Protokoll der Sitzung vom 30.04.2004

Herr Bartling, Sie sind natürlich der richtige Kronzeuge dafür, dass man an eine Privatisierung nicht denken darf. Als Sie verantwortlicher Minister waren, haben wir im Haushaltsausschuss, im Innenausschuss und bei Besichtigungen von Spielbanken über Monate und Jahre hinweg immer wieder intensiv erleben müssen, wie die Spielbankenaufsicht einfach nicht funktioniert hat. Dabei ging es auch immer wieder um die Frage, mehr Sicherheit beim Spiel durch Überwachungskameras sicherzustellen. Darüber ist jahrelang verhandelt worden, aber man hat es letztendlich nicht hingekriegt. Wenn Sie dann hier so schlicht und einfach sagen, dass all das, was die Landesregierung jetzt vorhabe, nicht zum Erfolg führe, dann weiß ich nicht, ob dies der Richtige gesagt hat. Sie sollten sich das als Fraktion insgesamt noch einmal überlegen und sich nicht von der Befangenheit des ehemaligen Innenministers beeindrucken lassen.

Ich sage Ihnen nur: Die CDU-Landtagsfraktion trägt die von der Landesregierung beschlossene Privatisierung der Spielbanken mit. Unsere Spielbankengesellschaft in Niedersachsen befindet sich

in einer wirtschaftlich und finanziell schwierigen Situation. Hinweisen darf ich in diesem Zusammenhang auf die bereits angesprochene Spielbankenaffäre, die als Erblast der alten Landesregierung übernommen werden musste und die schwerwiegende Mängel in der Fachund Rechtsaufsicht deutlich gemacht hat. Für das Land ist es absolut unbefriedigend, dass die Spielbanken mit Defizit gefahren werden. Für die Mitarbeiter und die Beschäftigten ist dies mindestens genau so unbefriedigend, weil es um die Perspektive für ihren Arbeitsplatz geht. Aus der desolaten wirtschaftlichen und finanziellen Lage der Gesellschaft müssen Konsequenzen gezogen werden. Wir sind uns in den Regierungsfraktionen darüber einig, dass sich das Land aus der Gesellschaft zurückziehen muss und dass auf den staatlichen Einfluss, der in der Vergangenheit häufig genug wirtschaftliches Handeln beeinträchtigt hat, verzichtet wird. Angesichts von Bürokratieabbau und Senkung der Staatsquote kann es darüber hinaus nicht Aufgabe des Staates sein, für seine Bürgerinnen und Bürger Glücksspiel zu organisieren und zu betreiben.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Im Übrigen gibt es eine Reihe von Ländern, in denen Spielbanken erfolgreich nicht nur privat organisiert, sondern auch von privaten Gesellschaftern betrieben werden. Unser Ziel ist daher eine möglichst zügige Veräußerung der Spielbanken sowie eine dementsprechende Änderung des Spielbankengesetzes. Es soll aber keine Entscheidung übers Knie gebrochen werden und es soll auch keine Entscheidung blindlings umgesetzt werden. Wir bewegen uns hier grundsätzlich im geschützten Bereich der Berufsfreiheit. Daher sind verfassungsrechtliche Vorgaben zu beachten. Daher ist es auch wichtig, eindeutige Erlaubnisvoraussetzungen zu definieren und bei einer Mehrzahl von Bewerbern eine sorgfältige Auswahlentscheidung zu treffen. Auswahlkriterien und Auswahlverfahren müssen eindeutig bestimmt werden.

Darüber hinaus ist eine gründliche Prüfung erforderlich, inwieweit die aufsichtsrechtlichen Befugnisse gegenüber privaten Spielbankunternehmen in Einzelfällen andere sein können oder müssen als bei Unternehmen in staatlicher Hand. Das alles bedarf einer intensiven und genauen Vorbereitung und Überlegung. Die Diskussion kann aber auch schädlich sein, wenn dadurch - ich verweise auf die hier gestellten Anfragen und die damit verbun

denen Diskussionen Vertrauen zerstört wird. Denn Ausschreibungen, Bieterverfahren und Vertragsverhandlungen sind äußerst sensible Bereiche.

