Viertens. Nicht nur den Wünschen der christlichen Kirchen wird Rechnung getragen. Andere Religionsgemeinschaften dürfen künftig ihren Traditionen entsprechend bestatten. Trauernde sind z. B. künftig in der Lage, Verstorbenen auch am offenen Sarg die letzte Ehre zu erweisen. Der Regelfall bleibt zwar die Erdbestattung im geschlossenen Sarg, Ausnahmen können aber zugelassen werden.
Nun erfüllen wir sicherlich nicht alle Vorstellungen, wie auch der Änderungsantrag der Grünen deutlich macht; denn für Urnen soll der Friedhofszwang bestehen bleiben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es stimmt eben nicht, dass der größte Teil der Bevölkerung die Urne zu Hause aufbewahren möchte. Man sollte bei derartigen Forderungen immer auch über die Konsequenzen nachdenken und die Folgen bedenken. Ich kann im Grunde Herrn Schwarz zitieren, der das in ähnlicher Form hier im Landtag schon einmal gesagt hat: Selbst wenn die erste Generation vermutlich noch eine intensive Bindung an den Verstorbenen hat, sieht es doch in der Generation der Enkel und Urenkel ganz anders aus.
Es geht dabei eben nicht nur um den Wunsch des Verstorbenen nach einem ordnungsgemäßen Umgang mit Urne und Asche, sondern es geht um viel mehr. Ginge es nur um den ordnungsgemäßen Umgang, müsste man auch die Frage stellen: Wer sollte dies wie lange durch wen in welcher Form eigentlich gewährleisten oder kontrollieren? - Das ist schlicht und einfach nicht möglich. Das Selbstbestimmungsrecht des Verstorbenen und der Wunsch, seine Urne solle z. B. im Wohnzimmerschrank der Kinder oder Enkel stehen, trägt als Begründung nicht, weil die Erfüllung dieses Wunsches für die Kinder und Enkel unzumutbar und unverhältnismäßig sein kann.
Auch wenn das Selbstbestimmungsrecht ein zentraler Gedanke der Menschenwürde ist und ein sehr hohes Gut darstellt, in Deutschland vor allem durch Artikel 2 Grundgesetz geschützt, muss man doch ganz klar und deutlich sagen, dass das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit dort eine Grenze findet, wo die Rechte anderer verletzt werden, wo möglicherweise gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstoßen wird. Falsch verstanden und falsch ausgelegt könnten Konflikte herbeigeführt werden, wenn das eigene Selbstbestimmungsrecht - in diesem Falle das des Verstorbenen - höher bewertet wird als das des anderen, in diesem Falle der möglichen Erben. Gerichtsurteile bekräftigen diese Auffassung durchaus. Es bleibt also beim Friedhofszwang für die Urne.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kolleginnen, das Gesetz verbindet Tradition und Moderne und wird den Erfordernissen unserer Zeit durchaus gerecht. Deshalb sind wir froh, wenn es heute von einer großen Mehrheit verabschiedet wird und dann auch zur Anwendung kommt. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Leider haben die langen Beratungen im Ausschuss nur zu einer halbherzigen Reform geführt. Diese Halbherzigkeit beginnt bereits mit dem
von Ihnen im Ausschuss durchgesetzten Grundsatz, der dem Gesetz voran steht. Indem Sie mit dem so genannten sittlichen, religiösen und weltanschaulichen Empfinden der Allgemeinheit operieren, unterstellen Sie das gesamte Gesetzeswerk einem Pietätsbegriff, unter dem sich qualifizierte Minderheiten der Bevölkerung nicht mehr wiederfinden können.
Es ist gut, meine Damen und Herren, dass jetzt auch in Niedersachsen Friedwälder, sarglose Bestattungen - wenn auch mit bürokratischem Aufwand - und so genannte Peaceboxen bei der Kremierung möglich werden. Aber da hört es bei Ihnen ja auch schon auf. Viel Energie verwendeten Sie in den Ausschussberatungen darauf, die Bestattung von Kardinälen und Diözesanbischöfen zu regeln.
Die vielen Menschen in Niedersachsen, die eine Aufhebung des Friedhofszwangs für Urnen wünschen, wurden von Ihnen nicht mit solcher Aufmerksamkeit beehrt. Diese Menschen möchten beispielsweise, dass ihre Asche an einem Ort verstreut, in ihrem Garten bestattet oder auch bei einem Angehörigen aufbewahrt wird.
