Elke Müller
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Strafvollzug war für die Föderalismuskommission das falsche Thema. Das habe ich oft genug gesagt. Deswegen will ich mich damit heute nicht mehr aufhalten. Das ist Schnee von gestern.
Wenn das neue Justizvollzugsgesetz gleich beschlossen ist, werden Sie auf der rechten Seite des Hauses wieder jubeln und sich gebärden, als hätten Sie den Jackpot gewonnen. Dieses Gesetz ist aber alles andere als ein Hauptgewinn.
Spätestens bei der Anhörung zu diesem Machwerk hätte Ihnen das klar sein müssen. Über 30 Fachleute haben heftigste Kritik geübt, aber Sie mit Ihrer Selbstherrlichkeit und Beratungsresistenz wollten das ja nicht wahrnehmen. Andere Bundesländer verhalten sich klüger und besonnener als Niedersachsen und gestalten erst einmal ein Jugendvollzugsgesetz, wie vom Bundesverfassungsgericht gefordert. Frau Ministerin, Sie regeln Ju
gendvollzug, Erwachsenenvollzug und U-Haft in einem Gesetz. Das ist unsinnig, aber natürlich dem Wahltermin geschuldet. Eigenständig, wie vom Verfassungsgericht gefordert, ist der Abschnitt Jugendvollzug in Ihrem Gesetz nicht. Von knapp 200 Paragrafen befassen sich ganze 19 mit dem Jugendvollzug. Es gibt aber immerhin 70 Verweisungen auf den Erwachsenenvollzug, auch wenn sie jetzt nicht mehr einzeln aufgeführt sind, sondern etwas anders formuliert wurden. Inwieweit das dann noch eigenständiger Jugendvollzug ist, müssten Sie erst einmal erklären.
Ansonsten haben Sie gerade einmal die Mindeststandards eingehalten: Erziehung, Bildung, Ausbildung, vier Stunden Besuch im Monat, Wohngruppenbezug mit Einzelunterbringung in der Ruhezeit. Die Einzelunterbringung, die in vielen Gerichtsurteilen festgelegt worden ist, schränken Sie durch einen fiskalischen Vorbehalt wiederum ein. Das ist aus unserer Sicht verfassungsrechtlich bedenklich.
Beim Erwachsenenvollzug waren wir durch Ihr einheitliches niedersächsisches Vollzugskonzept schon vorgewarnt. Genauso stark populistisch geprägt wie dieses Papier ist die Tendenz Ihres Gesetzes. Die wichtigste Zielsetzung des Strafvollzuges, die Resozialisierung, wird hinter die Sicherheit während der Haftzeit zurückgedrängt. Frau Heister-Neumann, Sie machen damit eine Stammtischforderung zur offiziellen Politik dieser Landesregierung. Der Bevölkerung wird eine falsche Sicherheitsphilosophie vorgegaukelt. Sicherheit nach der Haft ist für die Bürger die entscheidende Sicherheit. Diese kann nur durch Resozialisierung erreicht werden.
Diese Sicherheit wird vornehmlich durch das gut ausgebildete Personal gewährleistet und nicht durch 1 001 Videokameras und überdimensionierte Stacheldrahtrollen.
Weil die Zeit knapp ist, kann ich nur zu einigen Stichworten aus dem Erwachsenenvollzug Anmerkungen machen. Als erstes Stichwort nenne ich den Chancenvollzug. Das neue Lieblingswort der Ministerin ist im Grunde nichts weiter als eine Nebelkerze. Nur Gefangene, die ihre Mitarbeitsbereitschaft bekunden, erhalten die Chance auf besondere Wiedereingliederungsangebote. Alle anderen
erhalten Basisvollzug, die nackte Grundversorgung. Nach Ihren Aussagen, Frau Ministerin, ist bei den besonderen Angeboten z. B. an Hilfe zur Schuldenregulierung zu denken. Schuldenregulierung ist gut. Sie vermindert unter Umständen die Rückfälligkeit. Die Möglichkeit zur Schuldenregulierung, zur Teilnahme an sozialen Trainingskursen und anderen Maßnahmen muss im Sinne der Sicherheit aber allen Gefangenen eröffnet werden.
Im Übrigen wird in zig Urteilen des Bundesverfassungsgerichts festgestellt, dass Resozialisierung ein Verfassungsgrundsatz ist. Dieser gilt nun einmal für alle. Jede Einschränkung ist deshalb verfassungsrechtlich bedenklich.
Das nächste Stichwort ist der offene Vollzug. Nach dem alten Gesetz war der offene Vollzug Regelvollzug. Jetzt wird dies der geschlossene Vollzug. Natürlich wissen auch wir, dass der geschlossene Vollzug schon immer den größeren Anteil ausmachte. Sie verstärken diese Tendenz dummerweise aber noch zusätzlich durch Ihre Regelumkehr. Sie wissen doch, dass offener Vollzug die Wiedereingliederung erleichtert, Haftschäden vermeidet, Rückfälligkeit vermindert und außerdem nur halb so teuer ist. Ihr Weltbild und Ihre Stammtischparolen lassen solche Überlegungen aber nicht zu.
Vollzugslockerungen sind das nächste Stichwort. Vollzugslockerungen sind kein Gnadenerweis. Sie dienen der Resozialisierung und Entlassungsvorbereitung. Sie sind individuell und nicht pauschal nach der Haftlänge zu betrachten. In Ihrer Regierungszeit sind die Lockerungen um ca. 10 % zurückgegangen, was mindestens zwei negative Folgen hatte. Ohne Lockerungen gibt es keine Entlassung nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe. Das bedeutet zugleich höhere Belegungszahlen und höhere Kosten. Strafgefangene werden zudem immer häufiger am Ende der Haftzeit ohne vorherige Erprobung entlassen. Das bedeutet ein Sicherheitsrisiko, das Sie ganz allein zu verantworten haben.
Als nächstes Stichwort nenne ich das Recht auf Einzelzelle. Hier ist es genauso wie im Jugendvollzug. Am Anfang von § 20 gewähren Sie das Recht auf eine Einzelzelle, am Ende des Paragrafen
schränken Sie es aus fiskalischen Gründen wieder ein. Das ist und bleibt verfassungsrechtlich bedenklich.
Das fünfte Stichwort ist die Teilprivatisierung des Strafvollzuges. Hinter der scheinbar so harmlosen Überschrift „Beauftragung“ verbirgt sich in § 171 die Teilprivatisierung des Strafvollzugs. Das ist nicht verfassungskonform. Justizvollzug ist der Kernbereich hoheitlicher Aufgaben. Ein Eingriff in die Freiheit steht allein dem Staat zu, der das Gewaltmonopol hat. Eine Änderung dieses Verfassungsgrundsatzes ist mit uns Sozialdemokraten nicht zu machen.
Die Zusammenarbeit einer JVA mit anderen Organisationen ist in Ordnung, eine Übertragung und Abschiebung von Verantwortung aus Kostengründen aber nicht.
Als sechstes Stichwort sind soziale Hilfen und durchgängige Betreuung zu nennen. Positiv an diesem Gesetz wären die §§ 67 und 68. Eine durchgängige Betreuung bis hin zu einer gewissen Nachsorge bei der Entlassung hilft Rückfälligkeit zu verhindern, schafft also Sicherheit. Instrumente dafür sind vorhanden. Ich nenne hier nur zwei, die Bewährungshilfe und Anlaufstellen für Entlassene. Sie früher mit einzubinden und Netzwerke zu anderen Stellen zu knüpfen ist aber nicht zum Nulltarif zu haben. Bewährungshilfe und Anlaufstellen müssen entsprechend den zusätzlichen Aufgaben besser mit Personal und Finanzmitteln ausgestattet werden. Daran hapert es bei Ihnen aber ganz gewaltig. Solange sich in dieser Hinsicht nichts ändert, bleiben Ihre scheinbar positiven Ansätze reine Gesetzeslyrik und Augenwischerei.
Meine Damen und Herren, mir fehlt leider die Zeit für weitere kritische Anmerkungen. Beim U-HaftGesetz betreten wir alle miteinander Neuland. Man muss sehen, wie sich dieses Gesetz bewährt.
Zum Schluss will ich sagen, dass die SPDFraktion, was Sie nicht wundern wird, diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen wird. Frau Ministerin, um mit Ihren Worten zu sprechen: Chancen haben Sie und die Koalitionsfraktionen in den letzten fünf Jahren genug gehabt. Sie haben sie nicht genutzt.
Mitarbeitsbereitschaft war kaum zu erkennen. Deshalb zurück an die Basis und zur Grundversorgung!
Frau Präsidentin! Frau Ministerin, die U-Haft-Zeit soll ja normalerweise nicht mehr als sechs Monate betragen. Können Sie uns sagen, in wie vielen Fällen die U-Haft seit 2003 verlängert werden musste?
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Weil dieser Antrag bei der Einbringung direkt überwiesen wurde, will ich heute die Gelegenheit nutzen, um Ihnen noch einmal den Anlass für diesen Antrag deutlich zu machen. In der Zeit von August 2003 bis Dezember 2004 gab es sechs Vorfälle,
bei denen Gefangene oder U-Häftlinge bei Vorführungen vor Gericht geflüchtet waren. Die Fluchtmöglichkeiten waren unterschiedlich. Das eine Mal war es ein nicht ausreichend gesichertes Toilettenfenster, das die Möglichkeit zur Flucht gab. Ein anderes Mal war es eine unzureichend gesicherte Tür in einem Raum, in dem der Betreffende eigentlich eine Verhandlungspause sicher verbringen sollte. Ein weiteres Mal waren es die ungeheuer schnellen Beine eines Flüchtenden, dem ein Justizbediensteter nicht so schnell folgen konnte.
