Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren! Liebe Grüne, lieber Herr Kollege Klein, glauben Sie das, was Sie sagen, wirklich?
Mit dem vorgelegten Entschließungsantrag machen Sie wieder einmal deutlich, dass es Ihnen eben nicht darum geht, wie Sie immer behaupten, bei der Anwendung der Gentechnik in der Landwirtschaft Koexistenz zu ermöglichen und Wahlfreiheit für die Verbraucher zu gewährleisten. Nein, Ihnen geht es schlicht und einfach darum, die Gentechnik in der Landwirtschaft zu verhindern. Aber wenn Sie das so wollen, dann müssen Sie das auch so sagen.
Für die FDP-Fraktion stelle ich fest: Wir dürfen die Risiken der Gentechnik natürlich nicht verharmlosen; darüber sind wir uns doch völlig einig. Aber trotzdem steht für uns im Mittelpunkt des Interesses immer noch der Nutzen, der durch die Gentechnik möglich ist. Meine Damen und Herren, wir dürfen uns bei dieser Zukunftstechnologie den Weg nicht selber verbauen.
- Frau Steiner, hören Sie zu, wenn die Agrarpolitiker reden, dann können Sie für den Umweltbereich vielleicht auch noch etwas lernen.
Zu Ihrem Entschließungsantrag. Ich bin zwar kein Jurist, aber nach meinem Rechtsverständnis entsteht dadurch, dass in Deutschland noch keine endgültige Entscheidung über das Gentechnikgesetz getroffen ist, eben kein rechtsfreier Raum. So gilt die Kennzeichnungsrichtlinie ganz selbstverständlich seit dem 18. April auch in Deutschland als Mitgliedstaat der Europäischen Union.
Im Übrigen, Herr Kollege Klein: Meines Erachtens liegt die Schuld für die Verzögerung beim Gentechnikgesetz - weil im Bundesrat der Vermitt
lungsausschuss angerufen wurde - nicht bei der Niedersächsischen Landesregierung, sondern bei Frau Künast, die den Entwurf erst kurz vor knapp eingebracht hat. So kann doch keine ordentliche Beratung stattfinden.
Ich bin der festen Überzeugung, dass das Gentechnikgesetz nach den Verhandlungen mit den Bundesländern wesentlich besser und vor allen Dingen entscheidend näher an der Praxis sein wird und dann das gewährleistet, was wir wollen, nämlich die Koexistenz der Bauern, die mit Gentechnik arbeiten, und denen, die ohne Gentechnik arbeiten, sowie vor allen Dingen die Wahlfreiheit für die Verbraucher. Mit der Kennzeichnungsrichtlinie haben wir dafür ja auch ein sehr wirksames Instrument eingeführt.
Herr Klein, unsere Vorstellungen gehen in den entscheidenden Punkten in völlig unterschiedliche Richtungen. Ich glaube, darüber sind wir uns einig.
Deswegen denke ich auch nicht, dass wir auf der Basis Ihres Entschließungsantrages eine gemeinsame Formulierung finden werden. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit dem 18. April gilt die Verordnung zur Kennzeichnungspflicht gentechnisch veränderter Lebensund Futtermittel. Es ist richtig - so wie es in dem zur Beratung anstehenden Entschließungsantrag der Fraktion der Grünen dargestellt wird -, dass der Bundesrat am 2. April verhindert hat, dass das Gentechnikdurchführungsgesetz der Bundesregierung rechtzeitig in Kraft treten konnte, obwohl es gar nicht zustimmungspflichtig gewesen wäre. Nun haben die Länder und insbesondere Niedersachsen zu verantworten, dass in den nächsten Monaten straffrei gegen die Kennzeichnungsverpflichtung verstoßen werden kann.
Sanktionen zu verhängen. Gerade die CDU setzt sich doch im Bereich der inneren Sicherheit vehement für harte Strafen ein bzw. will, dass die Strafe auf dem Fuße folgt. Beim Verbraucherschutz scheint diese Devise jedoch nicht zu gelten: Hier möchte man die Sanktionen eher auf einem niedrigeren Level halten. Meine Damen und Herren, wer soll damit eigentlich geschützt werden? - Der Verbraucher jedenfalls nicht.
Neben den Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten wäre es aus Sicht der Verbraucher und auch der SPD-Fraktion begrüßenswert gewesen, wenn man sich in der EU dafür ausgesprochen hätte, dass gentechnisch veränderte Produkte mit einem klar erkennbaren Label gekennzeichnet werden müssen. Die Kennzeichnung in der Zutatenliste der Produkte ist unserer Meinung nach nicht ausreichend.
Die Beratungen im Ausschuss werden zeigen, ob Niedersachsen die Herausforderungen durch die neue Kennzeichnungspflicht erkannt hat, ob im vergangenen Jahr bereits Kontrollen auf GVO-Teile in Lebensmitteln durchgeführt worden sind - andere Bundesländer haben das gemacht - und wie es nach dem 18. April mit den Kontrollen aussehen wird.
Bezeichnend ist, dass Ministerpräsident Wulff, der im Bundesrat zu diesem Thema gesprochen hat, in seiner Rede mit keinem Wort auf die Durchführungsverordnung, sondern nur auf die Neuordnung des Gentechnikgesetzes eingegangen ist. In diesem Zusammenhang hat er zwar betont, dass die Ängste und Befürchtungen bezüglich der - ich sage das nach wie vor, Herr Klein - grünen Gentechnik ernst genommen werden müssen, vor allem die Besorgnisse und Verunsicherungen der Verbraucher. Aber gerade das Verschleppen des Inkrafttretens der Durchführungsverordnung, die Anrufung des Vermittlungsausschusses und die gegenwärtig fehlenden Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten sorgen dafür, dass es eine solche Verunsicherung bei den Verbrauchern und Verbraucherinnen gibt. Herr Wulff sollte also seinen Worten Taten folgen lassen und seinen Beitrag zum Verbraucherschutz leisten.
Bei der Beratung im Bundesrat ging es überhaupt nicht um den Verbraucherschutz bei den Durchführungsbestimmungen zur Kennzeichnungspflicht. Es ging um die Neuordnung des Gentechnikrechts und dabei fast ausschließlich um die Frage der Koexistenz der Haftungsregelungen. Es geht nicht
um die Verbraucher und Verbraucherinnen, es geht nicht um die Landwirte, die ökologisch wirtschaften wollen, es geht nicht um die Landwirte, die konventionell, aber gentechnikfrei wirtschaften wollen, es geht nicht um die Menschen, die Berufsgruppen und Organisationen, die eine gesicherte Wahlfreiheit gewährleistet haben wollen. Nein, Herr Wulff - sprich die Landesregierung stellt sich einseitig auf die Seite der Gentechniknutzer und kritisiert - so Herr Wulff im Bundesrat die einseitige Verteilung der Lasten zuungunsten der Gentechniknutzer.
Es geht um die Haftungsfragen. Wer haftet, wenn ein konventionell arbeitender Landwirt durch Verunreinigungen, z. B. durch Polleneintrag, seine Ware als GVO-haltig kennzeichnen muss und damit wirtschaftlichen Schaden erleidet? Wer haftet, wenn der direkte Verursacher nicht ermittelt werden kann? - Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht in diesem Fall eine gesamtschuldnerische Haftung der GVO-Anbauer in der Umgebung vor, die als Verursacher in Betracht kommen, und zwar unabhängig davon, ob sie die Regelungen der guten fachlichen Praxis eingehalten haben oder nicht.
Die CDU und auch die FDP sprechen sich für einen Entschädigungsfonds aus, ohne sich genau festlegen zu wollen, wer denn das Geld in diesen Entschädigungsfonds einzahlen soll. Auch Herr Wulff hat im Bundesrat nichts dazu gesagt, wer in diesen Fonds einzahlen soll. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Niedersachsen oder auch die anderen Bundesländer bereit sind, dafür Finanzmittel zur Verfügung zu stellen.
Selbst die FDP lehnt Steuermittel für diesen Fonds ab; sie lehnt auch eine Bundesbeteiligung ab. Laut FDP sollen die Unternehmen in den Haftungsfonds einzahlen, die in Deutschland gentechnisch verändertes Saatgut vermarkten.
