Protokoll der Sitzung vom 02.04.2003

(Beifall bei der CDU und Zustim- mung bei der FDP)

Ich erteile nunmehr Herrn Oppermann das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Entwurf für einen Bundesverkehrswegeplan ist nach unserer Auffassung eine brauchbare Grundlage für die weitere Beratung. Zwei Dinge sprechen dafür: Erstens. Erstmals werden in einem Bundesverkehrswegeplan Schiene und Straße von den Investitionsmitteln her gleichwertig behandelt. Zweitens. Wir haben mehr Mittel für den Bundesverkehrswegeplan. Die Bundesregierung hat von 1998 bis 2003 die insgesamt zur Verfügung stehenden Mittel für Verkehrsinvestitionen von 9,5 Milliarden Euro auf 11,5 Milliarden Euro gesteigert. Das entspricht einem Zuwachs von 20 %. Das bedeutet die Chance, dass dieser Bundesverkehrswegeplan auch seinen Namen verdient. Er ist ja der Sache nach eine Absichtserklärung der Bundesregierung, diese Straßen zu planen und zu bauen. Sie müssen dann aber auch noch finanziert werden. Früher, vor 1998, war der Bundesverkehrswegeplan oft ein Bundesverkehrswunschzettel. Sie haben nämlich alle Straßen aufgenommen. Alles, was gut, schön, teuer und für die Bürger wichtig war, haben Sie hineingeschrieben, aber Sie haben das nicht auskömmlich finanziert. Jetzt haben wir eine seriöse Grundlage.

(Beifall bei der SPD)

Wenn Sie meinen, dass das zu wenig sei, dann können Sie ja der Bundesregierung zeigen, wie man in Zeiten knapper Kassen mehr Mittel für solche Investitionen in den Haushalt einstellt. Wir werden sehr genau beobachten, wie Sie im Landeshaushalt demnächst die Mittel für den Landesstraßenbau aufstocken werden; denn da haben wir auch einen Investitionsstau. Das ist ja zwischen den Parteien unstreitig. Wir werden also beobachten, was Sie da machen. Ich bin ganz sicher, dass Sie beim Bund den Mund sehr weit aufmachen werden. Wenn es dann um den Landesstraßenbau geht, werden Sie ganz kleine Brötchen backen. Aber das werden wir sehen, wenn es so weit ist.

(Beifall bei der SPD)

Zum Problem mit der A 39: Wir haben einen Antrag gestellt, der direkt in den Ausschuss überwiesen wird. Wir sind für diese Straße, müssen aber zur Kenntnis nehmen, dass der Ministerpräsident in seinen ersten Amtstagen einen - ich möchte sagen - mittelschweren Anfängerfehler gemacht hat. Wir hatten die Hosenträgerlösung mit Sachsen-Anhalt besprochen und mit MecklenburgVorpommern abgestimmt. Das war ein Konsens.

Dann sind einige CDU-Abgeordnete - die Betroffenen sind im Moment noch nicht anwesend - vorgeprescht

(Bernd Althusmann [CDU]: Natür- lich!)

- Sie sind da, Herr Althusmann - und haben den Ministerpräsidenten in der Frage verwirrt.

(Bernd Althusmann [CDU]: Das kann ich gar nicht!)

Er hat sich dann für die X-Variante ausgesprochen. Wenn man in einem schon begonnenen Linienfeststellungsverfahren die Pferde wechselt, ist das natürlich ein großer Fehler. Wenn jetzt der südwestliche Teil der Hosenträgerlösung nicht im Bundesverkehrswegeplan enthalten ist, dann muss das natürlich korrigiert werden. Herr Ministerpräsident, wir werden Ihnen helfen, den Fehler zu korrigieren. Aber Sie müssen natürlich auch selber etwas tun.

(Anneliese Zachow [CDU]: Das ist ja schon eine Unverschämtheit!)

Es ist nicht so, dass eine Landesregierung, die parteipolitisch nicht mit der Bundesregierung identisch ist, keinen Einfluss hätte. Ich möchte daran erinnern, dass uns Mitte der 90er-Jahre unter Bundeskanzler Kohl - Krause hieß damals der Verkehrsminister - ein Bundesverkehrswegeplan präsentiert worden ist, in dem der Wesertunnel nicht enthalten war.

(Bernd Althusmann [CDU]: Was ha- ben Sie denn angemeldet?)

Damals hat Dr. Peter Fischer den Wesertunnel zusammen mit der Landesregierung und gegen die Kohl-Regierung hineingebracht. Heute ist er fast fertig. Er ist die Grundlage dafür, dass die A 22 - wenn man so will, die Erschließungsstraße für den Tiefwasserhafen in Wilhelmshaven - gebaut werden kann. Sie ist jedenfalls in der weiteren Planung mit einem Sternchen vermerkt, d. h. die Planungen können beginnen.

