Protokoll der Sitzung vom 20.02.2004

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Deshalb sind wir uns doch alle darin einig, dass dem bürgerschaftlichen Engagement eine immer größere Bedeutung zukommt. Je mehr sich der Staat und auch die Sozialsysteme aufgrund der finanziellen Probleme aus den bisherigen Aufgaben zurückziehen müssen, umso mehr ist der ehrenamtliche Einsatz von Bürgerinnen und Bürgern für Belange des Gemeinwohls gefragt. Die Landesregierung hält deshalb die Förderung des Ehrenamtes für eine sehr wichtige Aufgabe. Deshalb führen wir im Moment interministeriell eine Bestandsaufnahme aller gegenwärtigen Maßnahmen zur Förderung des bürgerschaftlichen Engagements durch, um die Basis für weitere notwendige Schritte zu gewinnen.

Zur Förderung des Ehrenamtes sind nicht nur materielle Anreize nötig. Es ist hier schon gesagt worden: Wenn jemand 6 Euro je Stunde erhält, aber keine Freude an der Tätigkeit hätte, dann könnte er sich auch einen anderen Job suchen, bei dem er mehr als 6 Euro die Stunde erhielte.

(Zuruf von der CDU: So ist es!)

Dieser Betrag ist dafür, dass er da hinfährt, dass er sich die Zeit nimmt, dass er sich vorbereitet und dass er Unkosten bei der Nachbereitung hat. Das wird damit abgedeckt. Das ist eben kein Lohn, wie es Otto Stumpf gerade gesagt hat, das ist eine Aufwandsentschädigung.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir müssen und dürfen den Menschen zutrauen, auch ohne materielle Vorteile zu uneigennützigem, solidarischem und verantwortungsvollem Handeln für die Gesellschaft bereit zu sein. Die Landesregierung ist aber auch der Auffassung, dass diese Bereitschaft nicht durch unangemessene Besteuerungsregeln beeinträchtigt werden darf. Es wäre nicht gut, wenn geringfügige, angemessene Vergütungen für gemeinnützige Tätigkeiten zu einer Steuerlast führen würden, die nur durch genaueste Darlegungen der mit dieser Tätigkeit verbundenen Auslagen und Aufwendungen verringert oder vermieden werden könnte. Diesem vernünftigen Vereinfachungsziel dient die so genannte Übungsleiterpauschale, die Einnahmen aus bestimmten ehrenamtlichen Tätigkeiten bis zur Höchstgrenze von 1 848 Euro je Jahr steuerfrei stellt.

Es fällt mir gerade ein, dass Herr Eichel einen Gesetzentwurf vorbereitet hatte, mit dem vorgeschrieben werden sollte, dass ein Kind, das in den Sommerferien dem Nachbarn den Rasen mäht, dafür kein Geld erhalten darf, weil das Schwarzarbeit wäre; es hätte nur einen Blumenstrauß bekommen dürfen.

(Zustimmung bei der CDU - Ralf Brie- se [GRÜNE]: Das ist alt! - Elke Müller [SPD]: Das ist gar nicht wahr!)

- Entschuldigen Sie bitte, das war ein Gesetzentwurf des Bundesfinanzministeriums. Wenn Sie nun gleich sagen „Was der macht, das interessiert uns gar nicht mehr“, dann stimmen Sie mit 100 % der Bevölkerung überein. Dann ziehen Sie daraus die Konsequenzen.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Sie haben die Entwicklungsgeschichte der Übungsleiterpauschale leider etwas einseitig dargestellt. Sie haben z. B. unterschlagen, dass die damalige von CDU und FDP geführte Bundesregierung im Vereinsförderungsgesetz vom 18. De

zember 1989 den Kreis der begünstigten Tätigkeiten sogar noch erweitert hat. Es wurde damals nämlich auch die nebenberufliche Pflege alter, kranker und behinderter Menschen einbezogen. Ferner wurde im Jahr 1990 durch das Kultur- und Stiftungsförderungsgesetz die Übungsleiterpauschale auf nebenberufliche künstlerische Tätigkeiten erstreckt. Im Jahre 1997 sah der Gesetzentwurf eines Steuerreformgesetzes einen Abbau von Steuervergünstigungen vor, schlug jedoch die Beibehaltung der Übungsleiterpauschale vor.

Wenn Sie jetzt den Eindruck erwecken wollen, CDU und FDP hätten, als sie die Bundesregierung stellten, nichts für die steuerliche Förderung des Ehrenamtes getan, so entspricht das einfach nicht den Tatsachen. Es gehört zur Redlichkeit, dies hier einmal vorzutragen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zuruf von der CDU)

- Es nützt doch nichts! - Auch die Landesregierung sieht in der Übungsleiterpauschale eine grundsätzlich sinnvolle, die Besteuerung vereinfachende und erleichternde Regelung. Dies kommt auch in den von Ihnen zitierten früheren Aussagen der die Landesregierung tragenden Parteien zum Ausdruck. Es besteht also kein Grund, diese Aussagen zurückzunehmen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe damit die Beratung.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung. Wer der Empfehlung, den Ausschuss für Inneres und Sport mit der federführenden Beratung und den Ausschuss für Haushalt und Finanzen, den Ausschuss für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit sowie den Kultusausschuss mit der Mitberatung zu beauftragen, zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen! - Stimmenthaltungen? - Ich sehe keine. Damit haben Sie so beschlossen.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 34: Erste Beratung: Justizmodernisierung statt Ausverkauf von Kernbereichen der Justiz - Die Handelsregister bei den Gerichten erhalten! - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/801

