Protokoll der Sitzung vom 16.09.2005

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Bei der richtigen Aussage, dass der Spracherwerb für Migrantenkinder den ersten und wichtigsten Ansatz zur Bewältigung der Migration darstellt, vergessen Sie darzustellen, dass diese Bemühungen sträflich unterfinanziert sind.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Hartmut Möllring [CDU]: Sie wollten sich doch kurz fassen!)

Meine Damen und Herren, in der Zukunft werden wir beides brauchen: eine Steigerung der Zahl der Hochschulabsolventen und eine Senkung der Quote der Un- und Angelernten. - Die Landesregierung schreibt in der Antwort zu Recht:

„Dass der Anteil der Arbeitsplätze für Schüler mit Hauptschulabschluss oder ohne Hauptschulabschluss sinken wird, ist nicht nur Prognose, sondern ein Prozess, in dem wir uns bereits aktuell befinden.“

(Glocke der Präsidentin)

Mit Ihrer Schulpolitik allerdings und mit dem, was Sie in der vorliegenden Antwort als Maßnahmen benennen, werden Sie den Herausforderungen der Demografie nicht gerecht. - Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Danke schön. - Nunmehr spricht für die FDPFraktion Herr Oetjen. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! Seit der Regierungsübernahme durch FDP und CDU in Niedersachsen und der Aufnahme der Arbeit des Kabinetts von Christian Wulff hat die Bildungspolitik wieder einen angemessenen Stellenwert in den Schwerpunkten der Politik. Aus der Sicht der FDP ist das auch gut so; denn Investitionen in Bildung sind Investitionen in Zukunft.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zuruf von Walter Meinhold [SPD])

- Warten Sie es ab, Herr Meinhold! - Die FDP streitet für Vielfalt im Schulsystem; denn diese Vielfalt ist notwendig, damit jedes Kind individuell gefördert und gefordert werden kann. Daher haben wir uns auch für eine Stärkung des gegliederten Schulsystems ausgesprochen und aufgrund der Möglichkeiten von Außenstellen insbesondere das gymnasiale Angebot in der Fläche deutlich verbessert. Darauf, meine Damen und Herren, bin ich ausgesprochen stolz.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Für die Zukunft wird es bei sinkenden Schülerzahlen - darum geht es ja - darauf ankommen, gezielt Schulstrukturen so aufzubauen, dass gerade in den Regionen, in denen wir heute schon eine schlechte demografische Entwicklung haben - damit meine ich z. B. Südniedersachsen oder den Osten unseres Landes -, auch weiterhin eine flächendeckende Schulversorgung gewährleistet ist. Hier sind Kooperationen auch zwischen verschiedenen Schulformen und verschiedenen Schulstandorten aus meiner Sicht ein richtiger Weg. In der Verordnung zur Schulentwicklungsplanung stehen uns aus meiner Sicht angemessene Instrumente zur Verfügung, um solche regionalen Besonderheiten berücksichtigen zu können.

Dabei sollten die für 2020 prognostizierten Schülerzahlen in Höhe von etwa 800 000, die teilweise natürlich auch durch das Abi nach zwölf Jahren bedingt sind, nicht als gegeben hingenommen werden. Wir müssen alles daran setzen, damit die Bereitschaft, Kinder zu bekommen, in unserer Gesellschaft wieder deutlich steigt.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin - Ina Korter [GRÜNE]: Herr Oetjen, dann fangen Sie mal an! - Zuruf von Rolf Meyer [SPD])

- Herr Kollege Meyer!

Herr Kollege Meyer, Sie können sich noch zu Wort melden. Die SPD hat noch eine Redezeit von sieben Sekunden.

(Heiterkeit)

Frau Präsidentin, aufgrund meiner Erfahrungen mit dem Kollegen Meyer im Ausschuss kann ich sagen: Meistens reicht das für ihn.

(Beifall bei der FDP)

Viele Maßnahmen sind für die Zukunft notwendig. Es kann nicht singulär eine Maßnahme zum Erreichen einer größeren Bereitschaft, Kinder zu bekommen, herausgehoben werden. Auf einige zentrale Punkte möchte ich dennoch eingehen.

Das ist zum einen die finanzielle Förderung von Familien. Hier hat die FDP - ähnlich auch die CDU - mit der Anhebung des Freibetrages pro Kind auf die gleiche Höhe wie bei Erwachsenen aus meiner Sicht einen zukunftsweisenden Vorschlag gemacht, der hoffentlich größere Effekte haben wird als die eher verpuffte Wirkung des Kindergeldes in der Vergangenheit.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ein zweiter wesentlicher Aspekt ist natürlich die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Wir haben in Niedersachsen in vielen ländlichen, aber zum Teil auch in städtischen Regionen - auch in Südniedersachsen, Herr Kollege Sander - noch einen erheblichen Bedarf z. B. an Kinderkrippenplätzen.

(Beifall bei der FDP)

Aber Kinderkrippenplätze allein sind nicht der entscheidende Indikator. Sonst hätten wir z. B. im Nordwesten unseres Landes, also dort, wo die Ausstattung mit solchen Plätzen eher niedrig ist - so z. B. in der Region des Kollegen Große Macke -, nicht so eine im Vergleich zum Rest des Landes positive Geburtenentwicklung.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Auch der Bereich der Ganztagsschulangebote wird eine wichtige Komponente sein, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erhöhen. Hier setzt Minister Busemann aus meiner Sicht zu Recht einen Schwerpunkt seiner Arbeit.

Auf die Schule und die Bildung insgesamt kommen im Zuge der demografischen Entwicklung aber weitere Herausforderungen zu. Die Tatsache, Herr Kollege Rickert, dass junge Menschen häufig erst mit 30 Jahren ins Berufsleben eintreten - -

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Entschuldigen Sie, bitte! - Ich finde es faszinierend, Herr Kollege Oetjen, wie Sie durch Ansprache in Ihren Reden die Personen darauf aufmerksam machen wollen, dass sie zuhören sollen. Das ist Ihnen bisher leider nicht gelungen. Aber jetzt sind auf jeden Fall alle ruhig, und Sie haben während der letzten 30 Sekunden die volle Aufmerksamkeit.

Ich hoffe, Frau Präsidentin, dass Sie mir eine Minute Nachschlag geben, da Sie sich so oft eingemischt haben.

(Bernd Althusmann [CDU]: Bei aller Koalitionsfreundschaft: Nein!)

Die Tatsache, dass junge Menschen heute oft erst mit 30 Jahren in den Beruf eintreten, mit 60 in Rente gehen und Gott sei Dank wegen einer höheren Lebenserwartung über 80 oder 90 Jahre alt werden, gibt uns auch für das Bildungssystem Aufgaben. Wir müssen z. B. überlegen, ob wir die Kinder nicht erst mit sieben Jahren, sondern wirklich mit sechs Jahren in die Schule geben, oder auch darüber diskutieren, ob das nicht schon mit fünf Jahren geschehen könnte. Das Abi nach zwölf Jahren ist da sehr wichtig, ebenso die Verkürzung der Studienzeiten.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Abschließend möchte ich einen Punkt ansprechen. Das sind die „Bildungsreserven“ bei Migrantenkindern, von denen Frau Kollegin Korter gesprochen hat.

(Ulrich Biel [SPD]: Geben Sie uns das schriftlich, Herr Oetjen!)

Entschuldigen Sie bitte! Einen letzten Punkt, Herr Kollege Oetjen, sollten Sie nicht ansprechen. Die Redezeit haben Sie nicht mehr. Aber einen letzten Satz gestatte ich auch Ihnen.

(Ulrich Biel [SPD]: Geben Sie uns das schriftlich!)

Bei der Frage, wie viele Kinder, insbesondere Migrantenkinder, die Schule ohne Abschluss verlassen, setzt die Landesregierung aus meiner Sicht mit der Einführung der Sprachtests einen besonderen Schwerpunkt, der auch richtig ist; denn Sprache und Bildung für die Migrantenkinder sind nicht nur eine Frage der Integration, sondern auch für die Teilhabe an Gesellschaft. Ich hoffe, wir sind uns einig, dass wir da zukünftig einen Schwerpunkt setzen sollten.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herzlichen Dank. - Zum Abschluss von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Kollegin Korter. Sie haben noch einmal das Wort. Bitte schön!

(Bernd Althusmann [CDU]: Die war doch schon!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Busemann, Sie haben in Ihrer Antwort ziemlich deutlich das Dilemma beschrieben, vor dem die Schulträger angesichts der demografischen Entwicklung stehen werden. Aber Sie scheinen noch kein Konzept zu haben, wie Sie damit umgehen wollen. In Ihrer Antwort ist für mich keine klare Linie zu erkennen. Sie haben auch in Ihrer Rede vorhin keine zum Ausdruck gebracht.

Einmal haben Sie erklärt, Herr Busemann, dass Schulen nicht zu klein werden sollten - das ist auch richtig -, wenn noch ein ausreichend differenziertes Angebot möglich sein soll. Dann weisen Sie darauf hin, dass die pädagogisch begründete Mindestzügigkeit doch unterschritten werden kann, wenn die Schule sonst geschlossen werden müsste. Was wollen Sie denn nun eigentlich?

Wenn es um zumutbare Entfernungen zur nächstgelegenen Schule geht - da sollten Sie jetzt genau zuhören, meine lieben Kolleginnen und Kollegen; das wird Sie alle nämlich in Ihren Landkreisen

demnächst beschäftigen -, ist die Landesregierung großzügig: In der Sekundarstufe hält sie 90 Minuten für den Weg zur Schule für einen Weg für zumutbar. Es ist schon heftig, was Sie hier von Zehnjährigen verlangen. In Brandenburg, wo die Probleme längst viel drängender sind, hat die von der dortigen Landesregierung eingesetzte Kommission als Obergrenze 60 Minuten empfohlen.

Herr Busemann, insgesamt hat man bei Ihrer Antwort den Eindruck, dass es Ihnen vor allem darum geht, Konflikte mit den Schulträgern zu vermeiden. Sie hangeln sich an bestehenden Rechtsvorschriften entlang, statt klare Kriterien und eigene Perspektiven zu entwickeln. Angesichts der Probleme, die wir mit der demografischen Entwicklung auf die Schulen zukommen sehen, erinnert Ihr Verhalten an das bekannte Bild von den drei Affen: Augen zu, Ohren zu, Mund zu. - Nein, „Mund zu“ passt bei unserem Kultusminister eher nicht. Er redet ja häufig umso mehr, je weniger er zu sagen hat.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Zuruf von der CDU: Das ist das Allerletzte! - Unruhe)

Frau Korter, einen kleinen Moment! Es ist hier zu viel Unaufmerksamkeit, als dass Sie durchkommen. Wir warten einmal 30 Sekunden, bis mehr Ruhe eingetreten ist. - Danke schön.