Natürlich, Frau Heister-Neumann, weiß ich, wissen wir, dass Sie nicht ganz allein stehen mit diesem Wunsch. Sie befinden sich allerdings nach unserer Meinung in einer Gesellschaft, die in Fach- und Justizkreisen, Herr Dr. Noack, einen zweifelhaften Ruf genießt.
Ich nenne als Beispiel den hessischen Justizminister, und ich nenne ganz besonders den Justizsenator von Hamburg. Dieser hat sich durch seine Aussagen zur Abschaffung des Jugendstrafrechts und mit seinen Vorstellungen zum Strafvollzug selbst diskriminiert und ins Abseits gestellt.
Die Vorwürfe, die in den letzten Tagen gegen ihn und seine Handhabung des Vollzuges in Hamburg erhoben werden, lassen nicht nur Zweifel an seiner fachlichen Eignung entstehen, sondern auch Menschenrechte, Menschenwürde, auch die Würde eines inhaftierten Menschen scheinen nicht zu seinem Weltbild zu gehören.
Eine niedersächsische Justizministerin, die sich mit solchen Mitstreitern umgibt, schadet dem Ruf unseres Landes.
Denn eines ist doch ganz klar: Wer sich in schlechte Gesellschaft begibt, darf sich nicht wundern, wenn auch der eigene Ruf Schaden nimmt. Besonders schlimm, meine Damen und Herren, ist aber, dass das Bild, das eine Justizministerin in der Öffentlichkeit abgibt, auch auf den Vollzug und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter übertragen wird. Und das hat der niedersächsische Justizvollzug nicht verdient.
Im Gegensatz zu Ihnen befinden wir Sozialdemokraten uns mit unserem Antrag auf den Erhalt der Bundeskompetenz in sehr guter Gesellschaft. Die gesamte Fachwelt ist mit uns gegen die Übertragung der Gesetzgebungskompetenz für den Strafvollzug auf die Länder. Lassen Sie mich hier nur einige wenige nennen: Der Deutsche Richterbund z. B. hat einen Appell verabschiedet, in dem er sich mit diesem Thema befasst und in dem er eindringlich dafür spricht, die Bundeskompetenz zu erhalten. Diesen Appell haben u. a. 100 Professoren und Professorinnen aus Strafrecht und Kriminologie unterschrieben.
Gegen eine Verlagerung der Gesetzeskompetenz sprechen sich ebenso aus die Bundesrechtsanwaltkammer, der Deutsche Anwaltsverein, die Deutsche Bewährungshilfe, der Bund der Justizvollzugsbediensteten und die Bundesarbeitsgemeinschaft für Straffälligenhilfe. Auch die Bundesvereinigung der Anstaltsleiter im Strafvollzug äußert sich dagegen. Im Übrigen, Frau Ministerin: Auch die niedersächsischen Anstaltsleiter haben sich mit überwältigender Mehrheit dafür ausgesprochen, dass dieses Gesetz in Bundeskompetenz bleibt. Das sollte Ihnen dann doch irgendwann einmal zu denken geben.
Wenn das noch nicht reicht, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der CDU-Fraktion, dann kann ich Ihnen sagen: Es gibt auch aus dem politischen Raum Menschen, die unserer Meinung sind. Ich nenne als Beispiel nur den Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein, der Ihrer Partei angehört, der sehr deutlich sagt, das müsse eine Bundeskompetenz bleiben. Ähnlich äußert sich Herr Böhmer in Sachsen-Anhalt. So äußert sich Herr Diepgen.
- Nicht nur. - Ebenso verhält sich der Bremer Senat mit seiner großen Koalition, an der Sie bekanntermaßen auch beteiligt sind.
Und an die Kolleginnen und Kollegen aus der FDP: Ich nenne nur einen Namen: Auch Frau Leutheuser-Schnarrenberger, die Ihnen wohl bekannt ist, hat sich sehr deutlich dafür ausgesprochen, dass es bei der Bundeskompetenz bleibt.
Nur die niedersächsische CDU, vermutlich auch die niedersächsische FDP und unsere Justizministern sind offensichtlich beratungsresistent. Trotzdem versuchen wir es noch einmal, Ihnen deutlich zu machen, dass es notwendig ist, dieses Gesetz in Bundeskompetenz zu lassen. Es eignet sich nicht für irgendwelche Experimente in 16 verschiedenen Bundesländern; denn die Zeiten von Kleinstaaterei sind in Zeiten der europäischen Einigung nun wirklich vorbei.
