Protokoll der Sitzung vom 06.10.2005

(Uwe Schwarz [SPD]: Woher wissen Sie denn das?)

Frau Dr. von der Leyen war als Medizinerin und Ministerin von Anfang an bestens im Bilde und hat unter Einbeziehung des nationalen Influenzapandemieplans auch für Niedersachsen die Weichen auf Vorsorge gestellt. Da wir wissen, dass die Frage nicht lautet, ob eine Pandemie kommen kann, sondern wann sie ausbricht, ist diese Vorgehensweise gut und richtig.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Ich möchte zu Therapie und Impfung kurz einiges klarstellen. Bei Ausbruch einer Pandemie ist der Einsatz von antiviralen Medikamenten, so genannten Virenhemmern, die erste und einzig wirksame Therapie. Das Impfen gegen Grippe im Vorfeld greift früher. Beide Maßnahmen ergänzen sich und müssen für den Ernstfall gleichermaßen vorbereitet sein. Allerdings dauert es auch bei Nutzung der neuesten Technik nach Auftauchen des Erregers immer noch ca. drei bis sechs Monate, bis ein geeigneter Impfstoff zum Einsatz kommen kann. Um diesen Zeitraum überbrücken zu können, brauchen wir für den Ernstfall genügend anti

virale Medikamente. Hierfür liegt in der Tat die Zuständigkeit beim Land.

Für die Entwicklung eines entsprechenden Impfstoffes ist nach dem Grundgesetz dagegen der Bund zuständig. Deshalb hat die Bundesregierung auf der Gesundheitsministerkonferenz im Juni die Verantwortung dafür übernommen, dass Impfstoff ausreichend schnell entwickelt, produziert und den Ländern zur Verfügung gestellt wird. Die Zusage lautete damals, für die Impfstoffforschung 20 Millionen Euro bereitzustellen. Bis heute sind diese Gelder nicht freigegeben. Ich finde diese Verzögerung leichtfertig und unverständlich. Eine Aufforderung an die Bundesregierung, die Mittel schnellstens freizugeben, ist interessanterweise leider in Ihrem Antrag nicht zu finden. Es mutet auch eigenartig an, wenn SPD-Bundespolitiker verlauten lassen, entsprechende Gelder stünden nicht bereit, weil man beim Pockenschutz schon großzügig genug gewesen sei. Das spricht für sich.

Dafür hat die niedersächsische Landesregierung gehandelt. Sie hat inzwischen Folgendes auf den Weg gebracht:

Erstens. Niedersachsen ist federführend bei der Überwachung einer möglichen Krankheitsentwicklung. Bereits während der letzten Grippezeit wurden in Kitas, Arztpraxen und Krankenhäusern regelmäßige Kontrollen durchgeführt und dokumentiert. Dieses vorbildliche Überwachungssystem soll weiterentwickelt und ausgebaut werden. Dafür sollen ab sofort für die nächsten Jahre jährlich 100 000 Euro bereitgestellt werden.

Zweitens. Niedersachsen wird für mehr als 5 Millionen Euro Medikamente für die Therapie einkaufen und bevorraten. Da diese Medikamente nur begrenzt haltbar sind, ist auch eine zeitgerechte Ersatzbeschaffung vorgesehen.

Drittens. Ein Einsatzplan gewährleistet unter anderem, dass im Ernstfall besonders gefährdete Bevölkerungsgruppen wie alte Menschen, Kranke und Kinder zügig therapiert werden können. Auch Beschäftigte im Gesundheitswesen oder Mitarbeiter im Bereich der öffentlichen Sicherheit und Ordnung können damit vorrangig versorgt werden. Die Verteilung der Medikamente wird mit Apothekerund Ärztekammer abgestimmt.

Viertens. Weitere Koordinierungsmaßnahmen werden derzeit mit den Kommunen und mit weiteren Experten unter der Federführung des Landesgesundheitsamtes vorbereitet.

Fünftens. Für den Fall des Eintritts einer Grippepandemie hat Niedersachsen mit anderen Bundesländern eine gegenseitige Unterstützung verabredet, um so den Schutz der Bevölkerung zu verbessern.

Sechstens. Die Landesregierung hat einen ressortübergreifenden Arbeitskreis gebildet, dem auch die Gesellschaft für biotechnologische Forschung und das Zentrum für Infektionsbiologie angehören.

Siebtens. Das Ministerium für den ländlichen Raum hat Maßnahmen getroffen, um die Einschleppung der Geflügelpest zu verhindern. Niedersachsen ist auch hier auf den Ernstfall vorbereitet und in der Lage, sofort Maßnahmen zu ergreifen.

(Uwe Schwarz [SPD]: Dann können Sie ja unserem Antrag zustimmen!)

Achtens. Das Innenministerium ist darauf vorbereitet, im Ernstfall die am Katastrophenfall beteiligten Einrichtungen und Organisationsebenen einzusetzen.

Neuntens. Das Sozialministerium hat in Zusammenarbeit mit dem Kultusministerium und der niedersächsischen Gesellschaft für Impfwesen und Infektionsschutz einen Landeswettbewerb „Influenza“ ins Leben gerufen, in dem es darum geht, dass Schüler Schüler über das Krankheitsbild und über Möglichkeiten des Impfschutzes informieren sollen. Auf die im Rahmen dieses Wettbewerbs erstellten Flyer, Plakate und DVDs dürfen wir gespannt sein. Ich möchte exemplarisch nur diese eine Aktion nennen, mit der ganz klar versucht wird, entsprechende Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben.

Zehntens. Die Landesregierung nimmt alle Möglichkeiten wahr, um die Öffentlichkeit über die Prophylaxe zu informieren. Impfbewusstsein geht dabei vor Hysterie. Jeder Aufruf und jede Aktion, auch der Krankenkassen, zur Impfung gegen die jährliche Grippe ist hier hilfreich. Ein Blick ins Internet, aber auch in jede einzelne Apotheke oder in die Wartezimmer unserer Hausärzte macht deutlich, dass bereits unglaublich viele Aktionen zur Information laufen.

Wir halten also fest: Die Landesregierung hat unter der Regie der Sozialministerin verantwortungsbewusst, vorausschauend und konsequent Maßnahmen zur Prophylaxe für den Fall einer kommenden Grippepandemie ergriffen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Damit auch der Forderung in Nummer 3 Ihres Antrages, den Einsatz neuer Technologien bei der Entwicklung von Impfstoffen zu ermöglichen, Rechnung getragen werden kann, muss der Bund seiner Zusage nachkommen und die zugesagten Mittel auch wirklich zur Verfügung stellen. Herr Schwarz, ich bin sicher, dass eine Kanzlerin Angela Merkel das schneller veranlassen wird als die jetzige Bundesregierung.

(Uwe Schwarz [SPD]: Haben Sie ei- gentlich schon gemerkt, dass der Bundestagswahlkampf zu Ende ist? Das muss Ihnen mal jemand sagen!)

Niedersachsen ist also gut gerüstet. Vieles ist vorbereitet, letzte Feinabstimmungen finden gerade noch statt. Das, was eine Landesregierung für die Gesundheit der Bevölkerung leisten kann, ist geschehen. Der Bund sollte schnellstens nachziehen. Dann ist eigentlich nur noch jeder Bürger selbst gefragt, sich zur Vorsorge gegen Grippe impfen zu lassen.

Ich freue mich auf die Beratungen im Ausschuss. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herzlichen Dank. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen: Frau Janssen-Kucz, bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Antrag der SPD-Fraktion ist in seiner Gesamtintention zu begrüßen, folgt aber bei dem Punkt 4 - bei dem vorgeschlagenen Instrument der höheren Bevorratung von antiviralen Medikamenten der von interessierten Kreisen geschürten Panikmache. Wir wissen doch bis heute nicht einmal genau, ob das so genannte Vogelgrippevirus überhaupt von Mensch zu Mensch übertragen wird und ob es Mutationen geben wird, die so etwas ermöglichen. Dabei stochern wir im Dustern herum.

Das zu bewältigende Problem wird vor allem erst einmal von unseren Landwirtschaftspolitikern verkörpert. Während nämlich das Landesgesundheitsamt sehr ruhig und sehr besonnen - ich fand, in begrüßenswerter Art - auf die aus Fernost dro

hende Gefahr reagiert hat, hat Minister Ehlen im Wahlkampf aus reiner Profillust heraus mit seiner Eilverordnung, das Federvieh in die Ställe einzusperren, sehr unverhältnismäßig agiert. Das sagen sogar die Bauern und die Kleintierhalter, die über dieses Agieren eigentlich nur noch den Kopf schütteln. Das hatte in diesem Bereich auch sehr viel mit Panikmache zu tun.

Meine Damen und Herren, alle bisherigen Presseverlautbarungen zu diesem Thema schwanken doch zwischen Panikmache und völliger Relativierung des Themas.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Man kann auch einfach sagen: Nichts Genaues weiß man nicht. Deshalb heißt es auch, sehr ruhig, sehr sachlich und sehr souverän mit dem Thema umzugehen. Der nationale Influenzapandemieplan schreibt dazu:

„Die Abschätzung der Auswirkungen einer zukünftigen Pandemie in Deutschland ist nur unter großem Vorbehalt möglich. Die Schwierigkeit einer Vorhersagbarkeit wird am Beispiel der beobachteten Gesamtzahl der Toten der letzten Pandemien deutlich, die sich zwischen den Pandemien des letzten Jahrhunderts erheblich unterscheiden... “

Deshalb ist auch das zitierte Beispiel der Spanischen Grippe von vor knapp 100 Jahren nicht wirklich das, das man heute anführen sollte.

Wir empfinden die Bevorratung mit antiviralen Mitteln für 4,5 % der Bevölkerung, die die norddeutschen Länder beschlossen haben, als durchaus angemessen; denn die eigentlich gefährdete Bevölkerungsgruppe wird auf ca. 4 % taxiert. Sicherlich ist auch diese Zahl nur gegriffen, wie man so sagt. Wir hatten dazu auch eine Kleine Anfrage gestellt. Wir glauben, dass angesichts der sehr vagen Gefahr diese Grundlage sehr realistisch ist.

Ich möchte auch noch einmal darauf hinweisen, dass wir es bei Pandemiegefahren auch immer mit zum Teil ziemlich erpresserischem Druck vonseiten der Pharmafirmen zu tun haben, die ein Patent auf diese Impfstoffe haben und die mit ihren Terminultimaten und ähnlichen Methoden versuchen, Umsatz zu machen. Auch das sollte man immer im Hinterkopf haben. Ferner geht es hier nicht um die viel wichtigeren Impfmittel, sondern nur um dämp

fende Mittel, von denen ebenfalls niemand ganz genau weiß, ob und wie sie wirklich nützen. Die vorsichtige Vorgehensweise der überwiegenden Zahl der Bundesländer halten wir von daher für durchaus geboten.

Wir unterstützen aber den Antrag der SPDFraktion in den Punkten 2 und 3; denn die Bevölkerung unterschätzt die Gefahren der gängigen Influenzaviren. Hier kann und muss mehr aufgeklärt und getan werden. Ich wäre erfreut darüber, wenn wir das, Frau Mundlos, was Sie hier heute vorgetragen haben, noch einmal sehr ausführlich im zuständigen Sozial- und Gesundheitsausschuss erörtern könnten und wenn wir alle gemeinsam dazu beitragen könnten, in diesem Bereich mehr Aufklärung zu betreiben.

