Herr Jüttner, der letzte Punkt, den ich ansprechen will, ist mir ein bisschen auf den Zeiger gegangen. Sie und Unterrichtsversorgung ich will keine Vergleiche nennen. Meine Damen und Herren, wir haben die Situation vorgefunden, dass Sie die Unterrichtsversorgung um 14 % nach oben manipuliert haben. Eine 84-prozentige Unterrichtsversorgung wäre also in Wahrheit eine 70-prozentige
Jetzt haben wir einen Paradigmenwechsel bei der Unterrichtsversorgung. Es gibt nun Pflichtstunden und weniger Zusatzbedarf. Aber die Pflichtstunden sind ausgeweitet worden: Realschule plus vier, Grundschule plus zwei, Hauptschule plus zwei und andere Schulformen auch. Es gibt mehr Pflichtstunden, und diese Pflichtstunden werden erteilt, meine Damen und Herren.
Zum ersten Mal seit vielen Jahren kann endlich der Unterricht stattfinden, der in den Stundentafeln dargestellt wird und auf den die Schüler einen Anspruch haben. Die 2 500 Lehrer, die wir zusätzlich eingestellt haben, sind alle noch da. Es wurde keiner von ihnen entlassen. Ich kann Ihnen auch sagen, dass in diesem Jahr alle freien Stellen wieder besetzt worden sind - zwar gestaffelt, aber sie sind besetzt worden - und dass 2005 alle frei werdenden Stellen auch wieder besetzt werden - zwar gestaffelt, aber sie werden besetzt.
Das ist wichtig, meine Damen und Herren, weil unsere jungen Leute, die eine Lehrerausbildung machen oder machen wollen, eine Perspektive haben müssen. Und die haben sie bei dieser Landesregierung.
Sie haben gesagt, der Herr Minister hat das Abitur an den KGSen klein geredet. Das stimmt gar nicht. Das hat er nicht getan. Er hat eine Vergleichssituation hergestellt. Selbstverständlich haben unsere Gesamtschulen eine Entwicklungsmöglichkeit. Meine Damen und Herren, wir haben in das Gesetz hineingeschrieben, dass sich diese Schulen pädagogisch und organisatorisch weiterentwickeln können. Die, die es in Anspruch nehmen wollten, haben es getan. Die KGS Neustadt haben eine gymnasiale Oberstufe bekommen. Aber sonst gibt es in diesem Land keinen einzigen Antrag auf Ausweitung einer KGS oder IGS. Es liegt nichts vor, obwohl die Möglichkeit besteht, meine Damen und Herren. Ich weiß auch, warum sie es nicht machen. Aber darüber können wir an anderer Stelle reden.
Herr Jüttner, es muss doch klar sein, dass wir eine Gleichwertigkeit bei der Unterrichtsversorgung herstellen mussten. Wir konnten die bei der Unterrichtsversorgung doch nicht um ein Drittel besser ausgestattet lassen. Warum haben sie sich denn beschwert, als ihnen etwas abgezogen worden ist? - Das ist doch ein Beweis dafür, dass sie wesentlich besser ausgestattet waren als alle anderen Schulen.
Herr Meinhold, wenn wir eine ordentliche vergleichbare Situation bei den Abschlüssen haben wollen, dann kann es nur funktionieren, wenn alle Schulen gleichgestellt sind.
Ich mache Ihnen an einem Beispiel klar, wie sich Ihre Unterrichtsversorgungsdiskussion und Ihre Manipulation der Zahlen, meine Damen und Herren, ausgewirkt haben. Ich habe ein Zeugnis vom vorletzten Halbjahr - das letzte Schulhalbjahr in Ihrer Regierungszeit - mitgebracht. Ich habe übrigens aus jedem Schuljahr ein solches Schulzeugnis dabei, Herr Voigtländer.
- Und immer wieder lese ich Ihnen das vor, damit klar wird, wie das damals ausgesehen hat. - Ein Bewerbungszeugnis einer Hauptschülerin: Geschichte - siehe Bemerkungen, Erdkunde - siehe Bemerkungen, Physik - siehe Bemerkungen, Chemie - siehe Bemerkungen, Biologie - nicht erteilt. „Nicht erteilt“ gibt es immer dann, wenn weniger als die Hälfte der Stunden überhaupt stattgefunden hat oder weniger als die Hälfte der Arbeiten geschrieben worden ist. Bei „siehe Bemerkungen“ steht: Wegen langfristiger Erkrankung der Lehrkraft kann keine Zensur erteilt werden. - Ein Bewerbungszeugnis aus dem letzten Schulhalbjahr in Ihrer Regierungszeit, und heute kommen Sie her und mahnen eine Unterrichtsversorgung an. Wir haben heute mit 81 000 Lehrerstellen im Schuldienst die größte Lehrerdichte, die es jemals in diesem Land gegeben hat, meine Damen und Herren. Nehmen Sie das doch einmal zu Kenntnis!
leicht aber auch als Beweis dafür, dass wir auf dem richtigen Weg sind -: Das sind die Ausgaben für den Schulbereich im Landeshaushalt in Prozent, gemessen am Gesamthaushalt. Ich meine, das sind unbestechliche Zahlen, die auch nicht interpretierbar sind. Im letzten Regierungsjahr der SPD lag dieser Anteil am Gesamthaushalt bei 15,4 %. Heute, im Jahre 2004, liegt dieser Anteil am Gesamthaushalt bei 17,09 %. Ich meine, das ist Überzeugung genug.
Nach dem, was Sie uns im Schulbereich hinterlassen haben, war es wirklich schwer, das Vertrauen der an Schule Beteiligten zurückzugewinnen. Ich glaube - ich bin mir noch nicht sicher -, dass, wenn sich das so langsam weiterentwickelt, wie sich das entwickelt hat, wir es geschafft haben, dieses Vertrauen zurückzugewinnen. Auf diesem Wege, meine Damen und Herren, werden wir weitermachen, weil wir das Wohl unserer Kinder im Auge haben. Das ist eine solch lohnende Aufgabe, in der man auch mit dem Herzen arbeiten kann, auch wenn Sie das nicht so gut finden.
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat die Abgeordnete Frau Korter das Wort. Ich erteile es ihr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Busemann, als ich Sie vorhin reden hörte, bekam ich eine ungefähre Vorstellung darüber, wie Sie wohl als Schüler gewesen sein könnten:
wahrscheinlich nicht super fleißig, aber durchaus talentiert. Mit den Hausaufgaben werden Sie sich, vermute ich, nicht lange aufgehalten haben. Die konnte man morgens bestimmt noch irgendwo abkupfern. Aber im Unterricht waren Sie bestimmt immer vorneweg; immer ein flotter Spruch drauf hoppla, jetzt komme ich. - So stelle ich mir das vor: Grenzenloses Selbstbewusstsein bei tendenzieller Ahnungslosigkeit.
Das alles fällt mir ein, wenn ich höre, wie Sie die neuen OECD-Erkenntnisse mal eben so nebenbei als langweilig und überflüssig bezeichnen. Dieses ewige Gequatsche der Wissenschaftler geht Ihnen auf den Keks. Es reicht Ihnen, Herr Busemann, wenn Sie wissen, dass morgens die Sonne aufgeht und vor den Sommerferien die Zeugnisse verteilt werden.
Als Herkules in gebügelten Jeans marschieren Sie heute durch die niedersächsische Schullandschaft. Dazu passt es, dass Sie die Abschaffung der OS in Niedersachsen mit einer Mondlandung vergleichen und am ersten Schultag im Kultusministerium ein Lagezentrum aufbauen, das diese Landung steuern und kontrollieren soll. Die wirkliche Landung, die Landung auf dem Boden der Realität, Herr Minister, werden wir und Sie in den nächsten Jahren erleben, wenn sich zeigt, wie viele Kinder im selektiven Schulsystem der CDU und der FDP scheitern.
Die Behauptung, die Abschaffung der Orientierungsstufe sei die größte Schulreform in der Geschichte Niedersachsens, ist nicht nur maßlos, sie zeugt auch von bedenklicher schulpolitischer Einfalt. Es kann doch nicht die Antwort auf PISA sein, zur Schulstruktur der 50er-Jahre des vorherigen Jahrhunderts zurückzukehren. Die PISA-Siegerländer haben diese Schulstruktur bereits vor Jahrzehnten abgeschafft. Mit der Rückkehr zu einer so antiquierten Schulstruktur wird Niedersachsen bei PISA niemals erfolgreich abschneiden. So kommen wir aus dem PISA-Tal nicht heraus, Herr Minister.
