Protokoll der Sitzung vom 12.12.2007

(Zustimmung von Dr. Harald Noack [CDU])

Hier gilt es, meine Damen und Herren, mit den Jugendlichen über die Chance einer Ausbildung überhaupt positive Zukunftsperspektiven zu entwickeln, ihre Eigenverantwortung zu stärken und sozial angemessenes Verhalten zu fördern. Das gilt im Vollzug und gleichermaßen an der Schnittstelle vom Gefängnis zur Freiheit. Wir werden alle Gefangenen auch in dieser Phase nicht sich selbst überlassen. Vielmehr werden wir mit einem Konzept durchgängiger Betreuung die soziale Integration entlassener Straftäter verbessern; denn die Wiedereingliederung des Gefangenen in die Gesellschaft ist allemal der beste Schutz vor neuen Straftaten.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, wenn der Straftäter aus der Haft entlassen wird, wenn er Vollzugslocke

rungen erhält, kann es durchaus sein, dass er seinem Opfer überraschend wiederbegegnet. Das kann für das Opfer traumatische Wirkungen haben. Das wollen wir verhindern. Deshalb erhalten Opfer von Straftaten mit unserem Gesetzentwurf das Recht, über die Entlassung, aber auch über Vollzugslockerungen des Straftäters informiert zu werden.

(Zustimmung von Ursula Peters [FDP])

Das sorgt für mehr Sicherheit. Mehr Sicherheit für die Opfer von Straftaten ist dieser Landesregierung besonders wichtig.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, das Konzept unserer Vollzugspolitik in Niedersachsen lautet: Sicherheit in sozialer Verantwortung für das Opfer und für den Täter. Daran haben wir bereits die letzten knapp fünf Jahre sehr erfolgreich gearbeitet. Wir haben die Beschäftigungsquote der Inhaftierten von 2002 bis 2007 um rund 52 % und im gleichen Zeitraum die Zahl der Aus- und Fortbildungsplätze der Gefangenen um 18 % gesteigert. Wir haben allein im ersten Halbjahr 2007 elf neue Werkhallen in Betrieb genommen. Darüber hinaus haben wir die Anzahl der Gefangenen in der Sozialtherapie von 2002 bis 2006 auf 210 erhöht und damit im Vergleich zum Regierungszeitrahmen der vorangegangenen Landesregierung verdoppelt.

(Beifall bei der CDU)

Durch den Ausbau und den Bau von Justizvollzugsanstalten in Sehnde und Rosdorf haben wir die Überbelegung abgebaut. Es gibt in Niedersachsen unter dieser Landesregierung keine menschenunwürdige Unterbringung mehr, wie es sie vorher in Niedersachsen gegeben hat.

(Beifall bei der CDU)

Gleichzeitig haben unsere Sicherheitsmaßnahmen voll gegriffen. So haben wir im Jahr 2007 bisher keinen einzigen Ausbruch aus einer Justizvollzugsanstalt zu verzeichnen. Das niedersächsische Justizvollzugsgesetz eröffnet uns jetzt darüber hinaus den Rahmen, diese erfolgreiche Arbeit weiter fortzusetzen und auszubauen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich weiß, dass diese erfolgreiche Arbeit, auf die wir in Niedersachsen allesamt sehr stolz sind, vielen geschuldet ist. Deshalb möchte ich abschließend

meinen ausdrücklichen Dank aussprechen. Ich danke vor allem den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Vollzug für ihre engagierte Arbeit,

(Beifall bei der CDU)

aber auch für ihre Offenheit und für ihre breite und kontinuierliche Unterstützung. Ich danke dem Gesetzgebungs- und Beratungsdienst des Landtages für seine gewissenhafte Arbeit im Gesetzgebungsverfahren, trotz hoher Belastung. Schließlich danke ich - das ist mir besonders wichtig - den Landtagsfraktionen der CDU und der FDP für die gute und konstruktive Zusammenarbeit sowie für die Unterstützung in diesem Gesetzgebungsverfahren. Wir sind auch hier wieder einmal Vorreiter. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Für die FDP-Fraktion hat jetzt Frau Peters das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit der heutigen zweiten Beratung beendet der Niedersächsische Landtag erfolgreich die intensiven, seit Frühjahr - eigentlich schon seit Herbst letzten Jahres - andauernden Beratungen eines niedersächsischen Justizvollzugsgesetzes.

