Protokoll der Sitzung vom 27.01.2006

(CDU) Vizepräsident Ulrich B i e l (SPD) Vizepräsidentin Ulrike K u h l o (FDP) Vizepräsidentin Silva S e e l e r (SPD) Vizepräsidentin Astrid V o c k e r t (CDU) Schriftführer Lothar K o c h (CDU) Schriftführerin Georgia L a n g h a n s (GRÜNE) Schriftführer Wolfgang O n t i j d (CDU) Schriftführerin Christina P h i l i p p s (CDU) Schriftführer Friedrich P ö r t n e r (CDU) Schriftführerin Isolde S a a l m a n n (SPD) Schriftführerin Bernadette S c h u s t e r - B a r k a u (SPD) Schriftführerin Brigitte S o m f l e t h (SPD) Schriftführerin Irmgard V o g e l s a n g (CDU) Schriftführerin Anneliese Z a c h o w (CDU)

Auf der Regierungsbank:

Minister für Inneres und Sport Uwe S c h ü n e m a n n (CDU)

Finanzminister Staatssekretär Dr. Lothar H a g e b ö l l i n g , Hartmut M ö l l r i n g (CDU) Niedersächsisches Finanzministerium

Ministerin für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit Mechthild R o s s - L u t t m a n n (CDU)

Staatssekretärin Dr. Christine H a w i g h o r s t , Niedersächsisches Ministerium für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit

Kultusminister Bernhard B u s e m a n n (CDU)

Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr Staatssekretär Joachim W e r r e n , Walter H i r c h e (FDP) Niedersächsisches Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr

Minister für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Hans-Heinrich E h l e n (CDU)

Justizministerin Staatssekretär Dr. Jürgen O e h l e r k i n g , Elisabeth H e i s t e r - N e u m a n n Niedersächsisches Justizministerium

Minister für Wissenschaft und Kultur Lutz S t r a t m a n n (CDU)

Umweltminister Staatssekretär Dr. Christian E b e r l , Hans-Heinrich S a n d e r (FDP) Niedersächsisches Umweltministerium

Beginn der Sitzung: 9.02 Uhr

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 81. Sitzung im 28. Tagungsabschnitt des Niedersächsischen Landtages der 15. Wahlperiode und möchte gleich an dieser Stelle die Beschlussfähigkeit des Hauses feststellen.

Nun bitte ich Sie, sich von Ihren Plätzen zu erheben.

Erklärung des Präsidenten zum Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus

Meine sehr verehrten Damen und Herren, heute vor 61 Jahren befreiten sowjetische Truppen das deutsche Konzentrationslager Auschwitz in der Nähe von Krakau.

Angesichts des nahenden Endes hatten die Nationalsozialisten in den Wochen zuvor nach Kräften versucht, die Spuren ihrer Verbrechen zu verwischen, die sie dort verübt hatten. Dokumente wurden vernichtet, einige Gebäude wurden abgerissen, in Brand gesteckt oder in die Luft gesprengt. 56 000 Häftlinge, die man als marschfähig einstufte, wurden bei einer Evakuierung, die man als „Todesmarsch“ bezeichnete, aus dem Lager geschafft, viele von ihnen nach Bergen-Belsen. Sie folgten damit Anne Frank nach, die bereits im November von Auschwitz nach Bergen-Belsen gebracht worden war, wo sie dann sterben sollte. „Befreit“ wurden am 27. Januar 1945 in Auschwitz nur die wenigen Häftlinge, die im Lager zurückgelassen worden waren. Und auch von diesen waren viele so entkräftet, dass sie nicht lange überlebt haben.

Trotz aller Vertuschungsbemühungen fand man erdrückende Zeugnisse der im Namen Deutschlands verübten Scheußlichkeiten: 370 000 Herrenanzüge, 837 000 Damenmäntel, 44 000 Paar Schuhe, 7,7 t menschliches Haar, zumeist Frauenhaar, und Leichenberge von ermordeten Kindern, Frauen und Männern mit ausgemergelten Körpern. Doch selbst die Zahl der verbliebenen Kleidungsstücke ist nur eine Andeutung der jede menschliche Vorstellungskraft sprengenden Grausamkeiten, die in den Konzentrationslagern verübt worden sind.