Der Strafvollzug - lassen Sie mich das als letzten Satz sagen - ist aus bekannten, aber leider negativen Gründen weltweit zu einem sehr kritischen Thema geworden. Unsere deutsche Vorbildfunktion für Rechtsstaatlichkeit in Sachen Strafvollzug sollten wir nicht leichtfertig aufgeben. Deshalb fordern wir Sie eindringlich auf, unserem Antrag zuzustimmen. - Danke schön.
- Meine Damen und Herren, ich habe es schon ein paar Mal gesagt: Man sollte den Redner hier reden lassen. Man sollte zuhören, auch mal einen Zwischenruf machen. Aber bevor er überhaupt etwas geredet hat, sollte man die Zwischenbemerkungen sein lassen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eingangs möchte ich sagen: Ich finde das Parlamentsverständnis des Fraktionsvorsitzenden der CDU schon merkwürdig. Er sagte gleich eingangs der Rede von Frau Müller: „Wieso Föderalismusreform? - Das haben wir doch schon beschlossen.“ Was ist das für ein Parlamentsverständnis, Herr McAllister? Es hat noch nicht einmal die erste Lesung im Bundestag gegeben. Da ist noch gar nichts beschlossen worden. Das geht jetzt erst ins Verfahren. Deswegen müssen wir darüber reden, was in der Föderalismusreform vernünftig ist und was nicht.
Wir haben vorgestern in der Aktuellen Stunde darüber gesprochen und festgestellt, dass wir alle die Föderalismusreform wollen. Aber aus verschiedenen Bereichen gibt es massive Kritik an dem, was da im Bereich Bildung, im Bereich Umweltschutz, bei den Finanzen und vor allen Dingen beim Strafvollzugsgesetz geplant ist. Ich finde, Sie sollten gegenüber den Argumenten, die aus der Fachwelt kommen, nicht gänzlich ignorant sein und behaupten, was von der Fachwelt eingefordert wird, ist alles Unsinn. Sie sollten sich das vielmehr zu Gemüte führen und ein Stück weit reflektieren.
Wer in der rechtspolitischen Fachdebatte fordert eigentlich die Verlagerung der Gesetzgebungskompetenz für den Strafvollzug auf die Länder?
Ich sage Ihnen, Sie werden niemanden finden. Niemand in der offiziellen Debatte sagt, die Verlagerung dieser Kompetenz ist eine vernünftige Sache: keine einzige rechtspolitische Autorität, kein Strafrechtler, kein Anstaltsleiter, kein Staatsanwalt, keine Richterin, kein Gefangener, niemand. Auch wenn Sie noch so lange suchen, werden Sie niemanden finden, der das für vernünftig hält, außer vielleicht ein paar reaktionäre Bestrafungsfetischisten, die meinen, der Vollzug, wie er in der Ukraine oder im Kongo praktiziert wird, soll für uns das Vorbild sein. Es gibt in dieser Debatte niemanden mit Vernunft und Verstand, der sagt, die Verlagerung der Kompetenz für den Strafvollzug ist eine sinnvolle Sache.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, man muss weiter die Frage stellen: Hat sich das deutsche Strafvollzugsgesetz nicht bewährt? Gibt es irgendwelche Mängel? Zeigt es Optimierungspotential? - Ich glaube, das ist nicht der Fall. Das Strafvollzugsgesetz ist ein ausgewogenes Gesetz - das hat Frau Müller betont -, das 1976 mit allen Stimmen im Bundestag einhellig verabschiedet wurde.
Bei der Verlagerung der Kompetenz auf die Länder droht mitnichten eine Optimierung, sondern vielmehr eine deutliche Verschlechterung, ein Abbau der Vollzugsstandards und ein Rückschritt zum Verwahrvollzug.
Nun muss man sicherlich die Frage stellen, ob diese Befürchtungen überhaupt gerechtfertigt oder ob sie nicht vielmehr an den Haaren herbeigezogen sind, ob unsere Justizministerin vielleicht bessere Ideen hat, ob sie kreative, innovative Ideen hat, wie man den Vollzug verbessern kann.
Ja, da gibt es die tolle Forderung aus Niedersachsen nach einer Mehrfachzellenbelegung in allen Haftanstalten. Was sagt die vollzugspolitische Fachwelt dazu? - Sie sagt, das wäre eine Katastrophe; denn die Mehrfachzellenbelegung fördert nachweislich Aggression und eine Subkultur in den Gefängnissen und macht das Gefängnis insgesamt schwieriger steuerbar.
