- Herr Kollege Biel, Sie können gleich draußen gerne Zwiegespräche mit Herrn Kollegen Rösler führen. Aber jetzt hat Herr Kollege Wenzel das Wort. - Bitte schön!
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Althusmann, eine Sache sollten Sie uns erklären, bevor wir hier im Landtag über Ihr Steuerund Finanzkonzept diskutieren. Wer spricht eigentlich im Moment für die CDU?
Kirchhof? - Ich kann mich noch gut an eine Veranstaltung in der Stadthalle mit Herrn Kirchhof erinnern, an der viele von Ihnen teilgenommen haben. Ich glaube, dass auch der Ministerpräsident dabei war. Herr Kirchhof wurde in den höchsten Tönen gelobt. Dann, vor zwei Wochen, hieß es: Ein exzellenter Fachmann. - Herr Merz sagte das. - Der muss Finanzminister werden. - Das sagte Frau Merkel. - Ein steuerpolitischer Verbündeter im Geiste. - Das kam von Herrn Westerwelle. Herr Stoiber sah sogar einen „Glücksfall für die Union“.
Meine Damen und Herren, das ist nun zwei Wochen her. Was ist seither passiert? - Man weiß überhaupt nicht mehr, wer in der Union im Moment den Ton angibt.
Herrn Kirchhof wollen Sie plötzlich verstecken, Herr Wulff holt Herrn Merz wie Kai aus der Kiste, die Ministerpräsidenten setzen sich ab. Herr Stoiber habe sein eigenes Programm, so schreibt die Neue Presse gestern. Die Süddeutsche Zeitung schreibt: „Finanzpolitik - die verwundbarste Stelle der Union.“
Herr Wulff spricht plötzlich von Herrn Kirchhof und sagt: Der hat eine Vision. - Andere benutzen diesen Begriff manchmal auch in einem anderen Sinnzusammenhang, sodass man sich schon denken mag, was Herr Wulff damit meinte.
Heute titelt die Financial Times auf der ersten Seite: Pierer greift Kirchhof an. - Meine Damen und Herren, als ich das heute Morgen gelesen habe, dachte ich: Jetzt ist der Ofen wirklich aus. - Zwei Berater im Handgemenge hinter den Kulissen oder eigentlich sogar vor den Kulissen. CSU fürchtet Verluste wegen Kirchhof, hört man aus dem bayerischen Kabinett - wegen dieses Glücksfalls. - Meine Damen und Herren, es ist pures Chaos, wenn sich jetzt noch 50 CDU-Bürgermeister und -Oberbürgermeister schriftlich an ihre Partei wenden und sagen, dass man sie von diesem Kirchhof verschonen möge, weil er die Finanzen der Kommunen gefährde.
Herr Rösler, eines ist sicher, darauf kann man sich bei Ihnen verlassen, und in dieser Hinsicht braucht man vor Ihnen keine Angst zu haben: Bei Ihnen werden die besser Verdienenden besser entlastet. Das ist sicher, das ist klar.
Einen kleinen Moment, bitte, Herr Kollege Wenzel! - Herr Wenzel, Sie haben das Wort. Ich möchte darum bitten, dass das Plenum etwas aufmerksamer ist. Herr Coenen, das gilt auch für Sie. - Bitte sehr, Herr Wenzel!
Wir haben viele Themen angepackt, ob es die demografische Entwicklung und die Riester-Rente sind, ob es die Globalisierung und die Herausforderung für unsere Steuersysteme sind. Was machen Sie? - Ich will nur vier Rahmendaten nennen: Jugendarbeitslosigkeit in Niedersachsen: die rote Laterne mit plus 41 % im Vergleich zum Vorjahr. Sie haben den letzten Platz aller Bundesländer. Insolvenzen: plus 11 % bei den Unternehmensinsolvenzen, während im Bundestrend ein Rückgang zum Vorjahr zu verzeichnen ist. - Armutsquote: plus 0,8 % in Niedersachsen; das ist doppelt so hoch wie im übrigen Bundesgebiet. - Und eine Hammerzahl: 10 bis 15 % aller Schülerinnen und Schüler verlassen die allgemein bildenden Schulen in Niedersachsen ohne Schulabschluss.
Das sind leider die Arbeitslosen von morgen, die Sie zu verantworten haben. Das wollen wir für den Bund nicht. - Herzlichen Dank.
Danke schön. - Für die Landesregierung hat sich Herr Minister Hirche zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Minister!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben von Herrn Gabriel soeben wieder einen moralischen Anspruch gehört. Ich finde das mit Hinweisen auf Zitate schon erstaunlich. Ich werde Ihnen Zitate entgegenhalten.
Im Handelsblatt vom 13. Mai des vorvergangenen Jahres hat sich Herr Gabriel für die Besteuerung von Nacht-, Feiertags- und Sonntagszuschlägen ausgesprochen. Meine Damen und Herren, er selbst hat vor einigen Jahren den Vorstoß gemacht. Wenn jetzt aber andere darüber reden, im Zuge von Steuersenkung bestimmte Teile sukzessive über einen Sechsjahresrhythmus zu besteuern, ist so etwas falsch.
Herr Gabriel hat aus dem Interview mit Herrn Klein zitiert, über das das Handelsblatt berichtet hat. Ausweislich dieses Zeitungsartikels wird Herr Klein in diesem Interview gefragt, wo Deutschland steht. Daraufhin sagt er:
„Der Abstand zur Spitzengruppe ist trotz der Fortschritte nach wie vor gewaltig. Es gibt einfach eine Reihe von Ländern, die in den vergangenen Jahren deutlich mehr getan haben als Deutschland.“
Meine Damen und Herren, das ist die eigentliche Tatsache: Zwischen 1990 und 1998 hat das Wachstum in Deutschland im Schnitt 2,2 % betragen. Zwischen 1998 und 2005 hat es bei 1,2 % gelegen. Meine Damen und Herren, 1 % mehr Wachstum bedeutet bundesweit Steuermehreinnahmen in Höhe von 5 Milliarden Euro bzw. Verluste in Höhe von 5 Milliarden Euro. Davon würde Niedersachsen in einer Größenordnung von 250 Millionen Euro profitieren. 1 % bedeutet 150 000 Beschäftigte mehr oder weniger. In Niedersachsen würde das einem Plus von über 13 000 Beschäftigten entsprechen.
Meine Damen und Herren, die Verbesserung Niedersachsens von Platz 9 unter der SPD-Regierung im Februar 2003 auf Platz 6 oder 7 in diesem Sommer bedeutet, dass wir in Niedersachsen 30 000 Arbeitslose mehr hätten, wenn wir noch immer auf Platz 9 liegen würden. Das ist die soziale Wirkung der Politik von CDU und FDP. Alles andere, also das Verscherbeln von Wachstum, ist der soziale Angriff auf die Gesellschaft in Deutschland, ist das Ergebnis dessen, was RotGrün in Berlin veranstaltet hat. 1 % mehr Wachstum würde auch Mehreinnahmen in Höhe von 4 Milliarden Euro in der Sozialversicherung bedeuten. Dadurch könnten die Lohnnebenkosten um 0,4 Prozentpunkte gesenkt werden. Meine Damen und Herren, neue Programme für Dynamik und Wachstum sind die Alternative, die Rot-Grün
Wir haben in Niedersachsen von Dritten - darauf lege ich mehr Wert als auf das Lob aus den eigenen Reihen oder auf die Kritik aus der Opposition -, die nicht im Landtag vertreten sind, bescheinigt bekommen - etwa von der BertelsmannStiftung beim Bundesländer-Ranking -: Niedersachsen konnte seine Abwärtsbewegung umkehren. Wir sind aus der unteren Tabellenhälfte in die obere Tabellenhälfte aufgestiegen, meine Damen und Herren. Das müssen wir für Deutschland erreichen. Dazu sind die Maßnahmen, die Sie vorgeschlagen haben, ungeeignet. Wir müssen eine neue Dynamik erzeugen.
Meine Damen und Herren, das Beispiel mag ja klein sein; aber weil es aus Niedersachsen ist und Niedersachsen betrifft, nenne ich es auch im Zusammenhang mit der Bundespolitik: Steuersenkungen schaffen in der Regel am Ende Steuermehreinnahmen. Wir haben das bei dem Beispiel Tonnagesteuer erlebt. In einer großen Vereinbarung aller Fraktionen und Parteien haben wir im Interesse der Küste die Besteuerung für die Schifffahrt abgesenkt. Das Ergebnis ist nicht, dass wir weniger Steuern einnehmen. Vielmehr sind 100 Schiffe zurückgeflaggt worden, die Arbeitsplätze sind wieder nach Deutschland gekommen, und in Deutschland wird Gewerbesteuer gezahlt.
Mit Steuersenkungen, die natürlich in einem ersten Schritt zu Ausfällen führen, werden am Ende in der Gesellschaft wieder Wachstum und Dynamik erzeugt. Das brauchen wir für Arbeitsplätze, für Beschäftigung, für den sozialen Frieden, also nicht das Festhalten an Besitzständen. Wir brauchen das Erzeugen einer neuen Dynamik, so wie das nach dem Krieg gemacht worden ist. Wenn Ludwig Erhard an allen Preisfestsetzungen und an allen Regeln festgehalten hätte, dann hätten wir nie ein Wirtschaftswachstum bekommen, dann hätten wir in Deutschland nie Wohlstand bekommen, meine Damen und Herren.
Es ist Zeit, durch die Senkung staatlicher Belastungen bei den Lohnzusatzkosten und bei den Steuern wieder eine neue Dynamik zu erzeugen. Das ist die Alternative zu Rot-Grün. Das ist die Alternative für ein soziales Deutschland im Wiederaufstieg für die Schwächsten und die Starken in der Gesellschaft.
Danke schön. - Da ich schon sehr viele Wortmeldungen zum nächsten Tagesordnungspunkt vorliegen habe, möchte ich nur darauf aufmerksam machen, dass jede Fraktion zu diesem Tagesordnungspunkt 20 Minuten Redezeit hat, die sie sich selbst einzuteilen hat.
Für die SPD-Fraktion hat sich zu Tagesordnungspunkt 2 c noch einmal der Kollege Gabriel zu Wort gemeldet. Bitte schön!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Hirche, vielen Dank, dass Sie die BertelsmannStiftung zitiert haben. Auch ich finde das sehr erfreulich. Aber ich finde, Sie sollten den Menschen und den Kolleginnen und Kollegen im Parlament sagen,
Es freut uns doch alle, wenn sich das Land gut entwickelt hat, scheinbar u. a. deshalb, weil wir im Jahr 2002 anständig regiert haben.
- Er hat es doch zitiert, nicht ich. Sie müssen sich bei Ihrem Wirtschaftsminister beklagen, wenn er Studien zitiert, die unsere Regierungszeit untersucht haben. Dann dürfen Sie sich nicht bei mir beklagen.
Herr Minister Hirche, erklären Sie doch einmal, warum Sie auf die Regelung bei der Tonnagesteuer hinweisen - zu Recht; das ist gut für unsere maritime Wirtschaft -, warum aber ausgerechnet dies eine Regelung ist, die Herr Kirchhof nach seinem Steuerkonzept wieder abschaffen will. Erklären Sie das doch einmal!