Meine Damen und Herren, noch Anfang Juli, als die Anmeldungen an die weiterführenden Schulen vorlagen, hat der Minister erklärt, es bleibe beim freien Elternwillen. Äußerungen des Ministers gegenüber der Neuen Presse in Hannover hatten den Verdacht aufkommen lassen, Herr Busemann überlege wegen des Anmeldeverhaltens der Eltern, für die weiterführenden Schulen Aufnahmeprüfungen und Zensurenschnitte einzuführen.
Angesichts empörter Reaktionen ruderte der Minister schnell zurück. Aber nach den Sommerferien will Juniorpartner FDP - das hat Walter Meinhold eben schon gesagt - auch einmal Profil zeigen. Über Aufnahmeprüfungen müsse tatsächlich nachgedacht werden, lässt Hans-Werner Schwarz vernehmen. Am 15. September dieses Jahres sagte er in der Plenardebatte zu den Laufbahnempfehlungen und zum Wahlverhalten der Eltern - ich zitiere mit Genehmigung der Präsidentin -:
„Diese Empfehlung wird von den Lehrern ausgesprochen. Auf der anderen Seite sind es die Eltern, die diesen Empfehlungen, aus welchen Gründen auch immer, nicht trauen oder vertrauen.“
„Folgendes, meine Damen und Herren, macht daher Sinn: Wenn sich Schullaufbahnempfehlung durch die Schule und Elternwille nicht decken, dann sollte für das betreffende Kind eine Aufnahmeprüfung darüber entscheiden, welche Schulform für dieses Kind die richtige ist.“
So weit Herr Schwarz zu den Freiheitsplänen der FDP und zur Freiheit des Elternwillens. Von den Erkenntnissen der IGLU-Studie zur Unzuverlässigkeit und sozialen Auslese bei den Schullaufbahnempfehlungen haben Sie offenbar noch nichts verstanden oder gehört, Herr Schwarz, obwohl es uns im Ausschuss von den Autorinnen der Studien ausgesprochen deutlich dargestellt wurde. Sie haben noch ergänzt:
„Übrigens, damit das noch mal klar ist: Einen Elternwillen kann man nicht abschaffen. Entweder haben die Eltern einen Willen, oder sie haben keinen.“
Richtig, Herr Kollege. Es ist nur die Frage, ob Sie den Willen von Eltern auch ernst nehmen. In der Frage des vielfachen Elternwunsches nach Gesamtschulplätzen tun Sie das jedenfalls nicht, genauso wenig wie die CDU.
Und nun fangen Sie auch noch an zu gucken, wie Sie die Schülerströme so lenken können, dass sich die von Ihnen gewünschte Verteilung auf das gegliederte, selektive System einstellt, weil Sie feststellen, dass sich die Eltern in Niedersachsen einfach nicht so verhalten, wie Sie es sich vorgestellt haben. Nein, die Eltern machen etwas anderes. Das ist eigentlich unerhört; da muss man eingreifen. So gehen Ihnen ja die Hauptschulen kaputt, und die wollten Sie doch eigentlich retten.
Also: Freiheit schön und gut, und sie wird auch in jeder Debatte im Plenum betont. Aber wenn es nötig ist, definiert die FDP-Fraktion, was Eltern wollen dürfen. Herr Klare wird sicherlich gerne mitmachen, denn er weiß ja meistens besser, was für die Kinder gut ist - besser als die Eltern.
Der Kultusminister dementiert noch einmal. In seiner Rede vor dem Schulleitungsverband in Celle verweist er darauf, man habe den freien Elternwillen gerade erst im neuen Schulgesetz festgeschrieben, und der werde vorerst nicht angetastet.
Wir werden sehen, wie lange das Wort des Ministers hält. Wenn es so lange gilt wie seine Aussagen zur Rechtschreibreform, dann könnten wir bereits übermorgen, spätestens aber zum nächsten Schuljahr Überraschungen erleben. Deshalb ist es richtig, wenn heute im Plenum im Rahmen der Beratung über den Antrag der SPD-Fraktion ganz genau gesagt und am besten gleich darüber abgestimmt wird, was wer in Niedersachsen mit dem freien Elternwillen vorhat. Ich sehe nicht, dass wir darüber noch lange in den Ausschüssen beraten müssen. Entweder man steht zum freien Elternwillen oder nicht. Die Fraktion der Grünen steht dazu. Ich bin gespannt, wie sich die selbst ernannte Freiheitspartei FDP in dieser Frage verhalten wird.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die freie Entscheidung der Eltern über die zukünftige Schullaufbahn ihrer Kinder nach der Grundschule hat für uns einen sehr hohen Stellenwert.
