Protokoll der Sitzung vom 12.12.2003

3. Welche Folgen hat die bisherige zweigeteilte Rechtssituation für die „rentenversicherungsrechtliche Biografie“ der Betroffenen im Alter?

Die in §§ 190 bis 193 StVollzG vorgesehenen Regelungen der Einbeziehung der Gefangenen in die Sozialversicherung (Krankenversicherung und Rentenversicherung) können erst durch ein besonderes Bundesgesetz in Kraft treten.

Diejenigen Gefangenen, die als Freigänger auf der Grundlage eines freien Beschäftigungsverhältnisses gem. § 39 Abs. 1 StVollzG wie freie Arbeitnehmer beschäftigt sind, unterliegen der Sozialversicherungspflicht. Sie suchen von der Anstalt aus täglich den Arbeitsplatz bei ihren Arbeitgebern auf und werden von ihnen tariflich entlohnt. Das hat zur Folge, dass die Beiträge zur Rentenversicherung anteilig von Gefangenen und Arbeitgebern gezahlt werden.

Der Bundesgesetzgeber hat bisher von einer gesetzlichen Regelung der Einbeziehung der übrigen Gefangenen in die Rentenversicherung wegen der damit verbundenen finanziellen Belastungen für die Länder abgesehen.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 1. Juli 1998 (Az.: 2 BvR 441/90, 2 BvR 493,

90, 2 BvR 618, 92, 2 BvR 212/93, 2 BvL 17/94) ausgeführt:

Verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei, die Einbeziehung der Strafgefangenen in die gesetzliche Altersrentenversicherung einem besonderen Bundesgesetz vorzubehalten. Durch die im Gesetz vorgesehenen, jedoch nicht in Kraft getretenen Regelungen sollten die jeweiligen Gefangenen in die sozialen Sicherungssysteme auf einer Bemessungsgrundlage von 90 vom Hundert der sozialversicherungsrechtlichen Bezugsgröße einbezogen werden. Ein solcher sozialversicherungsrechtlicher Schutz für Gefangene sei weder vom verfassungsrechtlichen Resozialisierungsgebot gefordert noch vom Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) geboten.

Vor diesem Hintergrund und bei der dramatischen Haushaltslage ist es Niedersachsen – wie allen anderen Bundesländern auch – jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht möglich, einer Einbeziehung dieser Strafgefangenen in die gesetzliche Rentenversicherung zuzustimmen. Dies wäre nach einer aktuellen Schätzung mit Mehrkosten in Höhe von ca. 13 Millionen Euro verbunden.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich namens der Landesregierung die Kleine Anfrage wie folgt:

Zu 1 und 2: Zur Rechtslageverweise ich auf meine Vorbemerkungen.

Die Einbeziehung der Gefangenen in die Rentenversicherung ist zwar sozialstaatlich erwägenswert, um eine soziale Mindestsicherung für den Gefangenen und seine Angehörigen zu gewährleisten, derzeit aber finanziell nicht zu realisieren.

Zu 3: In der rentenversicherungsrechtlichen Biografie von Strafgefangenen, die im Rahmen ihres Strafvollzuges einer rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgegangen sind, sind die betreffenden Zeiträume als Pflichtbeitragszeiten ausgewiesen. In der rentenversicherungsrechtlichen Biografie von Strafgefangenen, die im Rahmen ihres Strafvollzuges keine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt haben, ist dieser Zeitraum nicht mit Pflichtbeiträgen oder sonstigen rentenrechtlichen Zeiten belegt. Eine Begründung oder Steigerung von Ansprüchen in der gesetzlichen Rentenversicherung besteht damit nicht.

Anlage 4

Antwort

des Ministeriums für Inneres und Sport auf die Frage 9 des Abg. Dieter Möhrmann (SPD):

Umsetzung der Polizeireform im Landkreis Soltau-Fallingbostel

Nach Meldungen in der Presse und Verlautbarungen der Landesregierung soll es zukünftig statt 47 nur noch 22 Polizeiinspektionen geben. Gleichzeitig sollen bisherige Polizeikommissariate ohne „Rund-um-die-Uhr-Dienst“ abgestuft werden.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

1. Welche konkreten Wirkungen bezogen auf die einzelnen Städte und Gemeinden im Landkreis Soltau-Fallingbostel hat die Veränderung hinsichtlich der Standorte der Polizeiinspektion und der einzelnen Kommissariate und in personeller und dienstrechtlicher Hinsicht sowie auf die tatsächlich zur Verfügung stehenden Polizistinnen und Polizisten?

