Protokoll der Sitzung vom 23.06.2004

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Modernisierung der niedersächsischen Landesverwaltung gehört zu den wichtigsten politischen Vorhaben der Landesregierung in dieser Legislaturperiode.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Man muss kein Prophet sein, um sagen zu können: Diese Verwaltungsreform wird ein Erfolg werden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Es gibt zu ihr auch keine Alternative, denn die alte Landesregierung hat eine desolate Haushaltslage hinterlassen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Widerspruch bei der SPD)

Bereits im Jahr 1996 hat die von Gerhard Schröder eingesetzte Arbeitsgruppe zur Personalkostenreduzierung fast schon beschwörend darauf hingewiesen, dass - ich zitiere - „... das Land zur Zeit in einer Personalkosten- sowie Zins- und Schuldenfalle steckt, deren Wirkungen durch ihr zeitliches Zusammentreffen kumulieren und die bei im übrigen gleichbleibenden Verhältnissen völlige Handlungsunfähigkeit nach sich ziehen würde“.

Anschließend hat es natürlich auch ein Arbeitsergebnis dieser Arbeitsgruppe gegeben. Man kann schon fragen: Was ist denn mit diesem Ergebnis passiert? Gerhard Schröder haben diese Zahlen nicht gepasst, und dann war es so, wie es bei der SPD oft ist: Schublade auf, Papier hinein. - Das war es, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das Schlimme ist: Die nachfolgenden Generationen müssen heute und später die Zeche dafür bezahlen. Dafür tragen Sie die Verantwortung, meine Damen und Herren von der SPD.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Heute ist Niedersachsen in einer Situation, in der kosmetische Korrekturen des Etats nicht weiterhelfen. Um das Land finanziell wieder handlungsfähig zu machen, braucht es tief greifende Reformen. Dazu gehören auch strukturelle Veränderungen des Verwaltungsaufbaus. Vor diesem Hintergrund hat die Landesregierung beschlossen, die vier Bezirksregierungen in Lüneburg, Braunschweig, Oldenburg und Hannover zum Jahresende aufzulösen und den Verwaltungsaufbau künftig im Wesentlichen zweistufig zu gestalten. Die Radikalität unseres Reformansatzes beschreibt das Ausmaß der vorgefundenen Versäumnisse und Handlungsnotwendigkeiten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Für die von der SPD-Opposition getragenen früheren Landesregierungen war weder der Verzicht auf Mittelbehörden noch, wie Sie es jetzt fordern, deren Verschlankung ein Thema. Lieber Herr Gabriel, ich muss Sie schon fragen: Warum haben Sie damals nicht gehandelt, als Sie die Möglichkeit dazu gehabt haben?

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Jetzt stellt sich der Landeshaushalt so dar, wie er ist: heruntergewirtschaftet und jeden Gestaltungsspielraums beraubt. Auch dafür tragen Sie die Verantwortung, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir setzen dem die umfänglichste Aufgabenkritik entgegen, die Niedersachsens Landesverwaltung bisher erlebt hat. Dass dies möglich war, ist ein Verdienst aller Beschäftigten der Landesverwaltung, die daran beteiligt waren,

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

gerade auch - das will ich ausdrücklich sagen - der Bediensteten der Bezirksregierungen, wofür ich mich, da dies nicht selbstverständlich war, an dieser Stelle ganz herzlich bedanken möchte.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zuruf von der SPD: Das ist ein Hohn!)

- Dies ist kein Hohn. Natürlich gibt es unterschiedliche Ansichten dazu, wie man eine Verwaltung aufbauen kann. Als wir gesagt haben, in allen Projektgruppen sollten Vorschläge für den Abbau von Aufgaben gemacht werden, haben wir eine

Fülle von Vorschlägen bekommen, und zwar gerade auch von den Bediensteten der Bezirksregierungen. Dies als Hohn zu bezeichnen, finde ich nicht in Ordnung. Ich sage: Wir können uns darüber nur freuen, und ich möchte mich nochmals dafür bedanken.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Allerdings möchte ich dem Eindruck entgegentreten, dass mit unserer Reform lediglich die Bezirksregierungen aufgelöst und deren bisherige Aufgaben verteilt würden. Das Gegenteil ist richtig. Zwar ist die Auflösung der Bezirksregierungen bereits in der Koalitionsvereinbarung und in der Regierungserklärung des Herrn Ministerpräsidenten vom 4. März 2003 angekündigt worden. Gleichwohl erstreckt sich die vorgesehene Neuordnung der Landesverwaltung auf fast alle Verwaltungszweige, wie Sie den Ihnen vorliegenden und morgen einzubringenden Gesetzentwürfen entnehmen können. Wenn die Ergebnisse unseres umfassenden und grundsätzlich angelegten Modernisierungsprozesses umgesetzt sind, wird sich die Struktur der Landesverwaltung geändert haben.

Mit dem Wegfall der Bezirksregierungen entfällt der dreistufige Verwaltungsaufbau. Wir schaffen in Niedersachen weitestgehend eine zweistufige Verwaltungsstruktur. Dieser Verzicht auf eine komplette Verwaltungsebene ist möglich, weil wir Aufgaben konsequent abbauen, privatisieren, auf die berufsständischen Selbstverwaltungen oder auf die Kommunen übertragen. Das Verhältnis des Landes zu den Kommunen wird in diesem Zusammenhang völlig neu justiert.