Wir haben damals deshalb ein umfassendes Konzept verlangt, um die Sicherheit bei solchen Gerichtsvorführungen zu verbessern. Bei den späteren Beratungen im Ausschuss wurde deutlich, dass inzwischen bauliche Schwachstellen beseitigt wurden oder werden. Des Weiteren sollte ein sogenannter Wachtmeisterpool auf Landgerichtsbezirksebene eingerichtet werden. Das hat sich insofern nicht bewerkstelligen lassen, als die Landgerichtsbezirke dafür zu klein waren und nicht genügend Personal zur Verfügung stand. Inzwischen gibt es eine sogenannte Einsatzreserve auf der Ebene der Oberlandesgerichte. Das Personal soll auf seine Tätigkeit besser vorbereitet und besser geschult werden.
Es hat seitdem offensichtlich keine weiteren Fluchten gegeben. Jedenfalls ist uns keine weitere Flucht bekannt geworden. Das beurteilen wir ausgesprochen positiv; denn uns liegt die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger am Herzen.
Weil zwischenzeitlich ein Teil der Mängel schon beseitigt wurde, wird die CDU, wie sie dies immer gebetsmühlenartig tut, wenn sie sich getroffen fühlt, nun gleich wieder sagen: Der Antrag war unnötig, der Antrag war überflüssig, oder der Antrag ist erledigt. - Wir sehen das anders. Sicherheit ist eine permanente Aufgabe. Die Ergebnisse des Konzepts müssen regelmäßig überprüft und beobachtet werden. Das Thema Sicherheit ist kein Thema, das mit dem heutigen Tag beendet und erledigt ist. Deshalb fordere ich Sie auf, unserem Antrag zuzustimmen. - Danke schön.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Gesetzentwurf zum Justizvollzug in Niedersachsen ist ja schon seit Wochen in aller Munde. Das ist auch gut so. Inzwischen hatten die Verbände die Möglichkeit, ihre Stellungnahmen abzugeben. Auch das ist geschehen. Der endgültige Entwurf liegt uns seit heute vor.
Ich stelle als Erstes fest: Die Stellungnahmen der Verbände finden jetzt im endgültigen Entwurf fast keinen Niederschlag. Man kann auch bedauern, dass es zwischen Niedersachsen und den anderen Bundesländern in diesem Bereich überhaupt keine Zusammenarbeit mehr gegeben hat. Andere haben das gemacht. Andere Bundesländer kommen dem Auftrag des Bundesverfassungsgerichtes nach, ein eigenständiges Jugendvollzugsgesetz zu machen. Wir tun das auf eine andere Art und Weise. Ich halte im Übrigen diese Art und Weise, alles in ein Gesetz zu packen, ebenso für verfassungswidrig, wie Herr Briese es hier eben gesagt hat.
Wenn man gelesen und gehört hat, wie in letzter Zeit darüber berichtet worden ist und wie auch Sie sich, Frau Ministerin, immer wieder geäußert haben, stolz zu sein, alles in einem Gesetz zu haben und als erstes Bundesland quasi die Schlusslinie erreicht zu haben, dann wende ich ein: Na ja, Sie haben sicherlich ein ganz schönes Tempo vorgelegt, aber für unsere Begriffe hinkt die Qualität dem Tempo doch recht heftig hinterher.
Wenn man drei-, vier- und fünfmal liest, wie stolz Sie darauf sind, dass Sie als Erste fertig waren, dann bekommt man irgendwann das Gefühl, dass Sie versuchen, das alte Märchen vom Wettlauf zwischen Hase und Igel neu zu gestalten. Sie hoffen diesmal, der schnelle Hase zu sein, der diesmal gewinnt. Ob aber am Ende der langsame Igel, der aber sehr clever war, vielleicht wieder der Gewinner ist, weil nämlich gar nicht sicher ist, ob Ihr Gesetz verfassungsgemäß sein wird, das warten wir noch einmal ab. Es kann durchaus sein, dass Sie dabei den Kürzeren ziehen.
Kritik - das werden Sie schon gemerkt haben üben wir ganz besonders daran, dass Sie das Jugendvollzugsgesetz in dieses Gesetz mit einbinden wollen. Positiv an dem, was Sie über den Jugendvollzug sagen, ist, dass sich der Erziehungsgedanke stärker durchsetzt. Positiv ist auch, dass es mehr Besuchsmöglichkeiten geben soll usw. Aber insgesamt sage ich einmal: Wenn sich von rund 200 Paragrafen, die der gesamte Gesetzentwurf hat, ganze 17 auf den Jugendvollzug beziehen und bei den 17 Paragrafen außerdem einer dabei ist - nämlich der § 128 -, der allein 70 Verweisungen auf den Erwachsenenvollzug - 70 Verweisungen in einem Paragrafen! - enthält, dann kann ich nur sagen: Das bisschen Drumherum an eigenen Paragrafen zum Jugendvollzug ist eine Garnierung, um zu verdecken, dass Sie den Jugendvollzug nach wie vor überwiegend wie den Erwachsenenvollzug betreiben wollen.
Ich würde dazu gerne etwas von der Deutschen Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen zitieren. In einer Stellungnahme genau zu diesem Gesetzentwurf heißt es:
„Hervorzuheben ist zunächst, dass die Landesgruppe die Einbeziehung der Regelung zum Jugendvollzug in ein einheitliches Vollzugskonzept für nicht sachgerecht hält. Die auch vom Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 31. Mai 2006 betonte Besonderheit dieser Vollzugsart wird durch die mit einem einheitlichen Entwurf verbundenen umfangreichen Verweise auf allgemeine Regelungen im Jugendbereich... nicht gewährleistet.“
Ich meine schon, dass Sie das sehr ernst nehmen sollten.
Wir können hier heute sicherlich nicht auf alle Einzelheiten eingehen, aber ich will einige Punkte herausgreifen.
Dass die Resozialisierung nicht mehr das alleinige Ziel des Strafvollzuges sein soll, stört uns schon sehr; denn die Sicherheit, die Sie als gleichwertig daneben setzen, ist eine Selbstverständlichkeit.
Man muss sie nicht noch einmal in einem Gesetz festschreiben. Wenn Sie es trotzdem tun, dann wird damit meiner Meinung nach der Wert der Resozialisierung ein Stück weit herabgewürdigt. Das halten wir grundsätzlich für falsch.
Wir werden auch all das kritisch hinterfragen - das machen wir nicht nur in den Beratungen in den Fachausschüssen, das eigentlich schon seit mehr als zwei Jahren -, was Sie aus Ihrem einheitlichen Vollzugskonzept jetzt in Gesetzesform zu übernehmen versuchen. Das bezieht sich zum einen auf die Frage des Chancenvollzugs. Sie haben vorhin gesagt, dass Sie Schuldnerberatung anbieten wollen. Ich finde es in Ordnung, dass das gemacht wird; darüber brauchen wir gar nicht zu reden. Wenn Sie dann sagen, das sei für den Basisvollzug und im Chancenvollzug werde dann bei der Schuldenregulierung geholfen, dann hört sich das richtig klasse an, Frau Ministerin. Man muss aber wissen - Sie wissen das -, wie viel ein Gefangener überhaupt nur verdienen kann, nämlich ungefähr 200 Euro im Monat, wenn er in der Anstalt voll arbeitet, und wie viel er von diesen 200 Euro behalten kann. Von diesen 200 Euro soll er vier Siebtel als Überbrückungsgeld ansparen; das ist völlig in Ordnung. Aber aus den restlichen drei Siebteln soll er sich nach Ihren Vorstellungen an allen möglichen Kosten beteiligen und dann zusätzlich auch noch seine Schulden begleichen. Dann ist das keine Chance, sondern es ist schlicht und einfach albern, so etwas zu behaupten.
Mit diesem bisschen Geld lässt sich keine Schuldenbegleichung machen. Auch darüber werden wir uns noch unterhalten.
Dasselbe gilt für den Umgang mit Lockerungen. Lockerungen sind kein Gnadenerweis, sondern ein dringend notwendiges Mittel, um Entlassungen vorzubereiten und um zu erproben, ob sich ein Gefangener in der Freiheit wieder straffrei bewegen kann. Auch da werden wir nicht nur darauf achten, wie der Gesetzestext aussieht, sondern auch darauf, wie hinterher faktisch gehandelt wird.
Das Recht auf eine Einzelzelle möchten wir auf jeden Fall beibehalten. All das, was Sie bisher zur
Begründung angeführt haben - dass man es nämlich bei Suizidgefährdung usw. anders regeln können muss -, hat schon im alten Gesetz gestanden. Jetzt haben Sie nichts anderes als den Versuch vor, einer eventuell irgendwann mal wieder drohenden Überbelegung - die ich zurzeit in Niedersachsen für absolut unwahrscheinlich halte - begegnen zu können, indem Sie Einzelzellen, die im Neubau knapp 9 m2 betragen - mit Tisch, Bett, Schrank und Stuhl ist die Zelle voll -, doppelt belegen. Es dürfte schwierig sein, einen zweiten Gefangenen in eine solche Zelle zu packen; dies wäre auch nicht in Ordnung.
Ich muss noch ein paar Dinge ansprechen, z. B. die Frage, wie man soziale Bindungen der Inhaftierten an die Familien erhält. Das ist ganz wichtig, um Rückfälle zu verhindern. Ich nenne hier nur das Stichwort Pakete; über den Rest können wir im Ausschuss reden.
Natürlich gefällt meiner Fraktion der § 171 überhaupt nicht. Das ist der Paragraf, der eine Teilprivatisierung der Gefängnisse ermöglicht. Wir haben schon lange und immer wieder darüber geredet und werden dies auch jetzt wieder tun.
Es gibt dennoch - das gebe ich gern zu und erwähne es hier - einige positive Ansätze, z. B. die §§ 67 bis 69. In ihnen geht es um die durchgehende Betreuung, also um das, was wir auch Nachsorge nennen und alle miteinander, glaube ich, für notwendig halten und was verstärkt werden soll. Wir werden Sie aber daran messen, Frau Ministerin, ob das nur Gesetzeslyrik ist oder ob da auch etwas passiert; denn durchgehende Betreuung und eine verstärkte Nachsorge kosten Personal und Geld.
Zum Thema U-Haft will ich nur ganz wenige Sätze sagen. Dieser Bereich ist bisher nie gesetzlich geregelt gewesen. Wir finden es in Ordnung, dass es jetzt geschieht. Wir werden genau hingucken, wie der Richtervorbehalt und die Verantwortung der Anstalt geregelt werden. Natürlich sind wir uns darüber im Klaren, dass U-Häftlinge noch nicht schuldig sind und als unschuldig zu gelten haben. Von daher sind die Verhältnisse andere.
Ich will nur noch zwei Sätze zu dem Thema Sicherungsverwahrung sagen.
Natürlich wissen wir, dass es Menschen gibt, bei denen keine Resozialisierung hilft. Ich glaube, die Finger meiner beiden Hände reichen aus, um durchzuzählen, wie viele solcher Menschen wir in Niedersachsen haben. In diesem Gesetzentwurf sind eine Reihe von Erschwernissen vorgesehen, über die wir im Rechts- und Verfassungsausschuss und im Unterausschuss Strafvollzug werden intensiv beraten müssen. Es werden Anhörungen nötig sein, worauf wir uns im Ausschuss bereits grundsätzlich verständigt haben. Wir werden uns während der Beratungen streiten; da bin ich mir ganz sicher. Dies halte ich auch für in Ordnung. Dieses Gesetz ist so wichtig, dass es verdient, dass wir uns im Zweifelsfalle streiten, wenn wir unterschiedlicher Meinung sind, und dass wir es in aller Ruhe miteinander beraten. - Danke schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Haushalt für den Justizvollzug weist auf den ersten Blick keine großen Veränderungen zum Vorjahr auf. Bei genauerem Hinsehen stellt man aber fest, dass trotz 97-prozentiger Auslastung aller Haftplätze zwölf Planstellen für Beamte in 2007 gestrichen werden und dass es außerdem 45 Stellen mit kwVermerk gibt. Offensichtlich haben Sie, die Kollegen von der CDU und von der FDP, immer noch nicht begriffen, dass Sicherheit im Justizvollzug durch gut ausgebildete und ausreichend vorhandene Mitarbeiter und nicht durch zusätzlichen Stacheldraht und Ähnliches hergestellt wird.
Meine Damen und Herren, des Weiteren fällt auf, dass Sie die Berufsvorbereitungs- und Umschulungsmaßnahmen nicht ausbauen. Sie frieren die Gelder auf einem niedrigen Sockel von 1,5 Millionen Euro ein. Zugleich wollen Sie, Frau Ministerin, die Beschäftigungsquote für die Inhaftierten auf 70 % anheben. Das ist ja grundsätzlich positiv. Aber Beschäftigung im Sinne von Schraubenzählen und Schraubenverpacken reicht nicht aus. Deshalb wollen wir diesen Haushaltsansatz wieder auf 5,7 Millionen Euro steigern; denn wirkliche Sicherheit für die Gesellschaft schafft der Vollzug nur, wenn die Inhaftierten nach ihrer Entlassung eine Perspektive für die Freiheit haben. Dazu ge
hören auch Berufsvorbereitungs- und Umschulungsmaßnahmen.
Meine Damen und Herren, einen weiteren wesentlichen Punkt für den Justizvollzug wird man im Einzelplan 20 bei den Hochbauten finden. Allerdings wird dieser Punkt eine negative Langzeitwirkung für das Land Niedersachsen haben. Die Koalitionsfraktionen haben beschlossen, dort 1 Million Euro für ein teilprivatisiertes Gefängnis in Bremervörde einzustellen, wie wir es schon aus der Presse erfahren haben. Allen in diesem Hause ist bekannt, dass die SPD-Fraktion Teilprivatisierungen im Justizvollzug, die wir für verfassungswidrig halten, nicht mitmachen wird. Mehr will ich zu diesem Punkt heute nicht sagen. Aber dass sich das Land das Kasernengelände von der Stadt Bremervörde für einen Gefängnisbau sozusagen schenken lassen will, verwundert schon. Wir fragen uns auch, was eigentlich die Kommunalaufsicht dazu sagt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in Bremervörde sollen rund 300 Plätze mittlerer Sicherheitsstufe mit der Begründung gebaut werden, die Landesregierung wolle ältere und kleinere Anstalten schließen. Damit ist der Begriff der heimatnahen Unterbringung zur Erhaltung familiärer und sozialer Kontakte für Niedersachsen weitgehend obsolet geworden, obwohl das Bundesverfassungsgericht genau diese Kontakte als eine wichtige Voraussetzung der Wiedereingliederung ansieht. Dass Ihre Einstellung zum Vollzug nicht in allen Punkten mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und der Auffassung der Fachleute übereinstimmt, wissen wir seit mindestens zweieinhalb Jahren, seit dem einheitlichen niedersächsischen Vollzugskonzept und seitdem Sie, Frau Ministerin, Ihren Gesetzentwurf zum Justizvollzug der Presse vorgestellt haben. Ich will mich jetzt inhaltlich nicht weiter dazu äußern, wie es Herr Briese eben schon getan hat. Das sollten wir auf den Tag verschieben, an dem Sie diesen Gesetzentwurf im Parlament einbringen und so dem Landtag offiziell vorstellen werden.
Allerdings gäbe es sehr viel dazu anzumerken. Ich will aber dennoch einen Ihrer vielen Kritiker anführen. Der ehemalige CDU-Justizminister Schwind hat Ihnen schon vor Wochen sehr deutlich gesagt, dass Resozialisierung das alleinige Vollzugsziel war, ist und bleiben muss. Nur durch Resozialisie
rung wird die notwendige Sicherheit geschaffen. Er hat Sie auch dringlich aufgefordert, entschieden verantwortlicher mit Vollzugslockerungen umzugehen, als Sie es in den letzten zwei Jahren getan haben.
Meine Damen und Herren, wieso haben nun all diese Dinge, auch wenn nicht viele Änderungen im Haushaltsplan für den Vollzug zu erkennen sind, trotzdem eine Menge Auswirkungen? - Ich will es Ihnen sagen: Wenn die neue Anstalt in Rosdorf im Sommer 2007 endlich fertig gestellt sein und in Betrieb gehen wird, wird es im niedersächsischen Justizvollzug keine Überbelegung mehr geben. Wir brauchen keine teuren neuen 300 Plätze, es sei denn, man macht Vollzugspolitik so wie Sie, meine Damen und Herren von CDU und FDP, und die Landesregierung es tun: restriktiv, fast ohne Lockerungen, sodass Zweidrittel-Entlassungen kaum noch stattfinden. Sitzen bis zum Endstrafenzeitpunkt hat den Preis teurer Plätze. Weniger Behandlung im Vollzug, weil weniger Personal, weniger Berufsvorbereitungen, weniger Umschulungen schaffen mehr Rückfälle, und das hat den Preis teurer Haftplätze. Das ist die Folge Ihres sogenannten Chancenvollzuges. Auch weniger Einweisungen in den offenen Vollzug beobachten wir seit Ihrem Regierungsantritt. Offener Vollzug vermeidet viele Haftschäden, die der geschlossene Vollzug mit sich bringt. Offener Vollzug schafft einen besseren und sichereren Übergang in die Freiheit. Das kommt allen zugute. Der offene Vollzug ist im Schnitt nur halb so teuer.
Ich komme zum Schluss, meine Damen und Herren. Frau Ministerin, Sie könnten all das eigentlich wissen, und Sie könnten es umsetzen. Aber Sie sind beratungsresistent.
Alles, was Ihre Vollzugspolitik bietet, ist: Wegsperren, weniger Sicherheit nach der Entlassung, unnötig hohe Kosten für das Land. Ihre Vollzugspolitik ist untauglich, ineffizient und teuer. Das sagen nicht nur wir. So sieht das auch die Fachwelt. Ziehen Sie endlich die Konsequenzen daraus!
Herr Dr. Biester, wir werden diesem Haushalt nicht zustimmen, auch nicht im Justizbereich.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich mit zwei kurzen Vorbemerkungen beginnen.
Erste Vorbemerkung: Sie wissen alle, dass draußen in der Lobby eine Ausstellung über den Vollzug stattfindet. Es ist das erste Mal, dass sich der niedersächsische Justizvollzug in diesem Hause präsentieren kann. Es geht dabei um das besondere Thema „Lernen und Arbeiten im Vollzug“. Sie können dort sehen und sich darüber informieren, wie leistungsfähig der niedersächsische Vollzug
ist. Ich meine, dass wir über alle Fraktionsgrenzen hinweg auf diese Leistungsfähigkeit unseres Vollzuges stolz sein sollten.
Weiterhin kann ich vermutlich auch über alle Fraktionsgrenzen hinweg die Gelegenheit nutzen, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Vollzuges von dieser Stelle aus noch einmal Danke für ihre Arbeit zu sagen.
Zweite Vorbemerkung: Vor ungefähr drei Monaten haben wir uns hier schon einmal mit dem Thema „Gleichbehandlung von Frauen im Vollzug“ befasst. Damals ging es um nicht bezahlte Geldstrafen. Die Ministerin hatte damals vehement bestritten, dass es eine Ungleichbehandlung von Frauen gibt. Natürlich wurde unser Antrag abgelehnt. Tatsache ist allerdings auch - das habe ich inzwischen aus dem Frauenvollzug in Vechta gehört -, dass kurze Zeit nach der Debatte hier im Hause die Angelegenheit so geregelt wurde, wie wir es gerne haben wollten: Ersatzfreiheitsstrafen verbüßen Frauen nicht mehr im geschlossenen Vollzug in Langenhagen, sie sind wieder in Vechta und können nach Überprüfung und bei Eignung dort direkt in den offenen Vollzug überstellt werden. Das ist gut so.
