Protokoll der Sitzung vom 20.04.2005

Das, Herr Hagenah, hat Ihnen der Kollege Hirche bereits im Oktober letzten Jahres bei der ersten Beratung deutlich gemacht. Wenn man einen solchen Hinweis bekommt, kann man seinen Antrag durchaus zurückziehen. Dann muss nicht so viel Papier bedruckt werden, dann macht man sich nicht so lächerlich, und das wirft auch nicht so ein schlechtes Licht auf die eigene Bundesregierung.

Herr Hirche hat also bereits damals, also im Oktober, darauf hingewiesen, dass die Landesregierung vielfältige Maßnahmen entweder bereits ergriffen bzw. - da die Infrastrukturprojekte in der Verantwortung des Bundes und der Bahn liegen weitere Vorschläge bis hin zur Vorfinanzierung von Vorhaben unterbreitet hatte. Ich meine, damit ist die Landesregierung bis an die Grenzen des Vertretbaren gegangen.

Die breite Mehrheit der Abgeordneten sieht das offensichtlich genauso. Der Kollege Will hat eben zwar gesagt, was man alles hätte tun können, sich dann aber doch zu einer kraftvollen Stimmenthaltung durchgerungen. Das ist in Ordnung. Nur eines, Herr Will, hat mich schon gewundert: Wir waren ja auch einige Jahre in der Opposition. Wenn damals die Mehrheit erklärt hat, wir lehnen euren Antrag ab, dann haben wir nicht die Hacken zusammengenommen und gesagt, dann erübrigt sich eine weitere Beratung, sondern dann haben wir trotzdem argumentiert. Natürlich nur, wenn wir die besseren Argumente hatten. Hatten wir die nicht, haben wir natürlich auch nicht weiter argumentiert. Aber meistens hatten wir die besseren Argumente oder haben einen Änderungsantrag gestellt. Sie sind dann allerdings häufig darüber hinweggegangen. Aber von vornherein zu sagen, weiter zu argumentieren, hat eh keinen Zweck: Damit geben Sie die parlamentarische Beratung ja völlig auf!

(Beifall bei der CDU)

Die Grünen stehen mit den Einschätzungen in ihrem Antrag nicht nur völlig isoliert da, sie haben auch bei ihrer eigenen Bundesregierung keine Unterstützung gefunden. Herr Schröder hat zwar ein 2-Milliarden-Euro-Programm angekündigt, aber wir wissen ja, wie das dann läuft, wir kennen ihn ja noch als Ministerpräsident in Niedersachsen. Am besten, finde ich, hatte das seinerzeit Frau Zypries als Abteilungsleiterin auf den Punkt gebracht. Als damals der Oberkreisdirektor von Osnabrück bei ihr angerufen und gesagt hatte, der Ministerpräsident hat es aber versprochen, hat sie gesagt: Wissen Sie, was der Kerl im Lande herumerzählt, das interessiert uns hier in Hannover überhaupt nicht. So ist das leider nun einmal.

Also, Herr Schröder hat ein 2-Milliarden-Euro-Sofortprogramm für die nächsten vier Jahre angekündigt. Die Landesregierung, der Wirtschaftsminister, hat natürlich sofort Projekte angemeldet: das dritte Gleis der Strecke Stelle - Lüneburg, die Strecke Oldenburg - Wilhelmshaven, um den Tiefwasserhafen erreichen zu können, den Ausbau des zweiten Gleises der Strecke Hildesheim Braunschweig für die ICE-Verbindung und den Mega-Hub in Lehrte, eine Umschlaganlage.

Leider hat die Bundesregierung keines dieser Projekte in die Planung ihres Programms, mit dem sie in den nächsten vier Jahren angeblich 2 Milliarden Euro für Eisenbahn -, Straßenbau- und Schifffahrtsstraßenbauprojekte zur Verfügung stellen

will, aufgenommen. Heute hat die Bundesregierung zu diesem Programm eine Presseerklärung herausgegeben. Wir müssen feststellen, dass in dieser Pressemitteilung nicht ein einziges niedersächsisches Eisenbahnprojekt erwähnt wird. Das heißt, Rot-Grün hat Niedersachsen völlig im Regen stehen lassen.

Deshalb erlauben Sie mir folgende Schlussbemerkung: Alle in diesem Hause, die das Wohl des Landes im Blick haben, seien aufgerufen, sich mit ihren Möglichkeiten dafür einzusetzen, dass Niedersachsen beim Ausbau der Infrastruktur nicht länger von Bund und Bahn benachteiligt wird. Wenn Sie, meine Damen und Herren von den Grünen, wirklich in Verantwortung für unser Land handeln wollen, dann sollten Sie Ihre Parteifreunde in Berlin dazu bringen, endlich Geld für seit langem versprochene und allseits als unverzichtbar angesehene Verkehrsprojekte in Niedersachsen bereitzustellen, statt hier in Hannover sinnlose Anträge zu stellen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich Herr Kollege Hagenah gemäß § 71 Absatz 2 unserer Geschäftsordnung zu Wort gemeldet. Ich gewähre ihm eine Redezeit von eineinhalb Minuten. Bitte, Herr Kollege Hagenah!

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Möllring, auch wenn Sie noch so sehr versuchen, uns durch das plumpe Wiederholen von falschen Tatsachen Glauben zu machen, hier in Niedersachsen sei die Welt bahntechnisch noch in Ordnung: Wir werden weiterhin den Finger in die Wunde legen und die Öffentlichkeit darauf hinweisen, dass Sie es sind, die in Niedersachsen die Mittel, die vom Bund kommen, nicht für den Zweck einsetzen, für die sie der Bund bereitgestellt hat.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es ist zwar wunderschön, dass Sie die Schülerbeförderung auch in diesem Jahr mit 90 Millionen Euro bezuschussen. Aber dieses Geld stammt vom Bund, der es aus den Regionalisierungsmitteln für Bahninvestitionen zur Verfügung gestellt hat.

(Hermann Eppers [CDU]: Erst einmal stammt es vom Steuerzahler!)

- Ja. Und der Bund hat es dem Land für Bahninvestitionen gegeben. Sie hingegen verwenden diese Mittel für etwas anderes, und genau deswegen sind Sie gegenüber dem Bund in der Defensive und werden so wenig berücksichtigt.

Wir finden es sehr gut, dass Sie sich um die Mittel, die heute vom Bund für bestimmte Projekte beschlossen worden sind, beworben haben. Auch wir werden uns dafür einsetzen, dass Niedersachsen solche Mittel bekommt. Aber das fällt verdammt schwer, wenn Sie jedes Jahr 90 Millionen Euro anderswo einsetzen. Auf diese Weise liefern Sie dem Bund Argumente dafür, uns das Geld im Jahre 2007 ganz zu streichen. Damit erwecken Sie gegenüber dem Bund den Eindruck, als würde das Geld nicht gebraucht. Und darüber hinaus wird dieses Geld der Bahn bis 2007 entzogen. Was könnten wir alles damit bauen! - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die Landesregierung Herr Minister Möllring! Bitte schön, Herr Minister!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Hagenah, wenn bei einem 2-Milliarden-Euro-Programm das zweitgrößte Bundesland, obwohl es entsprechende Anträge gestellt hat, nicht für einen einzigen Meter Schiene Mittel erhält, dann will diese Bundesregierung offensichtlich nicht. Offensichtlich sind dort die Falschen am Zuge bzw. sind es die Falschen, die dort Forderungen stellen. Wir haben alles angemeldet, aber offensichtlich hat es an der politischen Unterstützung der von Ihnen getragenen Bundesregierung gefehlt. Dorthin sollten Sie Ihre Briefe richten und nicht an diesen Landtag.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Dr. Philipp Rösler [FDP]: Sehr richtig!)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe damit die Beratung.

Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen und damit den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ablehnen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen! - Stimmenthaltungen? Damit ist der Antrag abgelehnt.

Ich rufe auf:

Tagesordnungspunkt 10: Zweite Beratung: Schutz der niedersächsischen Saatzuchtflächen garantieren! - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/1346 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz - Drs. 15/1731

Die Beschlussempfehlung des Ausschusses lautet auf Ablehnung. Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Klein von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In den letzten Tagen konnten wir uns wieder einmal ein Bild von der mangelnden Zuverlässigkeit und dem mangelnden Rechtsbewusstsein der Gentech-Industrie machen. Das illegale In-VerkehrBringen des nicht zugelassenen Bt 10-Mais in den USA und in Europa durch Syngenta war begleitet von jahrelanger Geheimhaltungs- und Verschleierungstaktik, an der sich auch die amerikanischen Behörden beteiligt haben. Das ist ein Skandal, der zum wiederholten Male deutlich macht, wie wichtig die vorsorgende und gründliche Herangehensweise der Bundesregierung im Rahmen der nationalen Gentechnikgesetzgebung ist.

(Dr. Philipp Rösler [FDP]: Da haben Sie heute Morgen wohl nicht zuge- hört, Herr Kollege Klein!)

- Herr Rösler, das betrifft genau die Vorsorgebestimmungen, die diese Landesregierung und Sie heute Morgen wieder so bekämpft haben und die Sie aufweichen möchten.

Ich erinnere noch einmal an das Ziel, das wir mit unsere Antrag verfolgt haben. Die Landesregierung sollte ein Konzept vorlegen, wie unter den

Bedingungen eines kommerziellen Anbaus gentechnisch veränderter Pflanzen auch künftig gentechnikfreies Saatgut in Niedersachsen gezüchtet und vermehrt werden kann. Wir hatten angeregt zu prüfen, inwieweit auf der Basis des Saatgutrechts bzw. anderer qualitätssichernder Bestimmungen ein lokaler oder regionaler Flächenschutz begründet werden kann. Konkret ging es um die Frage: Lassen sich zum Schutz der Saatgutproduktion auf diesem Weg gentechnikfreie Zonen begründen?

Aber die Landesregierung und die sie tragenden Koalitionsfraktionen haben an einem solchen Schutz kein Interesse.

(David McAllister [CDU]: Das stimmt nicht!)

Unter dem Vorwand, die Wirtschaft werde es schon richten, ziehen sie sich auf die Nachtwächterfunktion - ich bin geneigt zu sagen: Schlafmützenfunktion - zurück.

(David McAllister [CDU]: Seien Sie mal nicht so unverschämt!)

Dabei berufen sie sich auf ein zweifelhaftes Qualitätssicherungspapier des Pflanzenzüchterverbandes. Ich sage „zweifelhaft“, weil es von einer Situation ausgeht, in der es lediglich vereinzelt Versuchsanbau und keine ausgeweitete kommerzielle Nutzung von GVOs gibt. „Zweifelhaft“ auch deshalb, weil man selbst in dieser Situation keine hundertprozentige Sicherheit garantieren will und deshalb in diesem Papier vor allem für möglichst hohe Grenzwerte plädiert.

Die Landesregierung - ich sagte es schon - hat sich für das Nichtstun entschieden. Aber wie so häufig ist das Nichtstun alles andere als eine neutrale Position. Sie unterstützen damit die Gentechnikindustrie, die über flächendeckende Verunreinigung mit GVOs Fakten schaffen will, die die Menschen zu einer Akzeptanz der Technik zwingen soll, einer Akzeptanz, die trotz jahrelanger milliardenschwerer so genannter Informations- und Aufklärungskampagnen nicht zu erreichen war, und das aus guten Gründen.

Sie wenden sich mit Ihrem Nichtstun gegen die Mehrheit der Verbraucher und der Landwirte, die sagen, es gibt keinen vernünftigen Grund, auf dem Acker oder auf dem Teller mit dieser Technik zu experimentieren, und die deswegen dieses Risiko ablehnen - zu Recht, wie ich meine.

