Tagesordnungspunkt 31: Zweite Beratung: a) Flut und Dürre - zwei Seiten einer Medaille; Vorsorgenden Hochwasserschutz im Binnenland verbessern - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/372 b) Landesregierung muss Hochwasserschutz ernsthaft betreiben! - Antrag der Fraktion der SPD Drs. 15/377 c) Vorsorge im Hochwasserschutz gemeinsam mit den Bürgern sicherstellen - Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 15/557 - Beschlussempfehlung des Umweltausschusses - Drs. 15/1099 - Änderungsantrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/1164
Die Beschlussempfehlung lautet zu a) auf Ablehnung, zu b) auf Annahme in veränderter Fassung und zu c) auf unveränderte Annahme.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Beschlussempfehlung in der Drucksache 1099 empfiehlt Ihnen der Umweltausschuss mit den Stimmen der Vertreter der CDU- und der
FDP-Fraktion gegen die Stimmen der Vertreter der SPD-Fraktion und der Vertreterin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, über die Anträge so zu beschließen, wie es der Präsident eben vorgetragen hat.
Die Vertreterin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hatte bereits in der Sitzung am 18. September 2003 den Antrag ihrer Fraktion mit der Zielsetzung eingebracht, bestimmte Maßnahmen im Bereich des Hochwasserschutzes neu zu regeln. Dies sollte auf der Basis des Gesetzes zur Verbesserung des vorbeugenden Hochwasserschutzes geschehen, das von der Bundesregierung im Entwurf vorgelegt worden ist. Darüber hinaus hat die Vertreterin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Landesregierung aufgefordert, sich in vollem Umfang hinter dieses Gesetz zu stellen.
In derselben Plenarsitzung am 18. September 2003 hat die SPD-Fraktion einen weiteren Entschließungsantrag vorgelegt, allerdings mit einer etwas anderen Akzentsetzung. Darin ist auf die Landtagsentschließung Bezug genommen worden, die wir in der vorherigen Wahlperiode gemeinsam verabschiedet hatten. Der Vertreter der antragstellenden Fraktion hatte betont, dass ein stärkeres Handeln der Landesregierung im Bereich der Neuausweisung und Freihaltung von Überschwemmungsgebieten gefordert werde und dass ein länderübergreifendes Hochwasserschutzkonzept für die Elbe erforderlich sei.
Der Umweltausschuss hat in seiner anschließenden Sitzung einvernehmlich beschlossen, dass eine Unterrichtung durch die Landesregierung vorzunehmen ist. Der Vertreter der Landesregierung hat die entsprechende Position zum Hochwasserschutz im Ausschuss deutlich gemacht. Er hat zum Stand des angesprochenen Gesetzgebungsverfahrens ausgeführt, dass dem Bund mittlerweile die weitgehend einheitlichen Stellungnahmen der Bundesländer vorlägen und dass eine Anhörung der Fachverbände und Kommunen stattgefunden habe. In den Anhörungen seien nach Aussagen des Bundesverkehrsministeriums die stärksten Einwände aus den Bereichen der Landwirtschaft, der Ölwirtschaft und der Binnenschifffahrt gekommen. Diese Bedenken würden grundsätzlich auch von der Landesregierung geteilt. Insbesondere hoffe man auf Öffnungsklauseln zum Beackerungsverbot und zur Ausweisung von überschwemmungsgefährdeten Gebieten.
Meine Damen und Herren, den beiden vorangegangenen Entschließungsanträgen der Oppositionsfraktionen folgte dann in der Plenarsitzung vom 12. November letzten Jahres ein Antrag der Fraktionen von CDU und FDP zu dieser Thematik, der sich vor allem gegen ein generelles Ackerbauverbot in Überschwemmungsgebieten ausgesprochen hat.
In den sich dann anschließenden Beratungen im Umweltausschuss versuchten die Fraktionen, einen Änderungsvorschlag zu entwickeln, der von allen Fraktionen getragen werden sollte. Allerdings konnte kein abschließender Konsens erreicht werden, da insbesondere der Gesetzentwurf des Bundes zur Verbesserung des vorbeugenden Hochwasserschutzes von den Fraktionen zu kontrovers beurteilt wurde. Zum Ende der Ausschussberatung verständigten sich lediglich die Regierungsfraktionen auf den Änderungsvorschlag zu dem Entschließungsantrag der SPD-Fraktion in der Drucksache 377, der Ihnen heute als Beschlussempfehlung vorgelegt wird.
Die mitberatenden Ausschüsse für Inneres und Sport, für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz sowie für Haushalt und Finanzen haben dem Beratungsergebnis des Umweltausschusses ohne weitere Diskussion zugestimmt.
