Die derzeitigen Regelungen in Niedersachsen und in Deutschland sind der Sache insgesamt aber nicht zuträglich, und zwar aus dem Grund, den Herr Jüttner vorhin angesprochen hat: Es geht um die Nähe zum Kind. - Uns geht es in dieser Frage darum, die Kinder nicht zu schädigen. Wir müssen verhindern, dass sie einem jahrelangen Frust ausgesetzt werden. Man muss sie schützen.
- Das hat mit Selektion überhaupt nichts zu tun. Das hat ausschließlich mit Hilfestellung für das Kind zu tun; nur mit Hilfestellung.
Das alles vor dem Hintergrund, dass die Durchlässigkeit gerade auch für Spätentwickler - wie dies in der Vergangenheit der Fall war - stets gewahrt bleiben sollte.
Da wir gerade beim Schulalltag und bei der Leistungsfähigkeit sind: Es gibt den so genannten 30 %-Erlass. Dieser Erlass besagt unter Ziffer 8 im Kern, dass Klassenarbeiten für den Fall, dass 30 % nicht mit mindestens „ausreichend“ bewertet werden können, der Schulleitung zur Genehmigung vorgelegt werden müssen. Herr Minister, dieser Erlass ist nicht leistungsfördernd. Im Gegenteil, Praktiker wissen, dass er in letzter Konsequenz das Niveau des Klassenverbandes drückt. Solche Erlasse sind auf dem Weg zur Qualitätsverbesserung in unseren Schulen ein Hindernis und damit abzuschaffen und durch die individuelle Förderung des Schwächeren zu ersetzen.
Ich glaube, ich weiß, wovon ich rede; denn ich habe in den letzten fünf Jahren meiner Schultätigkeit die Aufgabe des Vertrauenslehrers übernommen, übernehmen dürfen. Vertrauenslehrer werden von den Schülern ja gewählt. Ich berichte aus Erfahrung, dass sogar die Schüler nicht genau wissen, ob sie eine ausreichende, eine schwach ausreichende oder eine mangelhafte Leistung erbracht haben. Das führt zu Verunsicherung.
Ich begrüße ausdrücklich, dass der Minister in seiner Regierungserklärung die eigenverantwortliche Schule noch einmal betont hat. Wer sich mit den ProReKo-Schulen auskennt, der wird festgestellt haben, dass man es in diesen Schulen in aller Regel mit einem ausgesprochen hochmotivierten Lehrerkollegium zu tun hat. Ich bin davon überzeugt, dass das vor allem auch damit zu tun hat, dass die Lehrkräfte ihre Möglichkeiten in einem großzügig gesteckten Rahmen besser nutzen können, die ihnen anvertrauten Schülerinnen und Schüler individuell auf das Arbeitsleben vorzubereiten. Vor allem ist dort auch die auffallend enge Kooperation mit anderen Schulformen eine Bereicherung.
Eng verbunden sein wird mit der eigenverantwortlichen Schule natürlich auch die Ausgestaltung der Schulleiterposition. Aus unserer Sicht wird das Berufsbild des Schulleiters in Zukunft neu geschrieben werden müssen, um den entsprechenden Anforderungen insgesamt gerecht werden zu
können. Die Erfahrungen aus ProReKo müssen genutzt werden, um auch an den allgemein bildenden Schulen Erfolge zu verzeichnen.
Im Übrigen möchte ich in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt lassen, dass die Schulen in freier Trägerschaft in unserer Bildungslandschaft ein wesentlicher Bestandteil sind. Sie übernehmen Aufgaben, für die das Land zuständig wäre, wenn es sie nicht gäbe. Deshalb dürfen wir gerade diese Institutionen nicht kaputt sparen.
