Protokoll der Sitzung vom 22.06.2005

Artikel 2. - Unverändert.

Gesetzesüberschrift. - Unverändert.

Wir kommen zur Schlussabstimmung. Wer dem Staatsvertrag zustimmen will, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. - Gegenstimmen! - Stimmenthaltungen? - Das Gesetz ist so angenommen worden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir kommen jetzt zu den Tagesordnungspunkten 15 und 16, die ich vereinbarungsgemäß zusammen aufrufe.

Tagesordnungspunkt 15: Erste Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Datenschutzgesetzes Gesetzentwurf der Fraktion der SPD - Drs. 15/2007

und

Tagesordnungspunkt 16: Erste Beratung: Gegen die Zerschlagung einer einheitlichen Datenschutzkontrolle in Niedersachsen - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/1996

Zur Einbringung des Gesetzentwurfs hat sich Frau Leuschner von der SPD-Fraktion gemeldet.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der niedersächsische Innenminister, Herr Schünemann, hat wieder einmal durch einen Vorschlag geglänzt und aus meiner Sicht zugeschlagen. Er will dem Niedersächsischen Landesbeauftragten für den Datenschutz die Kompetenz für den nicht öffentlichen Bereich nehmen und sie auf das Innenministerium übertragen. Deshalb, meine Damen und Herren, bringen wir heute unseren Gesetzentwurf ins Plenum ein.

Wie schon erwähnt, beabsichtigt die CDU/FDPLandesregierung, dem Niedersächsischen Landesbeauftragten für den Datenschutz die Zuständigkeit für den Datenschutz im nicht öffentlichen Bereich zu entziehen. Mit der weder sachlich belegten noch inhaltlich nachvollziehbaren Behauptung, es ließen sich durch einen Zersplitterung der Zuständigkeiten Synergieeffekte erzielen, wird vom Prinzip des kompetenten Datenschutzes aus einer Hand Abstand genommen. Das kann aus unserer Sicht nicht gehen.

Vor dem Hintergrund, dass der Datenschutzbeauftragte in den vergangenen Jahren erhebliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der von CDU und FDP zu verantwortenden zentralen Änderung des Polizeigesetzes geäußert hatte, liegt nun wirklich der Verdacht nahe, dass es sich bei dieser Maßnahme um eine gezielte Entmachtung des Datenschutzbeauftragten durch Sie, Herr Innenminister, handelt.

(Beifall bei der SPD)

Ich will jetzt noch in den XVII. Tätigkeitsbericht aus den Jahren 2003/2004 des Landesbeauftragten eingehen. Dort ist eine erhebliche Kritik an der Änderung des Polizeigesetzes deutlich geworden, eine Kritik, die im Grunde genommen an die CDU und FDP gerichtet ist. Wörtlich heißt es in dem Datenschutzbericht - ich zitiere -:

„Ich hatte Gelegenheit, meine Argumente in einer Anhörung des für die Beratung federführenden Landtagsausschusses vorzutragen; dabei habe ich allerdings nicht den Eindruck gewonnen, bei der Ausschussmehrheit noch auf eine offene Entscheidungssituation zu treffen.“

Und weiter:

„Umso wichtiger ist es, dass ich - so wie im Gesetz auch vorgegeben (§ 22 Abs. 1 Satz 4 NDSG) - von der Landesregierung und den Ressorts frühzeitig bei der Ausarbeitung von Rechts- und Verwaltungsvorschriften mit datenschutzrechtlicher Bedeutung beteiligt werde. Hier ergab sich - leider - mehrfach die Notwendigkeit, Ressortleitungen an die Einhaltung dieser gesetzlichen Vorgaben erinnern zu müssen. Gerade bei dem für das Datenschutzrecht zuständigen

Ministerium ist die Zusammenarbeit insofern noch deutlich verbesserungsbedürftig. Auch bei Anfragen des LfD und bei erbetenen Stellungnahmen waren die Reaktionen dieses Ministeriums häufiger sehr zögerlich."

