Protokoll der Sitzung vom 15.12.2004

Für die Fraktion der Grünen hat die Abgeordnete Frau Dr. Heinen-Kljajić das Wort.

(Zurufe von der SPD: Die anderen trauen sich nicht! Die Regierung schweigt! - Hans-Werner Schwarz [FDP]: Wer hat das bloß sortiert?)

- Ich erteile das Wort in der Reihenfolge, in der die Wortmeldungen abgegeben worden sind.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Keine Kritik am Präsidium! - Weitere Zurufe von der CDU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie schon im Vorjahr wird auch beim Haushalt 2005 mit den Kürzungen im Bereich Wissenschaft und Kultur ein tiefer Eingriff in die Infrastruktur Niedersachsens vorgenommen. Besonders hart hat es in diesem Jahr die Kultur getroffen. Auch wenn die Kürzungen statt mutmaßlicher 8 Millionen Euro jetzt nur noch 4,3 Millionen Euro betragen - in der Konsequenz wird an vielen Stellen eine Infrastruktur zerschlagen, die einen wichtigen Grundpfeiler unseren kulturellen Grundversorgung ausmacht.

Meine Damen und Herren, ob es die freien Museen sind, ob Kunstvereine, Literaturbüros, Musikund Kunstschulen, Chöre oder die kulturelle Jugendbildung, freie Theater oder soziokulturelle Einrichtungen - sie alle sind Teil des öffentlichen kulturellen Angebots. Sie alle erledigen eine Arbeit, die, wenn es die Freien nicht gäbe, vom Staat erbracht werden müsste, und zwar zu wesentlich höheren Kosten.

Aber statt eine Arbeit zu würdigen, die sich durch einen enorm hohen Anteil bürgerschaftlichen Engagements auszeichnet und unter besonders effizientem Mitteleinsatz arbeitet, kündigen Sie, meine Damen und Herren von den Mehrheitsfraktionen, eine Partnerschaft, die es erst ermöglicht, die Chance zur Teilhabe an Kunst und Kultur für alle Menschen offen zu halten, unabhängig von Wohnort, sozialer Herkunft oder Alter.

Wie schon im letzten Jahr bei den Kürzungen im Hochschulbereich wird auch hier völlig konzeptionslos unter Heranziehung falscher Behauptungen

wider besseres Wissen und wider die eigenen Grundsätze der Rotstift angesetzt.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Das ist alles so schlimm in Niedersachsen! Das ist alles ein Chaos!)

Ich will Ihnen einige Beispiele nennen. Noch im Mai letzten Jahres haben Sie, Herr Minister Stratmann, darauf hingewiesen, dass im Bereich der freien Kultur mögliche Einsparpotenziale in keinem Verhältnis zu den Schäden stehen, die diese Kürzungen bei der Grundversorgung vor Ort anrichten.

(Zustimmung bei der SPD)

Vor dem Hintergrund Ihrer Haushaltspolitik löst sich diese Aussage in Schall und Rauch auf.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Im Koalitionsvertrag wird die Stärkung des ländlichen Raums als prioritär eingestuft. Kulturelle Grundversorgung im ländlichen Raum findet aber ausschließlich über freie, nichtstaatliche Einrichtungen statt. Auch hier werfen Sie Prinzipien schnell über Bord, wenn es darum geht, Einsparpotenziale zu finden. Wo immer es sich anbietet, singen Sie, werte Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, das Hohelied auf das Ehrenamt. Doch in der Kultur zerschlagen Sie genau die Strukturen, die wir eigentlich gerade wegen der Haushaltslage öffentlicher Kassen ausbauen müssten, statt sie zu schwächen.

Das Hinwegsetzen über Logik und Verstand gipfelt schließlich in Ihrer Behauptung, Herr Minister Stratmann, ein Großteil der Mittel für die Freien fließe in Bürokratie und Lobbyarbeit der Verbände. Diese Behauptung ist durch nichts zu belegen. Wenn Sie schon das Kriterium „ein Minimum an Bürokratie“ als Messlatte anlegen, warum dann die überproportionalen Kürzungen bei der Soziokultur? Mit einem Verwaltungskostenanteil von nur 9 % ist die Landesarbeitsgemeinschaft Soziokultur bundesweites Vorzeigemodell in Sachen effizienter Mitteleinsatz.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Was immer Sie, Herr Minister Stratmann, in Sachen Umstrukturierung der Kulturförderung vorhaben, eine Beendigung des Beleihungsvertrages mit der LAGS wäre die unwirtschaftlichste Entscheidung, die man nur treffen kann. Wir können es uns im wahrsten Sinne des Wortes nicht leisten, auf

eine mit Bestnoten evaluierte Förderpraxis zu verzichten.

