Die Führungskräfte der Kinder- und Jugendhilfe in den Kommunen, wie z. B. Kreis- oder Stadtjugendpflegerinnen und -pfleger, möchte die Sozialministerin mit der Gender-Thematik intensiver vertraut machen und sie befähigen, in der Jugendarbeit und in der Jugendhilfeplanung aktiv dieses Wissen einzubringen.
Die Vorstellung der Sozialministerin ist, dies in Form einer Moderatorenausbildung zu erreichen. In ihrer Multiplikatorenfunktion sollen sie den Fachkräften der Jugendpflege und Jugendhilfeplanung in den Städten und Gemeinden Anregungen und Hilfestellung anbieten, Gender-MainstreamingProzesse umsetzen sowie Politik und Verwaltung darüber informieren und beraten.
Obwohl die Idee des Gender Mainstreaming Eingang in die Fachdiskussion der sozialen Arbeit gefunden hat, fehlen konkrete Konzepte sowie deren praktische Erprobung. Meine Damen und Herren, die Sozialministerin möchte in Niedersachsen Gender Mainstreaming als ein wichtiges Element der Qualitätssicherung in der Kinder- und Jugendhilfe etablieren. Die Umsetzung dieses Anliegens muss aber direkt in die Kommunen vor Ort hineinwirken. Solange der Boden hier nicht bereitet ist, wird es eine geschlechtergerechte Kinder- und Jugendarbeit in Niedersachsen nicht geben.
Herr stellvertretender Jugendminister, ich wollte Sie eigentlich fragen, ob es Ihr Beitrag zur Unterstützung der Sozialministerin in der GenderDebatte war, erst einmal die Rolle der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten zu schwächen.
Herr Kollege Bachmann, wenn Sie mich kennen würden, würden Sie wissen, dass ich überhaupt nicht auf die Idee käme, so etwas in irgendeiner Weise zu beantragen oder zu beschließen. Das käme für mich überhaupt nicht infrage. Was wir getan haben, ist etwas, um den Kommunen mehr Freiheit zu geben, Mädchen- und Frauenförderung umzusetzen.
Das Land Niedersachsen handelt hier als Impulsgeber für die örtliche Kinder- und Jugendhilfe, die bei der Ausgestaltung der Jugendhilfeleistungen
die unterschiedlichen Lebenslagen von Mädchen und Jungen zu berücksichtigen hat. Angesichts der zurzeit laufenden Haushaltsberatungen in den Landtagsausschüssen kann die Sozialministerin allerdings nur so viel sagen, dass die bisher für die Förderung von Mädchen in der Kinder- und Jugendhilfe eingesetzten Landesmittel künftig für diese Zwecke verwendet werden sollen.
Das skizzierte Vorhaben im Bereich Gender Mainstreaming soll auf jeden Fall umgesetzt werden, weil es wichtige Impulse gibt und als Modellvorhaben zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe beiträgt. Weitere ergänzende Haushaltsmittel werden wahrscheinlich nicht zur Verfügung stehen.
Abschließend wird sich dies allerdings erst dann verbindlich sagen lassen, wenn der Haushalt 2006 verabschiedet wurde. Dies wird im Dezember der Fall sein. Dann werden wir sehen, ob das, was ich gesagt habe, im Haushalt so abgesichert wird. Vielen Dank.
Danke schön, Herr Minister. - Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe damit die Beratung.
Der Antrag soll zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit überwiesen werden. Mitberatend soll der Kultusausschuss tätig werden. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen! - Stimmenthaltungen? Dann ist das einstimmig so beschlossen.
