Protokoll der Sitzung vom 23.02.2005

(Beifall bei der SPD - Alice Graschtat [SPD]: Ja, genau!)

Wer sich in Zukunft an Niedersachsens Hochschulen bewerben will, wird sich nicht nur an einer, sondern an zwei, drei oder vier Hochschulen bewerben, um seine Chance zu erhöhen, einen Studienplatz zu bekommen. Das heißt, er zahlt einmal, zweimal, dreimal oder viermal. Das ist nichts anderes als eine Eintrittsgebühr. Wenn damit erreicht wird, dass auch nur ein einziger fähiger Student oder eine einzige fähige Studentin abge

schreckt wird, dann ist diese Entscheidung, die Sie hier heute treffen wollen, falsch.

(Beifall bei der SPD)

Ich möchte noch etwas zu dem angeblichen Vertrauen sagen, das Sie in die Hochschulen haben. Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Kern der Hochschulautonomie ist die Steuerung der Hochschulen über Zielvereinbarungen. Hier sitzen Hochschulen und Land auf gleicher Augenhöhe an einem Tisch. Der Minister hat Sorgen, dass man hier zu keinem Ergebnis kommt. Das kann vorkommen, aber dann gibt es die Zielvorgabe. Man braucht nicht die Knute von oben, die nichts anderes ist als staatlicher Dirigismus, auch wenn Sie es hier schönreden wollen.

(Beifall bei der SPD)

Für die FDP-Fraktion hat sich der Abgeordnete Dr. Zielke noch einmal gemeldet. Ich erteile ihm zwei Minuten Redezeit.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte die Gelegenheit nicht vorübergehen lassen, den GBD in diesem Fall in Schutz zu nehmen. Der Gesetzgebungsund Beratungsdienst des Landtages hat in keiner Weise massive Bedenken gegen dieses Gesetz geäußert,

(Zuruf von Dr. Gabriele Andretta [SPD])

sondern er hat auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1972 hingewiesen. Nicht mehr und nicht weniger hat er getan. Er hat sich mit dem Tenor dieses Urteiles nicht identifiziert.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schließe die allgemeine Aussprache. Wir kommen zur Einzelberatung. Ich rufe auf:

Artikel 1. - Dazu liegt ein Änderungsantrag der SPD-Fraktion in der Drucksache 1700 vor. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Ist jemand dagegen? - Gibt es Stimment

haltungen? - Ich sehe, das ist nicht der Fall. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Wir stimmen nun über die Ausschussempfehlung ab. Wer ihr folgen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Das Erste war die Mehrheit.

Artikel 1/1. - Hierzu liegt eine Änderungsempfehlung des Ausschusses vor. Wer ihr zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Gibt es Stimmenthaltungen? - Ich sehe, das ist nicht der Fall. Das Erste war die Mehrheit.

Artikel 2. - Dazu liegt eine Änderungsempfehlung des Ausschusses vor. Wer ihr zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Gibt es Stimmenthaltungen? - Ich sehe, das ist nicht der Fall. Das Erste war die Mehrheit.

Gesetzesüberschrift. - Unverändert.

Wir kommen zur Schlussabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Gibt es Stimmenthaltungen? - Ich sehe, das ist nicht der Fall. Das Erste war die Mehrheit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 7: Erste Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Landeswahlgesetzes, der Niedersächsischen Gemeindeordnung, der Niedersächsischen Landkreisordnung und des Niedersächsischen Kommunalwahlgesetzes Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/1675

Eingebracht wird der Gesetzentwurf durch den Abgeordneten Meihsies. Ich erteile ihm das Wort.

(Unruhe)

- Einen Augenblick bitte noch. - Wir fahren erst dann fort - das geht nicht von Ihrer Redezeit ab, Herr Meihsies -, wenn es im Saal ruhig ist. - Bitte!

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit unserem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Landeswahlgesetzes, der Niedersächsischen Gemeinde- und Landkreisordnung und des Niedersächsischen Kommunalwahlgesetzes wollen wir die demokratischen Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger in Niedersachsen stärken. Wir wollen eine aus unserer Sicht antiquierte und von der Realität überholte Regelung aus den genannten Gesetzen endgültig streichen. Gemeint ist die Dreimonatsfrist, nach der nur diejenigen Bürgerinnen und Bürger am aktiven Wahlrecht in Niedersachsen teilnehmen dürfen, die mindestens drei Monate vor einer Wahl in Niedersachsen gemeldet sind und hier wohnen.

