Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Wir kommen damit zur Abstimmung. Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Das Erste war die Mehrheit. Damit ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, wir treten jetzt in die Mittagspause ein. Wir treffen uns um 14.30 Uhr wieder. Dann geht es planmäßig mit dem Tagesordnungspunkt 24 weiter.
Tagesordnungspunkt 24: Erste Beratung: „Persönliches Budget“ für Menschen mit Behinderungen weiterentwickeln - Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 15/2290
Zur Einbringung erteile ich Herrn Dr. Matthiesen von der CDU-Fraktion das Wort. Herr Dr. Matthiesen!
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Der zweijährige niedersächsische Modellversuch zur Einführung persönlicher Budgets in der Eingliederungshilfe endet 2005. Damit ist die Zeit für eine Zwischenbilanz und für Überlegungen, wie es weitergehen soll, gekommen. Zwischenzeitlich ist die Zahl der Teilnehmer in den Modellkommunen Braunschweig, Osnabrück und Emsland auf 50 gestiegen, wobei der Löwenanteil mit 35 Teilnehmern auf Braunschweig entfällt.
Für das persönliche Budget in der Eingliederungshilfe kommt jeder Mensch mit Behinderungen in Betracht. Im Zwischenbericht zum niedersächsischen Modellversuch sind als Budgetnehmer vorrangig Menschen mit geistiger und seelischer Behinderung angegeben, seltener mit körperlichen Behinderungen.
Während der Tagung des Landesfachbeirates Psychiatrie Ende letzten Jahres in Loccum wurde das persönliche Budget als außerordentlich wichtiges Instrument eingestuft, um die psychiatrische Versorgung personenbezogen zu organisieren. Budgetfähige Leistungen sind nach dem neuen § 17 Abs. 2 SGB IX Leistungen, die sich auf alltägliche, regelmäßig wiederkehrende und regiefähige Bedarfe beziehen und insbesondere als Geldleistungen erbracht werden können. Mit dem persönlichen Budget entscheidet der behinderte Mensch über seine benötigten Leistungen, wie persönliche Betreuung, betreutes Wohnen, Begleitung, und beim trägerübergreifenden Budget mehrerer Sozialleistungsträger auch über die Pflege.
Der niedersächsische Modellversuch sieht das persönliche Budget als Leistung zur Teilhabe, um Menschen mit Behinderungen ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Auf dieser Linie zeigt der niedersächsische Modellversuch Erfolge auf. Das Budget eröffnet die Chance, den ambulanten Bereich auszubauen und die zum Teil gegebene Überfinanzierung und Überversorgung im stationären Bereich abzubauen. Klar ist dabei, dass beispielsweise stationäre Wohnplätze nur abgebaut werden können, wenn die ambulanten Hilfen bedarfsgerecht und insoweit nicht gedeckelt erbracht werden. Erfahrungen zeigen auch, dass mancher behinderte Mensch trotz aller Anstrengungen mit der größeren Selbständigkeit nicht zurechtkommt und wieder in das Wohnheim zurückkehrt.
der Ausgestaltung trägerübergreifender persönlicher Budgets auf Dauer etwa 15 bis 20 % der leistungsberechtigten Menschen mit Behinderungen das persönliche Budget nutzen können. Das bedeutet, dass wir schon jetzt sagen können, dass die Einführung des persönlichen Budgets in Niedersachsen zum Erfolg werden muss.
Dazu brauchen wir alle Kommunen in Niedersachsen. Wir wollen sie für das persönliche Budget gewinnen.
