Protokoll der Sitzung vom 23.03.2006

Worum geht es? - Wir wollen die Palliativversorgung in Niedersachsen verbessern.

(Zustimmung von Heidemarie Mund- los [CDU])

Bei der Anzahl der Einrichtungen liegen wir zwar an dritter Stelle im Bundesvergleich, aber bei der Anzahl der Betten liegen wir im hinteren Feld. Wir brauchen ganz entschieden mehr Betten, um für die Zukunft gewappnet zu sein. Das Thema „palliativmedizinische Versorgung“ passt deshalb sehr gut zu dem, was wir vorhin behandelt haben, nämlich zu der Weiterentwicklung der Pflege.

(Beifall bei der CDU)

Wir wollen, dass alle schwer kranken und sterbenden Menschen in Niedersachsen optimal versorgt werden. Die meisten Menschen wünschen möglichst eine ambulante Versorgung zuhause. Diese wollen wir ihnen auch ermöglichen, indem wir entsprechende Angebote vorhalten. Dafür muss aber noch einiges getan werden.

Es geht nicht nur darum, die Ausbildung derjenigen, die diese schwer kranken und sterbenden Menschen, betreuen, zu verbessern - dieser Punkt findet sich in Ihrem Antrag im Übrigen nicht; in unserem aber sehr wohl -, sondern man muss die Palliativmedizin schon ab dem vorklinischen Semester im Studium vorsehen und dann in die Approbationsordnung der Ärzte einbeziehen. Das haben wir in unseren Vorschlag für den Modellstudiengang in der MHH als erstes aufgenommen. Natürlich besteht auch die Möglichkeit, das in Göttingen zu tun. Das muss man entsprechend klären. - Aber wie gesagt: In Ihrem Antrag ist diese Variante gar nicht berücksichtigt.

Meine Damen und Herren von der SPD, wie wir fordern auch Sie Kompetenzzentren; wir haben sie nur „Stützpunkte“ genannt. Hier wollen wir jedoch nichts Neues schaffen, sondern das, was es schon gibt - und es gibt schon einiges -, verknüpfen. Frau Krämer, Sie haben gesagt, das Geld reiche nicht, 250 000 Euro seien zu wenig. Zugegeben: Das Geld reicht nicht, um alles das, was wir gern möchten, auch wirklich umzusetzen. Aber im Moment haben wir nun einmal nicht mehr Geld, und es ist doch auch nur ein Anfang. Sie sagen, für einen Stützpunkt braucht man 200 000 Euro. Ich frage mich, wie dann in Celle, wohin kein Euro vom Land geflossen ist, ganz von allein und sehr gut vernetzt das „Celler Netz“ entstehen konnte, das die Menschen vor Ort optimal versorgt.

(Zustimmung bei der CDU)

Es gibt doch schon einiges im Lande, was auch durchaus in unserem Sinne ist. Darauf müssen wir jetzt aufbauen. Wir müssen das Geld effektiv ein

setzen, um ein flächendeckendes Netz zu schaffen, z. B. indem ein Team immer gleich ein neues Team in der Nachbarschaft mit in Gang setzt.

Wir haben eine Arbeitsgruppe eingesetzt - das haben Sie eben angesprochen -, um zusammen mit Praktikern im Ministerium die Kriterien zu entwickeln und festzulegen, wie man die zunächst zehn Palliativ-Care-Teams in Niedersachsen einsetzt, nach welchen Kriterien das Geld vergeben werden sollte und wie sie ausgestattet werden müssen. Natürlich sind wir uns einig, dass noch mehr getan werden muss, allein um die Finanzierung der Palliativversorgung sicherzustellen.

Im Zusammenhang mit der Finanzierung haben Sie den Vorschlag zur Verankerung im SGB V aufgenommen. Ich nehme an, das haben Sie in Anlehnung an die Koalitionsvereinbarung im Bund getan. Meines Erachtens muss das, was in der Koalitionsvereinbarung steht, noch erweitert werden; denn die Abrechnung palliativmedizinischer und palliativpflegerischer Leistungen im SGB V und SGB XI, wie sie jetzt geplant ist, beschränkt sich auf die Palliativ-Care-Teams. Für mich stellt sich, solange wir keine flächendeckende palliativmedizinische Versorgung haben, die Frage nach weiteren Abrechnungsmöglichkeiten für niedergelassene Ärzte und Pflegedienste.

Meine Damen und Herren, Sie sehen, wir sind an dem Thema sehr wohl dran. Wir wissen, was getan werden muss. Wir haben das Gutachten in Auftrag gegeben, wir haben Geld in die Hand genommen. Wir haben angefangen und wollen das Netz natürlich auch ausbauen. Unser Antrag ist der weiter gehende, und darum bitte ich Sie alle, ihm zuzustimmen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herzlichen Dank. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Janssen-Kucz. Sie haben das Wort. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im Jahre 2002 hat die SPD-Landesregierung entschieden, in Zusammenarbeit mit den Verbänden der gesetzlichen Krankenkassen in Niedersachsen und der Kassenärztlichen Vereinigung ein Konzept zur palliativmedizinischen Versorgung zu erarbeiten. Im Oktober 2004 wurde uns ein umfangrei

ches Gutachten vorgelegt. Das heißt, es wurde uns nicht vorgelegt, aber seit Oktober 2004 existiert dieses Gutachten. Erst im März 2005, vor einem Jahr, wurde dieses Gutachten der Öffentlichkeit präsentiert. Auf der Grundlage des Gutachtens hat Niedersachsen damit aber einen ganz konkreten Überblick über den Stand der Palliativversorgung in Niedersachsen und eine solide Basis, um die palliativmedizinische Versorgung wirklich weiterentwickeln zu können.

Jetzt, ein Jahr später, im März 2006, hat das Sozialministerium endlich Förderkriterien auf den Weg gebracht. Es soll ein landesweites Netzwerk von Palliativstützpunkten geschaffen werden. Das ist der Punkt Vernetzung, den auch die Kollegin Meißner angesprochen hatte. Die ersten zehn Stützpunkte stehen fest. Jeder Stützpunkt soll mit 25 000 Euro gefördert werden. Das Sozialministerium geht ganz optimistisch davon aus, dass es bis zum Jahre 2008 gelingen könnte, bis zu 20 Palliativstützpunkte in Niedersachsen entstehen zu lassen.

Es wäre schön, wenn es funktioniert. Mir ist aber immer noch nicht klar, wie das mit 25 000 Euro pro Stützpunkt funktionieren soll. Mir ist auch nicht klar, wie es funktionieren soll, dass ein im Aufbau befindlicher Stützpunkt gleich den nächsten mit aufbauen soll. Das stelle ich mir äußerst schwierig vor.

Aber damit haben wir noch lange kein ganzheitliches Konzept zur Weiterentwicklung der palliativmedizinischen Versorgung, das von allen Akteuren und auch von den Kostenträgern getragen wird. Was wir haben, ist ein Rahmenkonzept, mit dem sich weiterarbeiten lässt, aber es bleibt noch viel zu tun. Diese gesamte Vernetzung, die ja nur auf einer Vereinbarung zwischen den palliativmedizinisch qualifizierten Fachärzten, den Palliativdiensten, den stationären Hospizen und auch den Krankenhäusern beruht, muss mit Leben gefüllt werden. Ich bezeichne sie einfach einmal als ein Etappenziel, als einen Schritt in die richtige Richtung.

Wir sind uns doch seit Jahr und Tag darüber einig, dass wir dieses Thema nicht nur ernsthaft diskutieren müssen, sondern dass wir in der Sache etwas bewegen müssen. Ich finde es sehr betrüblich, dass wir seit 2002 in der Sache wenig auf den Weg gebracht haben, dass wir eigentlich nur wissen, wie viele Baustellen noch vor uns liegen, und

dass wir uns jetzt nicht einmal auf einen gemeinsamen Antrag einigen können.

Ich habe immer gesagt: Das ist das Bohren von dicken Brettern. Beim Bohren dicker Bretter sollte man sich eigentlich Hilfe und Unterstützung holen. Vonseiten der Grünen war diese Unterstützung immer da. Ich finde es sehr bedauerlich, dass es uns nicht gelungen ist - ich denke auch an den Akt gestern -, hier gemeinsam auf den Punkt zu kommen und zu sagen: Das wollen wir gemeinsam erreichen. Wir wollen auch die Zeitschiene verkürzen. Wir wollen dieses Netzwerk im Interesse der Menschen in Niedersachsen ausbauen. Wir wollen diese Stützpunkte möglichst schnell auf den Weg bringen, um den schwerstkranken und todkranken Menschen eine Hilfestellung anzubieten.

Ich kann nur sagen: Ich bedauere es vonseiten der grünen Fraktion. Ich kann Ihnen in der Sache nur unsere weitere Mitarbeit anbieten. Ich hoffe - das sage ich jetzt außerhalb der Tagesordnung - -

Als letzten Satz!

- - - dass es nach der Osterpause gelingt, gerade bei diesen wichtigen Themen im Sozialausschuss wieder etwas konstruktiver für die Menschen in Niedersachsen zusammenzuarbeiten. - Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herzlichen Dank. - Für die CDU-Fraktion Frau Kollegin Mundlos! Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Tod macht vor keinem Ort der Welt und vor keinem Menschen halt. Uns Menschen bleibt nichts anderes übrig, als diese Tatsache zu akzeptieren. Besonders schwer fällt uns ein Todesfall, wenn er plötzlich eintritt oder Kinder oder junge Menschen betrifft. Es schmerzt aber mindestens genauso, wenn Menschen mit schweren, qualvollen Krankheiten zu kämpfen haben; wenn es sich dabei um den nächsten Angehörigen handelt, umso mehr. Auch für die Zurückbleibenden ist es unfassbar schwer zu akzeptieren, dass gemeinsame Tage mit Mutter oder Vater gezählt sind.

Dann gerät unser Leben aus den Fugen. Man fühlt sich hilflos. Manchmal überfällt einen das Gefühl der Ohnmacht, der Verzweiflung oder gar der Wut.

Das Thema Sterben und Tod ist in den letzten Jahrzehnten in unserer Gesellschaft tabuisiert worden. Heute, gerade in unserer Zeit neigen wir in unserem Kulturkreis dazu, diese Lebensbereiche komplett aus unserem Bewusstsein und unserem Alltag auszuklammern. Gestorben werden soll möglichst schnell und problemlos, sodass sich niemand mit einem Prozess auseinander setzen muss, der unangenehme Seiten beinhaltet.

So ist es natürlich auch nicht verwunderlich, dass sehr viele Menschen in der anonymen Atmosphäre eines Krankenhauses oder eines Pflegeheimes, also eben nicht zu Hause im Kreise vertrauter Menschen und im gewohnten persönlichen Umfeld sterben. Der Tod passt eben schlecht zu den Idealen und Moden unserer Zeit, die Fitness, Wellness und ewige Jugend propagieren. Er ist für viele nichts anderes als ein Störfaktor, der die Unbekümmertheit des modernen Lebens durchkreuzt.

Vor einiger Zeit ist eine herausragende Persönlichkeit unserer Zeit einen, wie ich finde, sehr mutigen Schritt gegangen. Sie hat das Thema des Sterbens eindrucksvoll dokumentiert, indem sie die Menschen an ihrem Leiden und langsamen Sterben teilhaben ließ und damit das Thema ein Stück weit enttabuisiert hat. Ich spreche von niemand geringerem denn Papst Johannes Paul II. Sein Schicksal hat viele Diskussionen ausgelöst und viele Menschen tief beeindruckt.