Es ist also einiges im Bundesverkehrswegeplan gut. Das, was noch nicht gut ist, Herr Ministerpräsident, müssen Sie jetzt gut machen. Wo Sie auf der richtigen Seite stehen, werden wir Sie unterstützen - ansonsten werden wir Sie antreiben. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Als Nächster hat sich der Abgeordnete Hermann zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen! Meine Herren! Bundesstraßen und Autobahnen sind die Schlagadern der Verkehrsinfrastruktur. Sie sind aber auch - das müssen Sie wissen, meine Damen und Herren Voraussetzung für Wirtschaftswachstum und durch die Anbindung der Landesstraßen dringend notwendig zur Erschließung des ländlichen Raumes.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Axel Plaue [SPD]: Da kann man echt etwas lernen!)

- Hören Sie gut zu!

(Lachen bei der SPD)

Erst dann, wenn intakte, dem steigenden Verkehrsaufkommen angemessene Autobahnen, Bundesstraßen und auch Ortsumgehungen vorhanden sind, die einerseits eine Verkehrsentlastung - das ist klar - und andererseits eine Steigerung der Lebensqualität unserer Bürgerinnen und Bürger in den Städten und Gemeinden mit sich bringen, können wir die Ansiedlung von Industrie, Handwerk und Handel erwarten. Erst dann können wir von Wirtschaftswachstum reden. Nichts brauchen wir in unserer jetzigen wirtschaftlichen Lage dringender als Wachstum. Wachstum heißt Arbeitsplätze. Arbeitsplätze bedeuten Konsumsteigerung und auch Investitionsbereitschaft.

(Sigmar Gabriel [SPD]: Deswegen haben wir die ja durchgesetzt!)

- Schön. Herr Gabriel, hören Sie einmal zu!

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zuruf von Sigmar Gabriel [SPD])

- Lassen Sie mich doch bitte einmal ausreden. Gerade jetzt, quasi mit einem Federstrich – vielleicht mag der 2. Februar eine Rolle gespielt haben -, wird z. B. die B 1-Südumgehung Hameln oder die B 3-Ortsumgehung Westerfeld/Arnum aus dem vordringlichen Bedarf gestrichen, obwohl die Beschlüsse im Planfeststellungsverfahren noch für dieses Jahr avisiert sind. Diese beiden Beispiele, meine sehr verehrten Damen und Herren, sind nur

wenige unter vielen. Ich meine, so geht es nicht, Herr Oppermann.

Niedersachsen - das müssen Sie noch viel besser wissen als ich - ist das Drehkreuz in Richtung Osteuropa. Wohlwissend, dass Niedersachsen ein steigendes Verkehrsaufkommen zu erwarten hat, senkt man die Landesquote der Ausgaben für den Straßenbau für Niedersachsen um 0,3 %. Das sind fast 4 % minus im Vergleich zu 1992. Elf Jahre Verkehrsentwicklung in Niedersachsen, und dann minus 4 % Investitionsvolumen im Vergleich zu 1992! Allein bei einer Preissteigerungsrate von 1 % bis 2 % pro Jahr kommen wir auf 10 % bis 20 % Steigerung des Volumens für 1992 - ohne dabei auch nur eine Straße gebaut oder/und verbessert zu haben. Das ist das Fazit dieser Streichungen. Die FDP-Fraktion fordert daher eine deutliche Anhebung der Finanzausstattung und die Aufnahme weiterer Vorhaben in den vordringlichen Bedarf.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Das Wort hat nun der Abgeordnete Herr Hagenah von Bündnis 90/Die Grünen.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Rede eben hat mir eigentlich nur noch die Forderung nach Steuersenkung gefehlt, dann wäre das Wunschkonzert komplett gewesen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Sie haben etwas vernachlässigt, unter welchen wirtschaftlichen und finanziellen Bedingungen die Bundesregierung diesen neuen Bundesverkehrswegeplan aufzustellen hatte und dass dieser Bundesverkehrswegeplan entgegen dem Entwurf und dem Plan von 1992 nicht mehr leere Versprechungen - also nicht mehr 40 Milliarden nicht gebuchte Straßenprojekte - enthält, die Augenwischerei sind und ohnehin wegfallen müssen, weil sie nicht ausfinanziert sind. Dieser Bundesverkehrswegeplan bildet das ab, was finanzierbar ist.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Es ist immer noch eine so genannte Planungssicherheit von 25 % enthalten. Ich erinnere daran: 25 % sind nicht reales Geld. Das sind die Straßen, die dann wegfallen, wenn man sich ein X für ein U vormachen lässt.

(Rebecca Harms [GRÜNE]: Oder ein X für ein H!)