Meine Damen und Herren, diese Wahlrechtseinschränkung stammt - hören Sie genau zu - aus dem Jahre 1869, und zwar aus dem Wahlgesetz für den Reichstag des Norddeutschen Bundes. Begründet wurde diese Einschränkung mit der Erfordernis der Sesshaftigkeit, die sich in der Dreimonatsfrist abbilden sollte. Meine Damen und Herren, verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir wollen diesen alten Zopf aus dem Jahre 1869 endgültig abschneiden und die Wahlgesetze der Lebenswirklichkeit des Jahres 2005 anpassen.

Das aktive Wahlrecht darf in Niedersachsen für unsere mündigen und politisch interessierten Neubürgerinnen und -bürger, die nach Niedersachsen zuziehen, nicht eingeschränkt werden. Allein im November und Dezember des Jahres 2002 sind nach Angaben des Statistischen Landesamtes rund 19 000 Personen nach Niedersachsen neu zugezogen und hier registriert worden. Diese 19 000 Personen fielen unter die Dreimonatsfrist und waren von der Landtagswahl 2003 ausgeschlossen. Das hat die CDU die alleinige Mehrheit in diesem Lande gekostet; dies sage ich mit einem kleinen Augenzwinkern. Also ändern Sie etwas, nicht zu Ihren Gunsten, sondern zugunsten aller.

Meine Damen und Herren, in unserer Informationsgesellschaft mit Fernsehen und Radio sowie dank einer Vielzahl von Tageszeitungen und Nachrichtenmagazinen und letztendlich auch durch den Zugang zum Internet ist es heute allen an den Wahlen interessierten Bürgerinnen und Bürgern möglich, sich ein umfassendes Bild über die Probleme des Lebensumfeldes, in das sie ziehen, zu machen, die verschiedenen Kandidatinnen und Kandidaten der Parteien kennen zu lernen und

sich über die Parteien, die zur Wahl antreten, umfassend zu informieren. Das bedeutet, dass es auch rechtspolitisch zulässig ist, diese alte Regelung endgültig zu streichen; denn der spezifischen Situation eines Landes wird durch die allen zugänglichen Informationsmöglichkeiten umfassend Rechnung getragen, jedenfalls aus unserer Sicht.

Meine Damen und Herren, wir Grünen sind uns bewusst, dass aus verfassungsrechtlichen Gründen diese Neuregelung so ausgestaltet werden muss, dass sicher ausgeschlossen ist, dass gleichzeitig in Niedersachsen und in einem anderen Bundesland gewählt werden kann. Besonders dies ist uns bewusst. Praktikabel ist für uns der Eintrag in das Wählerverzeichnis bis zum 35. Tag vor der Wahl.

Meine Damen und Herren, unterstützen Sie unseren Gesetzentwurf für die Ausweitung des aktiven Wahlrechts in Niedersachsen. Unser aller Lohn ist eine größere demokratische Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger in Niedersachsen. Zwei Bundesländer sind mit gutem Beispiel vorangegangen: Das Land Nordrhein-Westfalen hat das Landeswahlgesetz geändert, und das Land Brandenburg hat bei der Neuauflage der Kommunalverfassung die Dreimonatsfrist gar nicht erst mit eingebaut.

Ich wünsche mir eine Unterstützung unseres Gesetzentwurfes. Herr Bode hat für die Liberalen signalisiert, dass sie diesen Gesetzentwurf gutheißen. Die SPD möchte gern eine Anhörung durchführen.

(Dr. Philipp Rösler [FDP]: Ich meine das nicht so, um das gleich zu korri- gieren! Ich habe vorhin gesagt, dass wir nicht zustimmen! Mein Name ist Rösler!)

- Ich dachte, Herr Bode sei Ihr innenpolitischer Sprecher. Der hat mir signalisiert, er sei auf unserer Seite.

(Dr. Philipp Rösler [FDP]: Fragen Sie einfach mich!)

Meine Damen und Herren, die FDP muss sich irgendwann einmal entscheiden, ob sie umfassende Bürgerrechte will oder sie das nur auf Wahlplakate schreibt. Das ist Ihr Problem, meine Damen und Herren von der FDP. Immer dann, wenn es zum Schwur für Bürgerrechte kommt, laufen Sie in den Wald und werden nicht mehr gesehen.