Frau Kollegin Mundlos, einen kleinen Moment! Das Thema ist nach meinem Dafürhalten sehr ernst. Dennoch ist das Gemurmel im Saal lauter geworden. - Frau Mundlos, Sie haben das Wort.

Vielen Dank. - Papst Johannes Paul II. hat sich wenige Tage vor seinem Tod noch einmal am Fenster über dem Petersplatz gezeigt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch in diesen sehr schweren Stunden hat er uns allen damit ins Stammbuch geschrieben, keinen Mantel des Schweigens über Krankheit, Sterben und Tod zu legen. Wenn es uns jetzt gelingt, die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, damit Patienten mit Familien ihre schwere Situation besser anneh

men können, dann haben auch sie die Chance, die verbleibende Zeit zu nutzen, und Abschied und Sterben können in Würde erfolgen. Deshalb bin ich außerordentlich froh und auch sehr dankbar, dass wir in Niedersachsen - auch hier im Parlament und in der Landesregierung - dieses Thema aufgegriffen haben, um über die Förderung von Palliativmedizin und Hospizarbeit ein anderes, besseres Klima in unserer Gesellschaft zu ermöglichen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Mir ist bei dieser Diskussion ganz deutlich geworden: Wir haben viele sehr gute Ansätze, sei es bei Hausärzten, Pflegeheimen, Krankenhäusern, Hospizen, im ambulanten, teilstationären und stationären Bereich. Es gibt sehr viele Menschen, die sich intensiv diesem Bereich widmen und ehrenamtlich wirken. Deshalb möchte ich an dieser Stelle die Gelegenheit nutzen, allen, die sich ehrenamtlich, aber auch denen, die sich hauptamtlich für Schwerkranke und Sterbende engagieren, zu danken.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zustimmung bei der SPD)

Sie sind uns Vorbilder und Mahner zugleich. Weil wir diese Menschen sehr ernst nehmen, haben wir im letzten Jahr 250 000 Euro in den Haushalt 2006 eingestellt, um damit erste Palliativstützpunkte zu fördern. Das ist ein Signal in Richtung Hospizbewegung, das von dieser auch anerkannt wird.

Die jetzt von der Sozialministerin vorgestellten Förderkriterien und die ersten zehn Standorte finden große Beachtung. Auch der Gedanke, dass die so gegründeten Stützpunkte sich für andere Städte als Multiplikatoren verstehen sollen und an der Gründung weiterer Stützpunkte aktiv mitarbeiten, wird ausdrücklich begrüßt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Sich gegenseitig zu helfen, sich zu vernetzen, setzt unglaubliche Kräfte frei und passt sehr gut in die Gedanken der Hospiz- und Palliativbewegung.

Im Übrigen bin ich der Landesregierung auch für die umsichtige Vorgehensweise dankbar; denn die Förderkriterien sind im Dialog mit denen entstanden, die sie tragen und umsetzen wollen. Frau Ministerin, das nenne ich gelebte partnerschaftliche Sozialpolitik.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Christa Elsner-Solar [SPD]: Das ist ja nicht auszuhalten!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, neben der Einrichtung von Palliativstützpunkten haben wir uns auch dafür ausgesprochen, Palliativmedizin als Pflichtlehr- und -prüfungsfach in das Studium der Medizin zu integrieren. Ein Modellstudiengang an der MHH setzt bereits erste positive Akzente. So können wir mit Recht sagen: Niedersachsen ist auf einem guten Weg, der bundesweit Beachtung findet.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Daran ändert auch die ständige Kritik der Opposition rein gar nichts.

(Norbert Böhlke [CDU]: Mäkeleien!)

Dass es nun heute zu keinem von allen Fraktionen getragenen gemeinsamen Beschluss kommt, hat die SPD - ich lasse die Grünen außen vor - ganz allein verschuldet.