Für die flächendeckende Einführung des persönlichen Budgets als trägerübergreifendes Budget nach Auslaufen des Modellversuchs ist allerdings eine ganze Reihe von Maßgaben zu beachten. Es muss noch eine Vielzahl von Detailfragen geklärt werden. Dafür empfiehlt sich die Fortführung der wissenschaftlichen Begleitung auch in weiteren Regionen Niedersachsens, Herr Präsident Biel. Insbesondere geht es darum, ein standardisiertes Verfahren der Bedarfsmessung zu entwickeln. Den federführenden Kommunen könnten Rahmenrichtlinien an die Hand gegeben werden, die mindestens Regelungen über Preis, Umfang und Art des Verwendungsnachweises festlegen. Diese verbindlichen Empfehlungen im Rahmen des Hilfeplanverfahrens müssen allerdings den einzelnen Kommunen Gestaltungsspielraum lassen. So liegt es auf der Hand, dass der Preis für eine Fachleistungsstunde im Rahmen des Modellversuchs in Höhe von 35 Euro nicht mit dem Preis einer Fachleistungsstunde für das betreute Wohnen in der Region Hannover von mehr als 60 Euro verglichen werden kann. Die im Modellversuch vorgenommene Deckelung des persönlichen Budgets auf sechs Fachleistungsstunden pro Woche sollte in der künftigen Praxis nicht weiter verfolgt werden. Es kommt darauf an, ob der Mensch mit Behinderungen mit Hilfe des persönlichen Budgets klarkommt oder nicht. Kostenvergleichsmaßstab kann dabei die stationäre Betreuung oder eine sonstige alternative Betreuung sein. Wir sollten möglichst auf bürokratischen Aufwand verzichten. Es genügt, wenn nachgewiesen wird, dass das Ziel der Hilfe erreicht wird. Keinesfalls ist eine Belegprüfung erforderlich.
Jetzt kommt ein sehr wichtiger Punkt für die Frage der Vergabe von Arbeit: Wir sollten sorgfältig darauf achten, dass der Budgetnehmer nicht als Arbeitgeber im großen Stil Schwarzarbeit als so genannte Nachbarschaftshilfe finanziert.
Ob das persönliche Budget in Niedersachsen zum Tragen kommen kann, hängt auch von einer guten Budgetassistenz ab. Bisher haben rechtliche Betreuer, Hilfeanbieter und Angehörige diese Arbeit übernommen, denen ich dafür meinen herzlichen Dank ausspreche.
Das wird aber nicht ausreichen, um dem persönlichen Budget zum Durchbruch zu verhelfen. Auf der Grundlage des § 17 Abs. 3 SGB IX ist zu prüfen, wie ein regelmäßiger Bedarf an Budgetassistenz im Einzelfall im persönlichen Budget verankert werden kann.
Weiterkommen wollen wir in Niedersachsen auch bei der Umsetzung des trägerübergreifenden Budgets mehrerer Sozialleistungsträger, beispielsweise Pflegekassen oder Kommunen. Speziell bei den ambulanten Leistungen gibt es einen neuen Anreiz für die örtlichen Sozialhilfeträger. Der gemeinsame Ausschuss nach dem quotalen System hat am 28. Oktober 2005 beschlossen, die Kosten für ambulant betreutes Wohnen jeweils zur Hälfte dem überörtlichen und örtlichen Träger zuzurechnen. Damit übernimmt das Land freiwillig die Hälfte der Kosten für betreutes Wohnen, auch im Rahmen eines persönlichen Budgets.
Der springende Punkt ist die Auszahlung von Pflegesachleistungen als Teilleistung eines persönlichen Budgets, d. h. es wird nicht mehr die Sachleistung gewährt, sondern Geld an die Hand gegeben. In einigen Fällen kann nur auf diese Weise ambulante Betreuung ermöglicht werden. Erfahrungen in der Praxis zeigen, dass die Landesregierung selbst mit der Landesebene der Pflegekassen verhandeln muss, um sie zu einer Beteiligung am persönlichen Budget zu bewegen.
Das Instrument des persönlichen Budgets zu nutzen, fügt sich in die Bestrebungen der Regierungsfraktionen ein, die Durchführung der überörtlichen Sozialhilfeaufgaben noch viel stärker auf die kommunale Ebene herunterzuzonen, insbesondere in der Eingliederungshilfe. Dafür haben wir mit dem Niedersächsischen Ausführungsgesetz zum SGB XII im vergangenen Dezember die Grundlagen geschaffen.
Ich appelliere an die niedersächsischen Kommunen, das persönliche Budget künftig als wichtiges Instrument zur dringend notwendigen Steigerung der Treffsicherheit und Wirtschaftlichkeit der Sozialhilfe zu nutzen, zum Wohle der Menschen mit
Behinderungen. Für den Erfolg brauchen wir ebenso die Verbände der Menschen mit Behinderungen, die Leistungsanbieter sowie die freie Wohlfahrtspflege. Bitte helfen Sie mit, das persönliche Budget in Niedersachsen zu einer Erfolgsgeschichte werden zu lassen.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vorweg gesagt: Die von Ihnen verfolgte Intention, meine Damen und Herren von der CDUFraktion, ist in diesem Hause immer unstrittig gewesen; denn unser aller Ziel muss es sein, Menschen mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohten Menschen ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Bisher ist es die Regel, dass z. B. das Sozialamt als Kostenträger entscheidet, was für einen behinderten Menschen gut ist und was er einzukaufen hat. Der Behinderte wird also nicht gefragt. Durch das persönliche Budget soll erreicht werden, dass sich der Behinderte seine Dienstleistungen selbst einkaufen kann.
Richtig ist: Der Modellversuch zum persönlichen Budget war und ist keine Initiative dieser Landesregierung, sondern durch einen einstimmigen Beschluss des Parlaments vom 15. Mai 2003 wurde die Landesregierung aufgefordert, Modellvorhaben zur Einführung des persönlichen Budgets nach § 17 SGB IX, das zum 1. Juli 2001 in Kraft getreten ist, in Niedersachsen einzurichten. Falsch ist daher Ihre Aussage in der Begründung des Antrages, dass der Modellversuch von den Koalitionsfraktionen der CDU und der FDP auf den Weg gebracht worden ist.
Meine Damen und Herren von den Fraktionen der CDU und der FDP, Sie rechnen sich und der von Ihnen getragenen Regierung Verdienste zu, die anderen zustehen; denn schon von der SPDRegierung unter Sigmar Gabriel wurden die Weichen in Richtung eines persönlichen Budgets gestellt.
- Das ist wahr, und das muss man auch so sagen. Ich kann deswegen den Verdacht nicht loswerden, dass Sie keine eigenen Themen haben und - mit Verlaub gesagt - sich ein bisschen mit fremden Federn schmücken.
Erst ein halbes Jahr nach dem Beschluss im Landtag war die Regierung endlich so weit und hat auf unsere Kleine Anfrage vom 7. November 2003 geantwortet, dass am 1. Januar 2004 in mindestens drei Modellregionen ein persönliches Budget mit einer Laufzeit von zwei Jahren eingeführt wird. Gestartet wurde zunächst mühevoll mit zwei Modellen. Zwischenzeitlich gab es eine bundesweite Regelung durch die rot-grüne Bundesregierung. Mit dem Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch, das zum 1. Januar 2005 in Kraft getreten ist, wurde das Sozialhilferecht in das Sozialgesetzbuch als dessen zwölftes Buch eingeordnet. Hierdurch werden sich für Menschen mit Behinderungen einige Veränderungen ergeben. So soll z. B. - das wurde eben bereits gesagt - das persönliche Budget zum 1. Januar 2007 trägerübergreifend eingeführt werden.
Mit Datum vom 2. September 2004 stellte mein Kollege Uwe Schwarz erneut eine Kleine Anfrage zum persönlichen Budget. Auf die Frage, welche Erkenntnisse das niedersächsische Sozialministerium bisher aus dem Modellprojekt hat gewinnen können, antwortete die Ministerin - ich zitiere -:
„Fundierte Erkenntnisse und Bewertungen sind jedoch erst mit Vorlage des Abschlussberichtes Anfang 2006 zu erwarten.“
Wenn ich die Aussage der Ministerin ernst nehme - und das tue ich an dieser Stelle -, dann muss erst der Abschlussbericht abgewartet und ausgewertet werden, bevor - wie Sie es in Ihrem Antrag fordern - der eingeschlagene Weg abgesichert und verstetigt werden kann. Die wissenschaftliche Begleitung des Modells in Niedersachsen unterstreicht noch die Notwendigkeit einer sorgsamen Analyse.
