Protokoll der Sitzung vom 13.12.2007

das den Hochschulen nicht nur 50 Millionen Euro entzogen hat, sondern jede Form kluger Hochschulplanung außer Kraft setzte. Sparauflagen und die natürliche Personalfluktuation diktierten Ihre sogenannten Strukturmaßnahmen. Sie hinterlassen nach fünf Jahren kein Bild einer Hochschullandschaft mit eigener Stratmannscher Hand

schrift, sondern vom Finanzminister gerupfte Universitäten und Fachhochschulen, die den Mangel verwalten müssen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Meine Damen und Herren, Sie haben den Wissenschafts- und Forschungsstandort Niedersachsen nachhaltig geschwächt. Einer unserer größten

Wettbewerbsnachteile ist die vergleichsweise geringe Zahl an Hochqualifizierten. Was läge also näher, als die Zahl der Studienplätze aufzustocken? - Doch obwohl Sie ausweislich des Abschlussberichts der Enquete-Kommission „Demographischer Wandel“ sehr wohl wissen, dass der Mangel an Hochqualifizierten in Niedersachsen besonders ausgeprägt ist und uns in Zukunft ernsthaft in Schwierigkeiten zu bringen droht, haben Sie frei nach dem Motto „Papier ist geduldig“ genau das Gegenteil von dem gemacht, was Sie selbst als Handlungsempfehlung beschreiben.

Bedingt durch die Kürzung der Etats und die gleichzeitige Umstellung auf Bachelor und Master haben Sie seit Beginn Ihrer Regierungszeit bis zum Wintersemester 06/07 fast 6 000 Studienplätze abgebaut. In der Folge nahmen logischerweise auch die Zahlen der Studienanfänger ab. Wir haben heute selbst nach jüngstem Anstieg immer noch 4 650 Studienanfänger weniger als 2003. Die Zahlen, mit denen Sie sich gestern Morgen noch gefeiert haben, wurden schon am gleichen Tag vom Statistischen Bundesamt widerlegt; denn mitnichten sind Sie Spitzenreiter beim Anstieg der Zahl der Studienanfänger. Sie liegen mit Ihrem Aufwuchs von 7,6 % gerade auf Platz acht statt auf Platz eins.

(Erhard Wolfkühler [SPD]: Hört, hört!)

Mit einer Studienanfängerquote von 29,2 % - auf die Zahl hat schon Frau Dr. Andretta hingewiesen

liegt Niedersachsen sogar abgeschlagen auf dem zwölften Platz. Herr Minister Stratmann, das bedeutet, dass Sie selbst nach dem Start des Hochschulpakts, der mithilfe von Bundesmitteln zusätzliche Studienplätze aufbauen soll, immer noch deutlich weniger Studienanfänger haben als zu Beginn Ihrer Legislatur. Die im Hochschulpakt selbst gesetzte Zielmarge, 1 610 zusätzliche Studienanfänger im Vergleich zu 2005 zu schaffen, haben Sie in der ersten Runde um über 1 000 verfehlt. Das heißt, Ihnen fehlen zwei Drittel der Studienanfänger, zu denen Sie sich im Hochschulpakt verpflichtet haben.

(Fritz Güntzler [CDU]: Das stimmt doch nicht!)

- Genau so stimmt es. Ich zeige es Ihnen gleich gerne anhand der Statistiken.

Angesichts dieser Gesamtbilanz zu jubeln, ist entweder unverfroren oder aber eine dem Wahlkampfrausch geschuldete Bewusstseinstrübung. In beiden Fällen ist Ihre Sicht der Dinge nichts als Schönfärberei.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Auch die Antwort darauf, wie Sie den doppelten Abiturjahrgang in 2011 auffangen wollen, sind Sie uns bis heute schuldig geblieben. Für diese jungen Menschen muss es eine ausreichende Zahl an Studienplätzen geben. Wer das Abitur nach der zwölften Klasse einführt, muss gefälligst auch für die Folgewirkungen geradestehen. Der Hoch

schulpakt mit zusätzlichen 11 200 Studienplätzen reicht jedenfalls definitiv nicht, wenn zusätzlich 25 000 Abiturienten in 2011 die Schule verlassen. Bis heute warten wir auf ein konkretes Programm.

Zudem machen die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Herausforderungen langfristig einen Anstieg der Akademikerquote nötig. Wir haben deshalb als ersten Schritt für den kommenden Haushalt jenseits des Hochschulpakts die Mittel für zusätzlich 3 000 neue Studienanfängerplätze eingestellt, die wir auch langfristig vorhalten wollen. Vor allem kalkulieren wir die zusätzlichen Studienplätze mit den tatsächlichen Kosten.