Heute geht es um - lassen Sie es mich so sagen „ganz normale“ Freiheitsstrafen. Ich will versuchen, Ihnen das, was wir wollen, an einem Beispiel zu verdeutlichen. Stellen Sie sich einen Moment lang vor: Es gibt eine Frau - nennen wir sie Frau A. und einen Mann, den wir Herrn B. nennen. Frau A. und Herr B. begehen beide völlig unabhängig voneinander eine sehr gleiche Straftat. Beide werden erwischt. Das, finde ich, ist gut so. Beide kommen vor Gericht. Das finden wir genauso gut. Beide werden verurteilt. Weil die Taten gleich waren, die Tatumstände gleich waren und weil vor dem Gesetz und vor dem Gericht kein Unterschied zwischen Männern und Frauen gemacht wird, werden auch beide gleich verurteilt. Frau A. bekommt zwei Jahre Freiheitsstrafe ohne Bewährung, und Herr B. bekommt zwei Jahre Freiheitsstrafe ohne Bewährung.
Meine Damen und Herren, bis hierhin ist alles in bester Ordnung. Aber danach beginnt die Ungerechtigkeit. Die haben Sie, Frau Ministerin, ganz persönlich zu verantworten. Jetzt müssen nämlich Frau A. und Herr B. zum Strafantritt geladen werden. Das macht in der Regel ein Rechtspfleger. Der muss bekanntlich das ausführen, was das Ministerium verfügt. Der Rechtspfleger nimmt also die Akte von Herrn B., die nun mal gerade obendrauf liegt, und stellt fest: Aha, zwei Jahre ohne Bewährung. - Er überprüft, ob es eine Vorstrafe gab: Ja, da war eine. Herr B. hat schon mal irgendwann vier Monate lang gesessen. - Der Rechtspfleger schaut in den Einweisungs- und Vollstreckungsplan des Justizministeriums und stellt fest, dass Herr B. nach diesem Plan in den offenen Vollzug zu laden ist. Wir sagen auch hier: Das ist gut so.
Dann folgt der nächste Akt. Der Rechtspfleger nimmt die Akte von Frau A. Er überprüft sie und stellt fest: Zwei Jahre ohne Bewährung wie bei Herrn B. Es gab eine Vorverbüßung, nämlich vier Monate. - Da denkt der Rechtspfleger: Gleiche Sachlage, also auch offener Vollzug. - Weil er aber ein sehr gewissenhafter Mensch ist, schaut er erst noch einmal in den besagten Einweisungs- und Vollstreckungsplan des Landes und stellt fest, dass er Frau A. im Gegensatz zu Herrn B. in den geschlossenen Vollzug laden muss.
Frau A. muss also in den geschlossenen Vollzug. So steht es in diesem Plan. Fazit: Die einjährige Haftstrafe für eine Frau wiegt offensichtlich für den Vollzug genauso schwer wie zwei Jahre Vollzug für einen Mann.
Das finden wir nun überhaupt nicht mehr gut, und das sagen wir auch ganz deutlich.
Das ist für meine Fraktion Ungleichbehandlung. Das ist eine Schlechterstellung von Frauen. Das ist ungerecht und nicht verfassungskonform. Wir wollen, dass das geändert wird. Das muss geändert werden. Wir erwarten und die Öffentlichkeit erwartet, dass eine Justizministerin verfassungskonfom handelt.
Darüber wollen wir gerne mit Ihnen in den Fachausschüssen diskutieren. - Danke schön.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Frau Ministerin, Ihre Versuche zu begründen, warum Sie die Ungleichbehandlung in diesem Einweisungs- und Vollstreckungsplan so festgeschrieben haben - wegen der ach so schrecklichen Labilität all der straffälligen Frauen -, kann ich nicht akzeptieren. Das kann auch meine Fraktion nicht akzeptieren, und das werden wir auch nicht akzeptieren.
Wir können dieses Thema heute Abend sicherlich nicht ausdiskutieren. Die richtigen Orte dafür sind der Unterausschuss „Justizvollzug und Straffälligenhilfe“ und der Rechtsausschuss. Ich bitte bei dieser Gelegenheit darum, auch den Sozialausschuss an der Mitberatung zu beteiligen; denn dies ist der Ausschuss, der sich speziell mit den Belangen von Frauen befasst.
Ich möchte die Diskussion heute Abend nicht verlängern; denn es ist schon relativ spät. Aber dennoch möchte ich eine Bitte an Frau Konrath äußern. Frau Konrath, es gibt einen Unterschied zwischen einem Einweisungs- und Vollstreckungsplan und dem Vollzugskonzept dieses Landes. Ich möchte Sie bitten, diese beiden Dinge in solch einer Diskussion nicht durcheinander zu werfen.
Ich weiß nicht, ob Sie den Plan, in dem das, worüber ich hier rede, steht, überhaupt schon einmal gelesen haben. - Aber auch darüber können wir uns im Ausschuss noch sehr detailliert unterhalten. Dort werden wir die Zeit dafür haben. Dort kann ich Ihnen auch noch einmal vorlesen, was da drinsteht.
Wir sehen das anders als Sie. Wir halten das für eine Ungerechtigkeit und sind nicht bereit, zu akzeptieren, was Sie vorschlagen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion in diesem Hause begrüßt, dass sich die Bundesregierung in Berlin und die große Koalition des Themas Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern angenommen haben und die Föderalismusdiskussion voranbringen.
- Nun halten Sie sich da einmal heraus!
- Trotzdem heißt es „voranbringen“, oder vielleicht nicht?
Ist es kein Voranbringen, wenn sie es beschlossen haben?
Dennoch stellen wir fest, dass es zur Wahrung der Rechtseinheit geboten ist, nicht nur das Jugendstrafrecht und das Untersuchungshaftrecht, sondern auch den Erwachsenenstrafvollzug beim Bund zu belassen.
Herr McAllister, bevor Sie jetzt wieder einen Anfall bekommen: Dies ist keine Nörgelei, sondern eine sinnvolle und notwendige Änderung.
Ich will daran erinnern, dass das bundeseinheitliche Strafvollzugsgesetz 1976 nach jahrzehntelanger Diskussion mit den Stimmen aller Parteien verabschiedet wurde. Es hat sich seitdem als sehr erfolgreich bewährt. Diesem Gesetz ist es zu verdanken, dass der deutsche Strafvollzug insgesamt international ein hohes Ansehen genießt und als rechtsstaatliches Vorbild gilt. Eine Verlagerung der Gesetzgebungskompetenz auf 16 Bundesländer wäre eine nicht zeitgerechte Kleinstaaterei.
Das Bundesgesetz für den Strafvollzug gab und gibt den Ländern einen Rahmen, den sie durch die ihnen obliegende Umsetzung ausfüllen. Wenn dieser gemeinsame Rahmen zur Disposition gestellt würde, bestünde die Gefahr, dass die Länder zukünftig den hoch sensiblen Strafvollzug nach Kassenlage, nach populärer Stimmung oder nach wahltaktischen Überlegungen bestimmen würden. Dass dies keine reine Spekulation ist, beweisen die Versuche der letzten Jahre, das Bundesgesetz über den Bundesrat zu ändern. Ich erinnere nur an den Versuch, z. B. das Recht auf Einzelunterbringung abzuschaffen, oder den Versuch, den Resozialisierungsauftrag des Gesetzes zugunsten des Sicherheitsbegriffes zurückzudrängen. Da kommt schon der Verdacht auf, Sie auf der rechten Seite des Hauses wollen einen billigeren Verwahrvollzug und wir auf der linken Seite des Hauses wollen einen Qualitätsvollzug. Qualität hat allerdings ihren Preis.
Ich befürchte, dass den Befürwortern dieser Änderungsversuche bis heute nicht ganz klar ist, dass sich die rein technische Sicherheit eines Gefängnisses eigentlich von selbst versteht, dass die Resozialisierung aber die Sicherheit für die Zeit nach der Entlassung aus der Haft schafft - die Sicherheit, die wir als Bürger alle miteinander brauchen.
Meine Damen und Herren, zu den Befürwortern der Verlagerung der Gesetzgebungskompetenz auf die Länder gehören in erster Linie die niedersächsische CDU in diesem Hause und die niedersächsische Justizministerin.
Wir haben noch sehr deutlich im Ohr, wie der Abgeordnete Nacke - nach meiner Erinnerung war das im Dezember letzten Jahres - hier stolz verkündet hat, man wolle ein eigenes niedersächsisches Vollzugsgesetz schreiben.
Die Justizministerin gehört zu denen, die dieses Vorhaben sehr aktiv und in vorderster Front unterstützen.
Wie man hört, Frau Ministerin, lassen Sie in Ihrem Hause schon an einem solchen neuen Landesgesetz arbeiten,
sozusagen in freudiger Erwartung auf weiteren Machtzuwachs.
Natürlich, Frau Heister-Neumann, weiß ich, wissen wir, dass Sie nicht ganz allein stehen mit diesem Wunsch. Sie befinden sich allerdings nach unserer Meinung in einer Gesellschaft, die in Fach- und Justizkreisen, Herr Dr. Noack, einen zweifelhaften Ruf genießt.
Ich nenne als Beispiel den hessischen Justizminister, und ich nenne ganz besonders den Justizsenator von Hamburg. Dieser hat sich durch seine Aussagen zur Abschaffung des Jugendstrafrechts und mit seinen Vorstellungen zum Strafvollzug selbst diskriminiert und ins Abseits gestellt.
Die Vorwürfe, die in den letzten Tagen gegen ihn und seine Handhabung des Vollzuges in Hamburg erhoben werden, lassen nicht nur Zweifel an seiner fachlichen Eignung entstehen, sondern auch Menschenrechte, Menschenwürde, auch die Würde eines inhaftierten Menschen scheinen nicht zu seinem Weltbild zu gehören.
Eine niedersächsische Justizministerin, die sich mit solchen Mitstreitern umgibt, schadet dem Ruf unseres Landes.
Denn eines ist doch ganz klar: Wer sich in schlechte Gesellschaft begibt, darf sich nicht wundern, wenn auch der eigene Ruf Schaden nimmt. Besonders schlimm, meine Damen und Herren, ist aber, dass das Bild, das eine Justizministerin in der Öffentlichkeit abgibt, auch auf den Vollzug und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter übertragen wird. Und das hat der niedersächsische Justizvollzug nicht verdient.