Politische Entscheidungen, die die weitere Verbreitung gentechnisch veränderter Pflanzen fördern, sind nicht mehr umkehrbar. Sie erfordern deshalb eine besondere Verantwortung, die über Wahlperioden hinausgeht. Negative Folgen werden vermutlich nicht wir, sondern unsere Kinder und Enkel zu tragen haben. Die Landesregierung und die Koalitionsfraktionen werden dieser Verantwortung nicht gerecht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön. - Für die CDU-Fraktion hat sich Herr Kollege Ripke zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Klein, in einigen Kommunen haben die Nachtwächter bereits die morgendliche Weckfunktion übernommen. Ich stelle fest: Was grüne Gentechnik angeht, haben die Grünen den Weckruf nicht gehört, sondern schlafen immer noch.

Lassen Sie mich mit einem aktuellen Bezug beginnen. Heute Morgen war auf NDR 4 zu hören, was Botschafter von Studnitz über Außenminister Joschka Fischer in Sachen Visa-Affäre sagte:

„Fischer hat versucht, grüne Ideologien in praktische Politik umzusetzen. Das ist misslungen.“

Im Bereich der Gentechnik wird Ihnen das auch nicht gelingen, meine Damen und Herren. Gute und glaubwürdige Politik braucht sachliche Grundlagen, und auf solchen beruht Ihr Antrag gerade nicht. Die Menschen erkennen dies und entziehen Ihnen, den Grünen, aus diesem Grunde zunehmend ihr Vertrauen. Sie können den Bürgern nichts mehr vormachen, und Sie sollten - das empfehle ich Ihnen ganz dringend, Herr Klein nicht alles aus Berlin übernehmen. Das könnte für Sie politisch tragisch werden.

Nun zu Ihrem Antrag als solchem. Sie haben ihn mit „Schutz der niedersächsischen Saatzuchtflächen garantieren!“ überschrieben. Ich halte diesen Titel für unehrlich; denn eigentlich wollen Sie ja etwas anderes. Ehrlicherweise müsste dieser Antrag lauten „Gentechnik um jeden Preis verhindern“; denn darum geht es Ihnen.

(Beifall bei der FDP)

Ich will das begründen; wir haben das heute Morgen aber auch schon gehört. Hier im Landtag stellen Sie Anträge, aber was geschieht draußen in der Fläche? Ich habe gestern die Broschüre „Genmais in Deutschland“ auf den Schreibtisch bekommen. Die Verantwortung für diese Broschüre tragen die Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft - wohin sie gehört, wissen wir -, der Bund für Ökologische Lebensmittelwirtschaft und Greenpeace Deutschland. In dieser Broschüre stehen zehn Punkte, die die Landwirte und die Züchter in Deutschland derart verunsichern sollen, dass sie es gar nicht erst wagen, GVOs in die Hand zu nehmen, geschweige denn, sie hier anzubauen. Das ist Ihre wahre Absicht, und da werden wir Sie immer wieder entlarven. Wir sind gegen Verhinderungspolitik. Wir sind für Innovationsund Zukunftspolitik in diesem Bereich.

Meine Damen und Herren, für mich ist besonders schlimm, dass Sie wider besseres Wissen so argumentieren. Sie argumentieren gegen alle wissenschaftlichen Fakten, gegen anerkannte Organisationen, im Grunde gegen den Rest der Welt. Das entlarvt Sie.

Was Sie sagen, ist für mich reine Ideologie. Um sie zu widerlegen, muss ich noch nicht einmal eigene Argumente finden. Ich brauche nur zu zitieren, was die Weltorganisation FAO schreibt: Wir brauchen Biotechnologie und Gentechnik, um in den kommenden Jahren 2 Milliarden Menschen mehr ernähren zu können. Über die Gentechnik lässt sich bei 3,7 Milliarden Menschen auf dieser Welt die Bioverfügbarkeit von Eisen verbessern. Ich lese hier deutliche, auch ethische Ansätze, grüne Gentechnik einzusetzen.