- Ja, was ist denn das für ein hinkender Vergleich? Herr McAllister, wie können Sie denn ein Pflegeheim mit einem Gefängnis vergleichen? Was ist
das für ein Institutionenvergleich? Das eine ist eine Strafanstalt, das andere eine Pflegeeinrichtung. Das können Sie überhaupt nicht vergleichen. Das zeigt schon, dass Sie von dem ganzen Thema gar keine Ahnung haben.
Ich sage Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist kein Beitrag zum Opferschutz, es ist kein Beitrag zur inneren Sicherheit, wenn die Gefangenen frustrierter werden, wenn sie aggressiver entlassen werden. Es ist unmodern, es ist antiquiert, es ist resozialisierungsfeindlich, und es ist sogar gefährlich.
Hat sich die niedersächsische Justizministerin ansonsten um den Vollzug in Niedersachsen verdient gemacht? Gibt es sonst neue kreative Ideen, die von anderen Ländern oder gar anderen Staaten abgeschaut worden sind? Haben wir im Vollzug einen kreativen Wettbewerbsföderalismus? Nein, meine sehr verehrten Damen und Herren, das haben wir nicht. Im Großen und Ganzen herrscht ein Rückschritt. Innovative Spritzenprojekte wurden eingestellt, Vollzugslockerungen werden in Niedersachsen mittlerweile sehr viel restriktiver gehandhabt, es gibt, wie gesagt, die Forderung nach der Mehrfachzellenbelegung, und es gibt diese ganz sonderbare Forderung nach einer Praxisknastgebühr. Auch das wird von der Fachwelt unisono abgelehnt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein Vollzug in den alleinigen Händen von Frau HeisterNeumann und Herrn Schünemann wäre in meinen Augen kein vollzugspolitischer Aufbruch, sondern ein Rückschritt.
Ich möchte mir wirklich nicht ausmalen, welche kurzfristigen wahltaktischen Überlegungen aufkommen würden, wenn wieder einmal das schrille, häufig hysterische Lied der inneren Sicherheit über den Stammtischen abgesungen würde und wir über Vollzugspolitik reden würden. Ich finde, wir sollten Vollzugspolitik wahrlich nicht in Landtagswahlkämpfe ziehen. Wir täten den Haftanstalten, den Anstaltsleitern, der Bewährungshilfe, den Vollstreckungsleitern und vor allen Dingen den Häftlingen einen großen Gefallen, wenn wir eine derart sensible und schwierige Materie wie den Strafvoll
Dann, meine sehr verehrten Damen und Herren, möchte ich die Frage stellen, ob es überhaupt rechtssystematische Gründe für die Verlagerung gibt oder ob es nicht möglicherweise ein systematischer Bruch wäre, wenn man das Strafgesetzbuch, das Prozessrecht und künftig wahrscheinlich auch das Jugendvollzugsrecht zwar bundeseinheitlich regelt, aber die Vollzugsnormen den Ländern überträgt. Die Forderung nach einer einheitlichen Strafvollzugsnorm ist so alt wie das Strafgesetzbuch selbst. In der Bundesrepublik wurde lange darum gerungen - sogar schon in der vorbundesrepublikanischen Zeit, in der Zeit des Norddeutschen Bundes -, auf dem deutschen Gebiet zu einheitlichen Vollzugsstandards zu kommen. Es wäre ein eklatanter Rückfall, wenn man davon jetzt wieder abweichen würde.
Ich möchte abschließend darlegen - Frau Müller hat das hier zum Teil schon getan -, welche Diskussionen die Pläne, die Gesetzgebungskompetenz für den Strafvollzug auf die Länder zu übertragen, hervorgerufen haben. Ich habe eingangs gesagt, dass es in der strafvollzugspolitischen Debatte keine einzige Stimme gibt, die das wirklich fordert. Frau Müller hat auf den Aufruf der 100 sehr renommierten Strafrechtler verwiesen - darunter u. a. der Nestor der deutschen Strafrechtspolitik, Professor Roxin, und viele andere berühmte Persönlichkeiten -, die sich alle dezidiert dagegen ausgesprochen haben. Daneben gibt es weitere gewichtige Stimmen: Der Deutsche Richterbund ist dagegen und hat massive Bedenken; Sie haben es gesagt. Der Deutsche Anwaltsverein ist dagegen, die Deutsche Bewährungshilfe ist dagegen, und die deutschen Strafanwälte sind dagegen. Die Bundesvereinigung deutscher Anstaltsleiter spricht sich genauso dagegen aus wie der Bund der Strafvollzugsbediensteten. Die Bundesrechtsanwaltskammer ist dagegen, die Deutsche Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfe ist dagegen, und die deutschen Sozialverbände und die deutschen Gewerkschaften sind es auch, meine sehr verehrten Damen und Herren.