Zu Wort gemeldet hat sich der Kollege Helberg von der SPD-Fraktion. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Handelsregister wird von den Gerichten geführt. So ist es in § 8 des Handelsgesetzbuches seit über 100 Jahren geregelt, und zwar aus gutem Grunde, denn nur so kann die Funktion des Registers als Publizitätsmittel und zugleich als neutrales Kontrollinstrument umfassend gesichert werden.

Seit 1897 gehört die Registerführung zumindest zu den kernbereichsnahen Aufgaben der Gerichte, wenn nicht gar zu dem justiziellen Kernbereich selbst. Das stand sehr lange völlig außer Frage. In der ersten Hälfte der 90er-Jahre entdeckten dann die Industrie- und Handelskammern zur Abrundung ihrer Arbeitsfelder die Register als ein Aufgabengebiet, das sie an sich zu ziehen versuchten. In der Politik fanden sie bald einige wenige Befürworter. Noch kurz vor dem Ende der Legislaturperiode 1998 beschloss der Bundestag eine gesetzliche Experimentierklausel, die jedoch dann wegen der Diskontinuität fortfiel.

Was in der damaligen Diskussion und auch heute wieder auffällt, ist, dass eine Übertragung der Registeraufgaben auf justizfremde Dritte von niemandem aus überzeugenden fachlichen Gründen befürwortet wird.

(Björn Thümler [CDU]: Wer sagt das?)

Niemand argumentiert damit, von den Gerichten werde diese Aufgabe nicht qualitätsgerecht wahrgenommen, sie könne z. B. von der IHK fachgerechter oder besser bewältigt werden. Aus eigener Erfahrung sage ich: In den Registerabteilungen der Gerichte wird eine vorzügliche Arbeit geleistet. Das muss man einmal anerkennend sagen. Meine Damen und Herren, es ist schon sehr bemerkenswert, dass selbst die Befürworter der Herauslösung dieser Aufgaben aus der Zuständigkeit der Gerichte nicht erwarten, dass dies zu einer fachlich besseren Lösung führt. Im Gegenteil: Die Länder, die ei

ne Verlagerung der Registerführung auf die IHK durch eine Öffnungsklausel wollen, argumentieren letztlich nur noch mit ihren knappen Kassen - das sind aber Haushalts- und keine Sachgründe - und mit einer angestrebten Deregulierung. Keiner dieser von den Befürwortern genannten Gründe ist belegt.

Kein Wunder, dass die Ministerin bei Berufsvertretungen und -verbänden so gut wie keine Unterstützung findet. Insbesondere diejenigen, die den guten Glauben gerichtlicher Register schätzen, wie z. B. die Bundesnotar- und Bundesrechtsanwaltskammer, der Dachverband der Genossenschaften, die Bundesvereinigung Deutscher Handelsverbände und auch die Handwerkskammern stehen der Übertragung der Register auf die IHK ablehnend gegenüber. Eine Änderung aber, die die Nutzer selbst nicht wollen, ist bereits deshalb als grottenschlecht zu bezeichnen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Selbst die Industrie- und Handelskammern treten in dieser Frage, wie man aus der Debatte im Bundesrat inzwischen weiß, nicht mehr geschlossen auf.

Vor allem auch in den Universitäten finden Ihre Pläne keinen Anklang. Im Gegenteil: Mit Professor Ulmer an der Spitze weist man mit überzeugenden Argumenten darauf hin, dass durch die Öffnungsklausel ein Wildwuchs im Kapitalgesellschaftsrecht drohe. Sie sehen sich darüber hinaus einer Ablehnung der Fraktionen der Regierungskoalition im Bund gegenüber, und ohne deren Zustimmung kann die Öffnungsklauseln nicht Gesetz werden.

Auch das Bundesland Nordrhein-Westfalen und wohl selbst Bayern wollen die Übertragung auf die Industrie- und Handelskammer nicht, wie uns in der letzten Woche vom rechtspolitischen Sprecher der SPD-Fraktion in Düsseldorf ausdrücklich erklärt worden ist.

(Thorsten Thümler [CDU]: Denen darf man auch nicht alles glauben! - Heiterkeit bei der CDU und bei der FDP)

Denn gegen die Öffnungsklausel sprechen gewichtige Sachargumente. So würde durch die Übertragung der Registerführung eine Interessenkollision bei den Industrie- und Handelskammern entstehen. Die Pflicht der Kammern zur unabhän

gigen Prüfung der Eintragungsvoraussetzungen wäre mit ihrem gesetzlichen Auftrag als Interessenvertretung der regionalen Gewerbetreibenden unvereinbar. Durch die von der Landesregierung angestrebten Länderöffnungsklauseln würde, da nicht alle Bundesländer von ihr Gebrauch machen würden, eine unerträgliche Zersplitterung im Registerwesen erzeugt werden. Dies hätte, zumal für den ausländischen Rechtsverkehr, unübersichtliche Zuständigkeiten, Verfahrensvorschriften und Kostenregelungen zur Folge. Auf diese Umstände hat nicht nur die Bundesregierung, sondern hat auch das Land Berlin in der Debatte des Bundesrates ausdrücklich hingewiesen.