Das Verhalten der SPD in dieser Angelegenheit ist allerdings mehr als widersprüchlich. Auf der einen Seite wird kritisiert, dass der Veräußerungserlös, der in der mittelfristigen Finanzplanung ausgewiesen ist, zu hoch angesetzt wurde. Auf der anderen Seite besteht die große Gefahr, dass beispielsweise durch die Große Anfrage der SPD-Fraktion und die heutige öffentliche Diskussion im Plenum potenzielle Bewerber und Interessenten verunsichert werden. Interessanterweise wurden bereits in der mittelfristigen Finanzplanung für 2002 bis 2006 die Erlöse aus Beteiligungsverkäufen mit 90 Millionen veranschlagt. Jetzt sind es mit 100 Millionen unwesentlich mehr. Bei der Beratung des CDUEntschließungsantrages vom 8. Februar 2001 zur Neuordnung der landeseigenen Spielbankengesellschaft in der 14. Wahlperiode hat uns die SPD ständig vorgeworfen, mit der öffentlichen Diskussion würden wir den Standort Niedersachsen und das Spielbankenwesen beschädigen. Man kann in diesem Zusammenhang Herrn Bartling aus der Sitzung vom 23. Februar 2001 und Frau Tinius aus der Sitzung vom 13. Februar 2002 zitieren. Anscheinend ist von den damaligen Ansprüchen heute nichts mehr übrig geblieben. Mit der Großen Anfrage soll anscheinend die vorgesehene Privatisierung und die damit auch verbundene Haushaltskonsolidierung gründlich konterkariert werden. Wir werden uns allerdings durch noch so zahlreiche penible, manchmal auch unsinnige Fragen von dem eingeschlagenen Kurs nicht abbringen lassen.

Die Kritik hat sich in der Vergangenheit stets auch gegen die Einschaltung eines neutralen und unabhängigen Dienstleisters gerichtet. Auch hier unterstützen wir die Landesregierung in vollem Umfang. Gerade unsere Erfahrungen im Zusammenhang mit der Spielbankenaffäre unter der alten Landesregierung haben uns gezeigt, wie wichtig es ist, eine Ausschreibung und Vergabe bei einer Privatisierungsentscheidung transparent, sauber, neutral und unabhängig umsetzen zu können. Bei allem Respekt und bei aller Hochachtung vor dem Sachund Fachverstand der Beamten im Finanzministerium: Es ist nun einmal so, dass eine Spielbankengesellschaft mit insgesamt zehn Spielbanken nicht alle halben Jahre eben mal so veräußert wird. Insofern ist es wichtig und richtig, sich kompetenten Sachverstand von außen zu holen. In der Vergan

genheit mussten wir leider zu oft erleben, dass Inkompetenz und Interessenkonflikte, sachfremde Erwägungen und massive politische Einflussnahmen die Spielbanken in Niedersachsen an den Rand des Ruins getrieben haben.

Die Spielbanken befinden sich zurzeit in einer äußerst schwierigen wirtschaftlichen Lage. Strukturelle Veränderungen sind notwendig. Die Ursachen dafür sind bundesweit zu beobachtende Veränderungen des Spielbankenverhaltens: weg vom personalintensiven Tischspiel, hin zu Automatenspielen. Zusätzlich ist ein dramatischer Rückgang der Tronc-Einnahmen zu erwähnen. In den nächsten Jahren muss insbesondere vor dem Hintergrund der beabsichtigten Neuordnung bzw. des Ausbaus von Spielbanken in Hamburg sowie einer Ausweitung des Internet- und Intranetspiels weiter mit einem Rückgang der Besucherzahlen und Spielumsätze gerechnet werden. Die Folge wird sein, dass die Personalkosten nicht mehr wie bisher vollständig aus den Tronc-Einnahmen finanziert werden können, sodass die nicht durch den Tronc abgedeckten Personalkosten das Betriebsergebnis der Spielbanken zusätzlich belasten. Die Unterdeckung beim Tischspiel hat sich trotz mehrfach nach unten angepasster Abgaben ständig weiter erhöht.

Die dargestellte Situation macht strukturelle Maßnahmen unumgänglich, da ansonsten der Bestand der Spielbanken als Ganzes gefährdet ist. Die finanziell schwierige Situation lässt sich nicht auf die kürzlich neu geregelte Spielbankenabgabe zurückführen. Unter Ausnutzung finanz- und haushaltswirtschaftlicher Gestaltungsspielräume haben wir die Abgabesätze für die Spielbanken und die Zusatzabgabe umstrukturiert. Dabei ist eine Abschöpfung in Höhe von einheitlich 80 % des Bruttospielertrages vorgesehen. Hintergrund der Umstrukturierung war, dass nur die Spielbankenabgabe in den Länderfinanzausgleich einfließen sollte. Darüber hinaus war dies eine Anpassung der Regelung an Regelungen in anderen Ländern wie Baden-Württemberg und Berlin. Der Hintergrund ist Folgender: Die Mehrbelastung beispielsweise für Hitfeld beträgt 56 100 Euro. Der Deckungsbeitrag hat sich um 1,5 Millionen Euro bei einer Gesamtabgabenbelastung von 2,64 Millionen Euro reduziert. Daran sieht man, dass dies nicht der entscheidende Betrag sein kann.

In der Öffentlichkeit wurde kritisiert, dass durch die Teilschließungen dem Bund und dem Land in den folgenden Jahren Verluste in Millionenhöhe entstehen. Insbesondere in diesem Zusammenhang

muss man darauf hinweisen, dass die volkswirtschaftliche Betrachtung betriebswirtschaftliche Notwendigkeiten nicht außer Acht lassen darf. Ich führe noch ein Zitat von Heiner Bartling an:

„Die Spielbankgesellschaft Niedersachsen wird sich in Zukunft neuen Anforderungen stellen müssen. Die Entwicklung des Bruttospielertrages ist bundesweit negativ. Daraus resultieren beispielsweise erheblich geringere Tronc-Einnahmen. Es zeichnen sich neue Spielformen auch unter Nutzung von Internet und Intranet ab. Hier wird die Gesellschaft neue Wege gehen müssen.“

Herr Bartling, ich bitte Sie darum, dass Sie hier nicht von vornherein eine falsche Schlussfolgerung ziehen.

Herr Kollege, Sie müssen leider zum Schluss kommen.

Ich bin schon dabei. Ich möchte nur einen Appell an Herrn Bartling richten.

Appelle sind immer gut.

Herr Bartling, wenn Sie aus dieser Debatte mit dem Ergebnis herausgehen, eine Privatisierung, eine Übernahme ein und derselben GmbH durch private Anteilseigner, also eine Änderung des Eigentümers sei für die Zukunft keine Lösung, dann kann ich entweder nicht verstehen, was Sie damals gesagt haben - damals hatten Sie diesen Weg nämlich auch ins Auge gefasst -, oder Sie hatten damals Angst vor der eigenen Courage und betreiben heute nichts anderes als pure Opposition.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Kollege Bartling, Sie haben das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich könnte jetzt noch einmal versuchen, Herrn Rolfes und Herrn Möllring zu erklären, was damals aufgeschrieben worden ist und auch in der mittelfristigen Finanzplanung gestanden hat. Aber ob ich es nun noch einmal erwähne oder nicht - Sie wollen es nicht zur Kenntnis nehmen. Dann lassen Sie es.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe mich noch einmal zu Wort gemeldet, weil ich einen weiteren sehr ernsten Punkt ansprechen möchte. Auf der ersten Seite seiner Antwort auf unsere Große Anfrage hat uns der Finanzminister bestätigt, dass die Landesregierung bereits mit der Privatisierung der Spielbanken begonnen hat. Er hat das hier im Landtag gerade noch einmal wiederholt. Uns liegt auch eine Pressemitteilung vor, in der steht: Damit geht die Privatisierung der Spielbanken in die nächste Phase. - So Herr Möllring. In der Antwort auf die Große Anfrage heißt es wörtlich, dass diese neue Phase von der Landesregierung beschlossen und im November letzten Jahres mit der europaweiten Ausschreibung bereits eingeleitet worden sei.

Ich möchte diese Aussage gerne zum Anlass nehmen, den Finanzminister ebenso wie die gesamte Landesregierung an § 1 Abs. 2 des geltenden Niedersächsischen Spielbankengesetzes zu erinnern. Dort heißt es:

„Spielbankunternehmer dürfen nur Gesellschaften in einer Rechtsform des privaten Rechts sein, deren sämtliche Anteile unmittelbar oder mittelbar dem Land gehören.“

(Hartmut Möllring [CDU]: Das wissen wir doch! Deshalb ändern wir doch das Gesetz!)

Vor dem Hintergrund dieser eindeutigen Gesetzeslage bleibt mir nichts anderes übrig, als einen eklatanten Verstoß der Landesregierung gegen das geltende Spielbankengesetz festzustellen.

(Beifall bei der SPD)

Es ist ein Unterschied, ob Sie eine Gesetzesinitiative beschließen - das dürfen Sie - oder ob Sie, ohne das Gesetz zu ändern, eine Privatisierung beschließen und diese auch schon einleiten. Herr Finanzminister, ich muss Sie an Artikel 20 Abs. 3 des Grundgesetzes erinnern. Als Landesminister

sind Sie an Recht und Gesetz gebunden. Ich muss Sie daher dringend auffordern - ich bin mir sicher, dass ich das im Namen aller Mitglieder des Landtages tun darf -, von sämtlichen Privatisierungsbemühungen so lange Abstand zu nehmen und den gesetzlich fixierten Willen des Gesetzgebers zu respektieren.