Warum Sie, meine Damen und Herren von den Fraktionen der CDU und der FDP, nun Ihren Antrag vor Abschluss des Modells und vor allem vor Abschluss der wissenschaftlichen Abschlussbeurteilung stellen, ist mir schleierhaft. Ich kann wirklich nicht nachvollziehen, warum Sie und die Landesregierung jetzt die von Ihnen selbst vorgegebene
Auch der seit einigen Monaten vorliegende Zwischenbericht der wissenschaftlichen Begleitung des Modellvorhabens untermauert die Position der SPD-Fraktion. Unsere Position ist, dass zurzeit noch keine, wie Sie in Ihrem Antrag behaupten, hinreichende Grundlage für eine umfassende Umsetzung gegeben ist.
Die wissenschaftliche Begleitung - darauf möchte ich noch kurz eingehen - kommt in ihrem Zwischenbericht zwar zu dem Ergebnis, dass das persönliche Budget die Autonomie und gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in der Regel stärkt. Aber man zeigt auch auf, dass es Kritik und Warnungen gibt, dass die Klienten überfordert seien, dass eine Budgetassistenz fehle, die Qualitätssicherung zu kurz komme und das Modellvorhaben zu wirtschaftlich denke.
Gerade beim Thema Assistenz gibt es unterschiedliche Auffassungen zwischen den Ausführungen in der wissenschaftlichen Begleitung und den Modellregionen. So vertritt z. B. der Landkreis Osnabrück die Meinung, dass eine Budgetassistenz nicht notwendig sei. Man habe eine solche Assistenz bewusst außen vor gelassen, weil sie die Kosten erhöhe, was der Landkreis strikt ablehnt. Es stellt sich hier also nicht nur die Frage, ob Assistenz ja oder nein, sondern auch die Frage, wie die Assistenz gehandhabt werden soll, wenn man daran festhält.
Auch die anderen von mir genannten kritischen Punkte in diesem Zwischenbericht müssen ernsthaft diskutiert werden. Erst dann kann nach Lösungen gesucht werden. So sind bei den Leistungen vielfältige Fragen zu klären. Diese sollten gelistet und vom Kostenträger dem Grunde nach anerkannt sein.
Es gehört zum Wesen einer Selbstbestimmung, dass es vielfältige Missverständnisse zwischen dem, was ein Kostenträger als leistungsgerechte Hilfe ansieht, und dem, was sich ein Behinderter bestellen möchte bzw. bestellen lassen möchte, geben wird und kann. Wie werden diese Verfahren geregelt? - Wir alle, meine Damen und Herren, wollen mehr Selbstbestimmung und mehr Eigenverantwortung für Menschen mit Behinderung.
Stellen Sie ihn zurück! Gründe dafür habe ich eben in meinen Ausführungen genug genannt. Lassen Sie uns den Abschlussbericht abwarten und die Erfahrungen aus dem Modellversuch auswerten. Verabreden Sie dann mit uns gemeinsam eine Anhörung der Fachleute aus den Modellkommunen und der Kostenträger sowie auch der Betroffenen. Auch die Erfahrungen aus anderen Bundesländern können sehr unterstützend sein, um alle Landkreise und Städte für eine Beteiligung an der Umsetzung des persönlichen Budgets im Bereich der Sozialhilfe zu gewinnen. Ebenso sollte das SGB XII mit seinen Bestimmungen nicht außen vor gelassen und in die Überlegungen mit einbezogen werden.
Unser Wunsch ist es, genauso wie am 15. Mai 2003, einen einstimmigen Beschluss des Plenums zu erreichen, der die Landesregierung auffordert, die Anwendung des persönlichen Budgets flächendeckend für Niedersachsen zu verallgemeinern.
Ich hoffe sehr, dass eine ausführliche Diskussion im Sozialausschuss und die Anhörung von Betroffenen und Fachleuten den Weg dahin frei machen. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Danke schön, Frau Krämer. - Für die FDP-Fraktion hat sich Frau Kollegin Meißner gemeldet. Sie haben das Wort. Bitte schön!