2. Wie werden sich durch die Veränderung die Bewertungen der Stellen an den einzelnen Standorten entwickeln (Ist-Zustand und neuer angestrebter Zustand mit Stellenzahl und Be- wertung)?

3. Welche Kommunen in Niedersachsen zwischen 17 000 und 20 000 Einwohnern verfügen über einen „Rund-um-die-Uhr-Dienst“ bei der Polizei, welche nicht, und für welche Standorte ist eine Veränderung in einen solchen Dienst nach den Planungen in dieser Legislaturperiode mit welcher Begründung vorgesehen?

Entsprechend der Koalitionsvereinbarung für die 15. Wahlperiode überprüft die Landesregierung die bestehende Polizeiorganisation grundlegend, um im erforderlichen Umfang Strukturveränderungen vorzunehmen. Zu diesem Zweck wurde durch Innen-Staatssekretär Dr. Koller im April d. J. eine Arbeitsgruppe (AG) mit dem Auftrag eingerichtet, einen Vorschlag für die Gesamtorganisation der Polizei zu erarbeiten. Der Abschlussbericht der AG wurde am 15. November vorgelegt. Nach einer Phase der ersten internen Bewertung hat Minister Schünemann am 3. Dezember u. a. den Ausschuss für Inneres und Sport über die Vorschläge zur Umorganisation der Polizei unterrichtet.

Die vorgeschlagene Polizeiorganisation sieht u. a. eine Straffung der Führungsstrukturen vor, die Zahl der Polizeiinspektionen wird landesweit von derzeit 50 auf künftig 33 reduziert, ohne die PD Hannover von 45 auf 27 (nicht „von 47 auf 22“).

Diesen Inspektionen werden auch weiterhin Polizeikommissariate (PK) nachgeordnet sein. Es wird sich künftig jedoch nur dann um ein PK handeln, wenn der „Rund-um-die-Uhr-Dienst“ durch eigenes Personal gewährleistet werden kann und ein Kriminal- und Ermittlungsdienst vorgehalten wird. Die bisherige Unterscheidung in PK mit Wechselschichtdienst (sogenannte PK-A-) und solche mit Bedarfsdienst (sogenannte PK-B-) entfällt. Bisherige PK-B- werden zu Polizeistationen, soweit sie nicht selbständig einen „Rund-um-die-Uhr-Dienst“ gewährleisten und einen Kriminal- und Ermittlungsdienst vorhalten.

Das vorliegende Konzept enthält bis zur Ebene der Polizeiinspektionen Vorschläge zu den konkreten Dienststellen. Die Ausgestaltung der Ebene der Polizeikommissariate und -stationen ist noch in Abstimmung zwischen dem Ministerium für Inneres und Sport und den Polizeibehörden im Zuge der anstehenden Feinkonzeptionierung zu betrachten. Für die Personalverteilung in der Fläche ist der Rahmen für ein neues Modell entwickelt worden, mit dem das Personal den künftigen Polizeidirektionen zugewiesen werden soll. Sowohl bei der Strukturentscheidung über die einzelnen Dienststellen (welche PK-B- werden künftig in Kommissa- riate bzw. Stationen umgewandelt) als auch für die konkrete Ausgestaltung der Dienststellen (Festle- gung der Anzahl und Wertigkeit von Dienstposten, Arbeitsplätzen) werden die regionalen Erfordernisse einbezogen. Dies gilt gleichermaßen für die Personalverteilung.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1: Die Polizeiinspektion (PI) Soltau–Fallingbostel wird nach dem vorliegenden Konzept auch weiterhin in den Grenzen des Landeskreises für die polizeiliche Aufgabenwahrnehmung zuständig sein; die Zusammenlegung mit einer benachbarten PI ist nicht vorgesehen.

