Die schwierige Lage, in der sich unser Land befindet, erfordert es aber, dass wir uns auch Gedanken darüber machen, wie wir das in Zukunft dauerhaft gewährleisten können. Natürlich gehören dazu auch finanzielle Aspekte. Wir leiden bekanntlich gerade unter den finanziellen Nöten, die Ihre Fraktion, damals noch in der Regierung, diesem Land eingebrockt hat.
Insofern muss es doch erlaubt sein, dass wir im Zusammenhang mit dieser Frage auch den finanziellen Aspekt diskutieren.
Abgesehen davon aber stellt sich natürlich auch die allgemeine Frage, um welche Aufgaben sich der Staat überhaupt kümmern muss, wie weit sich der Staat ausdehnen muss und ob er sich nicht lieber nur auf seine Kernbereiche reduzieren sollte. Das ist ja ein entscheidender Punkt, in dem wir etwas auseinander liegen.
Wenn wir den hohen Standard der Rechtsprechung auf Dauer sichern wollen, dann folgt daraus aufgrund der finanziellen Lage des Landes zwangsläufig, dass wir uns auf die justiziellen Kernbereiche beschränken und die übrigen Aufgaben abbauen müssen. In dieser Situation hilft wenig, wenn Sie, Herr Helberg, die Übertragung der Handelsregister zum Anlass nehmen, den Niedergang des Rechtsstaates auszurufen, wie es in Ihrem Antrag ansatzweise formuliert ist.
Sie haben vorhin von „grottenschlecht“ gesprochen. Ich meine, dass es grottenschlecht ist, wenn Sie Modernisierung fordern und keine konkreten Vorschläge hierzu unterbreiten.
Kernaufgaben der Justiz sind nun einmal die Streitschlichtung und die Streitentscheidung. Kernaufgabe ist es, effektiv Recht zu gewährleisten und für Sicherheit zu sorgen. Die Registerführung gehört nun einmal, so wichtig sie auch ist, nicht zu diesen Kernaufgaben. Lassen Sie mich an dieser Stelle deutlich sagen: Es geht uns nicht darum, das bisherige Verfahren zu kritisieren oder die Arbeit, die bisher geleistet worden ist, herabzuwürdigen. Ganz im Gegenteil. Aber das ist eben auch kein Beleg dafür, dass die Handelsregister automatisch bei den Gerichten zu führen sind.
Sie haben es schon angedeutet: Wir brauchen den Blick nur einmal in andere Staaten der EU zu werfen. Unter diesen Staaten gibt es durchaus Staaten, die die Register nicht bei den Gerichten führen. Wenn wir über Modernisierung sprechen, ist es vielleicht an der einen oder anderen Stelle ganz richtig, einmal auf das Vorgehen in anderen Ländern zu schauen. Wenn die Bundesregierung so verfahren wäre, wäre ihr vielleicht die eine oder andere Panne nicht unterlaufen.
Insofern stellen sich doch zwei Fragen: Was bringt die Übertragung der Handelsregister dem Land Niedersachsen?
Welche Nachteile ergeben sich für die Betroffen? - Sie wissen, dass aufgrund der seitens der EU vorgeschriebenen, bis 2007 vorzunehmenden Umstellung auf die elektronische Registerführung erhebliche Investitionen des Landes notwendig werden. 11 Millionen Euro stehen dafür im Raum. In dieser Frage vertrauen wir unserer Landesregierung mehr als der auch von der SPD geführten Landesregierung in Nordrhein-Westfalen. Hinzu kommt, dass sämtliche Personal- und Sachkosten vom Zeitpunkt der Übertragung an natürlich auch von der Register führenden Stelle zu tragen sind.
Insofern geht es nicht nur um die Investition in Höhe von 11 Millionen Euro, sondern auch um langfristige weitere dauerhafte Einsparungen.
Was die Kostendeckung angeht, so hat der Niedersächsische Landesrechnungshof gerade erst im Januar festgestellt, dass die Registerführung eben nicht kostendeckend sei. Die Neuordnung im Bereich der Gebühren, die der Bund bereits vorgelegt hat, ermuntert uns nicht gerade in dieser Frage. Wenn diese Neuordnung in Kraft treten wird, wird eine kostendeckende Bearbeitung der Registersachen schlichtweg unmöglich sein.
Die andere Seite ist: Bringt es dem Nutzer Nachteile oder vielleicht sogar Vorteile, wenn wir diese Aufgabe den Industrie- und Handelskammern übertragen? Die Übertragung führt mit Sicherheit zu keiner Verschlechterung der Arbeitsqualität. Richtigkeit, Sicherheit, Verfügbarkeit und Erreichbarkeit des Registers werden bei der Führung durch Gerichte gewährleistet. Das wird durch entsprechendes Landesrecht sichergestellt. Mit dem Niedersächsischen Industrieund Handelskammertag und der Vereinigung der Handwerkskammern in Niedersachsen steht das Ministerium bereits seit geraumer Zeit in engen Verhandlungen, um einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten.