Das kann z. B. daran liegen - deshalb waren vielleicht auch 100 % überzeichnet -, dass geklagt wird, dass naturräumliche Fragen eine wichtige Rolle spielen und nicht gebaut werden kann. Deswegen ist dieser neue Bundesverkehrswegeplan anders ausgerichtet. Sehr viele Projekte sind aus der ersten Priorität herausgefallen, weil diese naturräumliche Untersuchung - eine Umweltrisikoabschätzung - vorher gemacht worden ist. Dennoch sind bei einigen niedersächsischen Projekten nach wie vor Bedenken vorhanden. Diese müssen abgearbeitet werden. Eine Folge kann z. B. sein, dass sich ein als Autobahn angemeldetes Projekt schneller und besser als Bundesstraße in ertüchtigter Form für den Standort umsetzen lässt. Ein Beispiel dafür ist aus unserer Sicht die A 39, der so genannte Hosenträger, der von der alten Landesregierung gegen die Verkehrsuntersuchung Nord-Ost durchgesetzt worden ist, in der die Variante mit einer Autobahn auf niedersächsischer Seite überhaupt nicht weiter untersucht wurde, weil sie so schlecht abgeschnitten hatte.

(Rebecca Harms [GRÜNE]: In der Wirtschaftlichkeitsprüfung!)

Die X-Variante hatte in der Wirtschaftlichkeitsprüfung sogar noch besser abgeschnitten. Am besten hat die so genannte G-Variante abgeschnitten, vor der hier offensichtlich jede Landesregierung die Augen verschließt, nach der nämlich die Bundesstraßen zwischen Lüneburg und Wolfsburg ertüchtigt werden.

Wer also am Autobahnwahn festhält, bekommt am Ende möglicherweise nur Teilstücke, die niemandem helfen, und verschleudert viel Geld. Es fehlen 237 Millionen Euro, um diese Autobahn zu Ende zu bauen. Sie helfen der Region möglicherweise mehr, wenn Sie das grundsätzlich überdenken. Denn mehr Geld im Topf – so, wie in der letzten Rede gefordert - wird hier keiner herbeizaubern können. Wir müssen mit den vorhandenen Mitteln auskommen. Wir meinen, dass dieser Bundesverkehrswegeplan, der endlich Klarheit und Wahrheit in die Planung und die Versprechen des Bundes

bringt, eine gute Grundlage dafür ist. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Herr Minister Hirche, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das, was uns die Bundesregierung zum Fernstraßenausbau als Referentenentwurf vorgelegt hat, ist eine Enttäuschung. Das sage ich nach den Reden, die soeben gehalten worden sind, weil die Vorarbeiten der alten Landesregierung ganz offenbar - ich will das auch beweisen - ungenügend waren. Während Hessen und Thüringen es geschafft haben, unter dem Stichwort “Verzahnung von Ost und West” ihre Quote um jeweils 1,5 % erhöht zu bekommen, haben, weil ganz offenkundig aneinander vorbei gearbeitet worden ist, sowohl Niedersachsen als auch Sachsen-Anhalt Einbußen hinnehmen müssen. Herr Hagenah, es ist nicht so, wie Sie gesagt haben, dass wir still auf das warten, was aus Berlin auf uns zukommt. Hier hätte im Vorfeld vernünftig gearbeitet werden können. Dann wäre auch mehr Geld vorhanden gewesen, um Maßnahmen in Niedersachsen durchzuführen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Warum ist das nicht möglich gewesen? - Weil Sie hier im Vorfeld, insbesondere was das Thema Verzahnung zwischen Ost und West betrifft, eine Lösung aufgegeben haben, die dafür gesorgt hätte, dass man heute das Verkehrsprojekt der Verzahnung von A 14 und A 39, das damals unter dem Stichwort X diskutiert wurde, im Bundesverkehrswegeplan sehen könnte. Heute haben wir den Kladderadatsch. Nun haben wir das Ergebnis, dass der Bundesverkehrswegeplan noch nicht einmal die H-Lösung, die hoffentlich die Mindestforderung aller hier ist, ausweist. Ich freue mich, dass zumindest durch Ihre Rede, Herr Oppermann, deutlich geworden ist, was unter der Herstellung des vollen H diskutiert worden ist. Aber wir sind uns doch wohl einig darin, dass in einer Situation, in der über die Osterweiterung zusätzliche Verkehre über die A 2 fließen, zusätzliche Maß

nahmen erforderlich sind und dass es ein Unding ist, dass die Quote ungeachtet der Tatsache, dass die Skandinavien-Verkehre zunehmen und Niedersachsen das Transitland unter den Bundesländern ist, von 8,2 % auf 7,9 % gekürzt wird.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ich entnehme den Bemerkungen, insbesondere Ihrer Bemerkung, Herr Oppermann, ein Weiteres, weil das wahrscheinlich in die Vordiskussion eingeflossen ist: Ein Land wie Niedersachsen mit einer dezentralen Wirtschaftsstruktur wird auch in Zukunft darauf angewiesen sein, dass nicht vorrangig die Schiene ausgebaut wird, sondern dass wegen der Dezentralität und nicht wegen irgendeiner Ideologie Straßenverkehr nötig ist. Deswegen ist der Ansatz des Bundesverkehrswegeplans für die Bundesrepublik Deutschland insgesamt möglicherweise richtig, für ein Flächenland wie Niedersachsen aber höchst gefährlich, weil er die wirtschaftliche Entwicklung in der Region unmöglich macht.