Im Gegensatz zur heutigen Situation werden alle Polizeiinspektionen der Flächenorganisation künftig über denselben Aufgabenbestand und dieselbe Aufbauorganisation verfügen. Die PI SoltauFallingbostel wird dabei einen Aufgabenzuwachs insbesondere im Bereich der spezialisierten Kriminalitätsbekämpfung sowie der Service- und Unterstützungsleistungen erhalten.

Die „konkreten Wirkungen“ lassen sich unter Hinweis auf die Vorbemerkungen zum gegenwärtigen Stand nicht beschreiben.

Zu 2: Wir beabsichtigen, die Anzahl des zur Verfügung stehenden Personalkörpers der Polizei in Niedersachsen zu erhöhen. Durch zusätzliche Einstellungen bereits zum 1. Oktober 2003 und Übernahme ausgebildeter Polizeivollzugsbeamtinnen und –beamten aus anderen Bundesländern haben wir mit der Umsetzung dieses Vorhabens begonnen.

Im Übrigen siehe Vorbemerkung.

Zu 3: Die Kommunen in Niedersachsen zwischen 17 000 und 20 000 Einwohnern (Stand 30. Juni 2002) verfügen wie folgt über Standorte der Polizei:

Polizeidienststelle mit „Rund um die Uhr Dienst“ (PI bzw. PK-A-)

Polizeidienststelle ohne „Rund um die Uhr Dienst“ (PK-B-)

Polizeistationen

Regierungsbezirk Braunschweig SG Oberharz Regierungsbe-zirk Hannover EG Bad Münder, Stadt EG Sarstedt, Stadt

EG Hess. Oldendorf, Stadt EG Uetze

SG Bruchhau-sen– Vilsen EG Hemmingen, Stadt

Regierungsbezirk Lüneburg EG Bremervörde, Stadt SG Lüchow EG Munster, Stadt

EG Lilienthal EG Schneverdingen, Stadt EG Schwanewede

EG Langen, Stadt

Regierungsbezirk Weser-Ems EG Wildeshausen, Stadt

EG Rastede EG Edewecht EG Südbrookmerland EG Westoverledingen

Im Übrigen siehe Vorbemerkung.

AL 2 24 24.2 24.25

Anlage 5

Antwort

des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr auf die Frage 10 des Abg. Enno Hagenah (GRÜ- NE):

A 38 (Göttingen - Halle): Unzureichende Rechtsgrundlagen für Planfeststellungsverfahren in Niedersachen?

Die Bürgerinitiative Leinebergland Süd e. V. macht in einer Pressemitteilung vom 19. November 2003 auf die nach ihrer Ansicht rechtswidrige Praxis in Niedersachsen bei der Erteilung von Planfeststellungsbeschlüssen aufmerksam. Bei der Überprüfung der Rechtslage in Bezug auf den Planfeststellungsbeschluss zur A 38 (Göttingen - Halle) auf niedersächsischem Gebiet hat die Kanzlei Hesse & Kollegen festgestellt, dass dem Land Niedersachsen offenbar seit dem Jahr 1986 die Rechtsgrundlagen für Planfeststellungsverfahren nach dem Bundesfernstraßengesetz fehlen.

Nach dem Bundesfernstraßengesetz (FStrG) erfolgt die Planfeststellung von Bundesfernstraßen durch die oberste Landesstraßenbaubehörde. Die oberste Landesstraßenbaubehörde kann diese Aufgabe jedoch auf nachgeordnete Behörden übertragen. Eine Übertragung auf die Bezirksregierungen hat das Land Niedersachsen im Jahre 1986 unter dem damaligen Minister Walter Hirche durch einen Runderlass geregelt. Während andere Bundesländer eine solche Übertragung durch ein Gesetz oder eine Rechtsverordnung geregelt haben, hat das Land Niedersachsen mit dem Runderlass eine untergesetzliche Regelung gewählt, die u. a. bei Planfeststellungsverfahren keine ausreichende Rechtssicherheit gewährleistet.