Im Gegensatz zu Ihnen befinden wir Sozialdemokraten uns mit unserem Antrag auf den Erhalt der Bundeskompetenz in sehr guter Gesellschaft. Die gesamte Fachwelt ist mit uns gegen die Übertragung der Gesetzgebungskompetenz für den Strafvollzug auf die Länder. Lassen Sie mich hier nur einige wenige nennen: Der Deutsche Richterbund z. B. hat einen Appell verabschiedet, in dem er sich mit diesem Thema befasst und in dem er eindringlich dafür spricht, die Bundeskompetenz zu erhalten. Diesen Appell haben u. a. 100 Professoren und Professorinnen aus Strafrecht und Kriminologie unterschrieben.
Gegen eine Verlagerung der Gesetzeskompetenz sprechen sich ebenso aus die Bundesrechtsanwaltkammer, der Deutsche Anwaltsverein, die Deutsche Bewährungshilfe, der Bund der Justizvollzugsbediensteten und die Bundesarbeitsgemeinschaft für Straffälligenhilfe. Auch die Bundesvereinigung der Anstaltsleiter im Strafvollzug äußert sich dagegen. Im Übrigen, Frau Ministerin: Auch die niedersächsischen Anstaltsleiter haben sich mit überwältigender Mehrheit dafür ausgesprochen, dass dieses Gesetz in Bundeskompetenz bleibt. Das sollte Ihnen dann doch irgendwann einmal zu denken geben.
Wenn das noch nicht reicht, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der CDU-Fraktion, dann kann ich Ihnen sagen: Es gibt auch aus dem politischen Raum Menschen, die unserer Meinung sind. Ich nenne als Beispiel nur den Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein, der Ihrer Partei angehört, der sehr deutlich sagt, das müsse eine Bundeskompetenz bleiben. Ähnlich äußert sich Herr Böhmer in Sachsen-Anhalt. So äußert sich Herr Diepgen.
- Herr Diepgen aus Berlin. Kennen Sie den schon nicht mehr? - Sie haben aber ein kurzes Gedächtnis.
- Nicht nur. - Ebenso verhält sich der Bremer Senat mit seiner großen Koalition, an der Sie bekanntermaßen auch beteiligt sind.
Und an die Kolleginnen und Kollegen aus der FDP: Ich nenne nur einen Namen: Auch Frau Leutheuser-Schnarrenberger, die Ihnen wohl bekannt ist, hat sich sehr deutlich dafür ausgesprochen, dass es bei der Bundeskompetenz bleibt.
Nur die niedersächsische CDU, vermutlich auch die niedersächsische FDP und unsere Justizministern sind offensichtlich beratungsresistent. Trotzdem versuchen wir es noch einmal, Ihnen deutlich zu machen, dass es notwendig ist, dieses Gesetz in Bundeskompetenz zu lassen. Es eignet sich nicht für irgendwelche Experimente in 16 verschiedenen Bundesländern; denn die Zeiten von Kleinstaaterei sind in Zeiten der europäischen Einigung nun wirklich vorbei.
Der Strafvollzug - lassen Sie mich das als letzten Satz sagen - ist aus bekannten, aber leider negativen Gründen weltweit zu einem sehr kritischen Thema geworden. Unsere deutsche Vorbildfunktion für Rechtsstaatlichkeit in Sachen Strafvollzug sollten wir nicht leichtfertig aufgeben. Deshalb fordern wir Sie eindringlich auf, unserem Antrag zuzustimmen. - Danke schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich meine nicht, dass ich die gesamten vier Minuten brauche. Ich will auf Folgendes hinweisen: Sowohl der Abgeordnete Nacke als auch die Frau Ministerin haben dargestellt, wir würden uns wohl überfordert fühlen, ein neues niedersächsisches Gesetz zu schreiben.
Nein, wir fühlen uns überhaupt nicht überfordert. Aber ich kann Ihnen sagen: Wir trauen der Mehrheit dieses Hauses nicht, was das angeht.
Sie wollen nichts anderes als eine Strafverschärfung und einen völligen Rückschritt im Strafvollzug.
- Das wissen wir aus vielen Diskussionen mit Ihnen. - Selbstverständlich werden wir an den Beratungen, wenn es denn so kommen sollte, teilnehmen. Dann wollen wir einmal sehen, wer hier für modernen Strafvollzug ist und wer nicht. Die Behauptung, dass jemand, der davon spricht, dass das in Berlin in die parlamentarische Beratung geht, für einen Zentralstaat ist, ist völlig dummes Zeug. Wir leben in einem Bundesstaat. Wir haben auch mit dem Strafvollzugsgesetz des Bundes in einem Bundesstaat gelebt. Das hat dem Föderalismus keinen Abbruch getan.
Herr Kollege Zielke, Sie können hier meinetwegen sagen, unsere Argumente seien dünn. Aber sagen Sie das eigentlich auch Ihren über 100 Professorenkollegen aus dem Bereich Kriminologie und Rechtspolitik? Sagen Sie das auch vor denen? Die verwenden nämlich dieselben Argumente wie wir.
In Anbetracht der fortgeschrittenen Zeit sollten wir den Rest dieser Debatte, die noch interessant werden wird, in den Unterausschuss „Justizvollzug und Straffälligenhilfe“ und den Rechtsausschuss verlegen. Da werden wir uns darüber unterhalten. Danke schön.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich könnte es mir jetzt einfach machen und die Rede vom letzten Mal erneut vorlesen. Es ist nämlich so, wie in unserem Antrag beschrieben: Diese Landesregierung behandelt Frauen mit Ersatzfreiheitsstrafen anders, nämlich schlechter als Männer in der gleichen Situation. Das konnte auch im Fachausschuss nicht widerlegt werden. Nach wie vor will die Justizministerin überhaupt nicht begreifen, dass sie nicht verfassungskonform handelt. Sie, Frau Heister-Neumann, merken ja noch nicht einmal, dass es auch psychologisch ein großer Unterschied ist, ob man - oder besser gesagt: ob Frau - in eine offene oder in eine geschlossene Anstalt geladen wird.
Im Unterausschuss haben Sie die gleichen schwachen Argumente vorgebracht wie hier im Plenum. Damit können Sie nun wirklich niemanden überzeugen. Sie argumentieren, im offenen Männervollzug gebe es besonders abgesicherte Abteilungen, in denen die Überprüfung der Inhaftierten stattfinde. In der offenen Vollzugsanstalt für Frauen in Vechta-Falkenrott gibt es auch ein Haus, das sicherer ist als die anderen. Dort können die Überprüfungen vorgenommen werden. Sie scheinen allerdings der Ansicht zu sein, dass die Sicherheit dieses Hauses Ihren Ansprüchen nicht genügt. Nun frage ich Sie: Was sind das eigentlich für überzogene Sicherheitsansprüche gegenüber Frauen, die nur zu einer Geldstrafe verurteilt worden sind? Offensichtlich halten Sie Frauen fälschlicherweise für besonders gefährlich und gewalttätig. Dass Sie Frauen wegen ihrer vielen Drogendelikte für extrem labil halten - -
Dass Sie Frauen wegen der Drogendelikte für extrem labil halten, ist Ihr Hauptargument dafür gewesen, dass Sie Frauen überwiegend in den geschlossenen Vollzug schicken. Das ist kein Argument; das ist eine Ausrede. Männer und ihre sehr häufigen Alkoholprobleme sind auch nicht gerade ein Zeichen für Stabilität. Trotzdem werden sie im niedersächsischen Vollzug anders behandelt als Frauen. Von der Verfassung her ist das nicht zulässig.
Meine Damen und Herren, natürlich sind Männer und Frauen vor jedem Gericht gleich. Ich habe in den letzten Wochen mit einer ganzen Reihe von Richtern über diese Ungleichbehandlung von Frauen im Vollzug gesprochen. Alle Richter haben mir gesagt: Wenn wir jemanden nur zu einer Geldstrafe verurteilen, dann tun wir das sehr bewusst. Wir wissen auch, dass es in dem einen oder anderen Fall doch zur Verbüßung einer Ersatzfreiheitsstrafe kommt. - An den geschlossenen Vollzug denken die Richter dabei aber nicht. Ich kann Ihnen nur sagen: Die Richter haben Ihren Einweisungs- und Vollstreckungsplan mit Verblüffung und zum Teil mit Erschrecken zur Kenntnis genommen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wie Recht wir mit unserem Vorwurf der Ungleichbehandlung haben, sieht man auch an Zahlen, die aus dem Hause der Justizministerin stammen. Frauen, die wegen der Nichtbezahlung ihrer Geldstrafe eine Ersatzfreiheitsstrafe absitzen müssen, gehen in Niedersachsen nur zu 12 % in den offenen Vollzug. Männer in der gleichen Situation verbüßen diese Strafen allerdings zu sage und schreibe 60 % im offenen Vollzug. Das heißt, fünfmal mehr Männer verbüßen ihre Ersatzfreiheitsstrafe im offenen Vollzug. Das ist ein gravierender Unterschied zu den verschwindend geringen 12 % der Frauen. Das kann man mit Labilität nicht erklären. Das ist ganz deutlich eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung.
Frau Heister-Neumann, ich verspreche Ihnen, dass die erste Frau mit einer Ersatzfreiheitsstrafe, die dagegen klagt, die volle Unterstützung meiner Fraktion finden wird.
- Ob Sie das schlimm finden oder nicht, Frau Lorberg, interessiert mich im Moment relativ wenig.
Wir haben von unserem Antrag keinerlei Abstriche zu machen. Deswegen fordere ich Sie nach wie vor auf, unserem Antrag zuzustimmen und die Ungleichbehandlung von Frauen im Vollzug abzuschaffen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Landesregierung hat zum 1. Juli dieses Jahres den Einweisungs- und Vollstreckungsplan für den niedersächsischen Justizvollzug geändert. Im Zuge der Änderungen wurde festgelegt, dass Frauen, die nur eine Ersatzfreiheitsstrafe - eine Freiheitsstrafe für eine nicht bezahlte Geldstrafe - zu verbüßen haben, diese im geschlossenen Vollzug in der JVA Hannover - Abteilung Langenhagen verbüßen müssen.