Das - Sie haben es eben noch einmal betont bleibt in Niedersachsen aber verboten. Dieses Verbot entspricht nicht mehr den Anforderungen einer liberalen Gesellschaft, in der Trauerrituale immer mehr an Verbindlichkeit verloren haben. Mit der Aufhebung des Friedhofszwangs würden wir dem Wunsch von 35 % der Bevölkerung nachkommen und uns unseren europäischen Nachbarn anpassen. Warum hier nicht gehen soll, was in Großbritannien, in den Niederlanden, in Spanien, in Italien, in Portugal, in der Schweiz, in den USA möglich ist - ich habe nicht genug Zeit, alle Länder aufzuzählen -, warum unsere Bevölkerung das nicht vertragen soll, bleibt für mich völlig unerfindlich.
Allerdings, meine Damen und Herren, möchten wir hier eine hohe Hürde einbauen. Die Aufhebung des Friedhofszwangs soll nur gelten, wenn der Verstorbene dies testamentarisch verfügt hat. Das steht auch im Mittelpunkt unseres Änderungsantrags. Gegen diesen letzten Willen wollen Sie aber
Ihren Mehrheitspietätsbegriff durchsetzen. Das verletzt in eklatanter Weise die Würde und das Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen und seiner Hinterbliebenen.
Wir hätten wirklich erwartet, dass die FDP ihr Freiheitscredo an dieser Stelle laut gesungen hätte, statt feige einzuknicken.
Meine Damen und Herren, Ihre Kolleginnen und Kollegen in Sachsen-Anhalt sind da deutlich weiter, wie man der Presse in der Vergangenheit entnehmen konnte.
Ihr ganzes Gesetz atmet den Geist einer konservativen Leitkultur, den Sie auch in der Debatte um die Sterbehilfe verströmen. In beiden Fällen verweigern Sie Menschen das Selbstbestimmungsrecht und akzeptieren andere Lebens- und - in diesem Fall - Sterbensentwürfe einfach nicht.
Eines, meine Damen und Herren, verstehe ich überhaupt nicht: Die Urne mit der Asche der verstorbenen Frau des früheren Ministerpräsidenten Ernst Albrecht ist im Garten der Familie bestattet. Warum wollen Sie dieses Recht den weniger prominenten Niedersächsinnen und Niedersachsen eigentlich verweigern? Erklären Sie das doch bitte einmal!
Meine Damen und Herren, Sie werden Menschen ohnehin nicht davon abhalten, das zu tun, was sie für richtig und wichtig halten. Sie zwingen sie aber, wenn sie den letzten Willen erfüllen wollen, in eine Grauzone und zu Umwegen über das benachbarte Ausland. Das nenne ich würdelos.
Insgesamt haben sich die Interessenverbände und die Kirchen auf der ganzen Linie durchgesetzt. Auf der Strecke geblieben sind die berechtigten Interessen der vielen Menschen in Niedersachsen, die die von Ihnen geplante Verbotskultur nicht wollen. Wir müssen respektieren, dass Menschen vielfältige Formen der Trauerarbeit entwickeln, und ihnen einen legalen Gestaltungsrahmen für Beerdigungsriten anderer Art ermöglichen. Dies sollte in einer offenen und toleranten Gesellschaft möglich sein.
Wir Grüne stellen an das neue Gesetz zwei Ansprüche: Respekt vor dem Individuum und mehr Freiheit bei Entscheidungen für den Einzelnen. Beide Ansprüche erfüllt Ihr Gesetz nicht. Deswegen werden wir ihm nicht zustimmen. - Danke schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Helmhold, Respekt vor dem Individuum und auch mehr Freiheit bei Gewissensentscheidungen sind uns sehr wichtig, und diese Aspekte berücksichtigen wir in diesem Gesetz sehr wohl. Ich werde Ihnen das beweisen.
Wir haben eine sehr lange, hitzige und strittige Diskussion gehabt; das Thema war, soweit ich weiß, auch innerhalb der Fraktionen sehr strittig. Nun liegt uns ein kurzes Gesetz zur Beschlussfassung vor. Es berücksichtigt eine Reihe von Punkten, die uns sehr wichtig sind.