Auschwitz - das ist für mich die Abkürzung für das dunkelste Kapitel der deutschen, ja mehr noch der Menschheitsgeschichte. Es ist wohl wahr, die deutsche Geschichte besteht nicht nur aus Auschwitz. Gott sei Dank, möchte man sagen. Das spüren wir gerade heute, am 250. Geburtstag von Wolfgang Amadeus Mozart sehr genau. Doch die Schönheit der deutschen Hochkultur vermag eben nicht die Grausamkeit, die abgrundtiefe Unmenschlichkeit und die geradezu bestialische Inhumanität aufzuwiegen, für die der Begriff Auschwitz wie kein anderer steht.

Der Holocaustüberlebende und Friedensnobelpreisträger Elie Wiesel hat es einmal als Frage auf den Punkt gebracht und gesagt: „Wie konnten intelligente und gebildete Menschen tagsüber mit Maschinengewehren auf hunderte Kinder schießen und sich am Abend an den Versen Schillers oder einer Partitur von Bach erfreuen?“ Ich, verehrte Kolleginnen und Kollegen, muss Ihnen gestehen, dass ich mir diese Frage wohl auch einige tausend Mal gestellt habe, aber ich konnte bis heute darauf trotz intensivsten Studiums der Jahre 1933 bis1945 keine erschöpfende Antwort finden. Es ist geradezu eine Perversion unserer Geschichte, dass dies alles in dem Land von Goethe, Schiller, Leibniz, Kant und Lessing möglich war.

Der Hass und die Skrupellosigkeit der Nationalsozialisten gegenüber Andersdenkenden und Minderheiten wird ganz besonders deutlich, wenn man sich vor Augen führt, dass zwischen 1939 und 1945 in Deutschland weit über 30 000 Todesurteile verhängt wurden, während es im gesamten Ersten Weltkrieg 48 waren.

Konrad Adenauer hat im März 1946 in einer Rede vor Studenten der Universität Köln einmal gefragt: „Wie war der Absturz des deutschen Volkes bis ins Bodenlose möglich?“ Und er hat auf diese Frage sogleich eine Antwort gegeben und gesagt: „Der Nationalsozialismus hätte nicht zur Macht kommen können, wenn er nicht in breiten Schichten der Bevölkerung vorbereitetes Land für seine Giftsaat gefunden hätte.“

Nun, wir müssen uns in diesen Tagen, verehrte Kolleginnen und Kollegen, nicht nach Teheran wenden, um zu erkennen, dass diese Giftsaat nicht verschwunden ist. Solange es nämlich Abgeordnete in einem deutschen Parlament gibt, die bereit sind, die Bombenopfer von Dresden mit den Ermordeten von Auschwitz, Majdanek und Treblinka

aufzurechnen, haben wir selbst noch sehr, sehr viel in unserem Land zu tun.

Gott sei Dank, so möchte man sagen, gab es aber auch Menschen, die diesem Rad in die Speichen fallen wollten. Leider hatten sie damit keinen Erfolg. Stellvertretend für sie alle nenne ich die Geschwister Scholl, Dietrich Bonhoeffer, Maximilian Kolbe und Hans von Dohnanyi. Sie alle haben den Versuch, zu zeigen, dass es noch ein anderes Deutschland gibt, mit dem Leben bezahlt.

Als ich bei meinem letzten Besuch in Auschwitz einmal wieder in der Todeszelle von Pfarrer Kolbe stand, fiel mir erstmals ein Satz auf, der in kleinen Buchstaben von einem seiner Mitgefangenen 1944 in die Wand geritzt worden ist. Er lautet: „Wer wissen will, was Freiheit ist, der muss an diesen Ort kommen.“ Meine Damen und Herren, ich schildere das deshalb, weil der Gebrauch der Freiheit für viele von uns so selbstverständlich geworden ist, dass es mir sinnvoll erscheint, daran zu erinnern, dass Freiheit auf dieser Welt eben keine Selbstverständlichkeit ist.