Ein weiterer Punkt liegt uns sehr am Herzen. Die FDP-Fraktion hat Anfang des Monats nicht ohne Grund in Burgdorf ein Hearing zum Thema „Gesundes Lernen“ durchgeführt, weil immer wieder zu Recht bemängelt wird, dass unsere Kinder bereits im frühen Entwicklungsstadium Übergewicht haben, meistens verursacht durch falsche Ernährung und mangelnde Bewegung. Die gesundheitlichen Auswirkungen sind verheerend, die Langzeitfolgen kaum abzusehen. Die Konzentration, die Leistungsfähigkeit in der Schule und damit die gesamten Entwicklungschancen leiden unter gesundheitlichen Beeinträchtigungen.
- Von wem bitte? - Die kam auf den Gedanken, als wir ihr das vorgelesen haben. So war das. Die kam viel zu spät damit.
Diese Kinder sind häufig dem Spott ihrer Mitschüler ausgesetzt. Die Folge ist: Sie fressen ihren Frust zusätzlich in sich hinein. - Frau Künast war übrigens nicht bei dem Hearing. - Beim Hearing wurde auch die mangelnde Bewegung deutlich angesprochen. Die Zeiten haben sich natürlich gewaltig verändert. Während die Kinder früher auf der Straße Fußball gespielt haben, ist heute häufig der Computer oder der Fernsehapparat der beste Freund.
Nachweislich sind die Kinder, die nicht früh die Freude an der Bewegung entdecken, später nur noch sehr spät dafür zu motivieren. Darum ist es wichtig, frühzeitig diese Freude an der Bewegung zu vermitteln.
Fazit: Sowohl in den Familien als auch in den Schulen muss das Gesundheitsbewusstsein wieder gestärkt werden. An die Familien können wir nur appellieren, Gesundheitserziehung wieder in ihren Alltag mit einzubeziehen. In den Schulen dagegen müssen wir in Zukunft Grundlagen schaffen, um entsprechende Erkenntnisse nicht nur im Unterricht zu vermitteln.
In dem gesamten Komplex Gesundheit, Bewegung und Ernährung sollten wir auch auf die PISA-Siegerländer schauen. Nachmittägliche Sportbetreuung in Kooperation mit Vereinen deckt den Bereich Bewegung ab. Die Gewöhnung an gesundes Essen durch schulische Begleitung, das Vermitteln von Alltagskompetenzen wie höflicher Umgang zum Beispiel - das können heute Erwachsene kaum - oder das Erlernen von Tischmanieren, - -
- - - aber auch die medizinische Begleitung durch die Schulen sind beispielsweise in Finnland vorbildlich. All das ist unabhängig vom Bildungssystem oder Schulstruktursystem möglich. Es kommt nicht darauf an, ob es sich um Gesamtschulen oder um ein gegliedertes System handelt.
Gerade wurde eine OECD-vorgelegt, die bisher kaum jemand gelesen hat, die aber viele schon ausführlich kommentiert haben. Als Kernaussage haben wir vernommen, dass die Deutschen zu wenig Geld in ihre Bildung gesteckt haben. Na, bravo. Das stimmt. Das sagen wir aber schon seit langer Zeit, das ist keine wesentlich neue Erkenntnis. Ich erwähne in diesem Zusammenhang nur 2,5 Milliarden Euro Zinsen und frage: Wie wollen wir angesichts dieser Tatsache die wirklich vorbildlichen Beispiele aus vielen anderen Ländern hier eigentlich umsetzen? Das berühmte Bild vom nackten Mann, der sich nicht in die Tasche fassen kann, wird hier deutlich.
Jeder kann sich also ausmalen - sogar diejenigen, die in der Schule mit Mathematik nichts am Hut gehabt haben -, was man tun könnte, ja, eigentlich tun müsste. Für uns sind finnische Verhältnisse in diesem Fall eher Zukunftsmusik, aber das Ziel müssen wir im Auge behalten.