Meine Damen und Herren von CDU und FDP, mit Ihrem Kurs, mehr Studienplätze auf Kosten der Qualität des Studiums zu schaffen, fahren Sie in die bildungspolitische Sackgasse. Die zusätzlichen Studienanfängerplätze, die jetzt im Rahmen des

Hochschulpakts geschaffen werden sollen, sind nicht ausfinanziert. Im Mittel stellen Sie 4 260 Euro pro Studienplatz zur Verfügung. Die Hochschulen fordern aber mindestens 7 300 Euro. Ein Großteil der zusätzlichen Kapazitäten wird dadurch ermogelt, dass die Betreuungsrelation zwischen Studierenden und Lehrenden an Fachhochschulen

schlicht herabgesetzt wird - und das in einer Situation, in der alle Fachleute einschließlich Ihrer Parteikollegin, der Bundesbildungsministerin Schavan, einhellig mahnen, dass wir dringend zusätzliche Investitionen in die Lehre brauchen.

Wir haben deshalb in einem ersten Schritt immerhin 5 Millionen Euro für die Verbesserung der Lehre in unseren Haushaltsantrag eingestellt. Sie, Herr Minister Stratmann, sind genau den umgekehrten Weg gegangen. Obwohl Sie selbst bei Bachelorund Masterstudienstudiengängen ursprünglich

immerhin 90 % der Betreuungskapazitäten eines Diplomstudiengangs an Fachhochschulen für notwendig hielten, wollen Sie von dieser Einsicht plötzlich nichts mehr wissen und sind auf 80 % heruntergegangen. Das tun Sie, weil Sie kein zusätzliches Geld in die Hand nehmen wollen, um die Zielmarge des Hochschulpaktes zu erreichen.

Aus dem gleichen Grund haben die Hochschulen jetzt die Auflage, bei der Umstellung auf Bachelor und Master keine weiteren Studienplatzkapazitäten abzubauen, was wiederum nur auf Kosten der Masterkapazitäten gehen kann. Schon heute aber warnen sowohl die Hochschulen als auch Ökonomen vor einem bevorstehenden Mangel an Masterabsolventen. Hier zeigt sich beispielhaft eine weitere Schwäche Ihrer Hochschulpolitik. Sie richten Ihre politischen Ziele immer danach aus, wie Sie die nächste anstehende Hürde möglichst einfach nehmen können, statt die langfristige Entwicklung des Standortes Niedersachsen im Auge zu behalten.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Alle Planspiele zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit wie etwa die Idee einer Niedersächsischen Technischen Hochschule werden keine Wirkung zeigen, wenn wir nicht eine Ausbildung auf höchstem qualitativen Niveau anbieten; denn kluge Köpfe sind unser Kapital. Also muss hierhin auch unser Geld fließen.

Vor diesem Hintergrund ist es mir persönlich - die Randbemerkung sei mir an dieser Stelle erlaubt

völlig schleierhaft, wie man es begrüßen kann - wie es die Landesregierung u. a. getan hat -, wenn die VW-Stiftung, deren satzungsgemäßer Zweck die Förderung von Forschung und Wissenschaft ist, neuerdings, angesteckt von der zurzeit offensichtlich grassierenden Schlosswiederaufbaumanie, in Beton statt in Köpfe investiert.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Statt sich an den Insignien untergegangener Herrschaftshäuser zu berauschen, wäre das Geld besser in Bildung gesteckt worden. Dazu hätte ich mir zumindest vom Wissenschaftsminister eine klare Gegenpositionierung gewünscht.

(Beifall bei den GRÜNEN - Joachim Albrecht [CDU]: Auch so etwas ist ei- ne Frage von Kulturpolitik! Aber davon verstehen Sie gar nichts!)

Stattdessen werden Haushaltslöcher munter weiter mit Bildungslücken gestopft.

(Joachim Albrecht [CDU]: Die Herren- häuser Gärten ohne Schloss sind ein Torso! Wir wollen kein Disneyland! - Weitere Zurufe - Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Wenn die Folgeschäden dann allzu groß werden, dann müssen die Studierenden eben selbst einspringen. Sie müssen nicht nur Studiengebühren zahlen, sondern sie müssen indirekt auch noch dafür aufkommen, dass die vermeintliche Sozialverträglichkeit gesichert ist, indem aus ihren Gebühren Stipendien finanziert werden. Die Hochschulen müssen nicht nur den Ausfallfonds für die Studienkredite zahlen, sondern sie müssen auch noch die Ausfälle durch Gebührenbefreiung auffangen.