Meine Damen und Herren, der Ministerpräsident war kürzlich in Finnland. Er ist voller Begeisterung zurückgekommen und hat Finnland sogleich zum politischen Vorbild für Deutschland erklärt. Es wäre besser gewesen, Herr Ministerpräsident - nun ist er leider nicht da -, er hätte auch seinen Kultusminister mitgenommen und sie hätten sich gemeinsam
die Schulen in Finnland genauer angesehen. Dann hätten sie sehen können, wie man aus dem PISATal tatsächlich herauskommen kann.
- Frau Körtner, hören Sie doch erst mal zu. - Über den niedersächsischen Kurs in der Schulpolitik soll man sich in Finnland bei den dort Besuchten sehr kritisch geäußert haben. Aber darüber hat der Ministerpräsident lieber geschwiegen; davon hat er der Presse hier nichts erzählt. Man weiß ja auch aus anderen Quellen, was dort besprochen und geredet wurde.
Meine Damen und Herren, unserem Schulsystem hat PISA attestiert, dass es zu vielen Jugendlichen nur mangelhafte Kompetenzen vermittelt und bei zu wenigen Jugendlichen zu hohen Leistungen führt. Vor allem aber hat PISA gezeigt - das wissen Sie genau; das haben wir hier schon mehrfach debattiert -, dass die Selektion in deutschen Schulen so hoch ist wie in keinem anderen Land. Aber das scheint Sie nicht zu interessieren. Vielleicht ist es Ihnen ja recht so. Sortiert wird in unserem Schulsystem nicht wirklich nach Begabungen, wie Sie immer wieder behaupten, sondern sortiert wird letzen Endes bei uns nur nach der sozialen Herkunft.
- Ist Ihnen das neu? Darüber haben wir hier schon des Öfteren diskutiert. Hören Sie jetzt erst mal zu - hier muss ich nicht eine einzige Aussage von Herrn Baumert als Zitat herausnehmen -: Die Mehrheit der PISA-Forscher führt diese Selektivität eindeutig auf die frühe Verteilung der Kinder auf institutionell getrennte Bildungsgänge zurück.
(Karl-Heinz Klare [CDU]: Herrn Bau- mert würde ich an Ihrer Stelle nicht mehr zitieren, jedenfalls nicht mehr so oft!)
Was macht die schwarz-gelbe Landesregierung? Sie hebt nicht etwa die Selektion auf, sondern sie verschärft sie noch. Sie ignoriert penetrant alle wissenschaftlichen Erkenntnisse und verlegt die Trennung der Kinder noch weiter nach vorne, nämlich nach Klasse 4.
Mit dieser nur ideologisch begründeten Entscheidung, meine Damen und Herren von CDU und FDP, verschenken Sie wissentlich die Begabungsreserven niedersächsischer Schülerinnen und Schüler. Denn sie wissen genau, dass man nicht in der vierten Klasse sagen kann: Diese Begabung liegt vor, keine andere wird sich entwickeln. - Sie sortieren viel zu früh aus.
Deshalb ist Ihre Schulpolitik ohne jede Zukunftsfähigkeit. Sie ist angesichts der künftigen Herausforderungen, besonders vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung, zum Scheitern verurteilt. Die Eltern, Herr Minister, haben ja sehr deutlich gemacht, was sie von Ihrer Sortiererei halten.
Sie haben sich über die Schullaufbahnempfehlungen hinweggesetzt und ihre Kinder an einer höheren Schulform oder gleich an einer Gesamtschule angemeldet, um die Bildungschancen für ihre Kinder länger offen zu halten. Ein Drittel der Eltern, für deren Kind eine Hauptschule empfohlen war, hat sich geweigert, dieser Empfehlung zu folgen. Gleichzeitig ist an den Gymnasien ein Fünftel mehr Kinder angemeldet worden als empfohlen.