„Ja, gut“, wird manch einer von Ihnen sagen. Ich sage Ihnen: Das ist nicht gut. Das ist Diskriminierung von Frauen.
Das widerspricht dem Gleichstellungsgebot des Grundgesetzes und der Niedersächsischen Verfassung. Sie wollen wissen, warum? - Ich sage es Ihnen. Aus dem Vollstreckungsplan hat sich als gängige Verwaltungspraxis für Männer ergeben, dass diese, soweit sie lediglich eine Ersatzfreiheitsstrafe zu verbüßen haben, grundsätzlich für den offenen Vollzug geeignet sind. Es ist kein einziger Grund zu erkennen, warum diese Eignungsvermutung für weibliche Inhaftierte nicht gelten soll.
Somit liegt bei einer grundsätzlichen Unterbringung von Frauen, die reine Ersatzfreiheitsstrafen zu verbüßen haben, im geschlossenen Vollzug eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung gegenüber männlichen Verurteilten vor.
Bis vor zwei Monaten lag die Zuständigkeit für Frauen bei der offenen Frauenanstalt in Vechta. Aber seit dem 1. Juli dieses Jahres gehen diese Frauen - und eben nur Frauen - in den geschlossenen Vollzug.
Meine Damen und Herren, nach Artikel 3 des Grundgesetzes und Artikel 3 der Niedersächsischen Verfassung sind Männer und Frauen gleichberechtigt.
„Die Verwirklichung der Gleichberechtigung... ist eine ständige Aufgabe des Landes.“
Punktum! Es gibt keinen Halbsatz und keinen Nachsatz, der diese Artikel für den Strafvollzug außer Kraft setzt.
Auch hier wird wieder von der CDU-geführten Landesregierung die Verwirklichung der Gleichberechtigung sträflich vernachlässigt.
- Sie können hinterher etwas sagen. Jetzt bin ich dran!
Im Übrigen ist Gleichberechtigung kein Wahlkampfthema, sondern hat die Landesregierung laut Verfassung die Aufgabe, sie durchzusetzen. Das, was da gemacht wird, ist eindeutig nicht verfassungskonform - wieder einmal nicht.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir behandeln jetzt drei Tagesordnungspunkte zusammen. Lassen Sie mich zu Tagesordnungspunkt 34 zunächst ganz kurz Folgendes sagen: Wir wollen den Grundsatz der Einzelunterbringung, der im Strafvollzugsgesetz festgeschrieben ist, nicht aufweichen. Deshalb werden wir den im Rechtausschuss veränderten und in sein Gegenteil verkehrten Antrag der SPD-Fraktion in der Fassung der Beschlussempfehlung nicht mittragen.
Zu Punkt 35 kann ich Ihnen auch nur sagen, dass wir die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses nicht mittragen werden.
Nun zu Punkt 33. Es geht bei diesem Punkt um - so will ich es einmal kurz nennen - die Teilprivatisierung des Justizvollzuges. Lassen Sie mich mit zwei Vorbemerkungen beginnen. Wir haben mit einer gewissen Verwunderung zur Kenntnis genommen, dass die Justizministerin den Antrag,
betreffend Teilprivatisierung des Strafvollzuges, schon lange vor der heutigen Beschlussfassung durch öffentliche Äußerungen in einer schier unglaublichen Art vorauseilenden Gehorsams zu ihrer Sache gemacht hat. Frau Ministerin, von Respekt vor dem Parlament zeugt das nicht.
Frau Heister-Neumann, wie ist das eigentlich? Hat sich der Herr Staatsmodernisierer dieses Thema eigentlich aus eigener Machtvollkommenheit unter den Nagel gerissen, oder haben Sie dem Druck aus dem Innenministerium nicht standhalten können?
Ich will jetzt etwas zu dem zweiteiligen Antrag der Fraktionen von CDU und FDP zur Privatisierung des Strafvollzuges sagen. Soweit es um Planung, Neubau oder Umbau eines Gebäudes für eine neue Haftanstalt geht, stoßen Sie bei der SPD auf volle Zustimmung - das ist gar keine Frage -, natürlich vorausgesetzt, unsere Sicherheitsstandards werden eingehalten, und es rechnet sich. Insoweit begleiten wir Sie auf Ihrem Weg.
Zum teilprivatisierten Betrieb einer JVA sagen wir Folgendes: Freiheit ist unser aller höchstes Gut und grundgesetzlich geschützt. Wenn Eingriffe erfolgen müssen, so ist das unbestritten ein hoheitlicher Akt, der nur unter der Verantwortung des Staates durchgeführt werden darf.
Freiheitsentzug ist immer auch eine Form von Gewalt. Das Gewaltmonopol hat allein der Staat. Darin bestand bisher Konsens unter allen demokratischen Parteien. Wer das Gewaltmonopol des Staates aber zerfleddern will, wie Sie das vorhaben, der demontiert den Rechtsstaat.
Sie, ausgerechnet Sie von der angeblich so bürgerlichen Regierungskoalition, und die Landesregierung in Gestalt der Justizministerin sind auf dem Wege zu einer solchen Demontage des Rechtsstaates.
Kernbereiche der Justiz müssen als hoheitliche Aufgabe erhalten bleiben. Das sind Ihre Worte, Frau Ministerin. Justizvollzug ist als Ganzes eine solche Kernaufgabe. Sie sollten sich an Ihre eigenen Worte halten. Wir haben im Unterausschuss einen Änderungsantrag vorgelegt - er liegt Ihnen vor -, der sich mit verschiedenen Bereichen be
fasst: mit Sicherheit, Qualität und Arbeitsplätzen sowie mit der verfassungsmäßigen Zulässigkeit eines solchen Antrages. Was den letzten Punkt angeht, so empfehle ich Ihnen ganz besonders die Lektüre des Gutachtens von Professor Gusy aus Bielefeld.
Die Abgeordneten der Regierungsfraktionen haben sich im Unterausschuss mit den ca. 20 Einzelpositionen, die uns das Ministerium einmal vorgelegt hat - ich denke, Sie kennen dieses Papier -, inhaltlich kaum befasst. Zu unserem Änderungsantrag haben sie gesagt, er habe eine Tendenz, die ihnen nicht gefalle. Man halte die Beratung und den Prüfauftrag, von dem im Antrag die Rede ist, nun für abgeschlossen bzw. erledigt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das sehen wir völlig anders. Natürlich hat unser Antrag eine andere Tendenz als der von CDU und FDP. Im Gegensatz zu Ihnen können wir unseren Antrag inhaltlich begründen. Ihre einzige Begründung ist, der Vollzug müsse billiger werden. Von Sicherheit und Qualität ist keine Rede mehr. Billiger - das hat mit Inhalt nichts, aber auch gar nichts zu tun. Sie wollen dieses Ziel mit schlechter qualifiziertem, billigerem Personal erreichen. Das ist aus unserer Sicht nicht kostengünstig, sondern einfach dumm. Ich könnte Ihnen unsere Stellungnahme zu jedem der rund 20 Einzelpunkte aus dem Papier des Ministeriums erläutern, aber dafür fehlt mir die Zeit.
Ich will deshalb nur auf einen Punkt ganz besonders eingehen. Nach Aussagen der Ministerin sollen Sicherheitsbereiche nicht privatisiert werden. Frau Ministerin, Sie haben diese Sicherheitsbereiche bis heute noch nicht definiert. Über den Datenschutz haben wir übrigens auch noch nichts gehört. Dieser hat auch etwas mit Sicherheit zu tun. Ihr Lieblingsbeispiel ist immer die Küchenprivatisierung. Ob der Betrieb in Zukunft kostengünstiger werden kann, kann man getrost bezweifeln. Bei drei Mahlzeiten am Tag mit allen Nebenkosten kommen die Anstalten auf einen Verpflegungssatz von 5,50 Euro pro Person und Tag. So preiswert kann kein Cateringunternehmen sein, es sei denn, die Verpflegung würde deutlich schlechter. Angebote von Großküchen, die verschiedentlich eingeholt worden sind, erwiesen sich als mehr als doppelt so teuer. Wenn Sie nun allerdings nach dem Motto, Suppe Kochen sei keine hoheitliche Aufgabe - in diesem einen Punkt gebe ich Ihnen sogar Recht: Suppe Rühren ist keine hoheitliche Aufgabe -, den Küchenbeamten gegen einen privaten, weil billigeren Mitarbeiter ohne Eingriffsrecht und ohne Weisungsbefugnis eintauschen wollen, dann
frage ich Sie: Wie steht es um die Sicherheit? Muss ich Sie an die schreckliche Bluttat in der JVA Uelzen vor einigen Jahren erinnern? Tatwerkzeug war damals ein Messer. Messer gibt es bekanntlich in jeder Küche. Eine Gabel an der Halsschlagader, ein großer Topf mit kochendem Wasser oder heißes Fett können durchaus gefährliche Waffen sein. Frau Heister-Neumann, Sie singen doch ständig das Hohelied der Sicherheit. Wie weit denken Sie denn eigentlich dabei? Sicherheit heißt doch nicht nur, dass die Mauer nach draußen besonders hoch ist. Sie haben, wie ich denke, auch eine ganz besondere Fürsorgepflicht und Sicherheitsverantwortung für Ihr Personal. Wenn Sie diesen Privatisierungsweg so weiter beschreiten, werden Sie persönlich das größte Sicherheitsrisiko für den niedersächsischen Justizvollzug.
- Das hören Sie doch. - Auch in anderen Bereichen gibt es verfassungsrechtliche und Sicherheitsbedenken. Ebenso bedürfen Haftungsfragen noch einer Klärung. Häftlinge werden z. B. bei ihrer Ankunft und nach jedem Ausgang körperlich durchsucht. Das ist eindeutig eine hoheitliche Aufgabe, die Sie nicht delegieren können.
Ich will einen weiteren Punkt ansprechen. Wenn Sie große Teile der Aufgaben des allgemeinen Vollzugsdienstes privatisieren, zerstören Sie nicht nur einen Ausbildungsberuf und ein Berufsbild. Sie degradieren unsere Bediensteten dann auch wieder zu Wärtern und Schließern. Wir waren froh, dass diese Zeit vorbei war.
