Wo müssen wir also hin? - Wir müssen dahin, dass praktische Lösungen für den Wissenschaftsbereich gefunden werden. Es gibt unendlich viele Papiere, die man lesen kann. Ich habe im Augenblick ungefähr 780 g bedrucktes Papier und werde mich damit auch noch etwas intensiver beschäftigen. Ich wünsche nur, dass sich die Zuständigen - das ist der entscheidende Punkt; wir können hier zwar lange darüber diskutieren, aber zuständig sind die Tarifvertragsparteien - darauf konzentrieren, praktikable, klare und einfache Lösungen im Interesse der Wissenschaft und der Kliniken zu finden. Diese herzliche Bitte habe ich an die Verhandlungspartner.
Ich habe bei der Durchsicht der Papiere mit Freude zur Kenntnis genommen, dass keine Insellösungen einzelner Länder angestrebt werden und dass auch SPD-regierte Länder solche Lösungen ablehnen.
Mein Wunsch ist deshalb, lieber Finanzminister Hartmut Möllring: Nehmen Sie die Wünsche aus der Landespolitik mit und versuchen Sie, mit den Tarifvertragsparteien saubere, praktikable Lösungen zu finden! Ich weiß unsere Interessen durch den Minister in den Verhandlungen gut vertreten und hoffe, dass wir bald von Erfolgserlebnissen hören.
Danke schön. - Für die Landesregierung hat sich Herr Minister Möllring zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Minister, Sie haben das Wort!
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die SPD-Fraktion fordert in ihrem Antrag die Landesregierung auf, die abgebrochenen Verhandlungen zu einer Ausgestaltung von wissenschaftsspezifischen Regelungen für den Hochschul- und Forschungsbereich wieder aufzunehmen und zu einem Ergebnis zu führen.
Tarifgemeinschaft deutscher Länder seit Jahren ein modernes, flexibles und leistungsorientiertes Tarifrecht.
Zweitens. Die Gewerkschaft ver.di hat die Verhandlungen innerhalb eines Jahres nun zum zweiten Mal abgebrochen. Beim letzten Mal mussten die Länder acht Monate warten, bis Herr Bsirske wieder zu Verhandlungen bereit war. 18 Monate lang haben die Gewerkschaften mit Bund und Kommunen in Projektgruppen und Lenkungsgruppen verhandelt. Die Gespräche mit der TdL, der Tarifgemeinschaft deutscher Länder, hat ver.di nach zwei Terminen und zwölf Stunden Verhandlungsdauer erneut für gescheitert erklärt. Mit dem schriftlichen Angebot der TdL hat sich die Verhandlungskommission nicht auseinander gesetzt; ich habe das hier.
Wir haben noch in der Nacht ein Verhandlungsangebot unterbreitet. Das ist ganz unverdächtig. Es wurde im Wesentlichen von Herrn Dr. Stegner, dem Kollegen aus Schleswig-Holstein, sowie von Herrn Dr. Metz und mir formuliert. In diesem Angebot zur Fortsetzung der Verhandlung steht unter Nr. 2:
„Es besteht Einvernehmen, dass bei der Problematik der Bezahlung der II a-Angestellten in Forschung und Lehre eine deutliche Annäherung erzielt wurde. Es gibt noch weiteren Klärungsbedarf.“
Mit „II a“ ist die Vergütungsgruppe II a des alten BAT gemeint. Es gibt Streit darüber, ob das gleich E 13-2 ist oder in E 14-1 überführt wird. Auch die Vertreter von ver.di wussten nicht genau, ob nach E 14-1 weniger bezahlt wird als nach E 13-2. Sie sehen also, dass es auch in solchen Spitzengesprächen immer noch Klärungsbedarf gibt.
„Für den Bereich Hochschulen, Uniklinika, Wissenschaftseinrichtungen wird ein Katalog notwendiger Regelungen noch erarbeitet.“
Dieses Angebot haben wir in der Nacht um 1:30 Uhr überreicht. Daraufhin hat ver.di das Scheitern der Verhandlungen erklärt.
Deshalb ist Ihr Antrag überflüssig, meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion. Wenn es Ihnen um den Fortgang der Verhandlungen geht, müs
sen Sie sich an ver.di und an Herrn Bsirske wenden; denn wer die Verhandlungen abbricht, muss sie auch wieder aufnehmen. Ihr alter Parteigenosse Wehner hat ja mal gesagt: Wer rausgeht, muss auch wieder reinkommen. - Das gilt auch für Tarifverhandlungen. Wir haben am Tisch gesessen, die anderen sind rausgegangen, also müssen sie wieder reinkommen.
Drittens. Ich bedauere, dass die Gewerkschaften die Verhandlungen zum Scheitern gebracht haben, zumal es Fortschritte und Annäherung auch in Fragen der Arbeitszeit gab. Über viele Themen konnte aber bisher noch gar nicht inhaltlich geredet und schon gar nicht vertieft verhandelt werden, z. B. über Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld und Einmalzahlungen. Das kann in zwei Terminen auch gar nicht abgehandelt werden.
- Ich kenne das so: Wenn ich gegenüber einer Zeitung generelle Forderungen aufstelle, versuche ich auch, mich daran zu halten. Schließlich bin ich ja nicht nur auf eine billige Schlagzeile aus.
Die TdL hat ungeachtet der Erklärung der Gewerkschaften weitere Gespräche, Termine und Arbeitsgruppen angeboten. In einem persönlichen Schreiben an Herrn Bsirske von ver.di habe ich am 28. April nochmals die Verhandlungsbereitschaft der Länder betont und dabei im Vorgriff besondere Gespräche zum Bereich Wissenschaft und Hochschulen angeregt. Ich zitiere aus dem Schreiben, das an Herrn Vorsitzenden Frank Bsirske, ver.diBundesverwaltung, Paula-Tiede-Ufer 10, Berlin, gerichtet ist und das auf Seite 2 mit folgendem Absatz endet:
„Ferner sieht die TdL gerade für den Bereich der Hochschulen und Uniklinika noch erheblichen Gesprächsbedarf auf Fachebene, um insoweit die notwendigen Regelungen zu erarbeiten. Da der Wissenschaftsbereich im
letzten Absatz des Beschlusses der Bundestarifkommission nicht erwähnt ist, könnte hier die Chance bestehen, auf Fachebene unter Einbeziehung von Vertretern der Hochschulseite zunächst die Regelungserfordernisse zu diskutieren und gemeinsam nach Lösungen zu suchen.“
Genau das, was Sie mit Ihrem Antrag fordern, habe ich angeboten. Bis heute gab es darauf keine Reaktion. Auch wenn die Pfingsttage dazwischen lagen, hätte es meines Erachtens seit dem 28. April doch eine Gelegenheit gegeben, auf das Schreiben zu antworten.
Viertens. Eine bloße Übernahme des TVöD, also des Tarifvertrages öffentlicher Dienst von Bund und Kommunen, kommt für die Tarifgemeinschaft deutscher Länder nicht in Frage, und zwar für alle Länder nicht, egal, von wem sie regiert werden. Wir müssten schließlich die Katze im Sack kaufen; denn es gibt ja noch gar keinen ausformulierten TVöD. Bund und VKA sind zurzeit hektisch bemüht, ihr Reformwerk gemeinsam mit den Gewerkschaften bis zum 1. Oktober 2005 fertig zu bekommen. Täglich arbeiten mehrere Arbeitsgruppen an der Ausformulierung des Tarifvertrages. Da wurde also mit einem großen Paukenschlag ein Tarifvertrag verabschiedet, dessen Inhalte noch gar nicht bekannt sind, sondern bis zum 1. Oktober dieses Jahres noch ausformuliert werden sollen, und wir werden aufgefordert, den Vertrag zu übernehmen. Wer fordert, dass ich einen Vertrag übernehme, den ich gar nicht kenne und der noch ausformuliert werden muss, handelt sicherlich fahrlässig.
Sicher ist bereits jetzt: Bei den wichtigen Fragen der Arbeitszeit hat ver.di den Ländern sogar die Regelung verweigert, die der TVöD für die Kommunen enthält.
Außerdem wird die Tarifeinigung der Gewerkschaften mit Bund und Kommunen der besonderen Personalstruktur der Länder nicht gerecht; sie würde zu 2 % höheren Mehrausgaben führen. Das können wir so nicht übernehmen.
Fünftens. Das sehen auch die noch SPD-regierten Länder so. In der Finanzministerkonferenz am 12. Mai gab es volle Übereinstimmung mit der Verhandlungsführung des TdL-Vorstandes.