Die CDU macht überhaupt keine Aussagen dazu, wer denn in die Pflicht genommen werden soll. Keine Aussage dazu von Herrn Wulff im Bundesrat, keine Aussage in dem CDU-Antrag zur grünen Gentechnik auf Bundesebene, keine Aussage dazu im schon angesprochenen Positionspapier der CDU-Bundestagsfraktion!
Was also will die CDU? - Meine Damen und Herren, die CDU sagt: Landwirte, die sich für den Anbau gentechnisch veränderter Produkte entscheiden, sollen nur dann im Falle ungewollter Auskreu
zungen haften, wenn die Anforderungen an die gute fachliche Praxis nicht eingehalten werden. In dem Positionspapier der CDU heißt es dazu allerdings: „Eine zusätzliche Verordnung zur Regelung der guten fachlichen Praxis ist praxisfremd und überflüssig.“ Auch hier frage ich: Was gilt denn nun?
Der Begriff der guten fachlichen Praxis muss bei Ihnen für alles herhalten. Er klingt so gut, und kaum jemand weiß, was das bedeutet. Die Leitlinien für die gute fachlichen Praxis in Niedersachsen stammen aus dem Jahr 1991. Haben sich die Entwicklung und die Anforderungen an die Landwirtschaft in den letzten 13 Jahren nicht verändert? Darüber gilt es auch in Niedersachsen dringend nachzudenken.
Meine Damen und Herren, die SPD-Fraktion fordert ein zügiges Inkrafttreten der Durchführungsbestimmungen zur Kennzeichnungspflicht von Lebens- und Futtermitteln. Wir wollen die Sicherstellung der Koexistenz und klare Haftungsregelungen. Wir wollen einen Verbraucherschutz, der den Namen auch verdient, und den Schutz der Landwirte, die gentechnikfrei wirtschaften wollen. Im Rahmen dieser klaren Regelungen kann sich auch die deutsche Biotechnologie weiterentwickeln, werden genügend Freiräume für Wissenschaft und Forschung geschaffen.
Der Kommentar aus der NOZ bringt meines Erachtens die gegenwärtige Diskussion auf den Punkt: „Tatsächlich geht es nicht um Vorteile für den Verbraucher. Es geht um die Geschäfte von Syngenta, Monsanto & Co. und um eine Neuausrichtung von Landwirtschaft und Ernährung zu ihren Gunsten.“
Ob die neue schöne Lebensmittelwelt von Dauer sein wird, entscheidet sich zum Glück an der Ladentheke und an der Kinokasse. Dort nämlich wird es Designermais in Dosen oder als Popcorn zu kaufen geben.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Klein, Sie haben die Schöpfung zitiert. Zu Ihrem Beitrag möchte ich die Bibel nur insoweit bemühen: Denn sie wissen nicht, was sie tun.
Wenn Sie das Thema Gentechnik auf das Gewinnstreben von Multis reduzieren, dann liegen Sie völlig daneben. Wenn Sie nicht erkennen, dass Gentechnik auch Innovation ist, dass man mit Gentechnik z. B. erblindeten Kindern in Afrika helfen kann - mit grüner Gentechnik, Herr Klein - und dass man mit ihr mittelfristig sogar Ökobetrieben wird helfen können, denen ja anerkanntermaßen bestimmte Betriebsmittel im Pflanzenschutz- und Düngungsbereich nicht zur Verfügung stehen,
dann wird Ihnen das, was Sie heute gesagt haben, noch einmal vorgehalten werden. Da bin ich ziemlich sicher.
Nun zu Ihrem Antrag. Der Titel ist ja schon mutig: „Landesregierung muss verbraucher- und bauernfeindliche Politik aufgeben“. Meine Damen und Herren, wir können keine verbraucher- und bauernfeindliche Politik aufgeben, weil wir eine solche Politik aus Prinzip und Sachkenntnis nicht machen.
(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Ursula Helmhold [GRÜNE]: Die Verbraucher wollen keine Gentechnik haben!)
Allein deshalb werden wir Ihren Antrag - ich will den Ausschussberatungen aber nicht vorgreifen voraussichtlich ablehnen müssen.