Protokoll der Sitzung vom 29.04.2004

ist sachlich, präzise, kompetent und vorausschauend,

(Beifall bei der CDU)

zeigt aber auch das notwendige Fingerspitzengefühl, dass mit dem Kompetenzzentrum Großschadenslagen, welches sich noch im Aufbau und Ausbau befindet, nicht alle Verantwortung nach oben abgeschoben wird, sondern - darauf möchte ich ausdrücklich hinweisen - dass die originären Zuständigkeiten vor Ort bleiben: bei der Polizei, bei der Feuerwehr, bei den Verwaltungsbehörden, bei den Kommunen - zur Gefahrenabwehr - und insbesondere auch bei der Fachaufsicht der Bezirksbrandmeister.

Das Kompetenzzentrum wird von allen politischen Kräften des Hauses mitgetragen. Die Diskussion darüber kann nur fruchtbar sein. Gegebenenfalls ergeben sich weitere Anregungen für die Landesregierung.

Ich möchte ausdrücklich betonen, dass das Kompetenzzentrum angesichts der Bedrohungslage eines der wichtigsten Handlungsinstrumente der Landesregierung bei der Bekämpfung von Großschadenslagen und zur Vorbereitung darauf ist.

Ich möchte dem Innenministerium und seinem Minister ein großes Lob zollen. Es wurde eine intelligente Lösung dadurch geschaffen, dass das Kompetenzzentrum auf vorhandene Strukturen aufsattelt und dass keine feststehende, unflexible Großorganisation aufgebaut wird - nicht zuletzt

auch mit Blick auf den Landeshaushalt. Vorteil dieser Organisation ist eine flexible, kleine Truppe mit erfahrenen Leuten, die - je nach Schwerpunkt des Schadensereignisses - durch Fachleute der zuständigen Ressorts und Behörden ergänzt wird. Private Fachleute gehören ebenfalls dazu. Damit ist das Kompetenzzentrum ein wichtiger Ansprechpartner der Landesregierung für die Organisation von Sicherheit.

Flexible Reaktionen auf immer anders geartete bedrohliche Szenarien sind gegeben. Jede Situation ist anders, stellt sich anders dar. Die Bewältigung von Katastrophen und Großschadenslagen kann man nicht in ein Schema pressen. Menschen müssen geschult und ausgebildet werden. Man muss ein Auge, ein Empfinden für die Situation haben. Man muss Erfahrungen sammeln. Hinzu kommen das Üben, das Zusammenspiel der verantwortlichen Kräfte.

Es ist mir wichtig, Folgendes herauszustellen: Das Kompetenzzentrum ist keine neue Führungsebene, kein Ersatzführungsinstrument. Das Kompetenzzentrum sorgt hauptsächlich dafür, dass die örtliche Schadensbekämpfung so ungestört und so optimal beraten und informiert wie möglich arbeiten kann. Der Einsatz wird nicht durch irgendwelche Unsicherheiten behindert. Die Clearingstelle Kompetenzzentrum wird frühzeitig eingeschaltet. Die Mitarbeiter sind 24 Stunden, also rund um die Uhr, erreichbar.

Das Kompetenzzentrum sollte rechtliche und organisatorische Schwierigkeiten im Vorfeld und während der Schadensbekämpfung beseitigen und eine notwendige Vernetzung auf der Ebene der Landesregierung sicherstellen. Die reibungslose Zusammenarbeit - vertikal und horizontal - ist das oberste Gebot.

Das Kompetenzzentrum ist aber auch für die Sprachfähigkeit der Landesregierung im Krisenfall gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern wichtig. Gerade im Krisenfall ist eine konzertierte Medienarbeit unerlässlich. Die Landesregierung ist auf dem richtigen Weg. Das Kompetenzzentrum nutzt Synergieeffekte und zieht im Notfall über Zuständigkeitsgrenzen hinweg das notwendige Knowhow zusammen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist keine Garantie für fehlerfreies Management, aber eine gute Gewähr und eine vernünftige Ausgangsbasis dafür, dass es in Zukunft noch besser klappt.

Seitens der CDU-Fraktion wird die Schaffung einer über Kreis- und Landesgrenzen hinaus agierenden kompetenten Landesdienststelle begrüßt. Die Erfüllung der beschriebenen Aufgaben wird in Großschadensfällen als sinnvoll und notwendig erachtet. Nach Fertigstellung der Feinkonzeption sollten für die Arbeit des Kompetenzzentrums entsprechende Übungen durchgeführt werden.