Sechstens. Anstatt zu verhandeln, hat ver.di sich jetzt vorgenommen, die Tarifgemeinschaft deutscher Länder zu spalten. Einzelne Länder sollen die für Bund und Kommunen gescheiterte Regelung übernehmen. Dies lehnen jedoch alle Landesregierungen mit aller Entschiedenheit ab, und zwar auch in den Ländern, in denen die SPD noch Regierungsverantwortung trägt. Ich bin meinem Kollegen Diekmann aus Nordrhein-Westfalen ausgesprochen dankbar, der ausgeführt hat:
„Die Gewerkschaften haben sich in der Frage der Arbeitszeit unzureichend bewegt. Der beste und schnellste Weg zu einer Einigung führt über die TdL. Zu eigenen Verhandlungen steht die Landesregierung nicht zur Verfügung.“
Auch dieses Schreiben habe ich hier. Ich bin ihm dafür ausgesprochen dankbar, weil es nämlich Gerüchte gab, das sei anders. Schließlich steht die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen gerade in einem Wahlkampf, der, wie es die Umfragen bescheinigen, für sie nicht gerade ein Selbstgänger ist. Deshalb finde ich es besonders toll, dass auch dieses Land genau wie alle anderen Länder dazu steht.
Die SPD-Fraktion würde also mit ihrem überflüssigen Antrag den SPD-Ländern in den Rücken fallen, wenn ihn außer uns, die wir dies pflichtgemäß tun müssen, irgendeiner zur Kenntnis nehmen würde. Niedersachsen soll mit dem Antrag in die Position des Steigbügelhalters für die Spaltungsabsichten von ver.di gezwungen werden. Das ist nun völlig falsch.
Siebtens. Nun machen Sie sich, meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion, dafür stark, dass dieses Tarifrecht einfach so übernommen wird. Dieses von Bund und Kommunen noch nicht einmal ausgehandelte Tarifrecht, das auf die Länder bisher überhaupt nicht passt, soll nach Ihrem Antrag auch für die Hochschulen gelten. Aber passt es für die Hochschulen? Ist es das, was die Hochschulen als modernes auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenes Tarifrecht ansehen? - Nein. Deshalb ist Ihr Antrag auch in diesem Punkt kontraproduktiv.
Die Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz hat mir mit Schreiben vom 20. Januar 2005 mitgeteilt, dass die Übernahme der bis dahin von Bund und VKA mit den Gewerkschaften verhandelten Zwischenergebnisse für den Wissenschaftsbereich - ich zitiere wörtlich - keine befriedigende Lösung wäre. Sie hat ihr Schreiben wie folgt begonnen:
„Sehr geehrter Herr Minister Möllring, sollte die Tarifgemeinschaft deutscher Länder bereit sein, die Zwischenergebnisse der Verhandlungen von VKA und ver.di zu konsentieren, und sollten diese auf den Wissenschaftsbereich Anwendung finden, wäre dies für die Entwicklung der deutschen Wissenschaftsinstitutionen, insbesondere für die deutschen Hochschulen, keine befriedigende Lösung.“
Und so weiter, und so fort. Also, alles, was Sie da fordern, wird von den Fachleuten der Hochschulrektorenkonferenz abgelehnt.
Zwischenzeitlich zeichnet sich bereits konkreter ab, dass der Wissenschaftsseite Regelungen vorschweben, die mit diesem TVöD nur schwer übereinzubringen sein werden. Damit verbietet sich aus unserer Sicht geradezu die von der SPD-Fraktion in ihrem Antrag geforderte reine Übernahme des TVöD für den Wissenschaftsbereich.
Ich stelle deshalb zusammenfassend fest: Erstens. Der Antrag ist überflüssig, weil die Niedersächsische Landesregierung und die Tarifgemeinschaft deutscher Länder verhandeln wollen, gerade auch über den Wissenschaftsbereich, wie ich es Ihnen eben nachgewiesen habe. Zweitens. Der Antrag ist kontraproduktiv, weil der TVöD des Bundes und der Kommunen die Interessen der Wissenschaftsseite nicht berücksichtigt.
Ich bitte deshalb, nach Beratungen in den Ausschüssen den Antrag abzulehnen. Vielleicht beantragt die SPD ja auch sofortige Abstimmung. Dann hätten wir es schneller hinter uns.