Im Namen des federführenden Umweltausschusses darf ich Sie um Zustimmung entsprechend der Drucksache 1099 bitten. - Danke schön.
Die Beratung ist eröffnet. Die Abgeordnete Frau Steiner von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat das Wort.
Die Hochwasser in den letzten Jahren haben uns deutlich gemacht, welchen Gefahren wir uns aussetzen, wenn wir die Flüsse in ihrem ökologischen Gesamtsystem nicht respektieren. Sie erinnern sich sicherlich alle, dass in Deutschland allein bei diesem einzigen Hochwasser an der Elbe im Jahr
2002 21 Menschen ihr Leben gelassen haben und dass die Sachschäden bei mehr als 9 Milliarden Euro lagen. In Deutschland gibt es aber 200 Hochwasser im Jahr, und wir dürfen auf keinen Fall davon ausgehen, dass es weniger werden. Mit der Veränderung unseres Klimas und mit der Zunahme der globalen Erderwärmung kommt es zu einer Häufung von extremen Wetterereignissen. Wir müssen davon ausgehen, dass bei uns Starkregen zunehmen. Wir können davon ausgehen, dass noch häufiger Hochwasser entstehen. All das sagt uns, dass sich im Hochwasserschutz eine Politik des „Weiter so“ verbietet.
Als Konsequenz aus dem Hochwasser des Jahres 2002 hat die Bundesregierung noch im Herbst ein Fünfpunkteprogramm zum Thema Hochwasserschutz vorgelegt hat. Der wichtigste Punkt dieses Fünfpunkteprogramms war das Artikelgesetz, über das wir uns länger auseinander gesetzt haben.
Dieses Artikelgesetz enthält sechs wesentliche Punkte. Manche waren auch gar nicht strittig. Ein Punkt war, dass sich Gewässernutzung und Gewässerausbau in Zukunft am Ziel des vorbeugenden Hochwasserschutzes orientieren müssen. Auf dem Papier hat man das schon häufig eingefordert; es muss aber faktisch umgesetzt werden, und genau daran hapert es in vielen Ländern. Gleichzeitig enthält es die Schadensminderungspflicht, die Pflicht zur Ausweisung von Überschwemmungsgebieten in fünf Jahren und die Verpflichtung, keine weiteren Bau- und Gewerbegebiete in den Überschwemmungsgebieten auszuweisen.
Das alles war leichter zu vermitteln und war weniger strittig, auch im Hinblick auf die Zahlen, die die Versicherungswirtschaft häufig zu den Schäden geliefert hat. Der Streitpunkt, mit dem wir uns immer wieder auseinander gesetzt haben, war die Notwendigkeit der Einschränkung der landwirtschaftlichen Nutzung in Überschwemmungsgebieten. Ackerbau in Überschwemmungsgebieten verstärkt die Erosion und die Einschwemmung von Schadstoffen in die Gewässer. Deswegen enthält das Artikelgesetz eine Regelung, nach der der Ackerbau bis zum Ende des Jahres 2012 in besonders gefährdeten Gebieten einzustellen ist.
Auf der einen Seite des Grabens stand die CDU, die behauptet, dass sie die Landwirte vertritt, und auf der anderen Seite des Grabens wurden die Grünen und die Bundesregierung angesiedelt. Deshalb möchte ich Ihnen jetzt den tatsächlichen Sachstand darstellen; denn den müssen Sie sich einmal genauer ansehen.
Zweitens. In den Abflussgebieten der Überschwemmungsgebiete gilt ab 2012 das Ackerbauverbot. Dass das so sein muss, wird auch kaum bestritten. In den anderen Teilen der Überschwemmungsgebiete ist der Ackerbau zulässig. In bestimmten Teilen dieser Überschwemmungsgebiete wird es Bewirtschaftungsauflagen geben, wenn Bodenerosionen und Schadstoffeintrag zu befürchten sind. Das ist in dem Gesetz auch so formuliert. Das Einzige, was sich seit der Einbringung des Gesetzentwurfs verändert hat, ist, dass die Präzisierung zu den Überschwemmungsgebieten, die ich gerade genannt habe, nicht mehr in der Erläuterung zum Gesetz, sondern - und das ist auch richtig und notwendig - im Gesetz selbst aufgeführt wird.
Diese Abgrenzungen, meine Damen und Herren von den Fraktionen der CDU und der FDP, werden von den Ländern festgelegt und nicht vom Bund. Rheinland Pfalz war z. B. in der Lage, diese Abflussgebiete parzellenscharf darzustellen. Andere Länder haben das in ihren Landeswassergesetzen ähnlich geregelt. Insofern trifft der Passus in Ihrem Antrag, dass hier in die Landeskompetenz eingegriffen wird, nicht zu.