Abschließend - das dürfte Sie nun nicht mehr verwundern - darf ich Ihnen mitteilen, dass ich mich schon jetzt auf den nächsten Untersuchungsausschuss zu den Spielbanken freue.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Rickert, Sie haben das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es wird Sie nicht verwundern, wenn ich das eine oder andere wiederhole, was schon gesagt worden ist.

Erlauben Sie mir eine Vorbemerkung. Die Unterstellung, wir betrieben Klientelpolitik, weise ich für die FDP-Fraktion zurück. Wir fühlen uns ausschließlich der Landesverfassung und dem Wohle des niedersächsischen Volkes verpflichtet.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Heinz Rolfes [CDU]: Wir auch!)

Soweit Ihre Fragen, meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion, die Vergangenheit berühren, möchte ich nicht näher darauf eingehen. Ich habe zwar Verständnis dafür, dass Sie die Vergangenheit als wesentlich positiver empfinden. Aber hier geht es um die Zukunft.

Sie stellen Fragen, die sich auf dem Niveau einer Due Diligence bewegen. Das sind Fragen, die für die Bewertung des Unternehmens beantwortet werden müssen. Sie beziehen sich auf die Strategie, die Standorte, auf Mitarbeiter, auf die Ertragslage, wobei Fragen im Hinblick auf den Verkaufserlös allenfalls naiv sind, und sie beziehen sich auch auf die zukünftige Einnahmesituation. Wir wissen, dass die Ertragslage schlecht ist und dass der Mitarbeiterbestand vermutlich zu hoch und eventuell auch zu teuer ist. Dies sind aber Umstände, meine Damen und Herren, die ohne Zweifel das Land zu tragen hat. Wenn man über Ver

kaufsabsichten nachdenkt, dann werden solche negativen Bestandteile meistens entweder über den Kaufpreis abgegolten, oder die notwendigen Restrukturierungskosten fallen auf den Verkäufer zu. Aber eines muss klar sein: Diese negativen Einflüsse sind von der vorherigen, der SPDgeführten Landesregierung zu verantworten. Herr Bartling, Sie können mir über das veränderte Verhalten von Spielern erzählen, was Sie wollen. Sie haben zu spät eingegriffen, und wir müssen jetzt die Verluste tragen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Das ist so ähnlich wie bei dem Projekt INI, wie wir gestern gehört haben. Auch hier kann nur durch schnelles operatives Handeln das Schlimmste verhindert werden.

Sie befassen sich in Ihrem Fragenkatalog mit vergleichbaren Einrichtungen anderer Bundesländer. Man nennt so etwas auch Benchmarking. Da es sich hier um eine Vielzahl alternativer Modelle handelt, die sich bezüglich privater oder auch staatlicher Betreiberschaft sowie in der Ertragslage und der jeweiligen Strategie unterscheiden, bieten Sie kaum eine eindeutige Entscheidungsgrundlage.

Die Fragen nach der Spielbankenaufsicht sind unabhängig davon zu stellen, ob eine private oder staatliche Lösung gewählt wird. Die Aufsichtsbedingungen müssen so gestaltet werden - ich sage das einmal ganz salopp -, dass alles mit rechten Dingen zugeht.

Ich gebe zu: Spielbankenmanagement ist etwas komplizierter als z. B. Krankenhausmanagement. Frau Trauernicht wird Ihnen das sicherlich bestätigen können.

Fragen nach der Spielsuchtbekämpfung bestehen ebenfalls unabhängig vom Betreiberkonzept.

Nachdem schon vieles gesagt worden ist, möchte ich für die FDP-Fraktion grundsätzlich dazu Stellung nehmen, wie wir uns die Zukunft der Spielbanken vorstellen. Hier knüpfe ich an das an, was der Vorsitzende unserer Fraktion, Dr. Rösler, am 14. Mai im Plenum gesagt hat: Glücksspiel gehört nicht zur staatlichen Daseinsvorsorge. Deshalb müssen die Spielbanken möglichst schnell privatisiert werden. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe damit die Besprechung der Großen Anfrage.

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 33: Erste Beratung: Grundrechte und Selbstbestimmung bei der Reform des Betreuungsrechts stärken! - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drs. 15/958