Protokoll der Sitzung vom 11.12.2003

(Lachen bei der CDU)

die Wohlfahrtsverbände eignen sich nicht für diese ideologischen Spielchen der Regierung und der Regierungsfraktionen. Sie sollten mit partnerschaftlicher Sozialpolitik endlich wirklich beginnen und nicht nur darüber theoretisch reden.

(Beifall bei der SPD)

Wir werden spezielle Förderprogramme initiieren, um Frauen mit Kindern bei der beruflichen Qualifizierung und beim Wiedereinstieg in den Beruf zu helfen. - So zu lesen im CDU-Regierungsprogramm zur Landtagswahl. Im 100-Tage-Programm der Ministerin war darüber hinaus die Entwicklung neuer Konzepte, haushaltsnahe Dienstleistungen, Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie Vereinbarkeit von Eltern und Beruf angekündigt. Nach über 250 Tagen liegt nichts dazu vor. Die einzigen Leistungen, die bisher erreicht worden sind, bestehen darin, dass die Haushaltsmittel für das Gewaltschutzgesetz und für Frauenschutzwohnungen und Toto/Lotto-Mittel für frauenbezogene Maßnahmen deutlich reduziert und die Ausgaben für Ehe- und Familienberatungsstellen von 256 000 Euro auf null gesetzt wurden. Der Ministerpräsident hatte dazu am 8. April in der Zeitschrift Synode direkt festgestellt, „dass Familienberatungsstellen nicht in Frage gestellt werden. Dafür müssen wir aber den anderen mehr abverlangen“. Meine Damen und Herren, ich stelle fest, die Aussagen Ihres Ministerpräsidenten stören anscheinend weder die Sozialministerin noch die sie tragenden Fraktionen. Derselbe Ministerpräsident hatte übrigens in seiner Regierungserklärung erklärt: Wir werden gemeinsam mit den Gleichstellungsbeauftragten im Land und dem Landesfrauenrat nach Wegen suchen, die Gleichstellung gerade im öffentlichen Dienst voranzubringen. - Meine Damen und Herren, ich finde, da sind Sie auf dem besten Wege, nur in die völlig entgegengesetzte Richtung.

(Beifall bei der SPD)

Die im 100-Tage-Programm angekündigten Eckpunkte für eine Novelle des NGG bis Ende Mai 2003 liegen bis heute noch nicht vor. Ich gehe allerdings trotzdem davon aus, dass Sie 2003 meinten. Die kommunale Verpflichtung zur Bestellung von Frauenbeauftragten soll es ganz im Sinne des Städte- und Gemeindebundes in Zukunft nicht mehr geben. Hatte sich die Frauenministerin noch Mitte September klar für die Erhaltung der Frauenbeauftragten ausgesprochen, so waren ihre Aussagen im September-Plenum bereits sehr verräterisch. So erklärte die Ministerin im Landtag, der Zwang zur Bestellung von Frauenbeauftragten habe ein gutes Argument geliefert, warum die Gleichstellungsdebatte nicht gewollt sei. - Dahinter steht meiner Ansicht nach ein weltfremdes, konservatives Weltbild, dass Gleichberechtigung angeblich ganz von selbst eintritt. Ich finde, dass man das bei der Vergabe von Aufgaben in den Fraktionen bzw. am Kabinettstisch hat eindrucksvoll deutlich nachvollziehen können, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Übrigens: Ihre Begründung mit dem Konnexitätsprinzip sollten Sie wirklich aufgeben. Der Staatsgerichtshof hat in seinem Urteil festgestellt, dass das Unsinn ist, denn es handelt sich bei der Gleichberechtigung um eine Aufgabe des eigenen Wirkungskreises. Die kommunalen Frauenbeauftragten in Niedersachsen müssen mit dem Schlimmsten rechnen, zumal die Frauenpolitik im Landeskabinett zwischenzeitlich ohnehin vom Innenminister und vom Kultusminister betrieben wird. Die Frauenministerin spielt dabei jedenfalls bisher keine ernst zu nehmende Rolle.

(Beifall bei der SPD)

Die Rahmenbedingungen für das ehrenamtliche Engagement in der Jugendarbeit werden wir verbessern. Ehrenamtliche Kräfte erhalten eine qualifizierte Fortbildung und Beratung. Ihre Mitsprachemöglichkeiten werden wir verbessern, und die Bildungsarbeit der Jugendverbände werden wir verstärkt fördern. - So steht es im CDU-Wahlprogramm zur Landtagswahl. Tatsächlich kürzt die Landesregierung in der Jugendverbandsarbeit. Das Impulsprogramm zur Umsetzung des Kinderund Jugendplans wird komplett gestrichen mit dem Ergebnis, dass der Landesjugendring sich Anfang September in einem offenen Brief gegen die Behauptung der Landesregierung verwahrt, die Kür

zung im Jugendbereich den Jugendverbänden durch die Landesregierung in die Schuhe schieben zu wollen. Wörtlich heißt es:

„Ministerium und Politik haben in den letzten Monaten eine massive Drohkulisse aufgebaut und die Förderung der Jugendarbeit erheblich und relativ grundsätzlich in Frage gestellt. Die Rede war von Kürzungen in einer Größenordnung von 3 Millionen Euro, von Eingriffen in die gesetzlichen Leistungen des Jugendfördergesetzes und von der Einstellung einzelner Förderprogramme. Die Jugendverbände sind mit Recht über den Verrat ihrer Interessen empört und fühlen sich verschaukelt.“

(Beifall bei der SPD - Thorsten Thümler [CDU]: Völlig falsch!)

- Das steht in dem Brief der Jugendverbände, Herr Kollege. Sie sollten ab und zu Ihre Post lesen.

„Die Verantwortung für beabsichtigte Kürzungen im Bereich der Jugendund Jugendverbandsarbeit liegt ausschließlich bei der Landesregierung. Jeder Versuch der Politik, einen anderen Eindruck zu erwecken, muss ausdrücklich von uns zurückgewiesen werden.“

Ich finde, meine Damen und Herren, deutlicher können Sie das von den Verbänden der Jugendpolitik nicht ins Stammbuch geschrieben bekommen.

Gerade aus der ursprünglich zusätzlich von Ihnen zugesagten Förderung der Bildungsarbeit ist in der Praxis innerhalb eines Dreivierteljahres eine komplette Halbierung geworden. Meine Damen und Herren, ich gestehe aber zu, dass man zum gegenwärtigen Zeitpunkt von Versagen in der Jugendpolitik noch nicht reden kann, weil die Ministerin als Jugendministerin überhaupt nicht in Erscheinung tritt.

Für die Bereiche der Psychiatrie und des Maßregelvollzuges hatten Sie im Sozialausschuss neue Konzepte versprochen, die bis heute komplett nicht vorgelegt worden sind. Es ist noch nicht einmal möglich, der Bitte des Sozialausschusses von vor drei Monaten, einstimmig von allen Fraktionen geäußert, nachzukommen und uns endlich das

Konzept für die Jugendpsychiatrie herüberzureichen. Wie gehen Sie eigentlich mit diesem Parlament und mit Ihrem Fachausschuss um, Frau Ministerin?

(Beifall bei der SPD - Thorsten Thümler [CDU]: Sehr kooperativ!)

- Es kann ja sein, dass sie mit Ihnen kooperativ umgeht.

(Thorsten Thümler [CDU]: Mit Ihnen auch!)

Aber hier gibt es ein gesamtes Parlament. Man kann nicht monatelang etwas ankündigen, was wiederholt von uns angemahnt wird und einfach nicht herübergereicht wird. Das ist ein irrer Umgang. Den hat es mit dem Parlament noch nicht gegeben, mindestens nicht mit dem Sozialausschuss.

(Brunhilde Rühl [CDU]: Warten Sie erst einmal ab!)

Mit den Aids-Hilfen im Land haben Sie in den letzten Wochen ein besonders böses Spiel getrieben. Landesweit gibt es 34 Stellen, davon in der Landesgeschäftsstelle 2,5 Mitarbeiter, und die anderen sind auf 16 Beratungsstellen über das Land verteilt. Auf einen Hauptamtlichen kommen zehn Ehrenamtliche. Hier wird alles so gemacht, was die Landesregierung gerne hätte. Bei den Aids-Hilfen gibt es viel Ehrenamt, viele Spenden und wenig Verwaltungsaufwand. Trotzdem sollten die Mittel zunächst um 200 000 Euro abgesenkt werden. Das hätte die Schließung der Landesgeschäftsstelle und mindestens drei weiterer Beratungsstellen zur Folge gehabt. Im Rahmen der Haushaltsberatungen wurde die Kürzung dann auf 100 000 Euro im Verhältnis zum ordentlichen Haushalt 2003 zurückgenommen, gleichzeitig wurden aber völlig überraschend die Mittel für die Schwulenarbeit um 50 000 Euro halbiert.

Im Bereich der Schwulenarbeit werden damit die ländlichen Projekte der Aids-Prävention komplett zerstört. Das bedeutet, Sie haben unter dem Strich im Aids-Etat zusammen mit dem Schwulen-Etat doch 150 000 Euro gekürzt. Wenn man weiß, dass eine Neuerkrankung als Vollbild eines AidsErkrankten zwischen 100 000 Euro bis 300 000 Euro im Jahr kostet, dann kann man ermessen, welchen gewaltigen Schaden Sie mit dieser insgesamt kleinen Kürzung tatsächlich anrichten, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich kann mich gut daran erinnern, dass Sie, Frau von der Leyen, im Wahlkampf auf die Frage, wie Sie bestimmte Umschichtungen in Ihrem Haus finanzieren wollen, immer geantwortet haben: Na, hören Sie mal, das macht doch nur 0,5 oder 0,10 Promille aus. Das wird doch zu machen sein! - Die Kürzung im Schwulen- und Aids-Etat macht 0,05 Promille aus. Insofern stellt sich die Frage: Was ist eigentlich der Hintergrund für dieses Exempel? Geht es Ihnen ideologisch darum, ungeliebte Randgruppen der Gesellschaft zu treffen oder allen Bekundungen zum Trotz doch eindrucksvoll Strukturen zu zerstören, oder - was ich am ehesten für Sie hoffe - haben Sie schlichtweg keine Übersicht mehr über Ihren Haushalt und über das Zahlenwirrwarr, das Sie zwischenzeitlich angerichtet haben?

(Na, na! bei der CDU)

Immerhin hat Ihr Ministerpräsident auch in der Synode direkt festgestellt, dass die Einrichtungen, namentlich der Aids-Beratung, nicht in Frage gestellt werden dürfen. Auch hier haben wir es mit einem klaren Wortbruch gegenüber Ihren Wahlversprechen zu tun.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, die Sozialpolitik Ihrer bisherigen Regierungszeit besteht im Wesentlichen aus drei Punkten: erstens aus dem Austauschen von Schildern an Altenheimen, Kindertagesstätten und Mütterzentren, um sie in „Mehrgenerationenhäuser“ umzubenennen - ungeachtet der Tatsache, dass dieser Begriff schon länger bestand und tatsächlich das Wohnen von mehreren Generationen unter einem Dach meinte, kann man die Mehrgenerationenhäuser, wie Sie sie jetzt propagieren, in jeder gut funktionierenden Kirchengemeinde finden -, zweitens aus für die Betroffenen und Träger unberechenbaren, planlosen Haushaltskürzungen und drittens überwiegend aus einer Selbstdarstellung der Ministerin in Talkshows und unzähligen Home-Stories in der Regenbogenpresse.