Glauben Sie etwa nicht, dass das Niedersächsische Umweltministerium das angemessen umsetzen könnte? - Natürlich sollte es in der Lage sein, das entsprechend umzusetzen. Wir wissen, dass man das auch in Regionen wie der mittleren Weser, in denen die Abflussbereiche wegen der Sommerdeiche schwieriger festzulegen sind, angemessen regeln und damit die Befürchtungen der Landwirte, dass 2013 100 % ihrer Betriebsfläche vom Ackerbauverbot betroffen sein würden, entkräften kann. Diese Befürchtung haben Sie immer geschürt. Da wird die Debatte ideologisch.
Deswegen ist auch dieser Punkt des Antrags der Fraktionen der CDU und der FDP völlig daneben. Den Rest Ihres Antrags - wenn es nicht Lob an die Landesregierung ist - könnte man Hochwasserlyrik auf Wunschzettelniveau nennen;
denn Sie ignorieren in allen Ihren Forderungen, dass im Hochwasserschutz früher und mehr umgesetzt werden muss, als nur, wie geplant, die Ausweisung von Überschwemmungsgebieten bis 2008 weiterzuführen.
Alle Forderungen in unserem Antrag sind richtig und begründet. Das, was in Ihrem Antrag steht, trifft zum Teil nicht zu. Insbesondere die Passagen, in denen Sie auf die Bundesregierung einschlagen, entbehren der sachlichen Grundlage. Deswegen bleibt der Änderungsantrag der SPD-Fraktion und der Fraktion der Grünen auch bestehen. Ihren Antrag hingegen sollten Sie zurückziehen. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich persönlich finde es ausgesprochen bedauerlich, dass es nicht gelungen ist, zumindest zusammen mit der SPD-Fraktion eine von beiden Seiten getragene Beschlussempfehlung zu formulieren und heute zu verabschieden. Mir scheint, dass der SPD die gemeinsame Linie in Berlin wichtiger ist als eine vernünftige Position in Niedersachsen.
Meine Damen und Herren, ich kann Ihre Position nicht nachvollziehen. Schließlich haben sich die Fraktionen von CDU und FDP mit ihrem Änderungsantrag im Wesentlichen auf die Punkte des Antrags der SPD-Fraktion bezogen, diese aufgegriffen und in den Antrag eingearbeitet. Herr Haase, deswegen kann ich auch überhaupt nicht verstehen, dass Sie eben bei der Bemerkung von
Frau Steiner so laut Beifall geklatscht haben. Es sind Ihre Positionen, über die sie sich gerade hergemacht hat.
Der Konsens mit den Grünen schien von Anfang an schwierig, wenn nicht gar unmöglich zu sein, weil überzogene Forderungen gestellt wurden, die wir so nicht mittragen können, und weil man sich voll hinter den Trittin‘schen Gesetzentwurf gestellt hat.
Unser Änderungsantrag bedeutet umfassenden Hochwasserschutz für Niedersachsen. Grundlage dieses Änderungsantrags ist die Entschließung, die wir in der letzten Wahlperiode noch gemeinsam verabschiedet haben. Sie wissen ganz genau, dass wir wesentliche Punkte des Gesetzentwurfes der Bundesregierung nicht mittragen können.
Dass Sie, meine Damen und Herren von der SPDFraktion und von der Fraktion der Grünen, keine Einigung wollen, zeigt sich im Übrigen auch daran, dass Sie Ihren Änderungsantrag gestern Morgen als Tischvorlage vorgelegt und nicht schon im Fachausschuss eingebracht haben, sodass eine Beratungsmöglichkeit nicht gegeben war. Machen Sie uns also bitte nicht den Vorwurf, dass wir nicht zu einem Kompromiss fähig gewesen wären.
Unser Antrag in der Drucksache 557 ist von Ihnen in der Debatte als eine Verschärfung bezeichnet worden. Ich möchte ihn Ihnen noch einmal vorlesen:
„Die Landesregierung wird gebeten, für einen effektiven und vorausschauenden Hochwasserschutz die im Bedarfsfall erforderlichen Retentionsflächen durch gemeinsame Anstrengungen mit den betroffenen Bürgern sicherzustellen. Dabei haben sich die Entscheidungen sachgerecht an den örtlichen Verhältnissen und Notwendigkeiten zu orientieren. Da die Bundesregierung mit ihrer unverhältnismäßigen Hochwasserschutzpolitik diesen Anforderungen nicht gerecht wird, sollte die Landesregierung mit