wir haben das dokumentiert, und wir haben das letztlich auch gemeinsam in das Schulgesetz hineingeschrieben. Dies haben wir natürlich auf der Basis unserer Koalitionsvereinbarung gemacht,
Meine Damen und Herren, alle Maßnahmen unserer Schulreform brauchen natürlich Zeit zum Wachsen. Das heißt sehr konkret für die Überlegungen zur Freigabe des Elternwillens: Es gibt jetzt, zwei Monate nach Schulbeginn, keinerlei Hinweise, die uns veranlassen könnten, den freien Elternwillen nach der Klasse 4 zu verändern.
Meine Damen und Herren, ich sage gleich an dieser Stelle, weil Sie in Ihrem Antrag darauf abgehoben haben, dass wir für den Fall, dass ein Kind nach der Anwahl der Eltern an eine Schule in Schwierigkeiten kommt, d. h. wenn Überforderung droht oder Überforderung eintritt, mit dem pädagogischen Mittel der Rücküberweisung am Ende der Klasse 6 ein gutes Instrument wieder eingeführt haben, das Sie übrigens damals abgeschafft hatten,
mit dem wir auch im Sinne des Kindeswohl korrigierend eingreifen können. Auch hier gibt es keinen Veränderungsbedarf.
Sie können ganz sicher sein, dass wir das vertraulich, so wie wir das beim Schulgesetz gemacht haben, Entschuldigung, vertrauensvoll - vertraulich auch, aber wenn wir entschieden haben, geben wir Ihnen das auch bekannt - erörtern.
Herr Meinhold, jetzt komme ich ein bisschen zu Ihnen. Sie können ganz sicher sein, dass wir Ihre Beweggründe sehr klar hinterfragen. Wenn man so vehement wie Sie für den freien Elternwillen eintritt, dann muss man sich zumindest fragen lassen, wie man denn in der eigenen Regierungszeit mit dem Elternwillen umgegangen ist. Die Antwort ist entlarvend; das kann ich Ihnen sehr wohl sagen.
Die gleiche SPD, die sich heute als Retter der freien Schulwahlentscheidung aufspielt, hat im letzten Jahr ihrer Regierungsverantwortung die freie Elternentscheidung rigoros abgeschafft. Das ist leider Realität.
Meine Damen und Herren, so jedenfalls, wie Sie sich heute hier aufführen, gleicht das mehr einem absurden Theater als einer sachlichen Debatte, weil Sie sich daran erinnern müssten.
Nein, jetzt nicht. - Wir jedenfalls lassen Sie 19 Monate nach Ihrer Abwahl nicht aus Ihrer Verantwortung für Chaos und Unsicherheit in der Schulpolitik heraus, meine Damen und Herren. Das haben Sie angerichtet.
Jetzt erkläre ich Ihnen ganz genau, was im Juni 2002 hier an dieser Stelle abgelaufen ist. Sie haben da die Förderstufe eingeführt, den größten pädagogischen Unsinn, den es je in der Geschichte eines Bundeslandes gab.
Übrigens, damit man die Zeitnähe noch ein bisschen begreift: Diese vierzügige Förderstufe wäre jetzt zum Schuljahresbeginn eingeführt worden, unabhängig vom Schulstandortsterben.
Jetzt frage ich, was mit dem Elternwillen bei der Förderstufe los war. Nichts war los, weil Sie das Losverfahren eingeführt haben; ich hoffe, Sie erinnern sich noch. Bis dahin - das bitte zum Mitdenken, Herr Meinhold - war es so, dass schulische Leistungen, dass Lernverhalten, dass Elternwille Grundlage für die schulische Laufbahnempfehlung für die Kinder war. Bei Ihnen war es die Lostrom
Ich erinnere mich an die vielen Debatten, die wir damals geführt haben. Selbst die wohlmeinendsten Sozialdemokraten haben damals gesagt, dass das der Tiefpunkt der Schulpolitik in Niedersachsen sei.
Das war die Realität. Aus diesem Grunde klingen Ihre Einlassungen zum freien Elternwillen nicht nur unglaubwürdig, meine Damen und Herren, sondern regelrecht scheinheilig. Ich muss es so sagen. Sie sind scheinheilig!