Protokoll der Sitzung vom 15.05.2003

turperiode durch das Parlament zu bringen. In zwei Ausschüssen ist darüber intensiv diskutiert worden, und wir haben es auch beantragt, aber die CDU hat es konsequent abgelehnt. Wenn Sie es wirklich gewollt hätten und wenn Sie mitgemacht hätten, hätten wir ein Verfahren einleiten können, so wie es dieser Landtag schon einmal beim Psychiatriegesetz gemacht hat, indem wir die Anhörung über die Legislaturperiode hinaus auf den Weg gebracht hätten, um dann auf diesem Gesetzentwurf aufzubauen.

(Angelika Jahns [CDU]: Das hat nicht an uns gelegen!)

- Ich kann das vorlesen, Angelika. - Dies ist im Ausschuss von Frau Schliepack für die CDU abgelehnt worden. Ich weise nur darauf hin, damit wir in der Reihenfolge korrekt bleiben.

Wir haben natürlich keinen Gesetzentwurf der SPD-Fraktion, sondern einen Gesetzentwurf der Landesregierung vorgelegt. Entschuldigung, das habe ich auch zuzeiten unserer Regierung gesagt: So viel Parlamentarismusverständnis habe ich noch, um zu wissen, dass es Aufgabe des Parlaments ist, an Gesetzentwürfen zu arbeiten und diese zu korrigieren. Ich zitiere einmal aus Ihrer Rede vom 11. Dezember 2002, in der Sie gesagt haben:

„Meine Damen und Herren, die Landesregierung hat im Rahmen des Anhörungsverfahrens viele und zum Teil sehr umfangreiche Stellungnahmen von den Verbänden und den Betroffenen-Organisationen bekommen. Leider ist von diesen Anregungen nur wenig aufgenommen worden.“

Das ist völlig korrekt.

Die SPD-Fraktion macht jetzt nichts anderes als das, was sie auch im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens gemacht hätte, nämlich den Gesetzentwurf der früheren Regierung auf der Basis der Anhörungsergebnisse nachzubessern. Was, bitte schön, ist daran falsch? - Das ist absolut korrekt, und es wäre mir sehr lieb gewesen, wenn wir es gemeinsam gemacht hätten. Dann wären wir eine ganze Ecke weiter gewesen.

Ich nehme etwas ganz anderes zur Kenntnis. Ich nehme zur Kenntnis, dass die Koalition momentan wesentliche Inhalte des Gesetzentwurfes, auch der Rahmengesetzgebung, wieder infrage stellt. Das ist

auch hier gemacht worden. Sie stellen auf einmal die Themen Verbandsklage und Barrierefreiheit infrage. Wir alle wissen ganz genau, dass das die zentralen Forderungen der Behinderten sind. Sie gehen, wenn Sie das infrage stellen, hinter das Bundesrecht zurück, und zwar sehr, sehr deutlich. Sie würden meines Erachtens damit aus jedem Gleichstellungsgesetz absolute Makulatur machen. Ich will auch insoweit der CDU auf die Sprünge helfen, indem ich wieder aus der Rede von Frau Jahns vom 11. Dezember 2002 zitiere:

„Die Verbandsklage, meine Damen und Herren, ist ein neues Instrument... Wir begrüßen es, dass nach diesem Gesetz die Menschen mit Behinderungen bei Rechtsverletzungen die Möglichkeit haben, sich selbst zu vertreten, und Gestaltungs- und Leistungsklage erheben können.“

Ich hoffe, dass Sie das Ihrer neuen Ministerin auch sagen. Es war eine fundamentale Forderung auch der CDU, hier die Verbandsklage einzuführen. Ich bin schon sehr erstaunt, dass das vom Votum der kommunalen Spitzenverbände abhängig sein soll.

(Angelika Jahns [CDU]: Dazu hat sie sich nicht geäußert!)

- Nein, nein. - Aber die Ministerin hat mindestens ausweislich des Protokolls im Ausschuss darauf hingewiesen, dass diese beiden Punkte in enger Abstimmung mit den Kommunen erfolgen. Wenn Sie dann noch die Regeln des Konnexitätsprinzips dazu nehmen, dann wird hier ein Gesetz vorgelegt, das die beiden zentralen, von Ihnen geforderten Punkte nicht mehr enthalten wird.

(Glocke des Präsidenten)

- Sofort, Herr Präsident. Noch ein Satz. - Deshalb bin ich der Auffassung, dass wir angesichts der Vorarbeit, die die frühere Landesregierung geleistet hat, sehr fair sind, wenn wir Ihnen empfehlen, den Gesetzentwurf bis zum Oktober einzubringen, um dann eine intensive Debatte zu führen. Aber wir werden Sie nicht unter das zurücklassen, was Sie selber von der alten Regierung gefordert haben.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es liegt keine weitere Wortmeldung mehr vor. Wir kommen jetzt zur Ausschussüberweisung.

(Gesine Meißner [FDP] meldet sich zu Wort)

- Sie haben noch 28 Sekunden Redezeit. Das ist eine Ausnahme, weil Sie noch neu im Landtag sind. Wir hatten schon mit der Ausschussüberweisung begonnen. - Sie haben das Wort.

Es geht wirklich sehr schnell. Gerade die letzten Minuten haben mir etwas gezeigt. Ich halte es im Sinne der Behinderten für überhaupt nicht gut, wenn wir uns darüber streiten, wer wann was wo zuerst gemacht hat. Es ist doch wichtig, dass wir überhaupt ein Gleichstellungsgesetz für behinderte Menschen auf den Weg bringen, und zwar so, dass es umsetzbar ist. Da müssen wir unter partnerschaftlichen, sozialpolitischen Gesichtspunkten alle ins Boot nehmen und dafür sorgen, dass es auch wirklich machbar ist. Das wollte ich noch einmal betonen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir kommen nun zur Ausschussüberweisung. Federführend soll der Ausschuss für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit sein, mitberatend sollen sein die Ausschüsse für Inneres und Sport, für Rechts- und Verfassungsfragen, für Wissenschaft und Kultur sowie für Haushalt und Finanzen. Wer dem so zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich sehe, das ist einstimmig.

Wir kommen nun zum

Tagesordnungspunkt 36: Erste Beratung: Beamtinnen und Beamte freiwillig in die gesetzliche Krankenversicherung einbeziehen, Kosten der Beihilfe kontrollieren, Gebührenordnungen für medizinische Berufe begrenzen - Antrag der Fraktion der SPD Drs. 15/142

Das Wort zur Einbringung hat der Abgeordnete Schwarz.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausgabenentwicklung in der Beihilfe hat sich in den letzten Jahren rasant beschleunigt und ist wesentlich schneller als beispielsweise die Entwicklung in der gesetzlichen Krankenversicherung verlaufen. In Niedersachsen sind die Ausgaben von 1985 mit 173 Millionen Euro auf in diesem Jahr knapp 500 Millionen Euro gestiegen. Das bedeutet, in den 18 Jahren haben wir bei der Beihilfe in Niedersachsen eine Steigerung von 280 % zu verzeichnen, während im gleichen Zeitraum in der gesetzlichen Krankenversicherung eine Steigerung von 187 % eingetreten ist.

Wir diskutieren zurzeit landauf, landab über soziale Sicherungssysteme, über Gesundheitsreform. Dann kommen wir wohl nicht umhin, Sondersysteme in die Diskussion einzubeziehen und sie sehr, sehr kritisch unter die Lupe zu nehmen.

Im Zusammenhang mit der Verabschiedung des Haushaltsplans 2002/2003 hatten wir seinerzeit vorgeschlagen und dann auch beschlossen, dass das Privileg der Chefarztbehandlung und des Zweibettzimmers nicht mehr als besondere Leistung und damit Besserstellung durch die Beihilfe finanziert werden soll. Das war übrigens auch eine alte Forderung der CDU. Sie hat das dann im Rahmen des Wahlkampfes immer vergessen. Aber das ist seinerzeit hier auch umgesetzt worden. Das ergab für den Landeshaushalt eine Ersparnis von 20 Millionen Euro pro anno.

Im Rahmen der Anhörung zu dem Haushaltsbegleitgesetz hat der Deutsche Beamtenbund am 10. Oktober 2001 Folgendes vorgeschlagen:

„Wir fordern eine Initiative des Landes, die für die Beamtinnen und Beamten auf Antrag den Weg in die gesetzliche Krankenversicherung über

eine Änderung der entsprechenden Vorschriften im Sozialgesetzbuch ermöglicht.“

Genau diesen Vorschlag des Beamtenbundes nehmen wir mit unserem Entschließungsantrag auf.

Wir müssen zur Kenntnis nehmen und nehmen zur Kenntnis, dass viele Leute - mehr als 90 % - in der gesetzlichen Krankenversicherung sind, teilweise über die Familienversicherung, dass sie aber dann, wenn sie verbeamtet werden, nicht in der Versicherung bleiben wollen, in der sie bisher gewesen sind und mit der sie gegebenenfalls auch zufrieden gewesen sind. Deshalb schlagen wir vor, den Beamtinnen und Beamten bzw. Anwärterinnen und Anwärtern auf freiwilliger Basis die Wahlmöglichkeit einzuräumen, ob sie denn in die Beihilfe wollen oder ob sie in der GKV bleiben wollen oder in die GKV hinein wollen. Wenn sie Letzteres wollen, müssen sie vom Arbeitgeber den hälftigen Beitragssatz erstattet bekommen.

Meine Damen und Herren, das ist übrigens exakt die gleiche Regelung, die wir für uns als Abgeordnete zu Beginn einer Legislaturperiode in Anspruch nehmen. Auch da stehen wir vor der Entscheidung, ob wir eine Beihilfe oder einen hälftigen Beitragssatz wollen. Insofern ist dieser Vorschlag keinem von uns wesensfremd, weil wir selber immer vor dieser Fragestellung stehen.

Mit Nr. 2 unseres Entschließungsantrages sind wir dafür, den Schwellenwert abzusenken, der über die Beihilfe erstattet werden muss. Bei Privatpatienten - das sind Beamte - können die Ärzte und Zahnärzte bis zum 2,3-Fachen der Vergütungssätze berechnen, die sie für Kassenpatienten bekommen. Ich nenne Ihnen einmal exemplarisch zwei Beispiele. Wenn jemand beim Arzt Blut abgenommen bekommt, dann bekommt der Arzt für den Kassenpatienten rund 4 Euro. Für den Beamten bekommt er 10,26 Euro.

(Zuruf von der CDU: Er ist mehr wert!)

- Ja, das mag ja sein, dass der Beamte mehr wert ist, auch was das Blut betrifft.

(Bernd Althusmann [CDU]: Das Blut fließt langsamer!)

Ich bezweifle im Übrigen, Herr Kollege, dass sich ein Arzt so verhält und den Patienten Beamten um

das 2,3-Fache besser behandelt als den Kassenpatienten.

Bei der Beratung wird das Missverhältnis noch deutlicher. Für einen Kassenpatienten erhält der Arzt für eine Beratung in etwa 9 Euro pauschal. Das hat etwas mit Punktwerten zu tun. Das will ich gar nicht verkomplizieren. Das kann der Arzt aber nur einmal abrechnen, egal wie oft der Patient im Laufe des Quartals kommt. Es bleibt immer bei diesem Festbetrag von 9 Euro. Beim Beamten hingegen erhält der Arzt 10,25 Euro, und das für jeden Besuch. Das heißt, wenn der nur fünfmal kommt, ist das Verhältnis schon 9 Euro zu 50 Euro. Das könnte man relativ konstant fortführen.

Ich meine, dass zwischenzeitlich 90 % aller Beihilferechnungen diesen Höchstsatz des 2,3-Fachen ausweisen, kann niemand den Ärzten verdenken. Warum sollen die Ärzte weniger nehmen, wenn ihnen dieser mögliche Rahmen eingeräumt wird und sie dann die Obergrenze ausschöpfen?

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Nach Schätzungen des Niedersächsischen Finanzministeriums - im Rahmen der damaligen Haushaltsberatungen ist das im Haushaltsausschuss intensiv diskutiert worden - würde allein die Absenkung des Schwellenwertes vom 2,3-Fachen auf das 1,7-Fache für die Landeskasse eine Ersparnis zwischen 30 Millionen und 50 Millionen Euro einbringen.

Genau eine solche Bundesratsinitiative fordert unser Antrag. Vom Grundsatz her gibt es überhaupt keine Begründung dafür, dass auf der einen Seite für die Leistungen aus der gesetzlichen Krankenversicherung ein anderer Vergütungssatz bezahlt wird als aus Sondersystemen. Ich finde, hier ist eine Angleichung zwingend erforderlich. Wir fordern aber im ersten Schritt die Absenkung des Schwellensatzes.

Mit den Nrn. 3 und 4 unseres Antrages halten wir ein besseres Controlling für Beihilfeleistungen für dringend erforderlich. Die Ausschussberatung am 31. Oktober, in der wir uns sehr intensiv im Sozialausschuss mit dem Problem beschäftigt haben, hat deutlich gemacht, dass es im Beihilferecht kein der gesetzlichen Krankenversicherung vergleichbares Controlling gibt und dass die Notwendigkeit von Leistungen und die Höhe der Leistungen im Prinzip nicht überprüfbar sind. Sie können das im Protokoll des Ausschusses nachlesen. Es ist deutlich gemacht worden, dass im Beihilferecht nicht

die Möglichkeit der Prüfung besteht, weil die einzelnen Zahlen, die sich aus der Rechnung ergeben, zwar festgehalten, aber nicht dokumentiert und somit praktisch auch nicht von Fall zu Fall ausgewertet werden können.

Das Innenministerium hat im Fachausschuss ferner festgestellt, dass bei den der Beihilfe vorgelegten Rechnungen zusehends erkennbar wird, dass medizinisch nicht notwendige Leistungen unter dem Vorbehalt, es handele sich um eine neue Leistung, die sich nicht in der Gebührenordnung wiederfindet, abgerechnet werden, und zwar mit dem Hinweis, dann auch noch mehr als das 2,3-Fache erstattet zu bekommen. Das heißt, es muss meines Erachtens auch aus Haushaltsgründen alles daran gesetzt werden, dass auch hier eine Controllingmöglichkeit eingeführt wird und dass im Übrigen auch Beratungsfachärzte, wie wir das aus anderen Sozialversicherungszweigen kennen, durch die Beihilfestelle hinzugezogen werden.

Die Begründung im Ausschuss durch das Ministerium, warum das bisher nicht gemacht wurde, war hoch interessant. Sie lautete nämlich, die private Versicherungswirtschaft stehe dem mit Ablehnung gegenüber, weil es Kunden verprellen könnte. Deshalb würde sie lieber nicht prüfen und würde anstatt der Verluste lieber Beitragserhöhungen in Kauf nehmen.

Ich finde, das ist eine irre Logik. Wenn wir das in die aktuelle Debatte über das Gesundheitsreformgesetz einbringen, dann wäre wohl in diesem Land, und zwar parteiübergreifend, richtig was los. Es geht hier um Landesknete in einer Größenordnung von 500 Millionen Euro. Da sage ich Ihnen: Der Glaube ist gut, die Kontrolle ist an dieser Stelle besser.

Der Vorschlag der SPD-Fraktion wird übrigens ebenfalls durch den Deutschen Beamtenbund getragen. Ich zitiere erneut aus dem Ergebnis der Anhörung: