Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eigentlich wollte ich einen ganz sachlichen Einstieg machen, weil auch ich meine, dass das ein sachlicher Antrag ist, der sich gut dazu eignet, über dieses Thema im Ausschuss fachlich und sachlich zu debattieren. Aber ich kann nur sagen, der Aufschlag von Frau Siebert war mehr als schrecklich.
Man kann sich nicht hier hinstellen und unhaltbare, unerträgliche Thesen aufstellen, Jugendliche und ihr Verhalten kritisieren und auch kriminalisieren, aber zeitgleich im Antrag schreiben: Wir wollen eine zukunftsfähige Jugend. Dazu kann ich nur sagen: Das ist pädagogischer Nonsens.
Meine Damen und Herren, gegen eine Ist-Analyse und ein interministerielles Konzept, wie Sie es in Ihrem Antrag fordern, ist zunächst einmal nichts zu sagen. Das sollte eigentlich jede Regierung machen. Das ist leider bis dato nicht geschehen. Über die Gründe können wir gut und gerne spekulieren. Aber eines verstehe ich nicht - Ihnen fehlt ein bisschen die Stringenz -: Gestern haben Sie beim Armuts- und Reichtumsbericht gesagt: Wir brauchen keinen Bericht; wir wissen alles besser. - Hier fordern Sie plötzlich einen Bericht. Das ist ganz interessant.
(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Ulrike Kuhlo [FDP]: Das sind doch ganz unterschiedliche Themen!)
Bemerkenswert ist auch der Duktus Ihres Antrages. So soll die Landesregierung stärker über Projekte zur Drogen- und Suchtbekämpfung im schulischen, sozialen, Justiz- und innenpolitischen Bereich informieren. Dabei sollen unter anderem die Wirkungsmechanismen, die Laufzeit sowie der zur Verfügung stehende Finanzrahmen dargestellt
werden. Das bedeutet doch ganz konkret, dass die interministerielle Zusammenarbeit und Koordination nicht existieren bzw. nicht funktionieren.
Das beste Beispiel haben wir durch den Wegfall der externen Suchtberatung in den Knästen, die einfach ins Justizministerium verlagert wurde. Im Sozialministerium wird Geld eingespart, im Justizministerium wird kein Geld eingestellt, und die Justizbeamten sind jetzt als Suchtberater tätig. Damit wird doch die ganze Sucht- und Drogenberatung in den Justizvollzugsanstalten ad absurdum geführt.
Meine Damen und Herren, wir Grünen werden die von der Regierungskoalition gewünschte verbesserte landesweite Vernetzung unterstützen. Dabei ist es aber wichtig, dass es eine gemeinsame Leistungsvereinbarung für die Präventionsarbeit gibt und dass vonseiten der Landesregierung für die geleistete Präventionsarbeit auch eine ausreichende Finanzierung zur Verfügung gestellt wird, und zwar verlässlich.
Zurzeit haben wir doch die Situation, dass es für die Präventionsarbeit keine Projektmittel mehr gibt, sodass die Präventionsprojekte zum Beispiel in den Schulen faktisch nicht mehr durchgeführt werden. Gestern wurde auch noch angekündigt, dass Kleinst- und Förderprogramme gestrichen werden. Das ist auch Präventionsarbeit, meine Damen und Herren! Dieses Vorgehen bremst die Arbeit und reduziert sie im Wesentlichen auf Vorträge und Beratung.
Auch die Anti-Alkohol-Kampagne der Landesstelle für Sucht musste eingestellt werden, weil keine Mittel mehr vorhanden sind. Und bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, die über die Preisaufschläge bei den Alcopop-Getränken diese Kampagne mitfinanzieren wollte, ist auch kein Geld mehr, weil - hören Sie einmal zu, Frau Ministerin - der Markt für Alcopops komplett zusammengebrochen ist. Dabei waren Sie doch gegen diesen Aufschlag für die Alcopops zugunsten der Aufklärung. Der Markt ist inzwischen zusammengebrochen, was zeigt: Man kann also doch über den Preis einiges steuern.
Meine Damen und Herren, Aufhorchen tue ich, genauso wie die SPD-Fraktion, wenn in Ihrem Antrag steht: Aufklärung und Koordination der Arbeit zur besseren Ausschöpfung der Ressourcen, Zusammenarbeit von Haupt- und Ehrenamtlichen, Würdigung der dadurch erreichten Leistungssteigerungen. Hinter diesen Formulierungen vermute ich Kürzungsabsichten, damit die Gesundheitspolitiker Mitte/Ende März wieder etwas beim Finanzminister abliefern können - wie im Fall der schon erwähnten Suchtberatung in den Justizvollzugsanstalten. Das darf nicht sein. In dem Bereich ist schon sehr massiv gespart worden. Im Drogen- und Suchtbereich ist schon Substanzsparen angesagt. Es fehlt das nötige Personal. Mit dem Antrag kann es nur darum gehen, die Suchtprävention voranzutreiben und neue Wege zu suchen: mehr Kooperation und Vernetzung, aber keine weiteren Kürzungen. Danke schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit diesem Entschließungsantrag knüpfen wir thematisch an zwei Anträge von gestern an, nämlich an den Antrag zur Jugendpolitik, in dem es heißt „Prävention statt Reparatur“ - Prävention ist immer besser und auch billiger -, und an den Antrag zur Armutsbekämpfung. Zu diesem Thema passt unser Antrag auch.
Zur Jugend: Schon 13- bis 15-Jährige konsumieren heute erhebliche Mengen Alkohol oder machen „Komasaufen“ - das ist vorhin schon angesprochen worden. Man hat festgestellt, dass 50 % der 14-Jährigen bereits mindestens einen Vollrausch hinter sich haben. Heutzutage fängt das also sehr früh an.
