Protokoll der Sitzung vom 28.10.2004

Wir haben seitens des Kultusministeriums diese umfangreiche Antwort vorgelegt. Meine Damen und Herren, darin steckt eine Menge Arbeit. Die Anfrage wurde hier am 23. Juni gestellt, sozusagen zum Auslauf des alten Schuljahres vor der Sommerpause. Ich will Ihnen ganz offen sagen: Es musste im Kultusministerium richtig geschuftet werden, um dieses Werk fertig zu stellen. Ich kann mich bei unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nur dafür bedanken,

(Beifall bei allen Fraktionen)

dass sie das gemacht haben, dass sie das geschafft haben. Auch abseits von politischen Debatten ist es sehr lohnend, da hineinzugucken, weil man dann das Innenleben des Schulwesens in Niedersachsen ergründen und verstehen kann. Es ist besonders schmerzhaft für den Minister und gerade für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, wenn dann hier Reden abgeliefert werden, die eigentlich deutlich machen: Es interessiert gar nicht, was darin steht, hier wird nur Stimmung gemacht.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Noch eines zu diesem Schlenker, Herr Poppe, wir seien damit etwas spät um die Ecke gekommen. Sie haben die Große Anfrage am 23. Juni gestellt. Wir waren zum Beginn des September-Plenums im Prinzip mit der Bearbeitung fertig. Sie haben es aber im Ausschuss für richtig gehalten, es um einen Monat nach hinten zu vertagen.

(Widerspruch bei der SPD - David McAllister [CDU]: Richtig, im Ältesten- rat!)

- Im Ältestenrat war es ja wohl. Wir hätten das im September mit der Datenlage September vorlegen können. Wir haben es heute auch fertig mit einer Datenlage, die sogar noch etwas günstiger ist - das werden Sie gleich vernehmen -, nämlich mit der Datenlage zum Ende des Monats Oktober. Das muss in diesem Zusammenhang auch einmal klargestellt werden.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Das war nicht vollständig beantwortet!)

Meine Damen und Herren, es geht inhaltlich um die Auswirkungen der Schulstrukturänderungen. In der Antwort steckt vieles drin. Gestatten Sie mir deshalb, dass ich mich jetzt auf den einen oder anderen Schwerpunkt einlasse.

Der Reformzug, meine Damen und Herren - Schuljahresbeginn war am 19. August -, ist pünktlich abgefahren. Es war auch für außenstehende Beobachter eine Herkulesaufgabe, diese Schulstrukturreform umzusetzen. Wir dürfen feststellen: Sie ist mit Erfolg gelöst worden. Die Signale und Weichen sind verlässlich auf Vorfahrt für mehr Bildungsqualität gestellt. Der Bildungsgang der Schülerinnen und Schüler wird nicht mehr durch die Orientierungsstufe zerstückelt. Der nun verlängerte Bildungsgang an Hauptschule, Realschule und Gymnasium stärkt die Ausbildungsqualität dieser Schulformen und ermöglicht dann auch noch das Abitur am Gymnasium nach zwölf Schuljahren. So gesehen fährt der Zug auch mit guten Rahmenbedingungen, auch wenn Ihnen das nicht gefällt. Wir werden das gleich noch einmal vertiefen.

Ich darf dem Parlament sagen, dass zur Stunde die Unterrichtsversorgung in Niedersachsen bei 100,8 % liegt. Das hatten wir noch nie.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Lachen bei der SPD - Wolfgang Jütt- ner [SPD]: So dreist ist noch nie mit Zahlen umgegangen worden; das ist wahr!)

- Anno Tobak. In Ihren letzten Regierungsjahren jedenfalls war das nicht der Fall.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: So dreist ist noch nie mit Zahlen umgegangen worden! Das ist wahr!)

- Ja, passen Sie auf.

Meine Damen und Herren, die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen haben mit der Schulstrukturreform verlässlich und konsequent eben das umgesetzt, was den Wählerinnen und Wählern vor der Wahl vorgestellt worden ist und was das Parlament im Grunde genommen auch gewollt und beschlossen hat. Kaum jemals zuvor haben eine Landesregierung und ein Kultusminister - so sage ich einmal für mich persönlich - die geplanten Vorhaben mit so großer Transparenz

offen gelegt. Alle Maßnahmen und Entscheidungen, die in einem Zusammenhang mit der Schulstrukturreform standen und stehen, sind dem Parlament und der Öffentlichkeit von mir frühzeitig dargelegt worden. Es wurde nichts beschönigt, und es wurde nichts verschwiegen. Das gilt auch für die wegen der notwendigen Sparmaßnahmen getroffenen Entscheidungen, die bei den Betroffenen bekanntlich keine Jubelstürme ausgelöst haben.

Das eben Gesagte gilt insbesondere auch für die Unterrichtsversorgung. Ich sage Ihnen ganz offen: Herr Landesvorsitzender Jüttner, geben Sie es an Ihren Fraktionsvorsitzenden weiter, der heute wieder nicht anwesend ist - zumindest nicht bei diesem wichtigen Debattenteil.

(David McAllister [CDU]: Der ist doch nie da!)

Es ist ein Stück aus dem Tollhaus, wenn sich Herr Gabriel in der letzten Woche in einer Pressekonferenz hinsetzt und mal eben so aus der Hüfte heraus sagt: Busemann ist ein politischer Trickbetrüger. Busemann manipuliert sogar die Mathematik und all diese Dinge. - Dazu kann ich nur sagen: Bevor er mit uns über Schule diskutiert, sollte er sich zunächst einmal eine schulfähige Wortwahl angewöhnen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Hier ist der Ort, solche Dinge inhaltlich auszutauschen. Er kann austeilen, ich kann einstecken. Aber auch umgekehrt. Er muss jedoch auch einmal anwesend sein, wenn über diese Fragen debattiert wird. Nicht aber immer nur so nebenbei, weil es da pressemäßig gerade mal eine Lücke gibt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - David McAllister [CDU]: Der ist in Goslar!)

- In Gottes Namen mag auch in Goslar für ihn etwas zu tun sein. Wie auch immer.

Ich frage mich wirklich, was in den Oppositionsführer gefahren ist. Hat er seine verkorkste Förderstufe noch nicht verdaut? Ist er noch nicht damit fertig geworden, dass wir die 700 von Ihnen finanziell nicht abgesicherten November-Lehrer zur Zufriedenheit aller geregelt haben? Oder geht es um die 2 500 zusätzlichen Lehrkräfte? Die will man ja auf Ihrer Seite nicht wahrhaben. Das sei sogar falsch und, und, und. Wir können nur sagen: Es ist

ein großer Erfolg dieser Regierung, dies hinbekommen zu haben. Das gereicht dem ganzen Schulwesen außerordentlich zum Erfolg und sorgt auch für eine vernünftige Unterrichtsversorgung.

Herr Gabriel hat - darauf kann man aber nicht im Einzelnen eingehen - in der letzten Woche Zahlenspielereien gemacht, die ich nur unter großer Mühe nachvollziehen kann. Ich will hier klarstellen, dass die maßgebliche Kennzahl für den Grad der Unterrichtsversorgung die Zahl der Lehrer-Ist-Stunden pro Schüler ist. Dieser Wert betrug am 15. August 2002 - seinerzeit regierte die linke Seite des Hauses noch - 1,397. Am 2. September 2004 lag dieser Wert aber bei 1,414, mittlerweile sogar noch einen Tick höher. Der Wert ist also eindeutig höher. Man kann es für Laien auch viel einfacher ausdrücken. Wir haben zusätzlich 2 500 Lehrerstellen geschaffen und auch besetzt. Man wird mir bestätigen, dass wir die Arbeitszeit für die Lehrerinnen und Lehrer in den letzten Monaten nicht gekürzt haben. Also können sich die zusätzlichen Lehrerstellen nur in mehr Unterricht bewirkt haben.

(Walter Meinhold [SPD]: Nein!)

- Selbstverständlich! Unterrichtsversorgung, Herr Meinhold.

Meine Damen und Herren, der Landesrechnungshof und der Ausschuss für Haushalt und Finanzen - Herr Möhrmann, der eben noch da war, im Moment aber nicht mehr da ist, war doch der Stimmführer der Sozialdemokraten - haben Ende 2002 für die Berechnung der Unterrichtsversorgung ein transparentes Verfahren gefordert. Diese Forderung war schon an die Vorgängerregierung gerichtet worden. Wir aber waren es schließlich, die diese Forderung erfüllt haben. Es war ein ganz einfaches, transparentes und für jedermann nachvollziehbares System gefordert worden. Man sagt: Die Basis sind die Erlasse, die Stundentafel ist entsprechend zu beachten, pro Klasse zwei Stunden oben drauf, so genannte Poolstunden oder wie immer man das nennt. Das entspricht 100 % Unterrichtsversorgung. Jedermann kann jetzt nachvollziehen, ob die Unterrichtsversorgung 100 % beträgt oder nicht. Wir haben in diesen Tagen 108,8 %.

Bereits im November des letzten Jahres - von wegen, wer da trickst, manipuliert und all diese Vorwürfe - habe ich öffentlich alle Maßnahmen vorgestellt, die der Sicherung der Unterrichtsversorgung dienen. Dabei habe ich die Erhöhung der Klassen

obergrenzen an den Realschulen und an den Gymnasien um jeweils zwei Schüler ebenso angesprochen wie die Senkung der Klassenobergrenze an der Hauptschule um zwei Schüler. Die Senkung der Klassenobergrenze an der Hauptschule hat zu 196 zusätzlichen Hauptschulklassen geführt, wie hier schon gesagt worden ist.

(Claus Peter Poppe [SPD]: Nee!)

- Herr Poppe, Mathematiklehrer.

(Claus Peter Poppe [SPD]: Nein!)

- Nein? Steht aber im Landtagshandbuch. Fach Mathematik.

(Zurufe von der SPD)

- Gut. - Die durchschnittliche Klassenfrequenz in den Schuljahrgängen 5 bis 7 beträgt jetzt 18,7 Schüler. Ein Lob Ihrerseits klang ja so ein bisschen durch, und es hörte sich so an, dass Sie die Verbesserungen an den Hauptschulen durchaus goutieren wollen. Wenn Sie dann sagen, dass in diesem Absenkungsbereich von 28 auf 26 Schülerinnen und Schüler nur noch 16 Klassen unterwegs seien, dann spricht das doch für unsere Verbesserungen und für die Vergünstigung des Wertes in Richtung des Schnittes von 18,7 Schülerinnen und Schüler. Das sind gute Bedingungen für die Schülerinnen und Schüler an den Hauptschulen, die bei ihrem Lernprozess und bei ihrer Persönlichkeitsentwicklung - darüber sind wir uns wohl einig - eine besondere Unterstützung brauchen.

Seinerzeit hatte ich auch die Finanzierung der Erhöhung der Zahl der Pflichtstunden an den Grund-, Haupt- und Realschulen mit Lehrerstunden erläutert. Ebenso hatte ich die Verringerung bei den Anrechnungs- und Ermäßigungsstunden für die Lehrkräfte nicht verschwiegen, weil mir gerade bei ungeliebten Entscheidungen an Transparenz liegt. Ich habe ganz offen gesagt, dass ich an die Entlastungsstunden der Lehrerschaft herangehen werde. Wie gesagt: Man ist dann nicht beliebt, aber jedermann wusste, was erlassmäßig folgen würde. Deshalb wäre ich dankbar, wenn sich Herr Gabriel über das, was wir angekündigt und umgesetzt haben, kundig machen würde. Dann würde er zu einer solchen Wortwahl nicht mehr greifen.

Meine Damen und Herren, über den freien Elternwillen bei der Wahl der Schulform und im Zusammenhang damit über die Frage der Übergänge werden wir morgen diskutieren. Darauf freue ich

mich. Deshalb an dieser Stelle nur eine Anmerkung: Empfehlungen und Wahlverhalten liegen in der Bandbreite des Erwarteten. Ich gehe davon aus, dass sich die vorhandenen Unwuchten durch die eingeleiteten Maßnahmen zur Optimierung des Beratungsverfahrens sowie durch die verstärkte Elterninformation noch glätten werden. Man darf aber festhalten: Der Elternwille hat in Niedersachsen in der Tat einen besonders hohen Stellenwert. Dieses Schulgesetz ist das elternfreundlichste Schulgesetz weit und breit. Ich möchte nicht in jedes einzelne Bundesland hineinblenden. Aber weit und breit ist es so.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Wolfgang Jüttner [SPD]: Und aller Zeiten!)

