Protokoll der Sitzung vom 16.11.2007

Sie können doch nicht verlangen, dass man eine Diskussion insgesamt verbietet. Meine Kreisvorsit

zende in Schaumburg sagt, sie sieht dort keine Chancen, und ich verteidige das dreigliedrige

Schulsystem. Was ist daran eigentlich verkehrt? Diese Diskussion wird von uns geführt.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Dass Sie nicht einzelne Leute zu Kronzeugen nehmen!)

Wir werden die Bedingungen schaffen, die genau dort gut und zutreffend sind. Dafür setzen wir uns ein. Das verstehen wir unter Bildungsvielfalt, während Sie überall die gemeinsame Schule flächendeckend einführen wollen.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Mit der FDP vor Ort!)

Damit wollen Sie den Elternwillen unterdrücken. Denn sie haben dann keine Chance mehr. Deshalb sagen wir: Bildungsvielfalt statt Einfalt. So gehen wir vor.

(Beifall bei der FDP - Unruhe)

Meine Damen und Herren, ich schlage vor, dass sich der Ältestenrat in einer der nächsten Sitzungen damit befasst, ob wir einen Punkt „Bericht aus den Besuchergruppen“ auf die Tagesordnung nehmen.

(Heiterkeit - Beifall bei der CDU)

Zu Wort gemeldet hat sich die Abgeordnete Korter.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es lässt sich nicht mehr verleugnen - da können Sie noch so laut auf die Tische klopfen -: Die Landesregierung hat sich mit ihrer Schulpolitik absolut in die Sackgasse manövriert.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Alle norddeutschen Bundesländer orientieren sich um. Nur Niedersachsen hält starr am gegliederten PISA-Verlierersystem fest. Herr Busemann, Sie erinnern inzwischen an einen Geisterfahrer auf der Autobahn, der sich darüber wundert, warum ihm so viele Autos auf der falschen Spur entgegenkommen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Herr Albrecht wird wissen, dass nicht ich mir das ausgedacht habe, sondern das hat Professor

Vester am Montag auf einer Bildungskonferenz des DGB zum Schulsystem der Niedersächsischen Landesregierung gesagt.

(Joachim Albrecht [CDU]: Den habe ich gehört!)

Ich muss hier nicht weiter erläutern, dass das deutsche Schulsystem weltweit die schärfste soziale Selektivität produziert und dass es Ergebnisse hervorbringt, die für ein hoch entwickeltes Land, das wir ja sind, blamabel sind. Unsere einzige und wichtigste Ressource ist die Bildung.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, auch die Eltern haben doch längst über diese Schulpolitik abgestimmt.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Ja, das war im Jahr 2003!)

Die Hauptschule ist zur Abwahlschule geworden. Da können Sie sich noch so sehr bemühen und Ihr einziges Argument heranziehen, mit dem Sie verzweifelt versuchen, aus dieser Situation herauszukommen: Hauptschüler würden nicht verschwinden, wenn man die Hauptschule abschafft. - Meine Damen und Herren von CDU und FDP, zum Hauptschüler wird man nicht geboren. Dazu wird man meistens gemacht.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Es gibt kein Naturgesetz, dass ein Viertel der niedersächsischen Jugendlichen bestenfalls die Lesekompetenz der untersten PISA-Stufe erreichen soll. Zum Hauptschüler wird man durch Entmutigung und durch zu wenig Förderung gemacht, Entmutigung, indem man schon in der Grundschule gesagt bekommt: „Bei dir reicht es nur zur Hauptschule“, und mangelnde Förderung, indem man Kindern die Möglichkeit nimmt, am Vorbild leistungsstärkerer Schüler zu lernen. „Anregungsarmes Lernmilieu“ nennen das die PISA-Forscher. Sie sehen genau darin das Hauptproblem unseres Schulsystems. Deshalb kann man System und Unterrichtskultur nicht voneinander trennen. Schulen, in denen Kinder mit besonderen Lernschwierigkeiten zu konzentriert alleine beschult werden,

sind ein pädagogischer Irrweg. Das müssen Sie längst einsehen.