Ich persönlich bin fest davon überzeugt, dass unser Vaterland nur dann in eine gute Zukunft gehen wird, wenn wir uns immer wieder daran erinnern, wodurch es in diese Tiefe gezogen wurde. Lassen Sie uns, wegen der Opfer, aber auch um unserer Zukunft willen, immer wieder den Beweis dafür antreten, dass wir uns als Demokraten in dieser so außerordentlich wichtigen Frage von niemandem auseinander dividieren lassen.

Besonders an diesem Tag verneigen wir uns vor allen Opfern der Nationalsozialisten. Ihr Vermächtnis ist in einen Stein gemeißelt, der vor den Toren des Konzentrationslagers Treblinka steht: „Nie wieder!“

Ich danke Ihnen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir setzen nun unsere Arbeit fort.

Ich habe etwas Erfreuliches zu berichten: Ich möchte unserem Kollegen Karsten Höttcher zum heutigen Geburtstag gratulieren. Alles Gute!

(Beifall im ganzen Hause)

Wir beginnen die heutige Sitzung mit der Fragestunde. Es folgt die Fortsetzung des Tagesordnungspunktes 2, Eingaben. Anschließend erledigen wir die Tagesordnungspunkte in der Reihenfolge der Tagesordnung. Die heutige Sitzung soll

gegen 12.15 Uhr enden. An die rechtzeitige Rückgabe der Reden an den Stenografischen Dienst darf ich erinnern.

Es folgen nun geschäftliche Mitteilungen durch die Schriftführerin.

Guten Morgen! Es haben sich entschuldigt von der Landesregierung Herr Ministerpräsident Wulff, von der Fraktion der CDU Frau Klopp, von der Fraktion der SPD Herr Brockmann, Frau Bührmann, Frau Saalmann und Frau Vizepräsidentin Seeler, von der Fraktion der FDP Herr Hermann und von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr Wenzel.

Vielen Dank. - Meine Damen und Herren, wir beginnen nun mit

Tagesordnungspunkt 33: Mündliche Anfragen - Drs. 15/2540

Die Fragen 3, 24 und 27 wurden von den Fragestellern zurückgezogen.

Es ist jetzt 9.11 Uhr.

Das Wort zu der ersten Frage hat der Kollege Bernd-Carsten Hiebing. Wir kommen also zu

Frage 1: Kann das Ems-Sperrwerk bei Havarien helfen?

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Infolge einer Havarie auf der Ems bei Rhede - das liegt im Landkreis Emsland - war der Fluss im Oktober 2005 zwei Wochen für den Schiffsverkehr gesperrt. Ein niederländisches Bergungsunternehmen konnte erst nach der Ankunft eines zweiten Krans das Wrack heben. Die Mehrkosten für die Reedereien der ca. 250 festsitzenden Schiffe waren enorm.

Die Bergung des Frachters hatte sich immer wieder stark verzögert, da die Kräne auf Niedrigwasser angewiesen waren.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Es stehen Forderungen im Raum, das EmsSperrwerk bei der Bergung von havarierten Schiffen unterstützend einzusetzen. Entsprechend dem Planfeststellungsbeschluss darf das Ems-Sperrwerk gegenwärtig jedoch nur zur Überführung tief gehender Schiffe, zum Sturmflutschutz und bei Gefahr im Verzug eingesetzt werden. Das Unglück war bereits das dritte innerhalb von fünf Jahren.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

Erstens. Welche Möglichkeiten bestehen, damit es zukünftig aufgrund von Schiffsunfällen auf der Ems nicht zu übermäßig langen Wartezeiten für die Schifffahrt kommt?

Zweitens. Wie bewertet die Landesregierung die Forderung, den Planfeststellungsbeschluss für das Sperrwerk zu ändern, damit in Zukunft die Bergung havarierter Schiffe schneller möglich ist?

Drittens. Könnte alternativ auch die Anschaffung von Bereitschaftsschleppern die Situation im Notfall entschärfen?