- Nein. Ich könnte Ihnen einmal vorlesen, was hier steht. Sie haben die Geschäftsordnung selbst vor sechs Stunden hier beschlossen.
Artikel 1. - Wer der Änderungsempfehlung des Ausschusses folgen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Das ist die Mehrheit.
Artikel 2. - Wer ist für die Änderungsempfehlung des Ausschusses? - Wer ist dagegen? - Bei wenigen Gegenstimmen angenommen.
Artikel 3. - Wer ist für die Änderungsempfehlung des Ausschusses? - Wer ist dagegen? - Das Erste war die Mehrheit.
Gesetzesüberschrift. - Wer ist für die Änderungsempfehlung des Ausschusses? - Wer ist dagegen? - Das Erste war die Mehrheit.
Wer dem Gesetzentwurf zustimmen möchte, den bitte ich aufzustehen. - Die Gegenprobe? - Das Erste war die Mehrheit. Damit ist so beschlossen worden.
Tagesordnungspunkt 11: Einzige (abschließende) Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Nachbarrechtsgesetzes und des Niedersächsischen Ausführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch - Gesetzentwurf der Landesregierung Drs. 15/2471 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen - Drs. 15/2629
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! Der Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen empfiehlt Ihnen mit den Stimmen der Vertreter der Fraktionen von CDU, FDP und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der Vertreter der SPD-Fraktion, dem Gesetzentwurf mit den aus der Beschlussempfehlung ersichtlichen Änderungen zuzustimmen.
Dies entspricht den Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse für Inneres und Sport und für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit. Da der Gesetzentwurf direkt in den federführenden Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen überwiesen worden ist, will ich Ihnen zunächst doch einmal kurz das Anliegen des Gesetzentwurfs schildern.
In großen Teilen enthält der Gesetzentwurf Anpassungen des Niedersächsischen Nachbarrechtsgesetzes und des Niedersächsischen Ausführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch an das neue allgemeine Leistungsstörungsrecht und das neue Verjährungsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches. Diese ohnehin nötigen Änderungen nimmt der Gesetzentwurf zum Anlass, die beiden Landesgesetze redaktionell an zwischenzeitliche Änderungen des Bauordnungsrechts und anderer öffentlich-rechtlicher Vorschriften anzupassen und einige weitere rechtsbereinigende Regelungen zu treffen. Darüber, dass all diese Änderungen sinnvoll und auch notwendig sind, hat es in den Ausschüssen Übereinstimmung gegeben. Die Beschlussempfehlung enthält deshalb auch nur rechtstechnische Korrekturen, auf die ich nicht näher einzugehen brauche, weil sie nicht strittig gewesen sind.
Ich möchte aber auf Artikel 1 Nr. 4 eingehen, der § 54 Abs. 2 des Nachbarrechtsgesetzes betrifft. Dort geht es um eine inhaltliche Änderung. Diese Vorschrift betrifft den Anspruch auf Zurückschneiden von Anpflanzungen. Bisher war unter den Gerichten streitig, ob nach Ablauf der Ausschlussfrist noch ein Anspruch auf Zurückschneiden bestehe und auf welche Höhe dann gegebenenfalls noch zurückzuschneiden sei. Hier soll der Gesetzentwurf Klarheit schaffen. Auch nach Ablauf der Ausschlussfrist soll der Nachbar vom Eigentümer jederzeit verlangen dürfen, dass die Anpflanzung durch jährliches Beschneiden jedenfalls auf der dann erreichten Höhe zu halten ist.
In dieser Regelung haben die Vertreter der Fraktionen von CDU, FDP und Bündnis 90/Die Grünen eine sinnvolle und zweckentsprechende Bereinigung des geschilderten Meinungsstreits gesehen. Die Vertreter der SPD-Fraktion haben sich dagegen die Position der kommunalen Spitzenverbände zu Eigen gemacht, wonach die Änderung des § 54 Abs. 2 unnötig Aufwand und Kosten mit sich bringe, wovon auch die Kommunen als Eigentümer bepflanzter Grundflächen betroffen seien.