Aber auch unsere Gymnasien sind bei Weitem nicht so, dass sie die breite und hohe Leistungsspitze der PISA-Siegerländer, wie Finnland und Schweden, hervorbringen. Auch Gymnasien müssen sich grundlegend zu Schulen wandeln, die auf alle Talente der Kinder Wert legen, die sie überhaupt erkennen und diese fördern, und sie dürfen kein Kind mehr abschulen.

(Joachim Albrecht [CDU]: Das heißt, sie sollen Einheitsschule werden!)

Meine Damen und Herren, mit dem SPD-Antrag sind wir grundsätzlich einverstanden. Wir finden ihn aber noch zu zaghaft. Wir brauchen nicht einige gemeinsame Schulen zusätzlich neben den aussortierenden Schulen, sondern alle Schulen müssen fit gemacht werden

(Joachim Albrecht [CDU]: Richtig!)

für einen Unterricht, der jedes Kind optimal fördert.

Wenn Kinder unterschiedlicher Leistungsfähigkeit und verschiedener Altersgruppen gemeinsam und miteinander lernen, dann ist das keine Kuschelpädagogik, sondern damit steigt die Leistungsfähigkeit unseres Schulsystems in der Breite und in der Spitze.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Genau deshalb brauchen wir eine längere gemeinsame Schulzeit ohne Aussortierung.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Sie sind ehr- lich!)

Das ist es, Herr Klare, was viele Eltern in Niedersachsen wollen: längere gemeinsame Schulzeit, die Bildungswege für ihre Kinder länger offenhalten. Deshalb melden auch so viele Eltern ihre Kinder bei den Gesamtschulen an. Die Krux ist, dass Sie das unter allen Umständen ablehnen wollen.

Wir wollen eine gemeinsame neue Schule. Aber sie kann nicht von einem Tag auf den anderen eingeführt werden, sondern das muss ein Prozess sein. Jede Schule muss sich langsam aufsteigend dahin qualifizieren und von unten aufsteigend eine solche Lernkultur entwickeln. Deshalb schaffen wir nicht die Gymnasien ab, sondern wir qualifizieren sie weiter. Sie dürfen nicht mehr sitzenbleiben lassen und nicht mehr abschulen. Jede Schule

entwickelt sich zu einer solchen Schule. Damit schaffen wir ein chancengerechteres und leistungsfähigeres Schulsystem.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das wollen Sie nicht wahrhaben; denn Sie wollen die Gymnasien von Kindern freihalten, die für die Realschule und für die Hauptschule empfohlen sind. Damit wollen Sie ganz klar Bildungswege für die Kinder der Besserverdienenden reservieren. Das wollen wir nicht.

(Zurufe von der CDU: Unverschämt- heit! - Weitere Zurufe von der CDU)

Unser Ziel ist: Chancengerechtigkeit für alle und eine leistungsfähige Schule.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Zu einer Kurzintervention hat sich der Abgeordnete Schwarz gemeldet.

Frau Korter, Sie haben gesagt, die Kinder werden in der Grundschule zu Hauptschülern gemacht. Das ist eine bösartige Unterstellung,

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Ursula Helmhold [GRÜNE]: Das hat sie nicht gesagt! Das hat sie über- haupt nicht gesagt!)

einmal gegenüber denjenigen, die in der Grundschule unterrichten, und gegenüber den Kindern und den Eltern, die betroffen sind.

(Christa Elsner-Solar [SPD]: Erzählen Sie nicht die Unwahrheit!)

Das geht so nicht. Das lassen wir Ihnen nicht durchgehen.

(Hans-Dieter Haase [SPD]: Zuhören, Herr Schwarz!)

Dann möchte ich Ihnen sagen: Mit Ihrem Beitrag haben Sie unter Beweis gestellt, dass Sie die unterschiedlichen Lebenswege nicht akzeptieren. Es gibt unterschiedliche Lebenswege und unter