Auch daran ist zu erinnern: Die Register stehen eng mit anderen Aufgaben der Gerichte in Zusammenhang und in Verbindung; das gilt besonders für das Nachlassrecht.

Meine Damen und Herren, das deutsche Registerwesen ist so, wie es jetzt ist, gekennzeichnet durch Sachkunde, große Zuverlässigkeit, niedrige Kosten und zügige Erledigungszeiten.

(Beifall bei der SPD)

Mit der anstehenden beabsichtigten Einführung des elektronischen Registers ist auch bei den Gerichten eine Effizienzsteigerung und Beschleunigung absehbar, die von der IHK zumindest während der Umstellungsphase überhaupt nicht erreicht werden würde. Eine Verlagerung zur IHK wird gesamtgesellschaftlich nicht billiger, sondern teurer werden. Der Aufbau einer notwendigen Infrastruktur, wie z. B. die Konzeption, Beschaffung von Personal und Sacheinrichtungen, wird über einen langen Zeitraum hinweg große Zusatzkosten verursachen. Diese Kosten werden in die Gebühren einfließen müssen. Da die Gelder der IHK, die sie über ihre Mitgliedsbeiträge einnehmen, dort nicht verwandt werden dürften, müsste zunächst das Land einspringen, oder man müsste höhere Gebühren erheben.

Schließlich: Wo soll eigentlich die IHK das notwendige Fachpersonal rekrutieren, um die Registeraufgaben von Anfang an qualifiziert wahrnehmen zu können? - Sie glauben doch wohl nicht im Ernst, meine Damen und Herren, dass eine ausreichend große Zahl qualifizierter Rechtspfleger den Status als Beamter freiwillig aufgeben wird.

Letztlich würde eine Verlagerung auf die IHK zumindest in den Anfangsjahren zu mehr Beschwerden führen, die dann wieder bei den Gerichten

landen würden. Das heißt im Ergebnis, dass wir eine Zweigleisigkeit erzeugen würden, was die Verfahren sicherlich nicht beschleunigt.

Weiter: Wie sieht es mit der Haftungsfrage aus? Soll eine Amtshaftung bei der IHK bei fehlerhaftem Handeln begründet werden? - Der europäischen Rechtsvereinheitlichung kommt man mit der IHKLösung sicherlich auch nicht näher. Denn mit den Niederlanden und mit Italien gibt es schließlich nur zwei Länder, die die Register nicht bei den Gerichten führen.

Dass im Justizhaushalt durch die Verlagerung Geld gespart werden würde, wird sicherlich entgegen den Ausführungen und Annahmen der Ministerin vor dem Rechtsausschuss nicht zu erwarten sein. Zum einen wird sich nach der Übertragung der Registeraufgaben im Handelsregister B auf die Rechtspfleger ein voller Kostendeckungsgrad erreichen lassen. Die Lösung kann deshalb vorzüglich im System selbst erfolgen. Zum anderen fallen die Kosten für die Digitalisierung der Handelsregister dem Land zur Last - ich habe vorhin bereits auf den Umstand der übertragenen Staatsaufgaben hingewiesen -, und zwar auch bei einer Übertragung auf die IHK. Oder die IHK müssten ihre Gebühren sofort kräftig hochfahren. Das könnten die Gerichte aber auch, wenn es nur darum ginge, wie man zu einer Kostendeckung gelangen kann.

Ich weiß auch nicht, wie die Ministerin die 11 Millionen Euro Kosten für die Digitalisierung im ersten Abschnitt bis 2007 ermittelt hat. Auf Daten aus Nordrhein-Westfalen kann Sie sich dabei nicht stützen, denn dort ist uns gesagt worden, dass sich die Größenordnung überhaupt noch nicht absehen lasse.

Meine Damen und Herren, nach allem drängt sich nur noch der Eindruck auf, dass die derzeit von der Justizministerin im Lande betriebene Bemühung einzig dem Zweck dienen soll, mittelfristig ihr vom Ministerpräsidenten auferlegte Stellenstreichungen umzusetzen. Den Interessen der Justiz wird sie dadurch nicht gerecht, wenn den Gerichten die Aufgaben entzogen werden, die dort nicht nur zuverlässig, sondern kostendeckend und gut erledigt werden. - Ich bedanke mich.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion erteile ich nunmehr Herrn Abgeordneten Nerlich das Wort. Herr Nerlich!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Helberg, wir sind uns doch in einem einig: Wir wollen eine effektive Justiz, wir wollen eine starke Justiz, und wir wollen eine gut funktionierende Justiz.

(Ralf Briese [GRÜNE]: Dann tut etwas dafür!)