Lassen Sie mich eingangs etwas zu dem Erscheinungsbild des Gesetzes sagen. Ich habe niemals einen Hehl daraus gemacht, dass mir der ursprüngliche Gesetzentwurf zu kompliziert und angesichts zahlreicher Kettenverweisungen zu unleserlich war. Aber die Arbeit der letzten Monate hat sich sehr gelohnt. Das Gesetz ist nun an wesentlichen Stellen übersichtlicher und lesbarer.

Im Interesse einer schlanken Gesetzgebung wurde an dem Grundsatz festgehalten, den Erwachsenen-, den Jugend- und den Untersuchungshaftvollzug in einem Gesetz zu regeln. Trotz meiner anfänglichen Skepsis ist es uns auf diese Weise gelungen, zu vermeiden, zwischen drei Einzelgesetzen ständig hin und her verweisen zu müssen, was die Leserlichkeit des Gesetzes mehr erschwert hätte, als es bei Verweisungen innerhalb eines Gesetzes der Fall ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, eine weitere Anmerkung zum Erscheinungsbild des

Justizvollzugsgesetzes: Der Gesetzentwurf war an einigen Stellen etwas zu schlank, fast mager. Durch die Ergänzungen der Beratungen der letzten Monate ist er jetzt zu einem vollschlanken Gesetzentwurf erweitert worden - vollschlank an genau den richtigen Stellen. Jetzt hat er eine ganz gute Figur. Ich denke dabei insbesondere an die Ergänzungen im Bereich des Jugendstrafvollzuges.

Aus Sicht der FDP ist diesbezüglich besonders zu begrüßen, dass es - sicherlich auch aufgrund unserer Hartnäckigkeit - gelungen ist, einen gemeinsamen Kompromiss dahin gehend zu finden, dass die Regelungen zum Vollzug der Jugendstrafe nun so ausgestaltet sind, dass sie den Besonderheiten dieser Vollzugsart gerecht werden und sie nicht nur erahnen lassen. In diesem Zusammenhang ist insbesondere die ergänzende Formulierung des § 112 Abs. 1 und vor allem des § 115 erwähnenswert, der nun im Detail festschreibt, welche Angaben der Erziehungs- und Förderplan mindestens enthalten muss, so z. B. die Angaben über die Unterbringung im offenen und geschlossenen Vollzug, die schulische und berufliche Aus- und Weiterbildung sowie den Arbeitseinsatz oder auch die Teilnahme an Sport- und Freizeitangeboten.

Im Bereich des Jugendstrafvollzuges drückt die Formulierung des § 112 Abs. 1 Satz 1, der Vollzug sei erzieherisch zu gestalten, die Abgrenzung zum Erwachsenenvollzug aus. Nicht in erster Linie Strafe, sondern die Hilfestellung zur Entwicklung hin zu einem straffreien Mitglied unserer Gesellschaft soll nach dem Willen des Bundesverfassungsgerichtes und selbstverständlich auch nach unserem Willen Inhalt des Jugendvollzuges sein. Dem wird auch die erweiterte Besuchsregelung gerecht.

Aus unserer Sicht ebenso wichtig: Die gemeinsame Unterbringung der jugendlichen Gefangenen während der Ruhezeit ist nur in besonderen Ausnahmesituationen möglich: entweder, wenn die Gefangenen zustimmen und eine schädliche Beeinflussung nicht zu befürchten ist, oder ohne diese Zustimmung, wenn eine oder einer hilfsbedürftig ist bzw. Gefahr für Leib und Leben besteht. Darüber hinaus ist eine gemeinsame Unterbringung nur vorübergehend und aus zwingenden Gründen zulässig. Dies schließt die längerfristige gemeinsame Unterbringung aufgrund räumlicher Verhältnisse aus, was unserer Fraktion besonders wichtig war. Fiskalische Erwägungen dürfen im Vollzug nicht die übergeordnete Rolle spielen und damit den Gefangenen zum Nachteil erwachsen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir werden mit den vorgenannten Regelungen den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes vom Mai 2006 gerecht; denn wir verabschieden nunmehr ein Regelwerk, das auf die Anforderungen der Jugendlichen im Strafvollzug zugeschnitten ist. Der Erziehungsgedanke findet nun hinreichend Beachtung. Gerade im Bereich des Jugendstrafrechtes ist die Jugendstrafe nämlich wegen des Erziehungsgedankens als Ultima Ratio anzusehen, um die Gemeinschaft und den Täter selbst vor einer wiederholten Straftätigkeit zu bewahren.

Die soeben erwähnten Grundsätze zur gemeinsamen Unterbringung im Jugendstrafvollzug konnten auf unsere Initiative hin auch für den Untersuchungshaftvollzug in § 137 festgeschrieben werden. Dies entspricht unserer Auffassung nach dem Grundsatz, dass der noch nicht Verurteilte als unschuldig anzusehen ist, und wird damit den Besonderheiten der Untersuchungshaft gerecht.

Auch die Gesetzeslücke, dass es bisher überhaupt kein Gesetz für den Vollzug der Untersuchungshaft gab, schließen wir nunmehr mit diesem Gesetzentwurf.

Aus der Praxis wurde seit Jahren vor allem reklamiert, dass die Zuständigkeit für die Vollzugsentscheidungen aufgrund von Praktikabilitätserwägungen besser bei den Justizvollzugsanstalten als bei den Richtern aufgehoben sei, da man näher an dem Gefangenen dran sei. Dieser Argumentation kann man sich nicht vollständig verschließen, wenn man die tatsächlichen Handhabungen der letzten Jahre betrachtet. Zu einem großen Teil wird die Zuständigkeit bereits jetzt an die Vollzugsbehörden delegiert. Daraus jedoch zu schließen, dass die Vollzugsbehörden in jedem Fall zuständig sein sollten und insoweit der Richtervorbehalt gänzlich entfällt, war, wie ich bereits im Rahmen der ersten Beratung deutlich gemacht habe, nach Auffassung der FDP-Fraktion nicht zulässig und nicht gewollt. Das Gesetz der gelebten Praxis jedoch dahin gehend anzugleichen, indem die Zuständigkeit immer dann, wenn sich der Richter die Zuständigkeit nicht vorbehält, auf die jeweilige JVA übergehen soll, halten wir für legitim und für vertretbar.

(Beifall bei der FDP)

Die nun vom Rechtsausschuss beschlossene Formulierung wird daher rechtsstaatlichen Anforderungen gerecht und begegnet wirkungsvoll den

Bedenken, dass die richterliche Gewalt ausgehöhlt werden könnte. Die Regelung, die unserer Auffassung nach eine Art Generalvorbehalt des Gerichtes darstellt, erscheint uns geeignet, um das Verfahren insgesamt praktikabler zu gestalten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, in Niedersachsen wird im Bereich des Jugendvollzuges auch ohne gesetzliche Grundlage bereits beispielgebende Arbeit geleistet. Ich denke hier an die Jugendvollzugsanstalt Hameln, die sich bundesweit einen hervorragenden Ruf erarbeitet hat,

(Beifall bei der FDP)

nicht zuletzt dadurch, dass sie auch ohne die Vorgaben eines Jugendstrafvollzugsgesetzes dem Erziehungsgedanken des Jugendstrafvollzuges durch ein detailliert durchdachtes Konzept Rechnung trägt.

Lassen Sie mich zu diesem Themenkomplex abschließend sagen: Niedersachsen macht hervorragende Arbeit im Bereich des Jugend- und Jungtätervollzuges. Dies wird sich auch auf der Grundlage dieses Gesetzes nicht ändern. In Niedersachsen wird weiterhin hervorragende Arbeit geleistet werden.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich möchte noch einige wenige Anmerkungen zum Erwachsenenstrafvollzug machen, insbesondere zu der Verankerung des Chancenvollzuges im Gesetzentwurf. Zu Recht stellt der Gesetzentwurf die Bedeutung der Mitarbeitsbereitschaft der Gefangenen heraus. Jedoch muss auch den Bedenken Rechnung getragen werden, dass nicht jeder Gefangene auf Anhieb willens und in der Lage ist, die geforderte Eigenverantwortlichkeit einzubringen. Daher ist es wichtig, dass die angesprochenen Maßnahmen nur dann beendet werden sollen, wenn ihr Zweck dauerhaft nicht erreicht werden kann, wie es nunmehr auf unsere Anregung im Gesetzentwurf verankert ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ein so umfangreiches Gesetzeswerk ist immer Ergebnis von Kontroversen und Kompromissen. Trotzdem hat es einen Wettbewerb der Schäbigkeit, wie ihn u. a. die Opposition in diesem Hause nach Übertragung der Gesetzgebungskompetenz auf die Länder vorausgesagt hat, nie gegeben.

In diesem Sinne danke ich allen Beteiligten, insbesondere dem Gesetzgebungsund Beratungsdienst, für die konstruktiven, manchmal nicht ganz

unkomplizierten und strittigen Beratungen. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Herr Kollege Briese das Wort.

(Vizepräsident Ulrich Biel über- nimmt den Vorsitz)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Tag, an dem die Föderalismusreform in Kraft trat, war kein guter Tag für Niedersachsen. Wenn Sie hier die Geschichte bemühen, Frau Justizministerin, und davon sprechen, dass an diesem Tag die Kompetenz für den Strafvollzug auf die Länder übergegangen ist, dann sollten Sie auch daran erinnern, dass in der gesamten vollzuglichen Debatte so gut wie niemand die Föderalisierung für gut befunden hat - wir haben in diesem Hause darüber diskutiert -: Anstaltsleiter, Kriminologen, Strafrechtler und Sozialverbände waren dagegen, es gab fast keine Stimme in der Bundesrepublik, die dafür war, den Strafvollzug an die Länder zu geben. Dies gehört zuerst zur Wahrheit, wenn man über die Entstehungsgeschichte dieses Gesetzes redet.

Was wurde damals befürchtet? Wir haben eine bundeseinheitliche Strafprozessordnung und ein bundeseinheitliches Strafgesetzbuch. Warum haben wir in Gottes Namen jetzt ein Vollzugsrecht, das völlig zersplittert ist? Es ist ungerecht, wenn bei der Strafe die Rechtseinheit dieses Landes nicht mehr gewahrt wird.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustim- mung bei der SPD)

Die ganze Absurdität der Föderalismusreform im Bereich des Strafvollzugs wurde sehr schnell deutlich, als sich nicht weniger als zehn Bundesländer zusammengeschlossen und gesagt haben, es sei ihnen viel zu kompliziert, sie erarbeiteten lieber ein einheitliches Gesetz. Erklären Sie das einmal den Leuten: Sie erklären, es mache wahnsinnig viel Sinn, diese Rechtsmaterie auf die Länder zu übertragen; aber es schließen sich zehn Länder zusammen, um es einheitlich zu machen. Erst zersägt man ein Bundesgesetz, und auf Länderebene

klebt man es wieder zusammen. Das versteht kein Mensch.

(Hartmut Möllring [CDU]: Woher wol- len Sie wissen, wer was versteht?)