Protokoll der Sitzung vom 10.12.2003

Jetzt noch einmal zu Ihrem Blockadeverhalten bei den Konsensverhandlungen zum GMG. 20 Milliarden Euro betrug das Sparpaket. Ihnen ist es gelungen, um Ihre Leistungsanbieter einen Schutzwall aufzuziehen. Die zahlen nämlich nur 3 Milliarden Euro, und die Normalversicherten zahlen 17 Milliarden Euro. Sie waren es, die mit der Sperrminorität die paritätische Finanzierung unseres Gesundheitssystems auch mit diesem Konsens weiter ausgehöhlt haben. Das sollten Sie sich einmal ganz deutlich vor Augen halten. Reißen Sie doch endlich diese Schutzzäune ein!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Jetzt reden Sie plötzlich wieder über Wettbewerb. Müssen Sie Ihr System verkaufen? Können Sie es sonst nicht an Ihre Klientelgruppen verkaufen? Das ist wohl der Hintergrund dafür, dass Sie plötzlich eine andere Sprache mit einem leichten sozialen Touch - so nenne ich das - sprechen. Aber die Mehrzahl der Menschen hat doch begriffen, was die Schwarzen in Person von Frau Merkel von Ihnen wollen.

(Zurufe von der CDU: Aber Sie doch nicht! - Unruhe und weitere Zurufe von der CDU)

Sie wollen den Abschied vom sozialpolitischen Konsens. Herr Blüm, Herr Seehofer und selbst Herr Geißler sagen, dass dieser Zug in die falsche Richtung fährt. Lesen Sie doch mal die Tagespresse dazu.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es sind Ihre eigenen Leute, erfahrene Sozialpolitiker, die Ihnen die Leviten lesen, die sagen, das sei die falsche Richtung, die Sie einschlagen.

Sie wollen eine Gleichstellung von allen, ob Arm oder Reich. Ein vom Einkommen unabhängiges Gesundheitsprämienmodell ist absolute Gleichmacherei. Ich frage mich auch: Was ist mit der künftigen Beziehung zwischen GKV und PKV? Was ist mit der Versicherungspflichtgrenze? - Davon steht nämlich nichts in Ihrem 50-seitigen Papier.

(Zurufe von der CDU)

Diese Punkte haben Sie ganz nett außen vor gelassen. Sie fürchten sich nämlich vor Ihrer eigenen Klientel, Ihren Lobbygruppen, die Sie bisher sehr gut bedient haben. Da müssen Sie eine ganz andere Richtung einschlagen, wenn Sie dieses Ziel wirklich erreichen wollen.

Ihre Gleichmacherei hat zur Folge, dass Ehegatten nicht mehr beitragsfrei versichert sind. Die jetzt viel beschworene Beitragsfreiheit von Kindern wird doch über die Steuerkasse finanziert, meine Damen und Herren. Das holen sie sich über den Arbeitgeberbeitrag wieder. Den hat der Arbeitnehmer nämlich komplett zu versteuern; und das geht in die Steuerkasse. Letztendlich zahlt der ganz normale Arbeitnehmer 100 % Kopfprämie. Alle, die sehr viel mehr in der Tasche haben, zahlen auch nur diese 100 %, die aber für den anderen sehr viel mehr bedeuten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Mit diesem Verfahren beißt sich doch letztendlich die Katze in den Schwanz. Sie holen von hinten herum die Kinderkopfprämie wieder herein. Kinderfreundlichkeit ist etwas anderes. Sie streuen den Familien mit Kindern Sand in die Augen.

Wer profitiert bei Ihnen? - Die Menschen mit hohen Einkommen. Das ist eine Gleichmacherei, um noch einmal darauf zurückzukommen, die Ungleichheit und zusätzliche Belastung produziert. Sonst waren Sie doch gegen die Gleichmacherei im Leistungsprinzip. Bei Ihnen sind die Gewinner die Singles. Die Normalverdienerfamilien sind diejenigen, die in die Röhre gucken. Das werden wir Ihnen in dem Bereich auch deutlich machen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Merkels Milchmädchenrechnung geht überhaupt nicht auf. Selbst beim sozialen Ausgleich fehlt ihr die Kohle. Sie schaffen hier einen weiteren

Subventionstatbestand. Es ist doch klar, dass irgendwann der Steuertransfer nicht funktioniert und dann Straßenbau und Bildung und Gesundheitswesen nebeneinander stehen. Genau da sind Sie an dem Punkt, wo Sie anfangen zu überlegen, was Sie noch aus der Gesundheitskasse herausnehmen, welche Leistungen verschwinden müssen.

(Bernd Althusmann [CDU]: Die Dis- kriminierung der Milchmädchen finde ich unmöglich!)