Die Vertreter der SPD-Fraktion haben schließlich weiteren Novellierungsbedarf im Hinblick auf § 52 Abs. 2 des Nachbarrechtsgesetzes gesehen: An der Grenze zwischen bebauten Bereichen und den Außenbereichen könne es nach gegenwärtigem Recht zu einer erheblichen Belastung der bebauten Grundstücke durch Anpflanzungen im angrenzenden Außenbereich kommen. Der federführende Ausschuss hat der Landesregierung anheim gestellt zu prüfen, ob das Nachbarrechtsgesetz auch insoweit zu ändern ist. Er hat aber keinen Anlass gesehen, bereits den hier zu behandelnden Gesetzentwurf entsprechend zu ergänzen.
Damit möchte ich meinen mündlichen Bericht beenden. Namens des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen bitte ich Sie, der Beschlussempfehlung in Drucksache 15/2629 zuzustimmen.
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Den Fitnesstest habe ich hoffentlich bestanden. - Wohl nirgendwo wird so hart und unerbittlich gestritten wie zwischen Nachbarn, und nur in wenigen Lebenslagen berührt das Recht den Einzelnen so unmittelbar wie in der Nachbarschaft. Das Nachbarrecht hat deshalb - vielleicht nicht ganz zu Unrecht - den Ruf, das Rechtsgebiet der Querköpfe und Querulanten zu sein. Auf keinem anderen Rechtsgebiet finden so viele Streitigkeiten statt wie im Nachbarrecht. Dabei ist das Nachbarrecht selbst für Juristen eine äußerst komplexe und schwierige Rechtsmaterie.
Niedersachsen ist eines der Länder, die ein eigenes Nachbarrechtsgesetz haben. Das Nachbarrecht insgesamt - insbesondere das Niedersächsische Nachbarrechtsgesetz - verfolgt den Zweck, im Nachbarschaftsverhältnis auftretende Konflikte zu einer sozialverträglichen Einigung zu bringen. Es werden darin Dinge geregelt, die im alltäglichen Miteinander von Nachbarn von zentraler Bedeutung sind - wie Nachbarwände, Grenzwände, Einfriedung und insbesondere Grenzabstände für
Bäume und Sträucher. Im Sinne des Friedens zwischen Nachbarn, aber natürlich auch im Interesse der Einzelfallgerechtigkeit wurden in § 50 des Niedersächsischen Nachbarrechtsgesetzes ganz konkrete Grenzabstände und auch Höhenbegrenzungen festgelegt.
Wir haben in Niedersachsen in dieser Beziehung eine der am genauesten austarierten Regelungen. Es spricht also nichts dagegen, dass mit dem vorliegenden Gesetzentwurf die Bestimmungen des Niedersächsischen Nachbarrechts an das allgemeine Leistungsstörungsrecht und an das Verjährungsrecht angepasst werden - so, wie es seit der Überarbeitung des Bürgerlichen Gesetzbuches durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz vom Bund durchgeführt wurde. Insoweit handelt es sich um bloße Gesetzestechnik, gegen die wir keinerlei Einwände haben.
Es spricht auch nichts dagegen, dass im Nachbarrecht an der Fünfjahresfrist festgehalten werden soll. Diese Frist ist lang genug, um betroffenen Nachbarn ausreichend Gelegenheit zu geben, von der Anpflanzung oder der Überschreitung der zulässigen Wuchshöhe Kenntnis zu nehmen. Es ist genug Zeit, möglicherweise eine Einigung unter Nachbarn zu suchen oder sich dann zu überlegen, den Rechtsweg zu beschreiten. Selbst wenn die fünfjährige Ausschlussfrist versäumt wurde, hat der Nachbar nach höchstrichterlicher Rechtsprechung einen Anspruch auf Zurückschneiden der Anpflanzung - allerdings nur in Ausnahmefällen, und zwar dann, wenn sich ein solcher Anspruch aus dem nachbarrechtlichen Rücksichtnahmegebot herleiten lässt.