Tagesordnungspunkt 29: Erste Beratung: Bildungskollaps verhindern - Sonderprogramm auf den Weg bringen - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/2316
Zur Einbringung erteile ich Frau Graschtat von der SPD-Fraktion das Wort. Bitte schön, Frau Graschtat!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Panikmache, blinder Aktionismus, Kaffeesatzleserei mit diesen Attributen wurde die SPD-Fraktion von Wissenschaftsminister Stratmann und den die Landesregierung tragenden Fraktionen im Oktober-Plenum bedacht. Was hatten wir Schlimmes getan? - Wir hatten aufgrund der durch die Landesregierung mitgeteilten Schulabgängerzahlen die Notwendigkeit zum Handeln gesehen und den Herrn Minister aufgefordert, umgehend Maßnahmen auf den Weg zu bringen, damit in Zukunft nicht eine große Zahl junger Menschen nach dem Erwerb der Hochschulreife vor den Türen der Hochschulen vergeblich auf einen Studienplatz wartet.
Der Herr Minister dagegen setzte darauf, die Hochschulen würden das alles schon irgendwie hinbekommen. Ansonsten könne man 2010 mal sehen, ob es Handlungsbedarf gebe.
Nun liegen seit Mitte Oktober die Zahlen nicht nur für Niedersachsen, sondern für das gesamte Bundesgebiet auf dem Tisch. Die KMK-Prognose für Studienanfänger, Studierende und Hochschulabsolventen bis 2020 zeigt für alle westlichen Bundesländer einen gravierenden Anstieg der Zahl der Studienanfänger in den nächsten fünf bis sechs Jahren. Zusätzlich werden durch die Verkürzung der Schulzeit bis zum Abitur in den Jahren 2007 bis 2014 in 14 von 16 Bundesländern die doppelten Abiturjahrgänge Studien- und Ausbildungsplätze erwarten.
In Niedersachsen werden wir schon 2010 22 % mehr Schulabgänger haben als heute. In 2011 wird es fast eine Verdoppelung sein. Die Zahlen gehen dann zwar bis 2020 langsam wieder zurück, bleiben aber immer noch deutlich höher als heute. Im Jahr 2020 werden wir immer noch 20 % mehr Studierende haben als heute. Dabei geht die KMKPrognose bei den Rahmenbedingungen, wie z. B. der Übergangsquote, vom Status quo aus und räumt selbst ein, dass nach den bisherigen Erfahrungen die Prognosezahlen wiederholt unter der realen Entwicklung lagen.
Herr Minister Stratmann, die SPD-Fraktion geht davon aus, dass Sie die Prognose ernst nehmen und Ihre Aussage vom letzten Plenum, man wisse noch nichts Genaues, insofern nicht mehr gilt. Wir hoffen, Sie haben mittlerweile eingesehen, dass auch Verschleifungen, wie Sie es nannten, keine
Nachdem wir in Niedersachsen durch das Studienplatzvernichtungsprogramm HOK seit 2003 4 200 Studienplätze verloren hatten und die Umstellung auf BA/MA ohne zusätzliche Ressourcen weitere 10 % der Studienplätze kosten wird, muss jetzt sofort daran gegangen werden, für bedarfsgerechte Verhältnisse zu sorgen.
Herr Minister, nehmen Sie sich ein Beispiel an Bayern und Baden-Württemberg, die bereits im Mai die Zeichen der Zeit erkannt und Sonderprogramme auf den Weg gebracht haben. Außerdem hat Ministerpräsident Rüttgers in den letzten Tagen einen neuen und aus unserer Sicht vernünftigen Vorstoß in Sachen Föderalismusreform unternommen mit dem Ziel, künftig in Fällen wie in dem hier in Rede stehenden Fall Hochschulsonderprogramme mit dem Bund auflegen zu können. Frau Schavan hat diesen Vorschlag aufgenommen und will entsprechend tätig werden. Es gilt, keine Zeit mehr zu verlieren. Alle wissen hoffentlich noch, wohin 1977 der Beschluss der Ministerpräsidenten geführt hat, den damaligen Studentenberg zu untertunneln, d. h. die Hochschulen zu öffnen, ohne auch nur annähernd die notwendigen Finanzmittel zur Verfügung zu stellen. Unter den Folgen leidet unser Hochschulsystem bis heute.
Wir brauchen ein Sonderprogramm, das es den Hochschulen durch zusätzliche finanzielle Mittel ermöglicht, die Zahl der Studienplätze bedarfsgerecht zu steigern. Anderenfalls werden wir in Niedersachsen in wenigen Jahren einen NC von 100 % haben. Schon heute liegen wir bei den Universitäten bei 60 %, bei den Fachhochschulen bei 90 %. Was das für unsere Schulabgänger und für unsere Konkurrenzfähigkeit allein im nationalen Wettbewerb bedeutet, kann sich wohl jeder vorstellen - ganz zu schweigen von dem Verdrängungseffekt, der unsere Studierenden noch weit mehr als heute dazu zwingen wird, Niedersachsen zu verlassen, mit dem Ergebnis, dass sie möglicherweise nie mehr zurückkehren.
Falls der eine oder die andere von Ihnen im Hinterkopf hat, man brauche ja vonseiten des Landes nichts zu tun, weil die Hochschulen das Problem mit Hilfe der Einnahmen aus Studiengebühren selbst lösen könnten, muss ich Ihnen sagen: Das wäre nicht nur eine Kriegserklärung an Studieren
de und Hochschulen, sondern auch rechtlich nicht möglich. Ich hoffe, die bisherigen Beratungen über Ihr Studiengebührengesetz haben das deutlich gemacht.
Selbstverständlich müssen die Maßnahmen des Sonderprogramms gemeinsam mit den Hochschulen erarbeitet werden und in die Ziel- und Leistungsvereinbarungen einfließen. Auch in den Zukunftsvertrag müssen die Veränderungen aufgenommen werden. § 7 des Vertrages bietet dazu ausdrücklich die Möglichkeit.
Niedersachsen ist aber auch bei dem Thema, um das es hier geht, nicht allein auf der Welt. Ich habe schon zu Beginn darauf hingewiesen, dass in allen westlichen Bundesländern eine ähnliche Entwicklung vorhanden ist. Deshalb kommen der KMK und dem Bund eine besondere Bedeutung zu. Wir alle können froh sein, dass sich Ministerpräsident Wulff mit seiner Forderung nach Abschaffung der KMK nicht durchsetzen konnte; denn diese Organisation ist für die Koordination der Maßnahmenpakete der einzelnen Bundesländer unverzichtbar.
- Oh, es gibt neue Erkenntnisse in der CDUFraktion. Das wurde gerade ausdrücklich bestätigt. Wir freuen uns, dass auch Sie mittlerweile offensichtlich klüger geworden sind.
Wir stellen aber auch fest: Das, was bisher an Problemlösungsvorschlägen von der KMK gekommen ist, reicht nicht aus und geht - wie der Rheinische Merkur es formulierte - „weit an der Lebenswirklichkeit vorbei“. Mit der Umleitung der Studienanfänger an Hochschulen in den neuen Bundesländern oder in wenig bekannte, nicht ausgelastete Studiengänge ist es nicht getan.
In der KMK hat Baden-Württemberg am 3. bzw. 4. Juli 2003 durch den Vorsitzenden des Hochschulausschusses Müller-Arens die Frage der Auswirkungen der Verkürzung der Schulzeit auf die Hochschulen auf die Tagesordnung gebracht. Herr Minister Stratmann, Ihre Behauptung, Niedersachsen habe das Problem als erstes Land erkannt und in der KMK thematisiert, war also erneut ein untauglicher Versuch, sich in der Hochschulpolitik mit fremden Federn zu schmücken. Sorgen Sie
jetzt lieber dafür, dass Niedersachsen nicht das Schlusslicht bei der Entwicklung von Maßnahmen wird!
Wir brauchen nicht nur eine rechnerische, sondern eine echte Ausweitung der Kapazitäten. Niemand kann wollen, dass wegen des Mangels an Studienplätzen der Druck auf den Ausbildungsmarkt noch größer wird und dass Real- und Hauptschulabgänger überhaupt keine Chance mehr haben. Es muss jetzt begonnen werden, wenn Niedersachsen rechtzeitig gerüstet sein will. Schlagzeilen wie „Hilflos vor dem Studentenberg“ können wir nicht gebrauchen. - Vielen Dank.