Ich habe aus dem XVII. Tätigkeitsbericht des Landesdatenschutzbeauftragten, Seite 8 zitiert. Das sollte Ihnen doch zu denken geben, Herr Minister Schünemann.

Meine Damen und Herren, vor dem Hintergrund dieser Stellungnahme ist zu vermuten, dass es sich mit der Entziehung der seit 1992 bestehenden Zuständigkeit des Landesbeauftragten für den Datenschutz für den nicht öffentlichen Bereich um eine gezielte Entmachtung des Datenschutzbeauftragten handelt, dessen kritische Stellungnahme Ihnen, Herr Innenminister, wohl ziemlich unangenehm oder gar - ich formuliere es kräftiger - hinderlich ist.

Es handelt sich bei der Zerschlagung der Datenschutzzuständigkeiten nicht nur um eine unsouveräne Handlung, sondern sie ist ganz einfach auch rückwärts gewandt. In anderen Bundesländern beispielsweise setzt man sich mehr und mehr für die Erkenntnis ein, dass das bisherige niedersächsische Modell des Datenschutzes aus einer Hand ebenso effizient wie wirtschaftlich und bürgerfreundlich ist. Ich nenne nur die Beispiele Berlin, Hamburg, Bremen, Nordrhein-Westfalen, seit November 2004 auch Mecklenburg-Vorpommern. Sie alle haben bereits die Zuständigkeiten beim Datenschutzbeauftragten gebündelt.

Entsprechende Überlegungen - das sollte Ihnen zu denken geben, Herr Minister Schünemann; hören Sie gut zu - gibt es derzeit von der CDU und der FDP in Baden-Württemberg, in Hessen, in Sachsen und ansatzweise sogar in Sachsen-Anhalt. Es sollte Ihnen zu denken geben, warum Sie in Niedersachsen gerade einen anderen Weg gehen wollen.

Überall scheint man sich für die vernünftige Lösung zu entscheiden. Deshalb halte ich es für umso verwerflicher, dass die offenkundige Abneigung gegen den Datenschutz auf Kosten der Landeskasse ausgelebt werden soll. Während in anderen Bundesländern die Zuständigkeit im nicht öffentlichen Bereich zunehmend auf die Landesbeauftragten für den Datenschutz übertragen wird, erfolgt in Niedersachsen nach den von CDU und

FDP zu verantwortenden umfangreichen Eingriffen in die Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger auch noch ein Rückschritt im Bereich des Datenschutzes. Das können wir so nicht stehen lassen.

Die Humanistische Union beispielsweise sieht in dieser Trennung in den öffentlichen und den nicht öffentlichen Bereich einen Verstoß gegen die EGDatenschutzrichtlinie. Ihre ausführliche Stellungnahme dazu ist dem Ministerpräsidenten dieses Landes in dem Schreiben des Vorsitzenden vom 16. Juni überreicht worden.

Entgegen der Argumentation des Innenministers stellt die von ihm betriebene Aufspaltung der Kontrolle des Datenschutzes übrigens auch keine Maßnahme zur Verwaltungsmodernisierung dar. Damit schmücken Sie sich aber immer so. Ganz im Gegenteil, nach meiner Auffassung - da stehe ich wahrscheinlich nicht allein - ist die Vereinheitlichung der Kontrollstellen für den Datenschutz aufgrund der Gleichartigkeit der Aufgaben geradezu geboten. Das sollte man auch so belassen.

Dies lässt sich übrigens auch mit Zahlen belegen. Im Bundesländervergleich über die Mittelausstattung der datenschutzrechtlichen Kontrollstellen zeigt sich, dass gerade die Länder besonders kostengünstig arbeiten können, in denen die Zuständigkeit für den öffentlichen und für den nicht öffentlichen Datenschutz in einer Hand liegen. Es ist so z. B. kein Zufall, dass die Kosten für den Datenschutz pro Einwohner in Niedersachsen mit großem Abstand niedriger ausfallen als etwa in Hessen, Baden-Württemberg oder Bayern, wo die Zuständigkeiten aufgesplittert sind.