(Beifall bei der SPD)

Ich finde das ein bisschen wenig für eine ernsthafte Sozialpolitik. Die passende Antwort auf Ihre Sozialpolitik finden Sie in der Dreigroschenoper

von Berthold Brecht: „Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral.“

(Starker Beifall bei der SPD - Wider- spruch bei der CDU)

Frau Kollegin Mundlos, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bevor ich mich sachlich mit dem Haushalt auseinander setze, möchte ich gerne drei kurze Vorbemerkungen machen, die auf den Vorredner Bezug nehmen.

Erstens. Sachlichkeit wurde angemahnt. Das, was hier vorgetragen wurde, hat der ehemalige Abgeordnete Mühe einmal mit „Jammer-Rhetorik“ bezeichnet. Von Sachlichkeit war hier nicht viel zu spüren.

(Beifall bei der CDU - Dr. Brigitte Trauernicht-Jordan [SPD]: Alles Fak- ten!)

Zweitens. Ein anderer ehemaliger Abgeordneter der SPD hat einmal gesagt: Der gute Wille ist eine unendliche Größe. Ich wünschte, sie wäre haushaltsrechtlich verwertbar. - Herr Schwarz, das war Otto Bennemann. Vielleicht sollten Sie einmal nachlesen, was der eine oder andere Ihrer Vorgänger gesagt hat. Sie jedenfalls sind von dieser Erkenntnis weit entfernt. Bei Ihnen kann ich stellenweise noch nicht einmal den guten Willen spüren.

(Beifall bei der CDU)

Drittens. Um hier auch allen Kollegen deutlich zu machen, wie gespalten Ihre Argumentation zum Teil ist, möchte ich eines noch einmal erwähnen: Erst beklagt Herr Schwarz im Ausschuss, dass in der Presse Informationen - woher sie auch immer gekommen sein mögen - über die Entwicklung der Krankenhauslandschaft in Niedersachsen waren. Dann bittet er die CDU-Fraktion, die Ausschusssitzung vor Weihnachten abzusagen. Dieser Bitte haben wir aus gutem Brauch entsprochen.

(Marie-Luise Hemme [SPD]: Das war ein einvernehmlicher Beschluss!)

Anschließend fordert er mit einer Presseerklärung eine Sondersitzung, um über die Entwicklung in

formiert zu werden. Wenn wir dann versuchen, schnell zu reagieren, und Terminangebote machen, dann möchte er das am Freitag in der Mittagspause mal eben kurz abgehandelt sehen. Das ist unsachlicher Aktionismus, und das machen wir in dieser Form nicht mit, Herr Schwarz.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich stelle fest, dass der Sozialhaushalt mit einem Anteil von über 11 % am Gesamthaushalt der zweitgrößte Haushalt nach dem Kultushaushalt ist, der nur deshalb größer ist, weil er mit 81 000 Lehrern sehr personalintensiv ist. 2,5 Milliarden Euro stehen 156 Millionen Euro Minderausgaben gegenüber. Zugegeben, jeder Euro weniger für wirklich Bedürftige schmerzt. Vorhandenes Geld muss aber effizient mit größtmöglichem Wirkungsgrad zum Wohle der Menschen eingesetzt werden. Wer gestalten will, muss auch den Mut aufbringen, bisherige Projekte zu hinterfragen. Dieser Mut scheint Ihnen ja zu fehlen, Herr Schwarz. Diese Projekte auf Effizienz zu überprüfen und gegebenenfalls durch neue, bessere Maßnahmen zu ersetzen, nenne ich politische Verantwortung und Verpflichtung wahrzunehmen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Deshalb begrüßen wir ausdrücklich, dass Kleinstförderungen nach dem Gießkannenprinzip aus der niedersächsischen Förderlandschaft verschwinden werden. Schluss mit so unsinnigen Projekten wie „Wind! Deich! Kühe! Und ich???“ oder der MiniZeitung Kulturette, die sich mit Frauen, Musik und anderen Dingen befasst.

(Walter Meinhold [SPD]: Unglaublich!)