Protokoll der Sitzung vom 14.05.2003

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich fand es durchaus ehrlich, dass Herr Busemann zu Beginn seiner Rede eingeräumt hat, wie die neuen Lehrerstellen finanziert werden: Diejenigen, die nicht über neue Darlehen bezahlt werden, werden aus Einsparungen bei den Hochschulen bezahlt. Herr Busemann hat außerdem gesagt, das sei damit zu rechtfertigen, dass die SPD-Fraktion in ihrer Zeit noch viel größere Kürzungen vorgenommen habe.

(Bernd Althusmann [CDU]: Richtig, das ist auch so: 500 Millionen!)

Dieser Legende muss ich nachhaltig widersprechen.

1996 gab es in der Hochschulpolitik einen Paradigmenwechsel. Die Hochschulen hatten gefordert, dass alle Überschüsse, die sie erwirtschaften - z. B. aus nicht besetzten Stellen -, bei ihnen bleiben. Sie haben im Gegenzug angeboten, dass sie dafür 1 % als globale Minderausgabe an das Land abführen.

Dazu wurde ein Vertrag geschlossen, ein Hochschulvertrag. Der wurde „Innovationspakt“ genannt und hat gehalten, meine Damen und Herren, bis Sie an die Regierung gekommen sind.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Aus diesem Innovationspakt haben die Hochschulen auch etwas gemacht. Wir haben ihn unter Ministerpräsident Gabriel ja noch einmal verlängert, und zwar bis 2006, mit der Folge, dass die Hochschulen einmalig für den Haushalt 2000 50 Millionen DM gegeben haben, dafür aber ab 2001 jedes Jahr 10 Millionen DM für eine Multimediaoffensive zurückbekommen. Das ist die ausgeglichene Bilanz.

Was Sie jetzt zur Finanzierung der Lehrerstellen machen, ist, genau diese freien Mittel, die die Hochschulen selbständig erwirtschaften, abzuschöpfen. Sie missbrauchen also das Vertrauen der Hochschulen aus dem Innovationspakt.

(Beifall bei der SPD)

Noch etwas, meine Damen und Herren, was niemand im Land, der genau hinschaut, richtig versteht: Wir haben sinkende Schülerzahlen. Sie schaffen 2 500 Beamtenstellen an den Schulen bei sinkenden Schülerzahlen und nehmen gleichzeitig den Hochschulen bei drastisch ansteigenden Studierendenzahlen 15 Millionen Euro weg. Wo ist denn da die Logik, meine Damen und Herren?

(Beifall bei der SPD)

Herr Rösler, Sie haben hier eine große Rede gehalten und haben sich als Repräsentant der jungen Generation geoutet. Wissen Sie, wer diese 2 500 Beamten bezahlt, die Sie jetzt über Darlehen und aus Hochschulmitteln finanzieren? - Das werden am Ende die jungen Leute, die von der Unterrichtsversorgung profitieren sollen, selbst sein. Die werden das bezahlen.

(Zuruf von der CDU)

- Wir sind für Einstellungen, die finanziert sind, Herr Kollege.

(Vizepräsidentin Astrid Vockert übernimmt den Vorsitz)

Das unterscheidet uns. Aber diese hier sind jedenfalls nicht seriös finanziert.

(Beifall bei der SPD)

Ich sage Ihnen: Die Schülerinnen und Schüler werden am Ende auch die Beamtenpensionen dieser Lehrerinnen und Lehrer bezahlen müssen.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Man kann aber auch an allem rummeckern!)

Wenn Sie mutig sind, dann stellen Sie diese Lehrerinnen und Lehrer doch als Angestellte ein. Das wäre eine zukunftsweisende Maßnahme. Aber nicht einmal dazu sind Sie in der Lage.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, zu Wort gemeldet hat sich jetzt Minister Stratmann.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Oppermann, ich hatte keineswegs vor, mich bei dieser Debatte zu Wort zu melden. Aber nach Ihrem Redebeitrag, Herr Oppermann, habe ich das doch getan, weil ich der Meinung bin, dass die Kolleginnen und Kollegen einiges wissen sollten. Ich habe immer gesagt - das sage ich auch hier -, dass ich mit der Grundrichtung Ihrer Hochschulpolitik, den Hochschulen möglichst viel Autonomie zu verschaffen, einverstanden bin und es auch in der Vergangenheit war. Ich finde es auch gut, dass man über den Innovationspakt I und den Innovationspakt II versucht hat, mit den Hochschulen Lösungen zu finden, die ein Höchstmaß an Verlässlichkeit mit sich bringen. Das ist wichtig, wenn man eine gute Arbeit vor Ort leisten will. Aber zur Wahrheit gehört, dass der Innovationspakt II, um den es jetzt vor allem geht, von Ihnen unter Finanzvorbehalt gestellt worden ist. Auch das ist nachvollziehbar. Und zur Wahrheit gehört auch, Herr Kollege Oppermann, dass ich sehr überrascht war, das vorzufinden, was ich dann letztlich im Wissenschaftshaushalt vorgefunden habe, nämlich etliche Finanzzusagen, die im Zuge des Landtagswahlkampfes gemacht worden sind, die aber in keiner Weise finanziell unterfüttert waren, nämlich etwa Überzeichnungen beim VW-Vorab, aus dem wir einen Großteil unserer Forschungsmittel nehmen, und eine Überzeichnung von weit über 25 Millionen Euro im Hochschulbauplafonds, um zwei Beispiele zu nennen. Was ich täglich finde, sind ungedeckte Schecks,