Zum Rauchen: 27 % der 15-Jährigen in Deutschland rauchen täglich. Damit sind wir leider Spitzenreiter in der Europäischen Union. Das ist nicht gerade besonders rühmlich, vor allem weil man auch festgestellt hat, dass in der Raucherecke auf Schulhöfen oft das Problem des Drogenkonsums anfängt.
Da werden Informationen ausgetauscht, wo man Drogen herbekommen kann. Da geht es auch unter Umständen mit dem Handel los.
- Ja, richtig. - Ich möchte jetzt aus einer SpiegelAusgabe aus dem letzten Jahr zitieren, in dem aufgezeigt worden ist, was im Gang ist: Bastian war zwölf, da drückte ihm in der Raucherecke auf dem Schulhof einer der Großen den ersten Joint in die Hand. Am Anfang war es nur schön. Das Gelb der Blumen war gelber als sonst, und er genoss die Energie, die er fühlte. Erst wurde Marihuana fester Bestandteil des Alltags. Irgendwann wurde es der Alltag. Heute raucht Bastian den ersten Joint nach dem Aufstehen. Einen Entzug hat er hinter sich: zwei Wochen Entgiftung, und als das vorbei war, hat er gleich wieder gekifft. Alles für die Katz. Eigentlich will er studieren, irgendwas mit Wirtschaft, und dann armen Ländern helfen. Aber er liegt auf dem Bett,
- danke schön. - tagaus, tagein, den Schulabschluss hat er aufgeschoben. „Ich komme nicht hoch, und diese Antriebslosigkeit hasse ich an mir. Ich verabscheue mich, sonst würde ich nicht kiffen.“ Also raucht er weiter.
Ich habe das ganz bewusst vorgelesen, weil so etwas bei immer Jüngeren traurige Wirklichkeit ist. Die Gesundheit dieser Jugendlichen ist massiv beeinträchtigt. Sie haben Entwicklungsstörungen, die weitere körperliche Gesundheit ist also beeinträchtigt. Sie sind dadurch auch in ihren Entwicklungschancen massiv beeinträchtigt, weil sie in der Schule nicht mehr klarkommen, keinen Berufsabschluss schaffen und Ähnliches mehr. Es gibt also wirklich einen dringenden Handlungsbedarf. Darin sind wir alle uns auch einig. Das kam schon in den bisherigen Beiträge zum Ausdruck.
Es gibt, wie bereits erwähnt, auch einen direkten Zusammenhang mit dem Antrag bezüglich der Armut, den wir gestern behandelt haben. Sie wissen: Wer süchtig wird, der gerät in einen Teufelskreis. Das ist schon bei Jugendlichen so, und bei Erwachsenen ist es später genauso.
Wenn man süchtig wird und somit in Abhängigkeit gerät, kommt eine Verschuldung hinzu, häufig droht der Arbeitsplatzverlust, die Beziehungen gehen kaputt. Häufig ist Armut durch diese verschiedenen Komponenten die Folge.
Die Anzahl der Drogenabhängigen, die Beratungsangebote wahrnehmen, hat sich in den letzten zehn Jahren verfünffacht. Das ist ein absolutes Alarmsignal. Auch hier besteht dringender Handlungsbedarf.
Das ist an dieser Stelle ausdrücklich zu loben. Ich möchte mich an dieser Stelle auch ausdrücklich bei allen bedanken, die sich haupt- und ehrenamtlich dafür einsetzen.
Von der Opposition wurden die Kürzungen angesprochen. Damit habe ich schon gerechnet. Dazu möchte ich nur sagen: Bei der Drogenberatung als solcher haben wir nicht gekürzt. Das Einzige, was zum Teil gegriffen hat, ist die 5-prozentige Haushaltssperre, die erforderlich war und die nicht immer aufgefangen werden konnte.
Zur ambulanten Drogen- und Suchtberatung in den Justizvollzugsanstalten, die Frau Janssen-Kucz eben angesprochen hat: Es ist natürlich ein Rückschritt, dass es diese jetzt nicht mehr gibt. Das gebe ich zu. Wir hatten uns ja auch 2003 massiv dafür eingesetzt, dass sie zumindest bis zur ordnungsgemäßen Übergabe für ein Jahr weiterfinanziert wurde. Jetzt ist es im Justizministerium angelaufen, diese Aufgabe intern zu übernehmen. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass das nicht irgendwelche Schließer machen, sondern Sozialarbeiter, die in diese Richtung vorgebildet sind und eine entsprechende Weiterbildung absolviert haben.
Was wir jetzt brauchen - ich habe ja geschildert, dass es ein dringendes Problem ist, das Handlungsbedarf erfordert -, ist eine Übersicht. Mir war schon klar, dass Sie den Bericht monieren, zumal wir gestern gesagt haben, dass wir keine Berichte brauchen. Ich meine, in diesem Fall ist gar kein großer Aufwand erforderlich, um das zusammenzustellen, weil es verschiedene Beratungsstellen gibt.
Weiter brauchen wir eine bessere Vernetzung. Frau Krämer, Sie haben gesagt, die Vernetzung ist im Entschließungsantrag nicht berücksichtigt. Das ist sie aber sehr wohl. Wir müssen überlegen, was wir noch optimieren können, um schon früh mit Prävention und Information anzufangen. Wir brauchen natürlich auch eine länderübergreifende Zusammenarbeit und müssen überlegen, was wir da noch verbessern können.
Bei Hartz IV ist es aus meiner Sicht auch sehr wichtig, bei den aktivierenden Maßnahmen die Suchtberatung mit einzubeziehen und vor Ort bei den ARGEn und den Optionskommunen darauf zu achten, was mit den Jobcentern passiert.