Meine Damen und Herren, ich wünsche uns eine gute Beratung. Wir unterstützen selbstverständlich eine Anhörung im Innenausschuss, und ich hoffe auch, dass sich der Ministerpräsident eines Besseren belehren lässt. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion hat nun der Abgeordnete Coenen das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Wahlrecht ist ein hohes Gut und die Grundlage unseres freiheitlich demokratischen Staatswesens. Wahlrecht muss nicht nur ausgeübt, sondern auch festgestellt werden. Wenn Eingriffe in das Landeswahlgesetz bzw. Kommunalwahlgesetz erfolgen, müssen diese durchdacht, ausgewogen, praktikabel und langfristig angelegt sein.

Nach dem vorliegenden Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen soll die Dreimonatsfrist vor der Wahl für die Wählerinnen und Wähler bei einem Umzug entfallen. Eine Anmeldung bei der Meldebehörde soll bis 35 Tage vor der Wahl über die Eintragung in das Wählerverzeichnis automatisch zur Wahlberechtigung führen. Ich habe - das muss ich ehrlich sagen - meine Zweifel, ob dies durchdacht, ausgewogen, praktikabel und langfristig angelegt ist.

(Andreas Meihsies [GRÜNE]: Selbst- verständlich, Herr Kollege! Ich ent- laste Ihr Gewissen!)

- Aus Ihrer Sicht, ja. Wir sehen es anders. - Nicht ohne Grund hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 30. März 1992 die Dreimonatsfrist vor einer Wahl nicht aufgehoben. Wichtig und unverzichtbar ist, dass die Sicherheit für einen ordnungsgemäßen Wahlablauf gegeben sein muss. Nach meiner Meinung tut sich meldetechnisch und wahltechnisch eine ganze Menge Fragen auf, und die Technikgläubigkeit ist zu hoch angesetzt. Man sollte nicht alles der Technik überlassen. Wie verwaltungssicher ist dieses Verfahren überhaupt? Was ist mit den Briefwählern?

(Andreas Meihsies [GRÜNE]: Das wird in Brandenburg praktiziert!)

Auch Wahlmissbrauch kann nicht ausgeschlossen werden. Völkerwanderungen zwischen kleinen Kommunen könnten bei knappen Wahlergebnissen die Wahl beeinflussen.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Völkerwan- derungen?)

Manipulationen müssen auf allen Ebenen ausgeschlossen werden, und man darf die kommunale Ebene nicht überfordern. Das gilt insbesondere für ehrenamtliche Wahlhelfer, die vor der Wahl und am Wahltag eingesetzt sind.

Ich komme zu dem Ergebnis: Die Streichung der Bestimmung im Gesetz, nach der Bürgerinnen und Bürger aufgrund eines Umzugs innerhalb von drei Monaten vor der Wahl vom Wahlrecht ausgeschlossen sind, lässt aus folgenden Gründen keine Vorteile gegenüber dem bisherigen Verfahren erkennen:

Erstens: Informationsmöglichkeiten über die örtlichen Verhältnisse. Die Kernaussage der Begründung des Gesetzentwurfs geht fehl. Gerade in kleinen Kommunen ist die Internetpräsenz nicht so ausgereift, dass sich potenzielle Neubürgerinnen und -bürger ausreichend über die Geschehnisse und die politischen Verhältnisse informieren können. Die Informationen erfolgen vielmehr über örtliche Wurfsendungen, die insbesondere Neubürger aus entfernten Gemeinden im Vorfeld der Wahl nicht erhalten können. Dies gilt insbesondere bei Zuzügen aus anderen Bundesländern, da nicht zu erwarten ist, dass überregionale Tageszeitungen über die politischen Verhältnisse von Gemeinden anderer Bundesländer informieren.

Zweitens: höherer Aufwand für die Wahlbüros. Nach dem Aufstellen der Wählerverzeichnisse müssen Korrekturen von Amts wegen vorgenommen werden. Diese erfolgen nicht automatisch. Insofern ist eine Abstimmung erforderlich, die eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt. Es besteht Abstimmungsbedarf mit der Herkunftsgemeinde zur Vermeidung von Doppeleintragungen in die Wählerverzeichnisse. Wenn diese Abstimmung nicht erfolgt, besteht die Gefahr, dass die betreffenden Personen in der neuen wie auch in der Herkunftsgemeinde wählen können. Dann würde eine Doppelwahl erfolgen. Bei jeder Eintragung ins Wählerverzeichnis ist grundsätzlich zu prüfen, ob bezüglich der Person des Wählenden Wahlausschlussgründe vorliegen. Bei Eintragungen in das Wähler