Ich verstehe nicht, warum Sie, Herr Innenminister, etwa das erfolgreiche Präventionsprogramm Polizei-Sozialarbeit angeblich aus Kostengründen zerschlagen, wenn auf der anderen Seite die Kosten der Zerschlagung des Datenschutzes gar nicht hoch genug ausfallen können.

Herr Innenminister, bitte beenden Sie Ihren unsinnigen Kleinkrieg gegen den Datenschutzbeauftragten, und kommen Sie zur Vernunft. Es ist nicht zu spät. Die Zuständigkeitsverlagerung, die das Ministerium in erheblichem Umfang mit für diese Verwaltungsebene fremden operativen Aufgaben belasten würde, ist auch deshalb weder sachgerecht noch zeitgemäß, weil der Datenschutz auch und gerade im nicht öffentlichen Bereich immer mehr - das wissen viele Bürgerinnen und Bürger an Bedeutung gewinnt.

Deswegen denke ich, dass es wichtig ist, von der Seite der Kolleginnen und Kollegen Abgeordneten in den Bericht des Landesdatenschutzbeauftragten zu schauen, um zu erkennen, welchen Umfang und welche Wichtigkeit diese Tätigkeiten, die uns allen dienen, haben.

Gerade im nicht öffentlichen Bereich hat sich die Zusammenarbeit zwischen ihm und den Unternehmen, Verbänden und Organisationen der Wirtschaft in den vergangenen Jahren erheblich verbessert. Das wollen wir aufrechterhalten. Das halten wir auch für notwendig. Ich denke, dass da eine gute Zusammenarbeit entwickelt worden ist, beispielsweise mit den Datenschutzhandreichungen für einen datenschutzgerechten Internetauftritt der Wirtschaft oder mit den mit dem Niedersächsischen Einzelhandelsverband abgestimmten Hinweisen zum Umgang mit Kundendaten. Das ist ja besonders wichtig, wenn man beispielsweise an Payback-Punkte und anderes in diesem Bereich denkt. An diesen Beispielen wird deutlich, dass wir mit unserem Gesetzentwurf dazu beitragen, dass wir diese Trennung nicht wollen und dass das auch aus Sicht der Verwaltungsreform eine unsinnige und absurde Lösung ist.

Ich freue mich auf die Beratungen im Fachausschuss. Herr Minister Schünemann, lassen Sie Ihr Vorhaben! - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Nächster Redner ist Herr Professor Lennartz von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Am 24. Mai dieses Jahres hat das Kabinett beschlossen, ab 2006 dem niedersächsischen Datenschutzbeauftragten die Aufsicht über die Verarbeitung von Daten Privater zu entziehen und sie zukünftig im Innenministerium wahrnehmen zu lassen. Zugleich haben Sie, Herr Innenminister, mitgeteilt, dass der Datenschutzbeauftragte, Herr Nedden, zum April 2006 ausscheiden werde und dementsprechend bis zu diesem Zeitpunkt eine Nachfolge geregelt sein müsse.

Ich glaube, Herr Minister, vielleicht nicht Sie persönlich, aber zumindest Teile Ihrer CDU-Fraktion

würden den Datenschutzbeauftragten am liebsten ganz abschaffen.

(Zurufe von der CDU: Was?)

Aber da ist die Niedersächsische Verfassung - konkret: Artikel 62 - im Weg.

(Vizepräsidentin Astrid Vockert übernimmt den Vorsitz)

Ihre Zerschlagung des Datenschutzes in einer unabhängigen Kontrollinstanz ist in gewisser Weise konsequent. Sie passt zu Ihrer ausufernden Aufrüstung im Bereich der inneren Sicherheit. Eine Politik, die die Sicherheitsbelange einerseits und den Schutz der Bürgerrechte andererseits in eine ausgewogene Beziehung zu bringen versucht, würde einen solchen Schritt natürlich nicht machen.