Meine Damen und Herren, aber die Kultur ist nicht der einzige Bereich, der unter der Kürzungspolitik leidet. Die vermeintliche Schonung des Hochschuletats ist eine Mär. Nach der Umsetzung der zweiten Stufe des HOK haben sich die Studienbedingungen an den niedersächsischen Hochschulen massiv verschlechtert. 2005 greift bei den Hochschulen die zweite Stufe des so genannten Hochschuloptimierungskonzeptes mit weiteren 10 Millionen Euro Kürzungen. Aber es ist vor allem das Ausbleiben des zugesagten Zukunftsvertrages, das Schlimmes befürchten lässt. De facto heißt das, meine Damen und Herren, dass der Finanzminister jederzeit Zugriff auf die Hochschuletats hat.

Herr Minister Stratmann, Sie haben den Hochschulen einen Zukunftsvertrag versprochen, der sie zumindest für ein paar Jahre vor weiteren Kürzungen hätte schützen sollen. Doch Sie sind leider wortbrüchig geworden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Stattdessen lassen Sie zu, dass sich die Bedingungen an den niedersächsischen Hochschulen auch im Jahre 2005 weiter verschlechtern werden. Das Überlastproblem wird sich weiter zuspitzen, denn das HOK ist nichts anderes als ein Studienplatzabbauprogramm. Trotz zu langer Studiendauer und hoher Abbrecherquote wird sich die Betreuungsquote 2005 weiter verschlechtern. Den Hochschulen werden außerdem zusätzliche Aufgaben aufgebürdet, denn die Umstellung auf Bachelorund Master-Studiengänge erfordert einen hohen Kosten- und Personalaufwand. Die Reform der Hochschulzulassung wird enorme Mehrkosten verursachen.

Meine Damen und Herren, während diese Landesregierung der ohnehin schon kränkelnden Hochschullandschaft also fleißig weitere Wunden schlägt und damit die Studienbedingungen für Studierende weiter verschlechtert, sollen diese für die Teilnahme an einem maroden System nun auch noch ordentlich zur Kasse gebeten werden. Nichts verfolgen die Mehrheitsfraktionen und die Landesregierung in Sachen Hochschulpolitik emsiger als die Forderung nach Gebühren.

Meine Damen und Herren, die Heraufsetzung des Verwaltungskostenbeitrages der Studierenden auf 75 Euro nimmt sich da noch harmlos aus. Die Er

hebung für Gebühren für Zulassungsverfahren wird bereits kräftiger zu Buche schlagen. Sie ist darüber hinaus kontraproduktiv, weil die Hürden zur Aufnahme eines Studiums doch gesenkt und nicht erhöht werden müssen. Die Erhebung von Studiengebühren ist angesichts der Kürzungen im Hochschulbereich allerdings wirklich ein Affront.

Meine Damen und Herren, solange diese Landesregierung den staatlichen Anteil an der Hochschulfinanzierung kontinuierlich zurückfährt, kann sie doch nicht erwarten, dass die Steigerung des privaten Anteils der Kosten bei den Betroffenen auf Verständnis stoßen wird.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustim- mung bei der SPD)

Wenn Sie nicht einmal Ihr Versprechen eines Zukunftsvertrages für die Hochschulen bis 2007 einhalten können, Herr Minister Stratmann, wie wollen Sie dann sicherstellen, dass die Studiengebühren nicht zum Stopfen von Haushaltslöchern herhalten müssen? Es tut mir Leid, Herr Minister, aber Ihre Beteuerungen, Studiengebühren werde es nur geben, wenn sie auch wirklich den Hochschulen zugute kämen, sind angesichts der gemachten Erfahrungen absolut unglaubwürdig.

Meine Damen und Herren, wir üben auch formale Kritik an den Hochschulhaushalten. Die Haushaltsberatungen für 2005 haben zum wiederholten Male gezeigt, dass der Übergang von der kameralistischen zur kaufmännischen Haushaltsführung nicht gelungen ist. Das Hochschulkapitel ist intransparent und lässt kaum Rückschlüsse auf die tatsächliche wirtschaftliche Situation der einzelnen Hochschulen zu, weil Eröffnungs- und Abschlussbilanzen fehlen. Zielvereinbarungen, die die Grundlage für die Zuführungen an die Hochschulen sein sollen, liegen ebenfalls nicht zeitgerecht vor. Damit fehlt dem Parlament eine wichtige Beratungsgrundlage. Ich sehe die Landesregierung in der Pflicht sicherzustellen, dass die Beratung des Hochschulkapitels 2006 unter legalen Bedingungen stattfindet.

