Protokoll der Sitzung vom 27.10.2004

Seit mehr als 19 Monaten ist die CDU/FDP-Landesregierung im Amt. Wir haben damals einen überzeugenden Wahlsieg errungen. Wir waren erschüttert darüber, in welchem Zustand wir das Land vorgefunden haben. Wir wussten, dass es finanzpolitisch schlimm werden würde, aber das ganze Ausmaß der Katastrophe ist uns in der Tat erst in den Wochen nach dem Regierungswechsel deutlich geworden.

Die SPD hat in 13 Regierungsjahren in Niedersachsen den gigantischen Betrag von 23 Milliarden Euro an neuen Schulden aufgehäuft. So betrug unser Schuldenberg am Tag der Regierungsübernahme 43 Milliarden Euro. Allein für diesen Schuldenberg zahlen wir 2,5 Milliarden Euro Zinsen. 2,5 Milliarden Euro Zinsen für alte Kredite - das ist mehr als der gesamte Sozialhaushalt des Landes Niedersachsen. Das ist das eigentlich Unsoziale an Ihrer Politik.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir als neue bürgerliche Mehrheit in diesem Hause zahlen auch die Zeche dafür, dass Sie während Ihrer Regierungszeit nicht Maß halten konnten. 11 % aller Ausgaben des Landes oder täglich fast 7 Millionen Euro Zinsen - das sind die eigentlichen Lasten, die wir jetzt zu schultern haben.

Die Verschuldung liegt in diesen Minuten bei 46,99 Milliarden Euro. Ich habe mich vorhin noch einmal bei der Schuldenuhr bei uns im Fraktionssaal vergewissert. Damit ist die Verschuldung mehr als doppelt so hoch wie das gesamte Haushaltsvolumen, das wir zu beraten haben. Die Verschuldung ist übrigens doppelt so hoch wie 1990, als das Unheil seinen Lauf nahm und ein gewisser Gerhard Schröder zum Niedersächsischen Ministerpräsidenten gewählt wurde. Das Haushaltsdefizit hat sich unter Schröder, Glogowski und Gabriel zwischen 1990 und 2003 mehr als verdreifacht. Besonders in den letzten beiden Jahren Ihrer Regierungszeit, Herr Gabriel, ist das Haushaltsdefizit sprunghaft angestiegen. Im Jahre 2002 wies der niedersächsische Landeshaushalt mit einem Defizit von rund 17 % der Gesamtausgaben den

höchsten negativen Finanzierungssaldo unter den westdeutschen Flächenländern aus. Wir haben mittlerweile die rote Laterne abgegeben; hinter uns liegen Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen. So viel zu rot-grüner Finanzpolitik, Herr Kollege Wenzel, die Sie neulich zu Recht kritisiert haben.

Unsere Einnahmesituation hat sich deutlich verschlechtert. Nach der mittelfristigen Finanzplanung von 2002, also noch zu Ihrer Regierungszeit, hätten wir im kommenden Jahr 2,6 Milliarden Euro mehr einnehmen sollen, als wir heute erwarten können. Allein durch die Stagnation der letzten Jahre wird Niedersachsen in diesem Jahr bis zu 1,5 Milliarden Euro weniger Steuereinnahmen als im Jahr 2000 verzeichnen. Das entspricht rund 125 Millionen Euro im Monat.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! All diese Zahlen zeigen, wie schwierig die Lage ist und unter welchen schweren Vorzeichen die Konsolidierung der Landesfinanzen steht. Diese Zahlen machen aber auch deutlich, dass es tatsächlich eine Minute vor Zwölf ist und dass es zwingend notwendig ist, die Konsolidierung der Landesfinanzen jetzt endlich anzugehen; denn trotz gestiegener Ausgaben werden die Einnahmen 2005 aus Steuern, Länderfinanzausgleich und Bundesergänzungszuweisungen - der Finanzminister hat darauf hingewiesen - nicht einmal das Einnahmeniveau des Jahres 1998 erreichen.

(Vizepräsidentin Astrid Vockert übernimmt den Vorsitz)

Meine Damen und Herren, wir beraten diesen Landeshaushalt auch in Zeiten der schlimmsten und schwierigsten Wirtschaftskrise der Bundesrepublik Deutschland. Letzten Donnerstag hat der Bundestag das Nachtragshaushaltsgesetz 2004 in erster Lesung beraten. Hans Eichel musste den höchsten Schuldenberg der Bundesrepublik zugeben. Er hatte schon zu Beginn des Haushaltsjahres bei der horrenden Neuverschuldung von 29,3 Milliarden Euro nicht richtig gerechnet. Hans Eichel musste noch einmal 14,4 Milliarden Euro zusätzliche Schulden aufnehmen und erreicht damit in Berlin die noch nie dagewesene Neuverschuldung von insgesamt 43,7 Milliarden Euro. Solch einen katastrophalen Haushalt hat es noch nicht einmal bei der Finanzierung der deutschen Einheit gegeben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, wir haben die Bundestagsdebatte mit Interesse beobachtet. Das war ein schwarzer Donnerstag für die deutsche Finanzpolitik, und es war vor allem auch ein schwarzer Donnerstag für die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes Niedersachsen, die als Steuerzahler diesen Betrag später wieder aufbringen müssen, wenn die Schulden und die Zinsen zu begleichen sind. Das ist die eigentliche Ungerechtigkeit der Politik von Hans Eichel in Berlin.

Meine Damen und Herren, wir sind in tiefer Sorge darüber, was in Berlin passiert. Jahr für Jahr zeigt sich Rot-Grün überrascht davon, dass ihre zu guten Zahlen im Haushalt auch nicht im Ansatz zutreffen, und gleichen sie das mit Schulden aus, weil sie falsch vermutet haben. In diesem Jahr wird die Bundesregierung mit Finanzminister Hans Eichel 25 Milliarden Euro mehr ausgeben als zur Zeit des Regierungswechsels 1998. Diese Zahlen zeigen deutlich: Das ist nun wirklich das Gegenteil von Bescheidenheit, Augenmaß und Haushaltskonsolidierung. Das ist einfach, aber es ist unverantwortlich, was in Berlin passiert.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Eichel sagt, Deutschland sei angeblich von einer weltwirtschaftlichen Abkühlung betroffen. Tatsache ist aber, dass die Weltwirtschaft steigt, und zwar so stark wie seit 25 Jahren nicht mehr. Unser Problem ist nur, dass die Wirtschaft in Deutschland nicht wächst.

Es muss einen Grund dafür geben, warum bestimmte Länder in Europa und warum Nordamerika erfolgreich ist und warum andere Länder, beispielsweise Deutschland, am Ende der Tabelle stehen. Trotz Globalisierung, trotz Internationalisierung, trotz des 11. September und trotz allem, was wir in der industrialisierten westlichen Welt zu verarbeiten haben, muss es Unterschiede geben. Und der wesentliche Unterschied ist nun einmal die wirtschafts- und wachstumsfeindliche Politik von Rot-Grün, die die Menschen in Deutschland mit der höchsten Arbeitslosigkeit bezahlen müssen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die Berliner müssen endlich begreifen, dass Konsolidierung und Überschüsse in den staatlichen Haushalten wirtschaftliches Wachstum fördern, Schulden aber den wirtschaftlichen Abstieg erzeugen und zusätzlich verstärken. Stefan Wenzel als Vorsitzender der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat kürzlich in der HAZ die Schulden von Rot-Grün

in Berlin als unverantwortlich hoch bezeichnet. Da muss ich sagen: Wo Wenzel Recht hat, hat er Recht.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir wünschen uns im Interesse unseres Landes eine erfolgreichere Bundesregierung. Erfolgreich ist die Bundesregierung nämlich leider nicht. Ohne dieses Land schlecht reden zu wollen: Die Lage in Deutschland ist dramatisch. Die Unternehmensinsolvenzen werden im Jahr 2004 mit 40 000 bis 42 000 ihren vorläufigen Höchststand erreichen. Dabei treffen die meisten Insolvenzen den Mittelstand. Der Mittelstand stirbt leise in Deutschland. Spektakuläre Sanierungsfälle wie Opel oder Karstadt sind nur Beispiele für die Gesamtkrise, in der sich Deutschland seit mehreren Jahren befindet. Diese Krise verdeutlicht die anhaltenden strukturellen Defizite des Wirtschaftsstandortes Deutschland mit allem Nachdruck. Es besteht flächendeckend die Gefahr, dass weitere Fälle folgen.

Erst kürzlich haben wir eine weitere Hiobsbotschaft zur Kenntnis nehmen müssen. Im Standortranking von 21 Industrienationen der Bertelsmann-Stiftung konnte Deutschland leider nur den 21. und damit letzten Platz belegen: Arbeitsmarktperformance ungenügend, Wachstumsentwicklung mangelhaft. Das ist eine Katastrophe. Professor Heribert Meffert, der Vorsitzende des Präsidiums der Bertelsmann-Stiftung, erklärte zu den Ergebnissen dieser Studie wörtlich:

„Deutschland muss seine Reformbemühungen deutlich verstärken, um nicht langfristig den Anschluss zu verlieren.“

Ein weiteres wörtliches Zitat:

„Seit dem Jahr 2000 herrscht in Deutschland absolute Flaute bei Wachstum und Beschäftigung.“

Ein vernichtenderes Zeugnis kann man der rotgrünen Bundesregierung kaum erteilen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Natürlich sind von diesem wirtschaftspolitischen Versagen der Bundesregierung auch wir in Niedersachsen betroffen. Die auf Bundesebene verursachten Steuerausfälle betreffen uns auch in den Ländern. Deshalb haben wir in den Ländern natürlich auch ein Einnahmeproblem. Nun gibt es aber

zwei Möglichkeiten, um dieses Einnahmeproblem zu bekämpfen. Die eine Möglichkeit besteht in dem Weg, den insbesondere Sie von der SPD und zum Teil auch Sie von den Grünen gehen wollen, nämlich immer neue, immer zusätzliche Steuern zu fordern und zu erfinden. Stichwort „Vermögensteuer“. Herr Kollege Gabriel, Sie sollen ja der erste Vorsitzende des Fanclubs der Vermögensteuer sein. So haben Sie sich ja selbst bezeichnet.

(Sigmar Gabriel [SPD]: Sie jetzt ja auch, wie ich gelesen habe! Sie sind mit 11,9 % ja noch schlimmer als ich!)

Sie wollen die Erbschaftsteuer verändern. Sie wollen anderes machen. Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen: Das ist Etikettenschwindel, und zwar allein schon deshalb, weil all das für den Wirtschaftsstandort Deutschland kontraproduktiv ist. Sie tragen mit Ihren endlosen zusätzlichen Steuern, die Sie in die Debatten bringen, zur Verunsicherung der Menschen und der Betriebe im Lande bei und schrecken ausländische Investoren ab.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Im Kern geht es also um den fundamentalen Unterschied zwischen der linken und der rechten und mittleren Hälfte dieses Hauses. Man kann den immer kleiner werdenden Kuchen mit neuen Steuern immer mehr zerschneiden oder aber durch mehr Wachstum wieder größer werden lassen, damit dann alle miteinander mehr davon haben. Wachstum ist der Weg zur Sanierung des Staatshaushalts, nicht aber zusätzliche Steuern und Abgaben, wie Sie sie verfolgen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Nun hatten der Ministerpräsident und der Finanzminister zu Beginn der Haushaltsberatungen drei Alternativen zur Verfügung, welchen Weg sie gehen: Entweder erstens die Einnahmen zu erhöhen, zweitens zusätzliche Schulden machen oder drittens die Ausgaben zu kürzen.

Ja, wir haben versucht, die Einnahmen in Teilen zu erhöhen. Ja, wir machen auch im Jahr 2005 2,15 Milliarden Euro zusätzliche Schulden. Nach meiner Auffassung als jüngerem Politiker sind das 2,15 Milliarden Euro Schulden zu viel; der Weg zur Absenkung der Nettokreditaufnahme ist aber schwierig. Oder wir gehen - wie wir dies schwerpunktmäßig tun - den dritten Weg und senken die Ausgaben.

Wir alle miteinander wissen - die 91 Abgeordneten der CDU-Fraktion, die 15 Abgeordneten der FDPFraktion und die Mitglieder der Landesregierung -, dass dieser dritte Weg der schwierigste Weg ist. Aber er ist letztlich der richtige Weg, weil er ohne Alternative ist. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland gibt uns in seinem letzten Jahresgutachten Recht. Ich zitiere erstens:

„Es gibt keine Alternative zu einer entschlossenen Konsolidierung der öffentlichen Haushalte.“

Und zweitens:

„Die Konsolidierungen durch Ausgabenkürzungen sind erfahrungsgemäß nachhaltiger als solche über Einnahmeerhöhungen.“

Deshalb, meine Damen und Herren, musste die Landesregierung zur Konsolidierung der Landesfinanzen zunächst eine unbeschreiblich große Deckungslücke in Höhe von mehr als 4 Milliarden Euro schließen. Für uns war von vornherein klar, dass wir diesen gewaltigen Fehlbetrag allein durch neue Kredite nicht ausgleichen können und wollen, weil wir das nicht für verantwortbar halten. Die Landesregierung ist deshalb zweimal in Klausur gegangen. Sie hat - vor allem in Ostenholz Ende Juni 2004 - beschlossen, Kürzungen und Einnahmeverbesserungen in Höhe von rund 1,9 Milliarden Euro vorzunehmen, Maßnahmen, die für die Beschäftigten, die Verbände und viele andere im Lande insgesamt sehr schmerzhaft sind.

Aber trotz aller schmerzlichen Einschnitte - in diesem Punkt gebe ich Herrn Möhrmann Recht schaffen wir es nach wie vor nicht, für 2005 einen verfassungskonformen Haushalt zu beschließen. Wir werden immer noch 2,15 Milliarden Euro Schulden und damit 650 Millionen Euro mehr Schulden machen, als es die Verfassung eigentlich zulässt. Das ist die bittere Lage unserer Landesfinanzen.

Trotzdem setzen Union und FDP ihren Konsolidierungskurs fest entschlossen fort. Mit diesem Haushalt gehen wir einen weiteren Schritt auf unserem Weg zur vollständigen Gesundung der Landesfinanzen, weil wir den Haushalt perspektivisch verbessern. Christian Wulff hat zu Recht gesagt: Es ist die Eigernordwand, die wir zu nehmen haben; diese Wand, die wir zu besteigen haben, ist ausgesprochen anspruchsvoll. Aber wir tun dies

deshalb, weil wir den Menschen auch in zehn Jahren noch in die Augen sehen wollen; denn Schulden von heute sind immer Zinsen von morgen und damit Steuern und Abgaben von übermorgen. Wir können davon schon jetzt ein Lied singen: 2,5 Milliarden Euro Zinsen pro Jahr, 7 Millionen Euro Zinsen pro Tag. Es ist Ihre schwere Hypothek, die wir zu bewältigen haben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Deshalb darf ich darauf hinweisen - und das tue ich mit besonderem Stolz -, dass Niedersachsen das einzige Bundesland ist, das seine Nettokreditaufnahme jetzt zum dritten Mal in Folge absenken wird, nämlich um 350 Millionen Euro. Deshalb ist unser finanzpolitischer Kurs bundesweit vorbildlich.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Dank Hartmut Möllring, dank des Ministerpräsidenten und der Kabinettsmitglieder und dank der Mehrheit in diesem Hause wird Niedersachsen damit auch wieder den Vereinbarungen des Finanzplanungsrates entsprechen. Niedersachsen wird nicht nur unter der vereinbarten Ausgabensteigerung von 1 % bleiben, sondern die Ausgaben insgesamt sogar um 3 % reduzieren. Niedersachsen erfüllt damit seine gesamtstaatlichen Verpflichtungen im Rahmen des nationalen Stabilitätspaktes. Die Bundesländer haben ihre zugesagten Beiträge zur Erhaltung des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes durch erhebliche Einsparanstrengungen und -erfolge erfüllt. Der eigentliche Skandal ist, dass das der Bundesfinanzminister Hans Eichel nicht tut. Das ist sein eigentliches Versagen, was wir zu Recht und in aller Schärfe kritisieren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, nun hat die Landesregierung nicht nur diesen Haushalt, sondern gleichzeitig auch die mittelfristige Finanzplanung für die Jahre 2004 bis 2008 beschlossen. Der Finanzminister hat sie gestern vorgestellt. Damit bekräftigt die Landesregierung ihre Zielsetzung, die Nettokreditaufnahme auch in den nächsten Jahren jährlich um 350 Millionen Euro abzusenken.

Wir alle miteinander wissen, welch schwieriger Weg vor uns liegt. Wir wissen auch, dass es kurzfristig unpopulär sein wird, diesen Weg weiter zu gehen. Wir sind aber fest entschlossen, das zu tun, denn es kommt nicht auf das an, was kurzfristig populär ist, sondern wir müssen mittel- und lang