Das ist der Weg, den Sie vorzeigen: Gesundheit als Konsumgut. Aber diesen Weg werden wir nicht mit Ihnen gehen. 80 % der Bundesbürger wollen diesen Weg auch nicht. Sie sind nicht so dumm, dass sie den Blödsinn glauben, den Sie auf dem Leipziger Parteitag zu verkaufen versucht haben. Beschäftigen Sie sich mit der Bürgerversicherung! Das ist der richtige Weg. Dann bleiben wir auch im Solidarsystem. - Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion hat nun die Abgeordnete Mundlos das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Jüttner, ich glaube, Sie haben nach wie vor ein Kommunikationsproblem in Ihrer Partei. Vielleicht sollten Sie sich, bevor Sie solche Tagesordnungspunkte anmelden, erst einmal mit Ihrem Fraktionsvorsitzenden austauschen. Er hat in der Presse gesagt, wer die Flucht aus unserem kollektiven Sicherungssystem verhindern wolle, der müsse es umbauen. Das sollten Sie künftig etwas stärker berücksichtigen.

(Beifall bei der CDU - Zurufe von der SPD: Umbauen, nicht abbauen!)

Sie reden hier von unsozial. Ich sage Ihnen klar: Die Rentenkürzung, die Sie vornehmen, nenne ich unsozial.

(Beifall bei der CDU)

Wenn Sie seriös sein wollen, dann müssen Sie begreifen, dass Sie sich nicht an der demografischen Entwicklung vorbeimogeln können,

(Zuruf von der SPD: Das tun wir auch nicht!)

um Finanzierbarkeit für sich in Anspruch zu nehmen. Wir wissen doch, dass die SPD noch nie gut rechnen konnte.

(Zurufe von der SPD: Oh!)

Ein Blick in die Rathäuser und in den Landeshaushalt und dann als Drittes auf die Bundesebene belegt das in einer Deutlichkeit, die nicht zu übersehen ist.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Zu unserem Modell. Ich sage Ihnen in aller Deutlichkeit: Wir sind schon stolz als Niedersachsen, dass wir dazu ein entscheidendes Scherflein beitragen konnten.

(Lachen bei der SPD)

Unser Modell ist sozial, denn es ist transparent, es schafft einen Ausgleich zwischen Jung und Alt, zwischen Krank und Gesund. Alle werden beteiligt, Manager und Hausmeister gleichermaßen. Das nenne ich gerecht.

(Unruhe bei und Zurufe von der SPD)

Die Geringverdiener werden durch einen steuerfinanzierten Ausgleich unterstützt. Um in Ihrer Diktion zu bleiben, Herr Plaue: Die so genannten Besserverdiener werden künftig mehr bezahlen müssen. Das nenne ich solidarisch und sozial.

(Beifall bei der CDU)

Unser Modell ist seriös; denn es ist verlässlich, langfristig angelegt, hat überschaubare Übergangsfristen, baut einen Kapitalstock auf. Durch die Steuerfinanzierung werden Lohn- und Kapitaleinkünfte gleichermaßen an der Finanzierung beteiligt.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Stimmt doch gar nicht!)

Wer mehr hat, zahlt mehr. Auch das nenne ich absolut seriös.

(Beifall bei der CDU)

Durch unser Modell werden die Lohnnebenkosten sinken. Die Arbeit wird bezahlbarer.

Herr Jüttner, interessanterweise hat der Sachverständigenrat Ihrer Bundesregierung die Bürgerversicherung wie folgt bewertet: Sie kostet uns eine Million Arbeitsplätze, weil viele in Schwarzarbeit

ausweichen werden. - Unser Prämienmodell hingegen ist anders bewertet worden: Es bringt eine Million Arbeitsplätze.

(Beifall bei der CDU)

Das ist ein Wachstumsschub, bringt mehr Steuereinnahmen und stellt eine solide Finanzierung sicher.

(Zuruf von Dieter Möhrmann [SPD])

Fazit: Wenn der Sachverständigenrat nur zur Hälfte Recht hat, dann ist unser Modell absolut beherrschbar. Wenn die Lasten auf alle Generationen gerecht verteilt werden, auf Stark und Schwach, dann ist das Modell sozial. Seriös ist es, weil die Probleme und ihre Lösungen transparent, offen und ehrlich dargestellt werden. Wir wollen den Grundstein für das soziale Haus von morgen mit Planungssicherheit legen. Das schafft Vertrauen, Motivation und Investitionen. Dann wird es den Familien besser gehen, als dies zurzeit der Fall ist. Das ist gut so. Genau das wollen wir erreichen. Und genau das wird stattfinden. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Für die Landesregierung hat nun das Wort Frau Dr. von der Leyen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Jüttner, wir kennen uns nun doch noch nicht so gut, als dass Sie so ohne weiteres vorhersagen können, was ich jetzt sagen werde. Ich wollte auf diesen Teil gar nicht so eingehen, wie Sie es für mich eben vorformuliert haben.