Das haben unsere Bediensteten auch nicht verdient. Sie können viel mehr, und wir brauchen ihr Können. Welches private Leiharbeiterpersonal wollen Sie eigentlich zukünftig haben? Vielleicht das Türstehermilieu auf der falschen Seite der Gitter? Damit können Sie dem Resozialisierungsauftrag des Strafvollzugsgesetzes mit Sicherheit nicht gerecht werden.
Wir haben zu diesem Thema im Unterausschuss eine Anhörung durchgeführt. Wir haben uns dabei u. a. mit dem hessischen Betriebsmodell befasst. Einer der Kernpunkte war, dass man durch Tech
nik und Elektronik viel Personal einsparen könnte. Elektronik also als Ersatz für Menschen? Dabei wird vergessen, dass der Mensch - auch der eingesperrte Mensch - ein soziales Wesen ist, das Ansprache braucht. Liebe Kolleginnen und Kollegen aus dem Unterausschuss, erinnern Sie sich an das, was der Anstaltsleiter aus Oldenburg uns sehr ans Herz gelegt hat: Wenn man Gefangene auf einen besseren Weg bringen will, muss man nah an ihnen dran sein. - Videoüberwachung resozialisiert nicht. Im Übrigen sind die Folgekosten der Elektronik immens hoch.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die SPD-Fraktion in diesem Hause steht mit ihrer Ablehnung weiß Gott nicht allein. Der VNSB, die Vertretung der Bediensteten, ist eindeutig gegen die Privatisierung. Auch das wird niemanden wundern. Dass ver.di Ihre Vorstellungen ablehnt, werden Sie vermutlich auch ziemlich unbeeindruckt zur Kenntnis nehmen. Aber auch die beiden großen christlichen Kirchen in Niedersachsen lehnen Ihre Privatisierungstendenzen ab. Ich zitiere aus einem Kirchenpapier:
„Private werden zu Zwecken der Gewinnerzielung tätig. Dieses berechtigte Streben ist mit den Zielen des Strafvollzugs, nämlich der Resozialisierung der Gefangenen, nicht vereinbar. Die Gefängnisseelsorger beider großer Kirchen wenden sich nachdrücklich gegen die Privatisierungstendenzen.“
Wenigstens das sollte Ihnen zu denken geben.
Ich möchte noch etwas zitieren. Es gibt einen Antrag, der mit den Worten beginnt:
„Auf den landesweiten Einsatz von privaten Sicherheitsdiensten in den Justizvollzugsanstalten wird verzichtet.“
In der Pressemitteilung dazu heißt es: Die Privatisierungspläne des Justizministeriums sind aus der Not geboren. Sie werden der schwierigen Situation im Vollzug nicht gerecht. Wir brauchen Profis.
Wenn Sie glauben, dass das von der linken Seite des Hauses kommt, dann irren Sie. Das ist aus einem Originalantrag der CDU in Nordrhein-Westfalen, die im Übrigen im Wahlkampf versprochen
hat, im Falle eines Wahlsieges alle Privatisierungstendenzen zu stoppen. Warten wir einmal ab, was daraus wird. - Wir werden Ihren Antrag ablehnen.
Gestatten Sie mir noch eine Schlussbemerkung. Ein kluger Mensch hat einmal gesagt: Den demokratischen Zustand einer Gesellschaft kann man am Umgang der Gesellschaft mir ihren Gefangenen ablesen. - In diesem Sinne sage ich zu Ihrer Vollzugspolitik, dass sie nach dem Motto eines alten Hollywoodfilms läuft: Denn sie wissen nicht, was sie tun.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wieder einmal ist der Justizministerin ein Gefangener aus dem geschlossenen Vollzug „abhanden“ gekommen. Am 24. Dezember letzten Jahres gelang einem Mörder eine ebenso spektakuläre wie dubi
ose Flucht aus der JVA Hannover. Spektakulär war das, weil er beim Hofgang über einen Blitzableiter und über eine Reihe von Dächern türmte und sich dann aus 12 m Höhe abseilte. Dubios war das aus verschiedensten Gründen. So nahmen am Hofgang nur 16 Gefangene - das war eigentlich eine sehr überschaubare Zahl - und zwei Bedienstete teil, und trotzdem ist nicht aufgefallen, dass einer fehlte. Dubios war das auch deshalb, weil nach einem Fehlalarm beide Bedienstete entgegen den Vorschriften ihren Dienstposten verlassen haben. Dubios war auch, dass der Blitzableiter, der als Kletterstange genutzt wurde, durch einen Bretterzaun zum Teil gar nicht einsehbar war.
Es war auch dubios, weil die Bediensteten nach der Feststellung, dass es sich um einen Fehlalarm handelte,
die Gefangenen beim Hofgang eigentlich keines Blickes würdigten, zumindest haben sie sie nicht nachgezählt. Das lief nach dem Motto „Einer ist weg, und keiner hat es gemerkt“.
Dubios war das auch deswegen, weil sich der Flüchtling nach einem langen Weg über die Dächer mit einem 13 m langen Seil auf die Straße abseilen konnte. Hat er das Seil eigentlich unentdeckt zum Hofgang mitgebracht, und keiner hat es gefunden? Oder lag es vielleicht schon vorher auf dem Dach, und war es von ihm dort deponiert worden? Dächer werden nicht kontrolliert.
Als die Flucht dann entdeckt wurde - übrigens durch den Hinweis eines anderen Gefangenen -, wurde erst einmal intern in der Anstalt gesucht. Das ist in Ordnung. Dann wurde um 10.30 Uhr die Polizei informiert. Aber das Seil, das noch vom Dach hinunterhing und die Stelle markiert, an der der Gefangene die Anstalt verlassen hat, wurde erst irgendwann im Laufe des Nachmittags entdeckt.
Wie reagiert nun die Justizministerin auf diesen Vorfall? - Sie verweist als Erstes - das kennen wir schon; das ist die übliche Litanei - auf angebliche bauliche Schwachstellen und Sanierungsmängel und verordnet - wie immer - als Erstes einige Rollen Stacheldraht. Und sie erkennt die Beamten als die allein Schuldigen und versetzt sie auf einen anderen Dienstposten. Das, Frau Ministerin, ist nicht genug, um die Sicherheit der Bürger in Zukunft zu verbessern.
Wann wird Ihnen endlich klar, dass Sicherheit im Vollzug nicht nur durch einige Rollen Stacheldraht gewährleistet wird, sondern in erster Linie durch Menschen und Personal?
Warum war dieser nun Flüchtige eigentlich nicht in der Anstalt Celle untergebracht? Er war seit 2003 wegen Mordes verurteilt, hat aber Ende 2004 immer noch in Hannover eingesessen. Er saß noch in der Einweisungsabteilung bzw. wartete darauf, diese durchlaufen zu können, weil es dort nach Ihrer eigenen Aussage eine lange Warteliste gibt. Ist Ihnen eigentlich schon mal der Gedanke gekommen, dass man vielleicht das Personal in der Einweisungsabteilung aufstocken könnte?
Das wäre für die von Ihnen ständig propagierte Sicherheit wahrscheinlich dringend notwendig.
Und was ist mit den Bediensteten, die sich falsch verhalten haben? Nützt es eigentlich der Sicherheit, wenn Sie sie nur auf einen anderen Dienstposten versetzen? Wäre es nicht viel sinnvoller, anstaltsinterne Weiterbildungsmaßnahmen und Fortbildungen zur Auffrischung der Sicherheitsvorschriften zu veranlassen?
Oder sind vielleicht auch solche Maßnahmen wegen Personalmangels nicht mehr leistbar?
Wir werden uns im Ausschuss sicherlich sehr intensiv damit beschäftigen müssen.
Ich möchte noch einige Bemerkungen zu Ihrer Aussage in der Bild-Zeitung vom 29. Dezember machen. Da erklären Sie, seit Ihrem Amtsantritt - das ist nun fast genau zwei Jahre her - seien nur
drei Häftlinge aus dem geschlossenen Vollzug ausgebrochen. Das, Frau Ministerin, ist weniger als die halbe Wahrheit. Das gehört in die Abteilung „tricksen, täuschen und vertuschen“.
Am 4. August 2003 - schon zu Ihrer Regierungszeit - sind aus Celle zwei Gefangene verschwunden. Am 3. September 2004 ist aus Aurich einer und jetzt aus Hannover einer verschwunden. Das sind schon vier.
Aber was ist eigentlich mit dem Gefangenen aus Uelzen, der am 9. November 2004 beim Transport vom Landgericht zurück in die Anstalt flüchten konnte? Wie war es mit dem U-Gefangenen am 24. November, der trotz Handfesseln und Bewachung aus dem Gericht in Goslar flüchten konnte? Wie war es eigentlich mit dem Gefangenen am 20. Dezember vorigen Jahres, der vom Amtsgericht in Brake entkam? Der hat nämlich in der Mittagspause die Tür seiner Arrestzelle eingetreten. Aber keiner hat das gehört. Wie man das so leise macht, muss mir erst mal jemand erklären.
Und wie war es mit dem U-Gefangenen, der am 26. August 2004 aus dem Amtsgericht Wolfenbüttel entkam? Der entkam aus dem Toilettenfenster.
Dann gab es noch einen weiteren, der am 17. Dezember 2003 aus dem Amtsgericht in Brake entkam. Am 28. August 2003 entwischte Ihnen einer vom Amtgericht in Delmenhorst. Man hatte ihn sinnvollerweise mit Handschellen an eine Leitung in der Amtsmeisterei gefesselt. Es ist ihm gelungen, sich aus den Handschellen zu befreien, ohne dass ein Mensch in dieser Amtsmeisterei das überhaupt gemerkt hätte. Weg war er!
Also, Frau Ministerin: Es sind bis zu diesem Zeitpunkt mindestens zehn, über die wir reden. Sie sind alle aus Ihrem Verantwortungsbereich geflüchtet. Ich denke, Sie sind sich bewusst, dass auch eine Flucht aus dem Gericht zu Ihrem Verantwortungsbereich gehört. In diesem Bereich - bei den Gerichten und bei Transporten - ist die Sicherheit löcherig wie ein Schweizer Käse.