Der nächste und letzte für uns wichtige Punkt ist die Schulverwaltungsreform. Auf dem Weg zu den Zielen, die ich hier formuliert habe, wird es entscheidend darauf ankommen, ob es gelingt, Schulinspektion, Beratung und Schulaufsicht als sich ergänzende Steuerungsinstrumente zur Verbesserung der Schul- und Unterrichtsqualität zu gewährleisten. Das kann nur funktionieren, wenn die äußeren Bedingungen stimmen. Im Bedarfsfall muss wechselseitige Information, Konsultation und Kooperation zeitnah und unbürokratisch möglich sein. Unabhängig von der Schaffung einer zentralen Verwaltungseinheit ist einer dezentralen Organisation der Schulinspektion aus Effektivitätsgründen und auch aus Kostengründen der Vorzug zu geben.
Man kann dabei unter anderem lange Wege vermeiden, eine gemeinsame Nutzung von Querschnittspersonal anstreben usw. Auf diese Art und Weise ist auch aus unserer Sicht das notwendige Einsparpotenzial zu erreichen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte noch einmal das sagen, was ich am Anfang betont habe: Wir haben einen richtigen Schritt in die richtige Richtung getan, aber es liegt noch eine Menge Arbeit vor uns. Ich wäre ausgesprochen dankbar, wenn insbesondere die Opposition ihren Beitrag dahin gehend leisten würde, dass sie uns zumindest ermöglicht, weiterarbeiten zu können, dass sie nicht in die Schulen geht und dort Stimmung macht, wie ich es leider zu oft erlebt habe.
Ich bitte Sie also, keine Stimmung zu machen, sondern uns die Chance zu lassen, vernünftig an dem, was wir begonnen haben, weiterzuarbeiten. Sie haben die Chance, zu dem Zeitpunkt, zu dem
wir die Ergebnisse unserer Reform vorlegen und beweisen müssen, was dabei heraus gekommen ist, Ihren Beitrag zu leisten. Ich hoffe, dass Sie zu dem Zeitpunkt all das werden zurücknehmen müssen, was Sie uns heute an Unsinn prognostizieren.
Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Somit sind wir am Ende der Besprechung der Regierungserklärung.
Meine Damen und Herren, wir setzen die Beratungen fort. - Bevor wir in der Tagesordnung fortfahren und ich Tagesordnungspunkt 3 aufrufe, gebe ich bekannt, dass sich die Fraktionen darauf verständigt haben, Tagesordnungspunkt 13 - Entwurf eines Niedersächsischen Hafensicherheitsgesetzes -, ursprünglich für Donnerstag, den 16. September 2004, 10.30 Uhr vorgesehen, unmittelbar nach Tagesordnungspunkt 11 zu behandeln. Ich bitte die Redner und Rednerinnen, sich darauf einzustellen.
Für die Aktuelle Stunde, meine Damen und Herren, liegen vier Beratungsgegenstände vor: a) Kahlschlag statt Konzept - Stratmann bei der Kulturförderung orientierungslos! -, b) Wirtschaft und Verbraucher in Niedersachsen unter Hochspannung - Energiepreise nicht weiter verteuern -, c) Verwaltungsreform der Landesregierung zwischen Gefälligkeitsgutachten und Ignoranz! - und d) Justiz als dritte Säule sichern - Für eine Justizreform ohne Tabus!
Ich möchte darauf aufmerksam machen, dass insgesamt für die Aktuelle Stunde 80 Minuten Redezeit zur Verfügung stehen, die gleichmäßig auf die vier Fraktionen aufgeteilt sind, d. h. jede Frakti
on kann über höchstens 20 Minuten Redezeit verfügen. Wenn mehrere Themen zur Aktuellen Stunde vorliegen, so wie das heute der Fall ist, bleibt es jeder Fraktion überlassen, wie sie ihre 20 Minuten für die einzelnen Themen verwendet. Jeder Redebeitrag - das gilt auch für die Mitglieder der Landesregierung - darf höchstens fünf Minuten dauern. Nach vier Minuten Redezeit werde ich durch ein Klingelzeichen darauf hinweisen, dass die letzte Minute der Redezeit läuft. Erklärungen und Reden - das kennen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen - dürfen nicht verlesen werden. Ich rufe damit auf
a) Kahlschlag statt Konzept - Stratmann bei der Kulturförderung orientierungslos! Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/1284