bei denen wir uns jetzt vor Ort bemühen müssen, Vertrauenstatbestände möglichst nicht anzukratzen und den Leuten zu erklären: Bei allem Respekt, aber wir können nur so viel Geld ausgeben, wie wir zur Verfügung haben.

Ich will noch etwas sagen, wozu ich mich sehr deutlich bekenne: Das, was von uns Ihnen im Nachtragshaushalt vorgelegt worden ist, nämlich 29,3 Millionen Euro im Wissenschaftshaushalt, macht uns allen keineswegs Freude und Spaß - im Gegenteil. Es gilt ein klares Bekenntnis dieser Koalition in Richtung Hochschule, Forschung und Wissenschaft, weil wir wissen, dass unsere Zukunftsfragen davon ganz wesentlich abhängen. Aber wichtig war auch, dass wir deutlich machten, schnell auf die Haushaltsprobleme zu reagieren, und dass wir uns nicht in einen Streit begeben, der nach außen hin den Eindruck erweckt hätte, hier würden sozusagen nur Ressortinteressen gegeneinander verteidigt, sondern dass wir möglichst zügig zu einem Nachtragshaushalt kommen, den wir Ihnen vorlegen können und der in der Lage ist, mit einem Minimum an Nettokreditaufnahme auszukommen.

Ich bin - das sage ich sehr deutlich - stolz darauf, dass ich als Ressortminister für den Bereich Wissenschaft und Hochschule auch meinen Beitrag dazu leisten konnte. Dazu habe ich viele schwierige Gespräche mit den Hochschulen geführt, konnte aber letztlich auch Verständnis dafür wecken, dass wir diesen Weg gehen.

Für eines habe ich kein Verständnis - das ist meine letzte Bemerkung, Herr Oppermann -: Ich glaube, dass Sie eine Chance verpasst haben, nämlich rechtzeitig die Strukturveränderungen vorzunehmen, die uns in die Lage versetzt hätten, heute anders mit diesem Thema umgehen zu können, als wir es nun müssen. Das werden wir jetzt machen: Wir werden nicht mehr mit dem Rasenmäher sparen und werden nicht mehr dazu beitragen, dass wir flächendeckende Mittelmäßigkeit in Niedersachsen erzeugen, sondern wir werden jetzt den Mut aufbringen, strukturelle Veränderungen gerade auch im Hochschulbereich anzugehen, die zu einer klaren Schwerpunktsetzung führen, die die Stärken stärken und die dem Hochschulbereich eine echte Zukunftsperspektive eröffnen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die Hochschulen, meine Damen und Herren, haben das verstanden und sind bereit, diesen Weg mit zu gehen.

So, wie ich Sie kenne, Herr Kollege Oppermann - wir sind uns vom Grundsatz her nach wie vor einig -, bin ich mir sicher, dass auch Sie diesen Weg konstruktiv begleiten. Allerdings hätte er viel, viel früher beschritten werden müssen. Wir tun das. Wir hören auf zu reden und handeln stattdessen. Ich merke überall allenthalben, dass wir damit auf viel Verständnis stoßen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Nach § 71 Abs. 2 der Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Sigmar Gabriel um zusätzliche Redezeit gebeten. Ich erteile ihm für bis zu zweieinhalb Minuten das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Stratmann, so sehr ich Sie persönlich - so, wie Sie den Kollegen Oppermann schätzen - und auch viele aus meiner Fraktion Sie schätzen, dürfen wir Ihnen das Nebelkerzenwerfen aber nicht durchgehen lassen.

(Zurufe von der CDU: Oh!)

Sie haben mit dem, was Sie eben gesagt haben, kritisiert: Ihr, liebe Sozialdemokraten, habt Zusagen gemacht, die im Haushalt nicht abgesichert waren.

(Zuruf von der CDU: Überall!)