Ich halte diese Regelung für ausgesprochen sachgerecht. Die Landesregierung und die Fraktionen von CDU und FDP sind offenbar anderer Auffassung. In der Begründung zum Gesetzentwurf heißt es wörtlich:
„Es erscheint jedoch nicht sachgerecht, das Fristversäumnis zusätzlich dadurch zu sanktionieren, dass mit dem Anspruch auf Zurückschneiden auf die zulässige Höhe auch jeder Anspruch auf eine Höhenbegrenzung ausgeschlossen ist.“
Sie ist falsch, weil die höchstrichterliche Rechtsprechung längst einen Anspruch auf Zurückschneiden im Einzelfall entwickelt hat. Ich hatte bereits darauf hingewiesen. Die Gesetzesänderung ist jedoch - das halte ich für noch viel schwerer wiegend - auch nicht sachgerecht, weil sie eine wahre Klageflut produzieren wird. Anstelle einer gerechten Regelung im Einzelfall tritt jetzt ein genereller Zurückschneideanspruch ein, auch für die Fälle, in denen längst Rechtsfrieden eingekehrt ist. Ich halte das für rechtspolitisch geradezu aberwitzig.
Sehr verehrte Damen und Herren, ich wundere mich auch, dass die Landesregierung die Warnungen der kommunalen Spitzenverbände so einfach in den Wind schlägt. Die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände hat in ihrer schriftlichen Stellungnahme darauf hingewiesen, dass die Neuregelung völlig an der Praxis vorbeigeht und geeignet ist, „den Rechtsfrieden zwischen Nachbarn nachhaltig zu stören.“
Insbesondere bei höheren Bäumen sei es praktisch nicht machbar und jedenfalls wirtschaftlich nicht tragbar, möglicherweise jährlich einen Rückschnitt zu veranlassen. Ein Nachbar kann den teuren Rückschnitt zukünftig zu einem beliebigen Zeitpunkt, etwa aus Anlass einer Streitigkeit in einer ganz anderen Sache, erzwingen. Es ist zudem zu befürchten, dass gerade auch auf die Kommunen als Grundstückseigentümer dann erhebliche zusätzliche Kosten zukommen werden.
Sehr verehrte Damen und Herren, vor diesem Hintergrund scheint die derzeitige Regelung ausgesprochen interessengerecht. Ich hätte daher gerne gewusst, was die Landesregierung veranlasst, ohne Not ein solches Fass aufzumachen. Manchmal sind es ja bekanntlich ganz triviale Gründe.
Ich halte die Neureglung auch deshalb für rechtspolitischen Unfug, weil darin ein bemerkenswerter Widerspruch zu den bisherigen Aktivitäten der schwarz-gelben Regierung besteht. Einerseits werden mit der Abschaffung des Widerspruchsverfahrens u. a. BAföG-Empfänger und sozial Benachteiligte bei Rundfunkgebührenangelegenheiten unmittelbar ins Klageverfahren getrieben. In diesen Fällen, in denen es wirklich um Existen
zielles geht, beträgt die Ausschlussfrist einen Monat. Die Grundstückseigentümer aber, die sich beispielsweise sonntagmorgens beim Frühstück über den hohen Baumbewuchs des Nachbarn ärgern, können fünf Jahre lang einen Anspruch auf Rückschnitt geltend machen.
Sehr verehrte Damen und Herren, schließlich möchte ich noch auf einen weiteren Widerspruch hinweisen: Wir haben bereits 2004 angemahnt, dass die Justizministerin in der Pflicht steht, ein niedersächsisches Schiedsgesetz auf den Weg zu bringen. Dafür müsste sie gar nicht viel tun; denn das Gesetz liegt schon fertig in der Schublade.