Herr Minister Schünemann, mein Kompliment für diese Einrichtung, auch im Namen der CDUFraktion.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich noch einmal Herr Professor Dr. Lennartz zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich will noch vier Punkte in Reaktion auf Herrn Schünemann nennen.

Erstens. Ich bleibe dabei, Herr Schünemann, dass in Großschadensfällen in Niedersachsen die Gemeinde zuständig ist und nicht der Kreis.

Zweitens. Sie haben eben gesagt, das sei falsch. In Nordrhein-Westfalen ist es anders geregelt. Wir fordern, dass es entsprechend der nordrheinwestfälischen Regelung in Niedersachsen umgesetzt wird.

Sie haben nicht auf den Hinweis reagiert, dass die Großschadenslage im niedersächsischen Gesetz überhaupt nicht definiert ist. Das müsste jedenfalls nach unserer Auffassung passieren. Auch dafür habe ich Nordrhein-Westfalen als Beispiel herangezogen.

Drittens. Entgegen Ihrer Annahme sind wir nicht der Auffassung, dass zusätzliches Personal beschäftigt werden soll. Das war ein Missverständnis. Diese Forderung habe ich nicht aufgestellt.

Viertens und letztens. Wir sind allerdings der Auffassung, dass dieses Kompetenzzentrum, wenn es denn seinen Namen wirklich verdient, in bestimmten Fällen ein Selbsteintrittsrecht haben muss, die vor Ort oder auch auf der Landkreisebene real nicht mehr steuerbar sind. - Schönen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die FDP-Fraktion Herr Bode bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich hatte bei den Ausführungen von Herrn Dr. Lennartz und auch bei den Ausführungen des Kollegen Bachmann das Gefühl, dass Sie der Bedeutung und dem Ernst dieses Themas nicht wirklich gerecht werden. Man fragt sich im Hinblick darauf, dass Sie die Frage des Kompetenzzentrums Großschadenslagen anhand einer TürschildDebatte im Innenministerium führen, schon, was Sie diesbezüglich in der Vergangenheit beobachtet haben. Hinzu kommt, dass die SPD auch noch auf diesen Zug aufgesprungen ist, obwohl es in der letzten Legislaturperiode hierzu einen einstimmigen Beschluss gegeben hat.

Wir sind stolz darauf, dass wir uns in den Koalitionsverhandlungen darauf verständigt haben, dass wir es nicht bei dem, was Innenminister a. D. Bartling eingerichtet hat, belassen, sondern dass wir es weiterentwickeln und zu einer umfassenden Einrichtung machen, die auf die Herausforderungen im Katastrophenfall vernünftig reagieren kann. Ich kann nicht feststellen, dass es irgendwo in Niedersachsen ein Chaos gäbe oder dass irgendjemand, der im Katastrophenschutz tätig ist, das Gefühl hätte, dass Chaos herrschte und der Ernstfall nicht ausreichend geregelt wäre. Die Behauptung, dass bei den Feuerwehren ein Chaos herrsche, nur weil man sich, nachdem die Bezirksregierungen abgeschafft werden, nicht mehr Bezirksbrandmeister, sondern Regierungsbrandmeister nennt, habe ich auch noch nicht belegt gesehen. Die wissen alle sehr genau, wer dort wofür zuständig ist und freuen sich auf den neuen Namen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Unsere Vorgehensweise war - das haben Sie gemerkt, als wir den Gesetzentwurf zur Umstrukturierung der Polizei eingebracht haben -, Bewährtes zu erhalten, aber die Zukunft zu gestalten. Genau das finden Sie bei der Einrichtung der Polizeidirektionen wieder, wo wir die Einrichtungen der Gefahrenabwehr und des Katastrophenschutzes in einer separaten Säule mit integrieren werden, sodass die Personen, die diese Aufgabe bisher vorbildlich wahrgenommen haben, sie auch weiterhin wahr

nehmen können. Hinzu kommt, dass das Ministerium mit seinem Kompetenzzentrum entsprechend beratend und steuernd eingreifen kann, sodass wir alle uns in Niedersachsen für diesen Fall sicher fühlen können. Ich möchte die Ausführungen des Herrn Ministers und des Herrn Coenen nicht wiederholen. Wir als FDP fühlen uns sicher, und ich habe in Niedersachsen noch niemanden gefunden, der das anders sieht. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Hans-Christian Biallas [CDU]: Bis auf Herrn Bachmann!)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen zu diesem Tagesordnungspunkt liegen uns nicht vor. Damit schließe ich die Besprechung der Großen Anfrage und rufe den nächsten Tagesordnungspunkt auf:

Tagesordnungspunkt 25: Mädchen in „Männerberufe“, Jungen in „Frauenberufe“ - den „Girl’s Day“ zeitgemäß fortentwickeln - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/943

(Sigrid Leuschner [SPD]: Ich denke, der ist gestrichen!)

Man hat sich fraktionsübergreifend darauf verständigt, keine erste Beratung stattfinden zu lassen. Der Antrag wird gleich in den Ausschuss überwiesen. Wir kommen damit zur Abstimmung. Mit der Federführung soll der Ausschuss für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit beauftragt werden, mitberatend sollen der Kultusausschuss sowie der Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr tätig werden. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? Beides Letztere sehe ich nicht. Damit ist so beschlossen worden.

Ich rufe auf:

Tagesordnungspunkt 26: Erste Beratung: Kostenfalle Verwaltungsreform? Wirtschaftlichkeits- und Effizienzprüfung vor Entscheidungsfindung setzen - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/944

Zur Einbringung erteile ich Herrn Prof. Dr. Lennartz gerade noch rechtzeitig das Wort. Sie haben das Wort.

(Ingolf Viereck [SPD]: Wieso rechtzei- tig? Wollte er gehen? - Heiterkeit)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Seit Ende März ist die Katze aus dem Sack. Die Landesregierung hat bekanntlich weitreichende Beschlüsse zum Umbau der Landesverwaltung beschlossen. Zum 1. Januar 2005: Auflösung der Bezirksregierungen und Aufhebung der Regierungsbezirke. - Von dieser Entscheidung versprechen Sie sich eine Stelleneinsparung von 1 350 Stellen. Diese Einsparrechnung ist allerdings fiktiv; denn die Entlastung durch den Wegfall der Stellen muss in zeitlicher und monetärer Hinsicht differenziert werden. Zitat:

„Durch den Wegfall und die Optimierung von Aufgaben sollen 665 Stellen entbehrlich werden. Bei diesen Stellen entfallen die Personalkosten in voller Höhe, aber erst dann, wenn die Stellen nicht mehr besetzt sind. Das heißt, der Konsolidierungserfolg tritt nicht sofort ein, sondern ist abhängig von der Geschwindigkeit, mit der Fluktuation und Jobbörse genutzt werden. 694 weitere Stellen sollen entbehrlich werden durch Verlagerung von Aufgaben auf staatliche und nichtstaatliche Stellen. In diesen Fällen kann erst eine Wirtschaftlichkeitsberechnung aufzeigen, ob ein monetärer Einsparbeitrag erwirtschaftet werden kann.“

- Stellungnahme des Landesrechnungshofs vom 24. März dieses Jahres. - Darüber hinaus kritisiert der Landesrechnungshof, dass kein Kostenvergleich zwischen einem zweistufigen und dem bisherigen dreistufigen Verwaltungsaufbau angestellt worden ist, sodass nicht berechnet werden könne,

ob vergleichsweise im bisherigen dreistufigen Verwaltungsaufbau gleich hohe oder gar höhere Einsparungen generiert werden könnten. Das, Herr Minister, ist eine schallende Ohrfeige für Sie, auch wenn Sie versucht haben, in Ihrer Reaktion auf den Landesrechnungshof den Eindruck zu erwecken, Sie seien in voller Übereinstimmung. Sie handelten nach dem Motto: Wenn der Landesrechnungshof mich auf die linke Backe schlägt, halte ich ihm auch noch die rechte hin. - Wer jetzt erwartet, Sie würden die haushaltsmäßigen Auswirkungen im Rahmen der Gesetzesfolgenabschätzung bis zur Einbringung der jetzt zur Anhörung freigegebenen Artikelgesetze nachliefern, muss zur Kenntnis nehmen:

„Aufgrund des Reformansatzes kann zum jetzigen Zeitpunkt eine Gesetzesfolgenabschätzung nicht stattfinden. Dies soll in einer zweiten Phase passieren. Die haushaltsmäßigen und sonstigen finanziellen Auswirkungen der gesamten Reform sollen in einem Bericht dargestellt werden.“

- Begründung zu Ihrem Gesetzentwurf. - Herr Innenminister, was heißt „zweite Phase“? Meinen Sie die zweite Phase der Verwaltungsreform, von der Sie immer wieder sprechen und die im Jahr 2005 starten soll? Haben Sie § 38 Abs. 3 der Geschäftsordnung der Landesregierung, gültig ab kommendem Samstag, zur Kenntnis genommen? Dort heißt es: Mit einem Gesetz oder einem Verordnungsentwurf erstellt das federführende Ministerium eine Folgenabschätzung. In der Finanzfolgenabschätzung wird dargestellt, welche finanziellen Folgen durch die beabsichtigte Regelung für das Land zu erwarten sind.

Die Anhörungen, die Sie zurzeit durchführen lassen, sind höchst zweifelhaft, weil die Anzuhörenden nicht alle wesentlichen Fakten, insbesondere zur Wirtschaftlichkeit, auf dem Tisch haben. Es gibt nach unserer Auffassung nur einen seriösen Weg: Sie müssen sämtliche getroffenen Beschlüsse so lange aussetzen oder zurückstellen, bis Sie die seriöse Kostenfolgenabschätzung und Wirtschaftlichkeitsrechnung vorlegen können,

(Beifall bei den GRÜNEN)

um auf dieser gesicherten Basis gegebenenfalls korrigierte Entscheidungen zu treffen. Ein solches Vorgehen gäbe Ihnen auch Gelegenheit, noch einmal verschiedene problematische Bausteine

Ihres Konzepts zu überprüfen: zum einen die Frage der Vollzugsaufgaben in Ministerien, zum anderen die notwendigen Begleitmaßnahmen bei der Kommunalisierung von Aufgaben und schließlich eine seriöse Bearbeitung der personalwirtschaftlichen Folgen Ihrer Pläne. - Wenn sie schon nicht auf unsere Kritik hören, so sollten Sie doch auf die des Landesrechnungshofs oder auch eines anerkannten Verwaltungswissenschaftlers wie Professor Hesse aus Berlin, den Sie meines Wissens kontaktiert haben, hören. Hesse sagt: Vollzugsaufgaben sollten keinesfalls in Ministerien erledigt werden. - Hesse sagt auch: Die Kommunalisierung von Aufgaben verlangt eine Anpassung der Territorialstrukturen, um die Leistungsfähigkeit kommunaler Einrichtungen dauerhaft sicherzustellen. Die bestehenden Zuschnitte der kommunalen Gebietskörperschaften folgen häufig noch Kriterien der 60er- oder 70er-Jahre und erweisen sich als dringend überprüfungsbedürftig. - Auf Deutsch übersetzt heißt das: Eine Kreis- und Funktionalreform beispielsweise mit dem Ziel, zehn bis zwölf Regionalkreise in Niedersachsen zu schaffen, ist notwendige Voraussetzung für eine weitgehende Kommunalisierung bisher staatlich wahrgenommener Aufgaben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sehr geehrter Herr Minister, schließlich nutzen Sie doch die Zeit, während der die Gesetzesfolgenabschätzung erstellt wird, um die Fehlentwicklungen im Bereich der Personalwirtschaft zu korrigieren. Wenn Sie im Rahmen der Neufassung des Runderlasses über die Jobbörse tatsächlich die bisherige Zumutbarkeitsobergrenze von 2,5 Stunden täglich zwischen Wohnort und Dienstort der Beschäftigten beseitigen sollten, wenn Sie die bisher auf maximal drei Jahre ausgelegte geltende Regelung über das Trennungsgeld auf ein halbes Jahr herunterfahren sollten, dann werden Sie sich nicht nur die Beschäftigten der Bezirksregierungen zu Feinden machen, sondern Sie stellen insbesondere auch die Loyalität aller Beschäftigten der Landesverwaltung auf eine harte Probe. Denn auch diese wissen, dass Sie nach Phase I der Verwaltungsreform - Ihrer Ankündigung nach jedenfalls - noch eine Phase II ff. durchführen wollen, d. h., diese Regelungen können im Prinzip alle treffen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)