Die von Ihnen so oft beschworene Zersplitterung der Registerführung bei verschiedenen Stellen im Land können wir ebenfalls ausschließen; denn der Entwurf des Registerführungsgesetzes sieht nicht nur eine Öffnungsklausel im Bereich der Handelsregister vor, sondern ermöglicht auch die Übertragung der Vereins-, der Genossenschafts- und der Partnerschaftsregister. Wenn wir diese an einer Stelle in Niedersachsen bündeln würden, können wir nicht mehr von einer Zersplitterung sprechen.
Die Zersplitterung wird außerdem dadurch ausgeschlossen, dass ein Übereinkommen besteht, ein einheitliches Internetportal einzurichten. Dieses Portal können sowohl diejenigen nutzen, die eine Eintragung veranlassen möchten, als auch diejenigen, die Informationen benötigen. Das Ergebnis ist, dass es nicht nur einheitliche Standards gibt, sondern dass die Nutzung für die Bürgerinnen und Bürger auch wesentlich einfacher wird.
Die Übertragung der Handelsregister führt also zu keinerlei Nachteilen für die Nutzer. Im Gegenteil: Kräfte in der Justiz, nämlich in den Kernbereichen der Gerichte, können freigesetzt werden.
Wenn Sie behaupten, der Rechtsstaat würde darunter leiden, wenn wir das übertragen, so halte ich dem entgegen, dass er gerade dann leidet, wenn wir überhaupt nichts tun. Die geplante Öffnungsklausel überlässt ja jedem Bundesland die freie Wahl, wie es sich verhält. Der Kollege Briese hat das gestern bereits schön unterstrichen. Er hat mehr Freiheit für die Länder und mehr Kompetenzen für die Ländergesetzgebung gefordert. Das ist ein Schritt dahin, den Bundesländern mehr Entscheidungs- und Gestaltungsspielräume zu geben. Wir würden diese Freiheit begrüßen. Wir haben keine Angst davor. Sie hingegen sprechen vom Ausverkauf der Justiz. Ausverkauf findet im Regelfall statt, wenn es sich um eine Geschäftsaufgabe handelt oder wenn man vor einem Konkurs steht. Wenn Sie dieses Land noch weiter regiert hätten, würden wir uns wahrscheinlich in der Tat dort befinden. Unser Ziel ist aber: So viel Staat wie nötig, so wenig Staat wie möglich! Die Übertragung der Handelsregister wäre ein erster Schritt dahin.
Ich möchte für meine Fraktion noch beantragen, dass auch der Ausschuss für Haushalt und Finanzen die Mitberatung übernimmt. - Danke.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag der SPD-Fraktion thematisiert zwei wichtige Anliegen: Es geht um Justizmodernisierung und Gewaltenteilung. Was die Justizmodernisierung in Niedersachsen angeht, so kann bisher davon keine Rede sein. Die Justiz wird einzig und allein abgebaut, geschleift und geschwächt. Es kommt zu Stellenstreichungen bei Staatsanwälten, Richtern und Rechtspflegern. Ich frage mich wirklich, wie Sie damit mehr innere Sicherheit schaffen wollen. Ich bin sehr gespannt, wann der erste U-Häftling vor Eröffnung der Hauptverhandlung entlassen werden muss.
wie wir die Justiz von vielen Aufgaben entlasten können. Ich bin der Überzeugung, dass man das ganz pragmatisch und nicht parteipolitisch angehen sollte. Wir waren uns bereits in vielen Bereichen einig. Zum Beispiel im Betreuungsrecht muss eine Vereinfachung der Vergütung stattfinden. Wir können gerne darüber diskutieren, ob wir die Zusammenführung von Gerichtsbarkeiten erreichen sollten. Allzu viele Synergien verspreche ich mir nicht unbedingt davon. Man kann das aber zumindest einmal ausprobieren.
Wir sollten uns weiter darüber Gedanken machen, ob wir die komplizierten Verfahrensrechte der einzelnen Rechtsgebiete nicht stärker vereinfachen und weiter entschlacken sollten. Auch das wäre eine Möglichkeit, Justiz zu modernisieren und zu vereinfachen.
Schließlich und endlich bin auch ich der Überzeugung, dass wir über Privatisierung in verschiedenen Bereichen des Staates nachdenken müssen. Die Übertragung der Handelsregister auf die Industrie- und Handelskammern ist allerdings eine ganz zweifelhafte Angelegenheit. Herr Helberg hat das schon sehr ausführlich thematisiert. Das Thema ist auch überhaupt nicht neu. Es wurde bereits in den 90er-Jahren immer wieder diskutiert. Damals gab es eine ganze Reihe von Verbänden, die dazu angehört wurden. Herr Helberg hat einige von ihnen genannt. Es war so gut wie kein Interessensverband und keine fachliche Expertise zu finden, die sich dafür ausgesprochen haben. Weder der Richterbund noch die Anwaltschaft, weder die Bundesnotarkammer und noch nicht einmal der einflussreiche Deutsche Industrieverband BDI waren dafür. Nicht einmal unser Oberlobbyist in Sachen Privatisierung und Entbürokratisierung zur damaligen Zeit, Hans-Olaf Henkel, konnte sich für diese Sache erwärmen. Einzig und allein die Deutsche Industrie- und Handelskammer war dafür. Das wundert uns auch nicht, weil genau dieser die Aufgabe übertragen werden soll.