Wenn Sie die steigenden Zahlen der Studienanfänger als Indiz dafür nehmen, dass die Gebühren niemanden vom Studium abhalten, dann ist das Augenwischerei, und dieses Indiz ist durch die jüngsten Zahlen des Statistischen Bundesamtes eindeutig widerlegt worden. Liebe Frau Trost, ich bitte Sie an dieser Stelle schlicht, diese Zahlen einfach einmal zur Kenntnis zu nehmen.

Die Bundesländer, die keine Studiengebühren

eingeführt haben, haben deutlich höhere Zuwächse, die zum Teil fast doppelt so hoch sind wie die in Niedersachsen. Außerdem sind die Studienan

fängerzahlen ohnehin nur in dem Maße gestiegen, wie zeitgleich die Zahl der Abiturienten gestiegen ist. Hinzu kommt, dass zeitgleich in unserem Nachbarland Sachsen-Anhalt ein doppelter Abiturjahrgang die Schulen verlassen hat.

Fakt ist: Ihre Studiengebühren zementieren den Status quo und verstärken den Missstand, dass der Geldbeutel der Eltern noch immer entscheidendes Kriterium bei der Entscheidung über die Aufnahme eines Studiums ist.

(Roland Riese [FDP]: Das ist Unfug! Das wissen Sie!)

Indiz dafür ist auch die Tatsache, dass Studiendarlehen kaum wahrgenommen werden. Denn wer aus einem Elternhaus stammt, das die Gebühren nicht zahlen kann, hat häufig am Ende des Studiums ohnehin schon BAföG-Schulden. Dieser Personenkreis wird seit Einführung der Gebühren im Vergleich zu den „besser betuchten“ Studierenden doppelt bestraft, indem er entweder noch höhere Schulden am Ende des Studiums in Kauf nehmen oder noch mehr dazuverdienen muss. Das, meine Damen und Herren von CDU und FDP, ist soziale Ausgrenzung in Reinform,

(Daniela Krause-Behrens [SPD]: Ein Skandal!)

für die die Bundesrepublik jedes Jahr aufs Neue von der OECD gerügt wird.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

In der Kulturpolitik sieht Ihre Bilanz der letzten fünf Jahre nicht viel besser aus. Besonders die freie Kultur, die ein ungeheuer großes Maß an bürgerschaftlichem Engagement bindet und konkurrenzlos günstig eine kulturelle Grundversorgung in der Fläche sicherstellt, haben Sie durch radikale Kürzungen in ihrer Struktur nachhaltig geschwächt.

Statt den Fachverstand der jeweiligen Verbände im Interesse einer qualitätsorientierten Weiterentwicklung der niedersächsischen Kulturlandschaft zu nutzen, haben Sie deren Kompetenzen und Angebotskatalog geschwächt. Das Modell der Beleihung mit der Soziokultur wurde aufgekündigt, und Vergabeentscheidungen jenseits von 10 000 Euro werden nur noch im Ministerium getroffen. In Sachen Zivilgesellschaft und Entstaatlichung sind Sie in der Kulturpolitik den Roll-back-Kurs gefahren.

Welche Auswirkungen die Regionalisierung der Kulturmittel zeigen wird, bleibt noch einer anstehenden Evaluation vorbehalten. Den Verbandsstrukturen Ihre Säulenstruktur aufzustülpen, darf allerdings schon heute getrost als Flop bezeichnet werden. Von den versprochenen Synergien ist nirgendwo, an keiner Stelle auch nur eine Spur zu sehen.

(Zustimmung von Georgia Langhans [GRÜNE])

Kaum dass die Säulen umgesetzt waren, bröckelten sie schon auseinander, weil die ersten Verbände ausscherten oder in Zusatzsäulen untergebracht werden mussten.

Bezeichnend für Ihre Kulturpolitik ist wohl auch der Umgang mit der Soziokultur im vorliegenden

Haushalt. Fast überall wurde aufgesattelt. Nur bei einem Projekt zum Thema demografischer Wandel, das gemeinsam mit dem MWK umgesetzt werden sollte, sahen Sie keine Möglichkeit des Finanzierens. Es reicht nicht, werte Kollegen von CDU und FDP, zum Thema Demografie tonnenweise Papier zu produzieren. Man muss das, was auf dem Papier steht, auch umsetzen!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Deshalb haben wir dieses Projekt in unserem Haushaltsantrag mit 500 000 Euro berücksichtigt. Zusätzlich haben wir 2 Millionen Euro für Modellprojekte zum Thema kulturelle Teilhabe eingesetzt.