Es verbleibt noch der Bereich der Erwachsenenbildung. Meine Damen und Herren, wir haben der Novelle des Erwachsenenbildungsgesetzes trotz einiger Unzulänglichkeiten zugestimmt,

(Bernd Althusmann [CDU]: Ein gutes Haar lassen Sie ja doch!)

weil wir den betroffenen Einrichtungen fraktionsübergreifend Verlässlichkeit und Planungssicherheit signalisieren wollten. Dies wird sich in Zukunft aber vor allem in den Haushaltsberatungen beweisen müssen. Hier ist Misstrauen angebracht.

Meine Damen und Herren, alles deutet darauf hin, dass sich bei den Kürzungen im Einzelplan 06 ein Rotationsprinzip durchsetzt: ein Jahr Kürzungsschwerpunkt Hochschulen, ein Jahr Kürzungsschwerpunkt Kultur

(Zuruf von Bernd Althusmann [CDU])

und dann im dritten Jahr Kürzungsschwerpunkt in der Erwachsenenbildung. Ich meine, dass ich als Grüne sagen darf: Das ist Rotation im schlechtesten Sinne.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustim- mung bei der SPD)

Denn auch bei der Erwachsenenbildung ist das Ende der Fahnenstange längst erreicht. Die Fehler, die Sie bei den Hochschulen und der Kultur gemacht haben, werden hoffentlich nicht wiederholt. Meine Bitte, Herr Minister Stratmann: Agieren Sie bitte im nächsten Jahr nicht so durchschaubar, wie es zu befürchten steht. Denn, meine Damen und Herren, ob Kulturpolitik oder Hochschulpolitik, Sie orientieren sich ausschließlich am Einspardiktat des Finanzministers. Eine problemgerechte, auf die Anforderungen der Zukunft ausgerichtete Politik ist Fehlanzeige. Stattdessen werden mittel- und langfristige Zukunftsinvestitionen kurzfristigen Einsparungen geopfert.

Obwohl Sie, meine Damen und Herren von CDU und FDP, in den Haushaltsdebatten nicht oft genug betonen können, dass wir eine Verantwortung gegenüber den nachfolgenden Generationen haben, kommen langfristige Folgekosten von Einsparungen in Ihrem Kalkül nicht vor. Meine Damen und Herren, erkennen Sie endlich an, dass Ausgaben im Bereich Wissenschaft und Kultur Zukunftsinvestitionen sind, und hören Sie auf, am falschen Ende zu sparen. Wir zeigen Ihnen mit unseren Haushaltsanträgen, wie man das macht. - Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Für die CDU-Fraktion hat nun der Abgeordnete Klare das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Selbstverständlich sind alle Entscheidungen, die wir auch im Bildungsbereich treffen, immer unter dem Aspekt einer gigantischen Verschuldung zu sehen, die wir von Ihnen übernommen haben. Nachdem ich das jetzt gehört habe, was Sie, Frau Dr. Andretta, und Sie von den Grünen gesagt haben, müsste man meinen, die niedersächsische Hochschullandschaft, die niedersächsische Kulturlandschaft insgesamt, alles würde zerschlagen, würde kränkeln, würde unter Wortbruch leiden, würde zerstört werden,

(Dr. Gabriele Andretta [SPD]: Nein!)

und müsste man glauben, dass Sie von einem anderen Land - und nicht von Niedersachsen reden, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wenn Sie auf diese Art und Weise Oppositionspolitik machen, dann kann ich nur sagen: Machen Sie weiter so. Dann wird es sehr lange dauern, bis Sie irgendwann einmal auf konstruktive Vorschläge kommen, denn davon war in beiden Reden überhaupt nichts zu hören.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, in folgendem Punkt herrscht Konsens, obwohl wir sonst nur Negativdarstellungen bekommen haben: Der Schlüssel für die Zukunftsfähigkeit eines Landes und der Motor für kulturelle, wirtschaftliche und soziale Entwicklung und Innovationskraft heißt Bildung und Ausbildung.

(Isolde Saalmann [SPD]: Das ist ganz neu!)

- Sie haben einen anderen Eindruck erweckt. Dieser Haushalt des Ministers passt genau in diese These hinein. Nach meiner Bewertung steht der Einzelplan 06 unter der Überschrift: Wir halten Wort, und zwar in schwierigen Zeiten. - Genau das ist das Motto, auf das wir uns hier verständigen müssen.

Fortschritt erreicht man nur mit erstklassigen Hochschulen und erstklassigen Forschungseinrichtungen. Deshalb haben wir mit dem Hochschuloptimierungskonzept den einzig richtigen Weg eingeschlagen. Es gibt keine Alternative. Das wissen viele, nur Sie haben es leider nicht begriffen. Sie führen in etwa die gleiche Diskussion wie vor einem Jahr. Sie malen schwarz, obwohl Sie wissen, dass die Hochschulen gerade auf diesen Aufbruch gewartet haben. Das ist die Wahrheit.