Die Begründung des Antrags der SPD-Fraktion enthält bereits viele richtige Argumente gegen diese Teilprivatisierung. Die Übertragung - ich meine, das ist ein ganz gewichtiges Argument - würde zu einer Rechtszersplitterung in Deutschland führen. Damit erweist man den Rechts- und Auskunftsuchenden einen Bärendienst.
Gegen eine Übertragung spricht in meinen Augen ein ganz entscheidendes Argument. Es kommt nämlich zu einer Interessenskollision bei den Wirt
schaftsverbänden. Ein wirtschaftlicher Interessenverband kann keine unabhängige Überprüfung durchführen. Die Gewaltenteilung und die unabhängige Kontrolle sind in einer Demokratie wichtige Strukturbedingungen. Schlagen Sie einmal bei Montesquieu nach; da können Sie es nachlesen. Grüne waren seit jeher große Verfechter von Machtbeschränkung, Kontrolle und Transparenz. Deswegen können wir uns dem inhaltlichen Anliegen des Antrages anschließen.
Wenn Sie tatsächlich die Führung der Handelsregister auf die Industrie- und Handelskammern übertragen wollen, möchte ich mich einmal an die Kollegen der FDP-Fraktion wenden. Sie sind doch eigentlich immer für mehr Freiheit und mehr Unternehmensbefreiung. Dann befreien Sie doch einmal die Unternehmen von der Zwangsmitgliedschaft in den Industrie- und Handelskammern. Das wäre eine ehrliche liberale Politik.
Ich gehe oft durch den Wahlkreis und spreche mit vielen kleinen Unternehmen und Mittelständlern. Wenn ich sie frage, was ihnen die Zwangsmitgliedschaft in der IHK bringt, sagen alle, dass es ihnen gar nichts bringt. Sie würden gerne davon befreit werden. Befreien Sie sie doch einmal!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie uns über Justizentlastung diskutieren, die diesen Namen verdient. Fragwürdige Aufgabenverlagerung auf Interessensverbände hingegen wird auch in Zukunft nicht die Zustimmung der Grünen finden. - Schönen Dank.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben uns bereits vorhin bei Tagesordnungspunkt 32 - der Antrag wurde von der SPD-Fraktion eingebracht - gefragt, ob sich der Antrag nicht eigentlich schon erledigt hat. Sie ha
ben gesagt, dass das nicht so sei. Bei diesem Antrag muss man fragen, warum wir ohne Not über solche Dinge sprechen. Es ist heute schon gesagt worden: Es gibt keine Veranlassung, dieses Thema jetzt in den Landtag einzubringen.
Sie haben selbst gesagt, dass es auf Bundesebene seitens der SPD keine Bestrebungen gibt, hier zu einer Öffnungsklausel zu kommen. Auch von Frau Zypries habe ich bisher nichts Gegenteiliges gehört. Das heißt, das man eigentlich sagen könnte: Still ruht der See. Alle anderen wollen es nicht. Das ist übrigens auch die Auffassung des Deutschen Industrie- und Handelskammertages.
Jetzt kommen Sie auf einmal und sagen: Wir müssen uns jetzt doch einmal dazu bekennen, dass wir es auch wirklich nicht wollen. Das geschieht nach dem Motto: Es kommt zwar nichts, aber wir wollen auch, dass es so bleibt. Ich frage mich: Ist das die Aufgabe des Landtages, dass wir uns über etwas unterhalten, was überhaupt nicht im Raum steht und gar nicht auf uns zukommt?
In der Begründung Ihres Antrags kommt mehrfach vor, dass es Bemühungen im Ministerium gebe und man nun darüber sprechen müsse. Für den Fall, dass etwas kommen könnte, ist man somit also vorbereitet und hat schon so eine Art Vorratsbeschluss getroffen. Einen anderen Grund sehe ich einfach nicht. Aber wenn Sie Zeit haben, können Sie gerne noch einmal etwas dazu erläutern. Mir leuchtet das überhaupt nicht ein.
Wir reden also jetzt über etwas, was schon vor einiger Zeit auch auf Bundesebene diskutiert wurde. Wir sollen jetzt eine Meinungsbildung für den Fall herbeiführen, dass etwas kommt. Das ist mir völlig schleierhaft. Vielleicht ist es ja eine Art Beschäftigungstherapie für Sie. Das kann ich aber nicht genau sagen.