Was tun Sie eigentlich gegen diese Sicherheitslücken? Dazu haben wir bis heute noch kein einziges Wort gehört. Das versuchen Sie schlicht und einfach auszublenden oder zu verdrängen.
Eines aber, Frau Ministerin, ist klar: Für die Sicherheit der Bevölkerung macht es keinen Unterschied, ob jemand über die Mauer oder über die Dächer geht oder ob jemand beim Transport oder vom Gericht wegläuft. Das kommt auf das Gleiche heraus.
Ich kann Ihnen nur sagen: Die von Ihnen ständig beschworene Sicherheit im Vollzug wird von Ihnen nicht eingehalten. Das nennen wir Wortbruch.
Herr Präsident! Herr Kollege Nacke und Herr Kollege Lehmann, ich kann ja gut verstehen, dass Ihnen unser Antrag nicht passt.
Dann müssten wir nämlich inhaltlich erneut darüber diskutieren, welche Defizite es in der Vollzugspolitik der Landesregierung und der sie tragenden Fraktionen gibt.
Zum anderen: Wenn Sie sich erdreisten, uns zu unterstellen, wir wollten die Justizvollzugsbediensteten verunglimpfen, dann kann ich Ihnen nur Folgendes sagen: Sie beide, die Sie hier neu sind, sollten einmal in alten Protokollen nachlesen, wie Ihre Vorgänger mit solchen Vorfällen umgegangen sind - und zwar nicht nur bezogen auf die damali
gen Minister, sondern auch bezogen auf das Personal.
Ich verwahre mich gegen eine solche Unterstellung.
- Wer schreit denn da immer von der Ministerbank? Das ist, wie ich glaube, nicht zulässig. - Entschuldigung, es kam von dort drüben.
Nun zu der Frage, was für ein Sanierungsbedarf eigentlich besteht. Die Ministerin sagt immer, es gebe einen Sanierungsbedarf in Höhe von 124 Millionen Euro. Ich kann das nicht im Einzelnen nachrechnen. Ich nehme das einmal so hin und bestreite es auch gar nicht. Bei den vielen Anstalten, die wir in diesem Lande haben, werden Sie den Bedarf nie ganz abarbeiten können. Immer dann, wenn Sie an dem einen Ende fertig sind, fangen Sie an dem anderen Ende wieder an. Machen Sie uns also nicht solche Vorhaltungen. Sonst müsste ich einmal heraussuchen, was wir 1990 teilweise an Schrotthaufen übernommen haben.
Was wir in den 13 Jahren an finanziellen Mitteln für Bau, Sicherheit, Sanierung, Neubauten und zusätzliche Plätze aufgewandt haben, könnte ich Ihnen im Einzelnen mit Zahlen belegen. Ausweislich einer Antwort dieser Landesregierung auf eine Kleine Anfrage sind es in den 13 Jahren insgesamt 151 365 000 Euro gewesen. Wenn Sie sagen, diese Mittel seien in 13 Jahren aufgewandt worden, sage ich Ihnen: Sie müssten erst einmal eine solche Summe in 13 Jahren aufwenden, bevor Sie den Mund aufmachen können. Sie werden aber nie die Gelegenheit haben, 13 Jahre lang in diesem Land zu regieren.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin, lassen Sie mich zur Klarstellung noch einmal Folgendes sagen: Den Ausbruch von zwei Gefangenen aus Celle am letzten Tag unserer Regierungszeit, gemeldet am ersten oder zweiten Tag Ihrer Regierungszeit, habe ich in meine Rechnung nicht mit einbezogen. Aber am 4. August 2003 - zu diesem Zeitpunkt regierten Sie schon ein paar Monate - sind zwei Gefangene aus Celle ausgebrochen. Ich habe sämtliche Meldungen über Vorkommnisse, nur dass wir uns darin nicht missverstehen.
Ich glaube, wir sind uns auch darüber, dass es eine hundertprozentige Sicherheit nicht geben kann. Nur, wenn Ihnen in den letzten zwei Jahren mindestens sechs Gefangene bei der Vorführung zu Zeugenaussagen vor Gericht und Ähnlichem abhanden gekommen sind, dann gibt es da eine Schwachstelle, und über diese Schwachstelle müssen wir reden.
Wir haben das Vollzugskonzept sachlich diskutiert, wenngleich wir auch nicht in allen Punkten der gleichen Meinung sind. Ich wünsche mir, dass wir diesen Antrag genau so sachlich und ausführlich im Ausschuss diskutieren und nicht deshalb eine Beratung im Ausschuss für nicht erforderlich oder lohnenswert halten, weil jemandem der eine oder andere Punkt unangenehm ist. Herr Nacke, so populistisch sollten Sie mit solchen Angelegenheiten nicht umgehen. Aber dass Sie ein gnadenloser Populist sind, das wissen wir schon.
Frau Ministerin, für Sie scheint die Verringerung der Standorte für Registergerichte zu dieser Justizreform dazu zu gehören. Deren Zahl wird in Zukunft von 40 auf 11 reduziert. Wie passt diese Reduzierung von Standorten in dem großen Flächenland Niedersachsen zu der von der Landesregierung propagierten Stärkung des ländlichen Raumes?
Ich schließe meine zweite Frage gleich an: Verfolgt die Landesregierung bei der großen Justizreform und bei dieser Veränderung von Registergerichtsstandorten am Ende die Absicht, kleine Landgerichte in diesem Lande wegrationalisieren zu können?
Vor ungefähr einem Jahr hatten wir schon einmal eine ähnliche Frage gestellt. Damals hieß es zum Bedarf - wie eben schon angesprochen -, die Frage der Belegungsfähigkeit der Anstalten werde wahrscheinlich aufgrund der Rechtsprechung geändert werden. Ich frage die Landesregierung: Welche Änderungen aufgrund der Rechtsprechung zur Unterbringung von Gefangenen hat es tatsächlich im letzten Jahr gegeben? Wir hätten dazu gerne die Zahlen für die einzelnen Anstalten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Haushaltsführungserlass vom Dezember 2003 hat die schwarz-gelbe Landesregierung die Möglichkeit geschaffen, geprüfte Anwärterinnen und Anwärter mit drei Monaten Verzögerung einzustellen. Die Justizministerin hatte bereits vor Wochen angekündigt, von dieser Möglichkeit für die Anwärterinnen und Anwärter im allgemeinen Vollzugsdienst Gebrauch zu machen. Am Mittwoch dieser Woche, also quasi fünf Minuten vor dieser Debatte, ist eine andere, sozialverträglichere Lösung für die Anwärterinnen und Anwärter im allgemeinen Vollzugsdienst gefunden worden. Gefunden wurde diese Lösung allerdings insbesondere durch die konstruktive Mitarbeit des VNSB und durch den öffentlich aufgebauten Druck.
Lassen Sie mich kurz noch einmal aufzeigen, zu welchen existenziellen Schwierigkeiten es sonst für
die Anwärterinnen und Anwärter gekommen wäre: Die Anwärter im allgemeinen Vollzugsdienst sind Zweitberufler. Sie alle sind schon lebensälter, sie haben Familien, sie haben Kinder. Als sie sich vor zwei Jahren entschlossen haben, in den Justizvollzugsdienst zu gehen, haben sie ihre bisherigen Arbeitsstellen kündigen müssen. Sie sind davon ausgegangen, dass sie nach bestandener Prüfung nahtlos übernommen würden. Davon konnten sie auch ausgehen; denn im Vollzug wird bedarfsorientiert ausgebildet. Solange das Land Niedersachsen besteht, hat es das noch nie gegeben, dass solche Kräfte nach der Prüfung auf die Straße gesetzt wurden.
Alle Anwärterinnen und Anwärter wären auf Sozialhilfe angewiesen gewesen; Anspruch auf Arbeitslosengeld haben sie nicht. Die Sozialhilfe wäre als Überbrückungsgeld gezahlt worden. Nach Einstellung in den Dienst hätten die Betroffenen sie zurückzahlen müssen. Sie waren privat krankenversichert, bekamen während ihrer Anwärterzeit einen Zuschuss zum Beitrag der Krankenkassen und waren beihilfeberechtigt. Das alles wäre für die Zeit der Arbeitslosigkeit weggefallen. Was das für die Familien bedeutet, hätte der Justizministerin von vornherein klar sein müssen. Wir begrüßen, dass für die betroffenen Anwärterinnen und Anwärter – wenn auch recht spät – eine andere Lösung gefunden wurde.
Ich will aber auch deutlich machen, dass das Ganze rein rechnerisch bedeutet, dass jede JVA im Lande für ein Jahr auf eine Stelle verzichten muss. Diese Konsequenz ist für eine Justizministerin und für eine Landesregierung, die Sicherheit als oberstes Gebot auf ihre Fahnen geschrieben haben, zugleich auch eine Art von Armutszeugnis.
Die Lösung dieses speziellen Problems ist nur eine Teillösung; denn unser Antrag ist keineswegs erledigt. Es bleiben weitere Betroffene, für die es noch keine angemessenen Lösungen gibt. Im Bereich des Justizministeriums sind das z. B. die neu ausgebildeten Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger. Anstelle einer Übernahme, auf die die Gerichte sehr angewiesen sind, sollen die neu ausgebildeten Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger entlassen werden. Dann sollen Stellen ausgeschrieben werden, auf die sich die Rechtspflegerinnen und
Rechtspfleger bewerben können. So ist uns berichtet worden. Diese Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger haben große Angst. Sie wissen nicht, wann Stellen ausgeschrieben werden, wie viele Stellen ausgeschrieben werden und ob sie vielleicht nicht sogar viel länger als drei Monate mit den gleichen Konsequenzen, die auch für die anderen zutrafen, arbeitslos sind. Wir fordern Sie auf, Frau Heister-Neumann, auch hier für eine sozial verträgliche Lösung zu sorgen.