Letztendlich ist klar, dass die Forschung für einen geeigneten Impfstoff forciert werden muss. Hierzu müssen wir alle Anstrengungen unternehmen.

Wenn wir in dieser Diskussion über die Vogelgrippe sprechen, meine Damen und Herren, sollten wir aber nicht vergessen, in welchen Verhältnissen sich dieser Virus in den vergangenen Jahren gezeigt und ausgebreitet hat. Es handelt sich um Regionen, wo Menschen und Tiere auf engstem Raum miteinander leben, wo die Armutsverhältnisse kaum beschreibbar sind, wo dieses Zusammenleben von Mensch und Tier zum Teil auch zur Kultur gehört. Ich glaube nicht, dass wir die Verhältnisse in China, Hongkong, Indonesien, Thailand und Kasachstan, die wir über die Medien verfolgen können, auf Deutschland übertragen können und genauso agieren müssen. Dort müssen die Verhältnisse im Land geändert werden. Diese Staaten sind gefordert, Geld in die Hand zu nehmen und etwas zur Verbesserung der Lebensverhältnisse der Menschen vor Ort zu tun. - Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustim- mung bei der SPD)

Die letzte Rednerin des heutigen Tages - zumindest nach den mir vorliegenden Wortmeldezetteln - ist Frau Kollegin Meißner von der FDPFraktion. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist selbstverständlich schlimm, wenn man sich über

legt, dass 1918 weltweit 50 Millionen Tote zu beklagen waren, die während einer Pandemie gestorben sind. Das war damals eine Pandemie, die ähnlich wie die jetzt drohende Vogelgrippe zunächst durch Vogelerkrankungen ausgelöst war.

(Unruhe)

- Geht es vielleicht ein bisschen leiser? - Okay. Es ist schon vieles gesagt worden. Es ist darauf hingewiesen worden, dass einige Menschen in Asien gestorben sind - sechs insgesamt -, die in der Nähe von Geflügelhaltungen gelebt haben, wo Vögel infiziert waren. Von daher kann es sein, dass man tatsächlich mit einer Pandemie rechnen muss. Wir wissen es aber nicht genau. Auch darauf wurde schon hingewiesen.

Nun ist es so, dass die SPD-Fraktion in ihrem Antrag sagt: Man muss sich darauf vorbereiten, dass in Niedersachsen tatsächlich Erkrankungen auftreten. Deutschland hatte damals, 1918, 225 000 Tote zu verzeichnen. So etwas wollen wir natürlich auf keinen Fall ein zweites Mal. Aber Frau Mundlos hat schon darauf hingewiesen, dass wir gut gerüstet sind. Sie hatten gesagt, Frau WeddigeDegenhard, man sollte im Fall des Ausbruchs einer Grippe 20 % der Bevölkerung medikamentös versorgen können. Ich halte das für sehr hoch gegriffen. Andere Länder, die prozentual mehr als wir vorsorgen, liegen bei 15 %. Das sind z. B. Bayern und Nordrhein-Westfalen, wobei man sagen muss: Nordrhein-Westfalen hat dies mit dem Ruhrgebiet als Ballungsgebiet begründet, in dem viele Menschen wohnen und wo es natürlich viel schneller zu Ansteckungen kommen könnte; darum die höhere Rate. In Bayern wurde auf den Münchner Flughafen verwiesen, von wo aus viele Flugzeuge nach Asien fliegen und wo viele Flugzeuge aus Asien landen. Man sagte also: Auch dort ist die Gefahr vielleicht besonders groß.

(Anhaltende Unruhe)

Danke schön, Frau Meißner. Sie sprachen vorhin - es ist schon zwei Minuten her - von „sehr hoch gegriffen“. Für zu hoch gegriffen halte ich den Geräuschpegel hier.

(Gesine Meißner [FDP]: Danke! Ich auch!)

Perfekt. Herzlichen Dank.