Wenn man unterstellt, dass das stimmt - ich unterstelle das jetzt auch einmal für meine Redezeit, aber nur so lange -, wieso, Herr Stratmann, hat das denn etwas damit zu tun, dass Herr Busemann es fertig bringt, von einer soliden Finanzierung von 2 500 Lehrerstellen zu sprechen, wenn er die aus Ihrem Haushalt herausschneidet? Was hat das eine mit dem anderen zu tun?

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Im Gegenteil: Wenn das stimmen würde, müsste man erst recht auf Kürzungen im Wissenschaftshaushalt verzichten. Herr Oppermann hat sehr präzise nachgewiesen, dass wir im Wissenschafts

haushalt Verlässlichkeit für die Hochschulen herbeigeführt haben. Er hat der Behauptung von Herrn Klare und Herrn Busemann widersprochen, dass wir dort gekürzt hätten. Das Gegenteil ist richtig. Die Hochschulpräsidenten führen eine Debatte darüber - Sie wissen das -, dass für den Fall, dass der jetzt vorgesehene Einsparbetrag im normalen Haushalt 2004 so, wie von Ihrem Finanzminister vorgesehen, doppelt so hoch wird und in Richtung 50 Millionen Euro steigt, Fachbereiche im Land geschlossen werden müssen, obwohl wir 30 000 zusätzliche Studentinnen und Studenten bekommen.

Herr Stratmann, wir wehren uns gegen eine Finanzierung von sinnvollen Maßnahmen in der Lehrereinstellung - ich sage ausdrücklich, dass es sinnvolle Maßnahmen sind; niemand von uns hat etwas gegen Lehrereinstellungen -, die an der anderen Stelle des Bildungssystems das Geld aus dem Haushalt schneidet, nur um sich hier hinstellen und sagen zu können: Wir haben ein Wahlversprechen erfüllt. - Sie haben es dann nämlich in Wahrheit nicht erfüllt, jedenfalls dann nicht, wenn Sie sagen, Sie wollen der Bildung einen höheren Stellenwert geben, meine Damen und Herren. Das ist der Punkt, um den es geht.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herr Busemann hat ein interessantes Angebot gemacht. Er hat gesagt: Nun lasst uns doch mal bei einem bestimmten Teil gucken, ob wir zueinander kommen. - Das macht doch Sinn. Auch bei Ihnen wird niemand ernsthaft behaupten, dass es nicht Bereiche gibt, bei denen wir mehr tun müssen. Wir stellen jetzt 2 500 Lehrer ein, wissen aber, dass die skandinavischen Länder besser sind als wir, weil sie ein Drittel Assistenzpersonal, Sozialpädagogen, Erziehungswissenschaftler und Verwaltungspersonal beschäftigen. Wir sind häufig froh, wenn wir einen Hausmeister einstellen können. Sie wissen doch genau, es wäre besser, mehr in diesem Bereich und etwas weniger in der Lehrereinstellung zu tun. Mit mehr vom Gleichen bekommen Sie keine besseren Schulen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Aber hören Sie doch auf, im Wissenschaftshaushalt zu kürzen.

Herr Stratmann, verstehen Sie es als ein Angebot der SPD-Fraktion - jetzt sind die zwei Minuten

allerdings herum, und ich darf nicht mehr unterstellen, dass Sie bei den unterstellten nicht gedeckten Schecks Recht haben -: Wir wollen nicht, dass in Ihrem Haushalt zulasten der Studentinnen und Studenten gekürzt wird und dass eines passiert, nämlich dass Sie sich hier jahrlang hinstellen und z. B. die Einführung von Langzeitstudiengebühren kritisieren, dass Sie sie jetzt aber - entgegen unserer Politik - nicht bei den Hochschulen lassen, damit schnellere Studiengänge kommen, sondern beim Finanzminister einsacken. Das, was Sie betrieben haben, ist doch abenteuerlich, und dagegen sind wir.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich möchte Sie davon in Kenntnis setzen, dass sich die Fraktionen dahin gehend verständigt haben, die Aktuelle Stunde pünktlich nach der Mittagspause um 14.30 Uhr zu beginnen.

Bevor Sie jetzt aber alle in die Mittagspause gehen, haben wir noch die Ausschussüberweisungen zu den Tagesordnungspunkten 2 bis 5 vorzunehmen und den Punkt 6 ebenfalls abzuarbeiten.

Ich komme zur Ausschussüberweisung zu den Punkten 2, 4 und 5. Es ist empfohlen worden, dem Kultusausschuss die Federführung bei der Beratung der Anträge zu übertragen, und mitberatend soll der Ausschuss für Haushalt und Finanzen sein. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen! - Stimmenthaltungen? - Dann haben Sie so beschlossen.