollen, dass eine Begrenzung der Monatsraten vollständig aufgehoben wird. Sie wollen - das ist der dickste Punkt -, dass eine Pauschalgebühr von 50 Euro für das Bewilligungsverfahren der Prozesskostenhilfe eingeführt wird. Das bedeutet, dieses Maßnahmenbündel führt zu einem unverhältnismäßig hohen Risiko für Rechtsuchende, sodass sie auf unabsehbare Zeit an den Rand des Existenzminimums gebracht würden. Dies ist eine Politik, die für uns untragbar ist.

Wir fordern die Landesregierung deshalb auf zu prüfen, wie der Rückfluss der zur Ratenzahlung gewährten Prozesskostenhilfe optimiert werden

kann. Wir fordern Sie auf, ein Konzept für eine bessere Kontrolle der Rückflüsse aus den Ratenzahlungen vorzulegen.

(Vizepräsidentin Ulrike Kuhlo über- nimmt den Vorsitz)

Frau Ministerin, bei Ihrer Rede während der ersten Lesung dieses Antrags haben Sie selbst versichert, dass Sie sich der Optimierung bei den Rückflüssen aus den Ratenzahlungen im Bereich der Prozesskostenhilfe annehmen wollen. Umso verwunderlicher finde ich es, dass Sie diesen Antrag hier ablehnen.

Sehr verehrte Damen und Herren, wir fordern Sie auf, diesen Antrag mit uns zu tragen. Machen Sie in Niedersachsen endlich Schluss mit der Politik gegen die Menschen!

(Beifall bei der SPD)

Für die CDU-Fraktion hat jetzt Herr Kollege Ontijd das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Kollege, lassen Sie sich einmal sagen, dass Bundesratsinitiativen einer Landesregierung immer noch ein gutes Zeichen dafür sind, dass man seine Rechte auch gegenüber dem Bund wahrnimmt. Das wollte ich Ihnen vorab sagen. Wir sind dankbar dafür, dass die Justizministerin Frau Heister-Neumann diese Bundesratsinitiative ergriffen hat.