Vielleicht werden Sie jetzt sagen „Es geht ja gar nicht um die Reduzierung der Kontrollbefugnisse des Datenschutzbeauftragten im öffentlichen Bereich, sondern nur um eine Zuständigkeitsverlagerung für die Kontrolle im privaten Bereich“. Ich möchte an einem konkreten Beispiel das Problem der Zuständigkeitsverlagerung deutlich machen: Die so genannte RFID-Technik - übersetzt: Identifikation per Funk - ist massiv auf dem Vormarsch. Sie wird künftig die Handels- und Warenwelt revolutionieren. Jeder produzierte Gegenstand soll danach mit einem entsprechenden Etikett von der Größe einer Briefmarke versehen sein, wobei jeder Mikrochip einen elektronischen Produktcode enthält, der jedes Produkt eindeutig identifiziert. Bisher hat vor allem der Handel Interesse an dieser Technik, und er hat auch erste Erfahrungen gesammelt. So wurden in Nordrhein-Westfalen bei einer internationalen Warenhauskette ca. 10 000 Kundenkarten mit entsprechenden Chips ausgegeben, ohne dass die Kundinnen und Kunden davon erfuhren. Mit Hilfe dieser Chips wurde der Weg der Kunden und ihr Verhalten in den Supermärkten lückenlos kontrollierbar. Transparenz und Datenschutz sind die zentralen Bedingungen, um einen Missbrauch dieser Technologie zu verhindern oder zumindest weitgehend das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung zu wahren.

Nach der derzeitigen Regelung in Niedersachsen ist es Aufgabe des Datenschutzbeauftragten, die Einführung dieser Technik und die Probleme für den Datenschutz zu kontrollieren bzw. die entsprechenden Firmen bei der Anwendung der Technik zu begleiten. Bei der von Ihnen beabsichtigten

Regelung würde diese Aufgabe im Innenministerium wahrgenommen werden. Angesichts der Interessen von Unternehmen, diese Technik unter Umständen auch im Graubereich der informationellen Selbstbestimmung zu praktizieren, ist zu erwarten, dass dem Innenministerium die notwendige Unbefangenheit zur absoluten Gewährleistung des Datenschutzes fehlen könnte; denn die Landesregierung hat in erster Linie die Interessen von Unternehmen im Auge, die sich hier ansiedeln bzw. ein möglichst gutes Umfeld für ihre vermeintlichen oder tatsächlichen Interessen vorfinden wollen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir sind es gewohnt, dass konstruktive Kritik von Ihnen nicht sehr geschätzt wird, und ich befürchte auch, dass die Kritik beispielsweise der Deutschen Vereinigung für Datenschutz, verschiedener Datenschutzbeauftragter anderer Bundesländer oder etwa der Humanistischen Union Sie nicht maßgeblich beeinflussen kann.

(David McAllister [CDU]: Richtig!)

Jetzt kommt für meine Begriffe die FDP ins Spiel. Die FDP hat erklärt, sie sehe in den Plänen der Landesregierung bzw. des Innenministers kein Problem, aber sie werde den Vorgang sorgfältig beobachten. - Meine Damen und Herren von der FDP, das reicht nicht. Sie sind jetzt gefordert!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie schneidern doch gerade an einem neuen Kostüm der Bürgerrechtspartei.

Übrigens: Wie verhält sich Niedersachsen heute im Rechtsausschuss des Bundesrates in Sachen Informationsfreiheitsgesetz? Enthält sich Niedersachsen auf Ihre Intervention hin bei dem Antrag der CDU, das Informationsfreiheitsgesetz der rotgrünen Bundestagsmehrheit in den Vermittlungsausschuss zu bringen und damit dauerhaft zu erledigen, jedenfalls was Ihre Intention angeht?