- Möglicherweise sogar aller Zeiten. Ein Kompliment von Ihrer Seite. Wenn Sie es sagen, dann werden Sie Recht haben.

Und dann zu Modellen wie Einheitsschule und Regionalschule. Ich glaube, auf diesem Feld sind Sie die schlechtesten Anwälte. Dazu wollen wir uns aber morgen austauschen.

Meine Damen und Herren, viele Schulträger haben das Aus für die von der Vorgängerregierung gesetzlich installierte Förderstufe und das Ende der jahrzehntelangen Schulstrukturdebatte abgewartet, bevor sie eine seit längerem geplante Optimierung ihres örtlichen Schulangebots umgesetzt haben. Manche aber haben auch mit Sanierungsmaßnahmen gewartet. Es gab jahrelange Strukturdiskussionen bei der Vorgängerregierung. Niemand wusste, wie es überhaupt wird. Deshalb hat man auch mit ganz normalen Sanierungsmaßnahmen gewartet und setzt diese jetzt um, nachdem wir Verlässlichkeit geschaffen haben.

Mit der Verabschiedung des Gesetzes zur Verbesserung von Bildungsqualität und zur Sicherung von Schulstandorten im Juni letzten Jahres haben die Schulträger endlich wieder Planungssicherheit bekommen. Interessant ist, dass kein Schulträger von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, die Orientierungsstufe erst ein Schuljahr später aufzuheben. Das war ja möglich. Wenn die Orientierungsstufe nun so ein dolles Ding gewesen wäre, hätte sich so mancher bestimmt noch ein Jahr länger daran geklammert. Das hat aber kein Schulträger getan. Nach meinem Kenntnisstand hat dies auch kein Schulträger ernsthaft überlegt.

Die anderen Möglichkeiten, die das neue Schulgesetz den Schulträgern bietet, wurden hingegen vielfältig dazu genutzt, das örtliche Schulangebot zu verbessern und zu erweitern. So wurden bislang vier Hauptschulen, elf Realschulen und elf Gymnasien neu errichtet. Weitere werden zum nächsten Schuljahr hinzukommen. Außerdem wurden 30 neue Schulzweige eingerichtet. Das ist unabhängig von der Schulstrukturreform geschehen, ist jedoch im Zusammenhang mit der bildungspolitischen Aufbruchstimmung zu sehen, die seit Verabschiedung des Gesetzes im vergangenen Jahr zu spüren ist. Insbesondere auch im Gymnasialwesen ist das so.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Das glauben Sie doch selber nicht!)

Was Sie in den Jahren Ihrer Regierungszeit angeboten haben, war eine durchschnittliche Abiturquote von 21 %. Das war ein beschämender Wert. Dass wir jetzt hin zu besseren Werten unterwegs sind, sollten Sie bei dieser Gelegenheit auch einmal registrieren und zugestehen.

Mit der Überplanung ihrer Schullandschaft haben viele Schulträger durch Ausweitung und Verbesserung des örtlichen Bildungsangebots einen wichtigen Standortfaktor gestärkt. Das Bildungsangebot wurde weiter in die Fläche getragen. Gewinner dabei ist - das darf man ganz offen sagen und wird auch überall so gesehen - der ländliche Raum. Die Verordnung zur Schulentwicklungsplanung hat den Schulträgern die Möglichkeit eröffnet, Teile von Schulen räumlich getrennt in Außenstellen unterzubringen, um die Weiterbenutzung vorhandener Räume zu ermöglichen. Die 226 eingerichteten Außenstellen zeigen, dass viele Schulträger von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht haben. Andere hingegen haben etwa unter bewusstem Verzicht auf die Möglichkeit der Nutzung vorhandener Räumlichkeiten Neu- oder Anbauten geplant und in Auftrag gegeben.

Zum Raumbedarf ist erneut grundsätzlich anzumerken: Die Zahl der Schülerinnen und Schüler und die Zahl der Räume sind durch die Reform nicht verändert worden. Außerdem wird der Raumbedarf durch den mittelfristigen Wegfall des 13. Schuljahres an Gymnasien und aufgrund sinkender Schülerzahlen rückläufig sein. Zusätzlicher Raumbedarf ist in der Regel nur dann entstanden, wenn die kommunalen Schulträger ihr Bildungsangebot eigenverantwortlich erweitert haben.