Kommunen sind eigenständige und leistungsfähige Institutionen, deren Arbeit nicht ständig von Aufsichtsbehörden kontrolliert werden muss.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Genau diese Kontrolle war bisher aber eine der wesentlichen Tätigkeiten der Bezirksregierungen. Wir wollen dieses nicht mehr.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir wollen stattdessen eine Vertrauenskultur im Verhältnis zu unseren Kommunen aufbauen und deshalb auf Anzeigepflichten, auf Genehmigungsvorbehalte und auf Geschäftsprüfungen weitgehend verzichten.

(Beifall bei der CDU)

Ich bin der festen Überzeugung, nicht nur die Kommunen, sondern auch die Wirtschaft und die Bürgerinnen und Bürger in Niedersachsen werden von einem solchen Bürokratieabbau massiv profitieren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich sehe mich in dieser Frage durch den Niedersächsischen Industrieund Handelskammertag bestätigt, der die Verwaltungsreform im Land ausdrücklich begrüßt und weiter dazu schreibt:

„Die Verwaltungswege werden damit für Unternehmen verkürzt und bei Wirtschaft und Staat gleichermaßen Kosten gesenkt sowie Bürokratie abgebaut. … Von der zweistufigen Verwaltung mit den Regierungsbüros versprechen wir uns in der Zukunft eine neue Behördenstruktur … sowie eine kunden- und wirtschaftsfreundliche Verwaltung“.

So steht es im Schreiben des NIHK an den Minister für Inneres und Sport vom 7. Juni 2004. Wir freuen uns über diese Unterstützung. Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen: Wir werden die Wirtschaft nicht enttäuschen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Plaue, Sie haben ja Recht - Sie hatten, wenn ich das richtig gehört hatte, einen Zwischenruf gemacht -, dass es auch kritische Stimmen gibt, dass es auch Briefe gibt, in denen unser Weg kritisiert wird. Dazu gehören auch die Gewerkschaften - überhaupt keine Frage. Aber ich sage Ihnen: Im Zweifel für die Wirtschaft! Denn es geht um Arbeitsplätze, es geht um Wachstum, und, meine Damen und Herren, es geht um den Standort Niedersachsen. Diese Verwaltungsreform wird einen wesentlichen Beitrag zur Stärkung dieses Standortes leisten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Der Verzicht auf die Bezirksregierungen bedeutet auch den Wegfall einer ganzen Hierarchieebene. Es ist bemerkenswert, dass die SPD-Fraktion dieses kritisiert. Sie offenbaren damit ein ganz anderes Staatsverständnis. Sie setzen vor allen Dingen auf Aufsicht, auf Kontrolle, auf zentrale Lenkung und im Ergebnis eben auf Gängelung der Kommunen und Behörden. Diese Landesregierung will

das nämlich gerade nicht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir setzen stärker auf Verantwortung - Eigenverantwortung im Verhältnis des Bürgers zum Staat und innerhalb des staatlichen Verwaltungsaufbaus. Ich sage Ihnen voraus: Unser Modell ist zukunftsfähig - Ihres nicht!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die Landkreise und die Gemeinden in Niedersachsen sind leistungsfähig, und deshalb brauchen wir in unserem Bundesland keine Gebietsreform. Wir wollen keine zusammengelegten und bürgerfernen Großkreise. Ob in Ostfriesland, im Harz oder in der Heide - wir wollen die Verwurzelung und die Identität erhalten, weil wir mit Recht stolz darauf sind.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Oh! bei der SPD)

Selbstverständlich gibt es Unterschiede in der Verwaltungs- und Finanzkraft eines Landkreises Wittmund oder Holzminden im Vergleich zur Region Hannover. Ich bin seit fast 20 Jahren in der Kommunalpolitik tätig und weiß, wie die Verhältnisse sind. Es ist aber auch nach Abschaffung der Bezirksregierungen nicht erforderlich, dass alle Landkreise alle Aufgaben erledigen. Vielmehr macht es Sinn, für spezifische Fachaufgaben eine kreisübergreifende Erledigung zu organisieren. Mit dem neuen Gesetz über die kommunale Zusammenarbeit, das im Februar vom Landtag verabschiedet wurde, haben wir die notwendigen Voraussetzungen dafür geschaffen. Ich bin sicher, die Landkreise und kreisfreien Städte werden diese Möglichkeiten nutzen. Es bedarf also nicht der Zusammenlegung durch Druck von oben. Die Kommunen selbst wissen am besten, wie sie ihre Kosten durch Kooperationen senken können, sei es in Form von Zweckverbänden, durch öffentlichrechtliche Verträge oder gemeinsame Gesellschaften.

Meine Damen und Herren, Herr Gabriel, es ist Ihr Staatsverständnis, alles von oben anzuordnen. Da nehmen Sie eine Landkarte von Niedersachsen und einen Zirkel und ziehen neun Kreise, um das Land in neun Regionen aufzuteilen - basta! Nein, das ist nicht unser Staatsverständnis. Mit uns ist das nicht zu machen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Zum neuen Umgang mit den Kommunen gehört auch, dass wir uns realistisch über die bei einer Aufgabenerledigung entstehenden Kosten unterhalten und diese auch erstatten. Herr Gabriel, wir können uns gerne darüber streiten, ob alleine schon das Unterhalten eine neue Qualität des Regierungsstils in Niedersachsen ausmacht. Dies jedenfalls markiert ganz sicher einen Wendepunkt im Verhältnis des Landes zu seinen Kommunen, und darauf sind wir durchaus stolz.