Wir wollten die Friedwälder, wie sie jetzt schon bestehen und wie sie viele Menschen als Bestattungsart wählen möchten, gesetzlich regeln und sie aus der Grauzone, in der sie sich vorher befanden, herausholen. Das geschieht durch § 1, in dem geregelt wird, dass Friedhöfe nicht eingefriedete, sondern lediglich abgegrenzte Grundstücke sind.
An vielen Stellen haben wir den Wünschen der Bevölkerung entsprochen und in das Gesetz Lockerungen im Vergleich zum bisherigen Stand aufgenommen. Zum Beispiel muss eine Leiche nicht mehr innerhalb von 36 Stunden von zu Hause abgeholt werden, sondern diese Regelung wird eine Sollbestimmung. Damit wird ein längeres Abschiednehmen ermöglicht.
Uns war außerdem wichtig, dass alternative Sargmaterialien verwendet werden dürfen; die Peacebox ist schon benannt worden. Auf sie sind die Grünen komischerweise nicht gekommen, obwohl
Ferner wollten wir auf jeden Fall erreichen, dass eine Bestattung auch nach einem muslimischen Ritus möglich ist. Das wird nun der Fall sein. Wir schreiben zwar den Sarg vor. Er kann in Ausnahmefällen aber durchaus offen gelassen werden. Damit ist eine Bestattung nach einem muslimischen Ritus möglich.
Jetzt zu dem letzten Punkt, den Sie angesprochen haben, nämlich zur Urne. Wir haben lange darüber diskutiert. Auch in meiner Fraktion gibt es einige, die meinen, eine Urne müsse auch auf den Kamin gestellt werden dürfen. Ich möchte Ihnen dazu aus einem Gespräch berichten, das ich in diesem Zusammenhang mit einer Repräsentantin der Kirche geführt habe. Sie sagte mir Folgendes: Stellen Sie sich einmal vor, mein Vater hätte eine Geliebte. Wenn er stirbt, stünde seine Asche in einer Urne auf meinem Kamin. Aber die Geliebte hat doch genauso ein Recht auf Trauer wie ich auch. Wenn ich aber nichts Näheres über sie weiß und sie sich nicht zu erkennen geben kann, dann kann sie nicht zur Urne kommen. Damit wäre sie in ihrem Recht auf Trauer beschnitten.
Frau Helmhold, Sie haben Liberalismus und Freiheit angesprochen. Diese Dinge sind mir sehr wichtig. Freiheit für den Einzelnen und das eigene Selbstbestimmungsrecht dürfen allerdings begrenzt werden, wenn ansonsten Freiheitsrechte anderer beschnitten würden. Das wäre in diesem Fall der Fall.
- Ich weiß, man kann das so oder so sehen. Man kann auch sagen, hier ist die Freiheit des Einzelnen höher zu bewerten. Ich meine in diesem Fall jedoch: Wenn wir Gemeinschaft und nicht nur Egoismus wollen, wenn wir wollen, dass Menschen einen öffentlichen Ort der Trauer aufsuchen können, sodass alle und nicht nur einer bzw. nur die unmittelbaren Angehörigen trauern können, dann ist es richtiger zu bestimmen, dass die Urne nicht auf den Kamin, nicht ins Regal darf.
- Das ist nicht halbherzig. Hartherzig wäre, zu bestimmen, dass die Urne nach Hause muss. Wenn die Urne öffentlich von jedem besucht werden kann, dann entspricht das den Interessen der
Gemeinschaft, der Mehrheit. Von daher ist das eine richtige Entscheidung, die die Freiheit nicht etwa einschränkt. Deshalb bin ich nicht dafür, Ihrem Änderungsantrag zu entsprechen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Würde eines Menschen hört nicht mit seinem Tode auf. Deshalb muss es unser Anliegen sein, auch dem Tod einen angemessenen Rahmen zu geben, der diese Würde achtet und die Gefühle der Hinterbliebenen respektiert. Ich freue mich deshalb, dass das Bestattungsgesetz der gebotenen Ehrfurcht vor dem Tode gerecht wird.
Frau Helmhold, lassen Sie mich zu Ihren Ausführungen die Präambel unserer Niedersächsischen Verfassung zitieren. Dort heißt es: