Frau Korter, einen Augenblick, bitte! - Herr Albrecht, die CDU-Fraktion hat noch Redezeit. Sie können sich zu Wort melden.
An die 30 Initiativen zur Neugründung von Gesamtschulen sind auf einmal entstanden, häufig vor Ort unterstützt von CDU-Kommunalpolitikern. Allein im Kreis Schaumburg sind es drei oder vier. Aus dem Landkreis Friesland haben Sie gerade die einstimmige Resolution des Kreistages bekommen - brandheiß, eilig zu unserer Sitzung -: Man spricht sich einstimmig dafür aus, die Landesregierung solle das Neugründungsverbot so schnell wie möglich streichen.
Damit hatten Sie nicht gerechnet, Herr Busemann, und Herr Wulff offensichtlich auch nicht. Sie haben geglaubt, es hört sich ja gut an, wenn das Aktionsbündnis für das gegliederte Schulwesen jetzt verkündet, nur 4,6 % in Niedersachsen wollten Gesamtschulen.
Schön wäre es, wenn man bei dieser Prozentrechnung einmal das gesamte Land in den Blick nähme! Nehmen wir das Beispiel Wilhelmshaven. Wissen Sie, wie viel Prozent der Fünftklässler sich in diesem Jahr an einer IGS angemeldet haben? 48 %. Das ist ein bisschen mehr als die landesweiten 4,6 %, die Sie uns vorrechnen, auch wenn dort zugegebenermaßen sehr viele Kinder aus dem Landkreis Friesland dabei sind. Aber gerade diese Kinder mussten abgelehnt werden. Die wollen eine neue Gesamtschule - und das verweigern Sie ihnen.
Mit Ihrer 4,6 %-Behauptung verschweigen Sie gerne, dass es in 28 Landkreisen, also in mehr als der Hälfte, gar keine IGS gibt,
Eltern also gar nicht die Chance haben, ihr Kind dorthin zu schicken. In vielen Kreisen ist die Entfernung zu einer IGS so groß, dass sie allein deshalb, obwohl die Eltern das gerne möchten, nicht angewählt werden kann.
Ich kann mir übrigens gut vorstellen, dass diese Ungleichbehandlung der Kinder in verschiedenen Landkreisen Grund genug für aussichtsreiche Klagen sein könnte, z. B. in Friesland.
Herr Busemann, Sie werden gleich wieder sagen, Sie reden lieber über Schulqualität als über Strukturen.
Dann legen Sie uns doch bitte gleich einmal den Vorab-Inspektionsbericht vor, der die Schulqualität darstellt. Inzwischen ist fast die Hälfte aller Gymnasien überprüft worden. Von 100 inspizierten Gymnasien haben 9 % so schlecht abgeschnitten, dass sie nachinspiziert werden müssen. Von den 30 inspizierten Gesamtschulen muss nach meiner Kenntnis nur eine nachinspiziert werden. Sie sagen, es sei erst knapp die Hälfte der Gymnasien und Gesamtschulen untersucht worden, das sei nicht aussagekräftig. - Ja, wie lange wollen Sie eigentlich noch warten, bis Sie die Konsequenzen ziehen, wie der Unterricht an den Gymnasien verbessert werden kann?
Ich habe den Eindruck: Sie wollen nur den Wahltermin überstehen. Vor den Wahlen soll nicht öffentlich werden, wie es in Ihren Schulen aussieht.
Meine Damen und Herren, in dieser Woche ist zum zweiten Mal der Deutsche Schulpreis vergeben worden. Aus Niedersachsen waren erneut zwei Gesamtschulen nominiert worden, kein einziges Gymnasium. Wie im letzten Jahr hat eine Gesamtschule den ersten Preis bekommen, die RobertBosch-Gesamtschule in Hildesheim. Herzlichen Glückwunsch!
- Da klopfen Sie nicht? - Statt die Neugründung von Gesamtschulen weiter zu blockieren, sollten Sie lieber überlegen, wie Sie von diesen Schulen lernen können. Aber nein! Im Ausschuss wurde unser Antrag ohne inhaltliche Beratung abgelehnt.
Es hieß nur: nach der Wahl. Wir haben nur über den Zeitpunkt diskutiert. Das wissen Sie doch genau. Schauen Sie doch ins Protokoll!
Herr Albrecht, Herr Busemann, Frau Körtner, wer soll Ihnen das noch glauben? Wissen Sie, was die Wählerinnen und Wähler daraus schließen müssen? - Es wird in Niedersachsen keine Neugründung von Gesamtschulen geben. Sie wollen keine Gesamtschulen, und Sie werden keine zulassen.
Wenn Sie in dieser Frage Ihre Glaubwürdigkeit zurückgewinnen wollen - falls das überhaupt noch geht -, dann stimmen Sie heute mit uns und der SPD für den Gesetzentwurf zur Aufhebung des Neugründungsverbotes von Gesamtschulen und für den Antrag „Gemeinsame Schule“.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Schöner kann die Debatte zu den vorgelegten Gesetzentwürfen und dem Entschließungsantrag nicht beginnen: Drei niedersächsische Schulen sind unter den ersten zehn Schulen, die von der Robert-Bosch-Stiftung mit dem Deutschen Schulpreis ausgezeichnet worden sind. Die Hildesheimer Robert-Bosch-Gesamtschule wurde auf Platz 1 gesetzt. Deshalb von hier aus einen herzlichen Glückwunsch an diese Schule und an die Stadt Hildesheim.
An allen drei Schulen werden Kinder und Jugendliche mit unterschiedlichen Fähigkeiten und Kompetenzen erfolgreich gemeinsam unterrichtet. Reichen diese erneuten Auszeichnungen für Gesamtschulen nicht aus, heute gemeinsam das Errichtungsverbot für Gesamtschulen zu streichen? Leider nein. Da gibt es einen Minister, der sich nicht schnell genug in das Bild mit den Gewinnern schieben konnte, aber wenige Tage vorher in einer öffentlichen Diskussion über einen möglichen Erfolg der Robert-Bosch-Gesamtschule sagte,
das sei zwar gut, aber hänge auch damit zusammen, dass sich andere Schulen nicht bewerben würden. Dieser Herr ist gleichzeitig auch noch im Beirat der Robert-Bosch-Gesamtschule. Man wundert sich also nur.
Herr Minister Busemann, ist es Ihnen nicht allmählich peinlich, dass ausgerechnet Niedersachsen durch Gesamtschulen bundesweit glänzt, wie z. B. auch im Jahr 2006, als die IGS Franzsches Feld ausgezeichnet worden ist?
Sie sind derjenige, der in den letzten viereinhalb Jahren bei den Gesamtschuldebatten hier regelmäßig die nicht genügende Leistungsfähigkeit der Gesamtschulen hervorgehoben hat. Sie haben nicht nur das getan, Sie haben der IGS Franzsches Feld an einer anderen Stelle sogar vorgeworfen, sie würde mit einem sogenannten Creaming-Effekt arbeiten, indem Hauptschülerinnen und Hauptschüler bewusst nicht zugelassen und die Erfolge auf dem Rücken dieser Schülerinnen und Schüler erzielt würden. Dabei wissen Sie ganz genau, dass sich diese Schule nach dem DreiTöpfe-Modell richten muss und das auch macht. Deshalb ist es schon etwas problematisch, wie Sie sich bisher geäußert haben. Aber Sie fahren sehr gerne nach Berlin, nehmen gerne die Preise entgegen und lassen sich gerne ablichten. Herr Minis
Dann gibt es da noch den Ministerpräsidenten, der Gesamtschulgründungen in Zukunft für möglich hält. Aber dieser Ministerpräsident, der Landesvorsitzender der CDU ist, hat es nicht hingekriegt, diese von ihm gemachte Äußerung auf dem Landesparteitag in Oldenburg, der danach stattgefunden hatte, im Programm zu verankern.
Herr Thiele, wir haben, wie auch Herr McAllister - wir kennen uns da sehr gut -, unsere Programme gegenseitig sehr sorgfältig gelesen. Es gibt nicht ein einziges Wort in dem beschlossenen Programm Ihrer Partei, mit dem Sie eine Öffnungsklausel für Gesamtschulgründungen aufgenommen haben. Ich habe das Programm übrigens dabei, weil ich damit rechne, dass Sie gleich darauf reagieren werden. Warum hat der Ministerpräsident das nicht gemacht? - Ganz einfach! Er wusste ganz genau, dass auf diesem Landesparteitag nach diesem unerwarteten Vorstoß dafür keine Mehrheit zu erzielen wäre.
Aber nun zu den Gesetzentwürfen. Mit der Abschaffung des Errichtungsverbotes, Herr Minister, geht es nicht um eine Strukturdebatte. Warum? Schon heute gehören Gesamtschulen zur Schullandschaft Niedersachsens, also kann man keine Strukturdebatte führen, wenn man mehr Gesamtschulen haben will. Deshalb lassen Sie diese Polemik weg, wir wollten nur über Strukturen und nicht über Qualität reden. Uns geht es um etwas anderes: Uns geht es darum, dass endlich der Elternwille in diesem Lande respektiert wird.